Tür 23, Schlummerweg

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von Oberfeldwebel Cim Bürstenkinn (SEALS)
Online seit 23. 12. 2014
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Manche Leute singen, tanzen , feiern in der Schneevaternacht, während ihre Kinder schlafen.
Ein Stadtwächter hat andere Vorlieben.

Für diese Mission wurde keine Note vergeben.

An einem sicheren Ort

Cim saß im kahlen Büro des Hauptquartiers der Dunkelwacht, vollgekritzelte Blätter mit Fakten über potentielle Ziele hingen an der Wand, ein recht erbärmlicher Schmuck, und starrte auf das Weinglas vor sich.
Nelli war wie üblich in irgendwelchen Büchern versunken. Es konnte Tage dauern, ehe sie wieder auftauchte, und dabei war es egal ob die Schneevaternacht war oder nicht. Ihr Geschenk würde er ihr wohl erst im neuen Jahr geben können. Und Rabbe – sie war aus Überwald nicht zurückgekehrt. Er verfluchte sich dafür zum falschen Zeitpunkt nicht in der Stadt gewesen zu sein. Vielleicht hätte er etwas verhindern, sie sicher heimbringen können. Doch obwohl es ihr gelungen war, Jargon zu retten war sie selbst unauffindbar und ihre Kollegen mussten nach ergebnisloser Suche ohne sie zurückkehren.
Der Omnier vergrub das Gesicht in beiden Händen, als er sich bewusst machte, dass „schlechter Zeitpunkt“ beinahe sein zweiter Vorname war. Das war auch der Grund warum seine Verlobte Timara seinen Sohn Arim vor ihm versteckte. Er war ein dummes Risiko eingegangen, in den Kerkerdimensionen verschollen gewesen, während sie alleine ein Kind groß ziehen musste.
Sieben Jahre war er nun alt und sah man von wenigen zufälligen Begegnungen in Stadt ab, hatte Cim ihn noch nicht einmal kennengelernt; er sagte zu einem anderen Mann Vater. Seit Langem schon hatte er ein Geschenk für ihn vorbereitet, doch er wusste, dass Timara es wegwerfen–ihn schon gar nicht zu Arim lassen würde.
Eine Idee formte sich in seiner Trostlosigkeit, eine Idee die sowohl Nelli als auch Rabbe ihm ausgeredet hätten, wären sie dagewesen. Doch so dauerte es nicht lange und Cim war mit tief ins Gesicht gezogener Kapuze auf dem Weg zum Schlummerweg 23.

* Schlummerweg 23 *

Es war kurz nach 10:00 Uhr, und als der Wächter bei dem Gittertor ankam, sah er noch Licht im Salon des Hauses. Sein Blick fiel auf die polierte Tafel neben dem Tor, „Familie Sven Thoring, Anwalt“ und er schüttelte den Kopf. Ausgerechnet einen Anwalt musste sie heiraten. Das bedeutete, dass Arim in ein paar Jahren Teil dieser hinterhältigen Gilde sein konnte. Er zwang sich an seinen Plan zu denken, sah sich kurz um und kletterte auf eine Buche, deren Äste über die Mauer, bis in den Garten des Hauses ragten und wartete.
Es verging beinahe eine Stunde und Cim war froh, dass es nur kalt war, aber kein Schnee fiel – als endlich das letzte Licht im Haus, aus einem kleinen Fenster im ersten Erdgeschoß, in dem wohl ein Bediensteter wohnte, erlosch.
Gerade wollte er in den Garten springen, als er drei bekannte Gestalten bemerkte die sich, dicht an die Mauer gedrückt, dem Tor näherten.
„Sch..sch..schnell mach auf. Die Stre…strei..“, stotterte ein langer Kerl den Cim als PiPit kannte und wurde endlich von dem stämmigen Kerl unterbrochen der das Schloss bearbeitete.
„Ja, ich weiß, die Streife ist unterwegs – aber die kommen hier nie her! Also beruhige dich!“, sagte er und konzentrierte sich mit angespanntem Gesicht weiter auf seinen Dietrich. Das war Tarkin der Blonde und Cim fluchte leise. Eigentlich war es seine Schuld, dass die Streifenwächter hier nie vorüberkamen. Er hatte den Routenplan so definiert, um nicht ständig bei seiner größten Niederlage zu patrouillieren. Es war wohl nur eine Frage der Zeit bis die Kerle das mitbekamen.
„Wir haben doch ohnedies unsere Lizenzen mit!“, sagte der Lahme George und grinste dümmlich.
Tarkin sah kurz vom Schloss auf und versetzte George einen Schlag hinter die Ohren. „Und was wollen wir nicht? Hm?“
„A..a..a..bgaben zz..“, begann Pipit eifrig und Tarkin ergänzte. „Genau. Abgaben zahlen. Also haltet die Klape und lasst mich hier arbeiten!“
Kurz darauf wurde er für seine Mühen mit einem freundlichen Klicken belohnt und öffnete zufrieden das Tor.
Eigentlich wollte er nur ein Geschenk vorbeibringen und dann wieder gehen. Aber jetzt sah er drei Diebe auf das Haus in dem sein Sohn lebte zugehen. Vor allem Tarkin hatte einen Ruf bei seinen Überfällen vor Gewalt, meist hämisch als Notwehr dargestellt, nicht zurück zu schrecken.
Er ließ sich vom Ast fallen und machte sich auf den Weg.

* Haus der Thorings *

Im Vergleich zu dem Gartentor, war das Schloss der Eingangstür ein Kinderspiel, freute sich Tarkin und steckte sein Diebeswerkzeug in die Tasche.
Mit der Hand auf der aufwendig verschnörkelten Türklinke drehte er sich um zu seinen Gefährten. „Wenn wir drinnen sind, verteilen wir uns. Zündet jetzt Eure Laternen an, damit ihr nicht über irgendwas im Dunkeln stolpert und das halbe Haus aufweckt. Wenn Euch jemand begegnet, beseitigt ihr ihn!“
„A…a..aber Ta..Ta..Tarkin!”, Pipit war eindeutig unglücklich mit der Anweisung. Tarkin hasste es, wenn der Lange bei seinem namen stotterte.
„Was ist Pip?“
„Es ist Schn…schn… Schneeevatern..n..nacht. Was wen der Dicke…“
Tarkin seufzte. „Ok, wenn euch der Schneevater begegnet, lasst ihr ihn laufen. Zufrieden!“
Pipit nickte.
„Wie wunderbar. In 30 Minuten treffen wir uns wieder hier. Viel Erfolg!“
Einer nach dem anderen verschwand in der Villa.

George nahm sich zuerst die Küche vor. Es war vielleicht nicht der beste Ort um großartige Reichtümer zu suchen, aber er hatte Hunger – sicher war schon etwas für den nächsten Tag vorbereitet. Er wurde mit einem kalten Braten belohnt, der auf dem Herd unter einem Glassturz stand. Er hob ihn hoch und schnüffelte an dem reichen Aroma. Erst jetzt fiel ihm auf, dass es verdammt kalt hier war.
Hatte die Köchin das Fenster offen stehen lassen, damit der Braten nicht… in diesem Moment traf ihn ein Nudelholz am Hinterkopf und er fiel wie ein Stück Holz zu Boden. Cim schaffte es gerade noch ihm den Glassturz aus der Hand zu nehmen und wieder über den Braten zu stellen. Mit einem zerrissenen Küchenhandtuch fesselte und knebelte er den Dieb und löschte seine Laterne. Er suchte weiter nach dem Rest der Bande.

Pipit war schnurstracks in den Salon marschiert, wo auch der Schneevaterbaum stand. Der ganze Raum wurde von einem Kerzenleuchter sanft erhellt, auch wenn zwei der Kerzen durch den Luftzug ausgegangen waren als sie die Eingangstür geöffnet hatten. Was gab es einfacheres als die Geschenke zu durchsuchen – er analysierte den Berg an Päckchen und beschloss sich auf die Kleineren zu konzentrieren. Er hatte nicht viel von Holzschaukelpferden oder Tretrollern – interessant waren Schmuck und Goldmünzen und für die hatte Pipit ein Auge. Drei Geschenke kamen in Frage und er hob das das erste auf und schüttelte es am Ohr. Kurz flackerten die Kerzen, eine weitere ging aus – wahrscheinlich hatte einer seiner Kollegen ein Fenster geöffnet.
Das Päckchen rasselte viel zu sehr. Wahrscheinlich waren ein paar Zinnsoldaten und nichts Wertvolles darin. Achtlos warf er es hinter sich. Er hob das nächste auf und erst jetzt fiel ihm auf was fehlte: „das Tack“ – ein Geräusch dass die Zinnsoldaten machen würden, wenn sie auf dem Boden aufkamen.
Verwirrt drehte er sich um und sah eine düstere Gestalt die in der linken Hand das kleine Päckchen hielt und in der anderen ein Schwert – dessen Knauf ihm mit voller Wucht auf die Stirn geschlagen wurde.
Die Laterne fiel klappernd zu Boden und erlosch noch bevor Pipit umkippen konnte.
Cim zog ihn weg von den Geschenken, fesselte ihn mit Vorhangkordeln und steckte eine Holzkugel vom Baum als Knebel in seinen Mund.
Er musste sich beeilen – der Lärm konnte leicht…. Da traf ihn ein Schlag am Hinterkopf und er landete neben seinem Opfer mit dem Gesicht nach unten.

„Und wer glaubst du zu sein?“, sagte Tarkin gar nicht mehr flüsternd und trat Cim in die Seite „Was hast Du mit George gemacht?“ Erneut trat er zu und Cim stöhnte vor Schmerzen, doch er konnte nicht viel tun – denn sein Gesicht musste verdeckt bleiben.
Er hörte das schleifende Geräusch, als der Dieb sein Schwert blank zog. „Vielleicht wird dir das hier helfen wieder Worte zu….“ Cim hatte nur darauf gewartet, dass er näher kam und zog Tarkin mit dem linken Bein die Füße weg. Erneut verursachte der Dieb einen Höllenlärm als er um Gleichgewicht rudernd sein Schwert, das klimpernd auf den Fliesenboden fiel, verlor und gleich darauf mit dem Kopf auf den Fußboden knallte.
Das musste jemand gehört haben. Schnell zerrte Cim die beiden hinter die breite Couch und tatsächlich kam gleich darauf ein Licht vom Gang näher.
Fieberhaft überlegte Cim – da kam ihm die rettende Idee. Er stürzte den bereit stehenden Brandy hinunter und biss von der Pastete ab. Dann ließ er sich kauend zu den Dieben fallen und spähte hinter der Couch hervor. Eine alte Frau, mit Schlafhaube, langem Nachthemd und Laterne äugte vorsichtig in den Salon. Da fiel der Schein der Blendlaterne auf das Tablett mit dem leeren Glas und der halb aufgegessenen Pastete.
„Der Dicke wird immer heikler!“, murmelte sie und beschloss das am nächsten Tag aufzuräumen. Bald darauf hörte Cim, wie sich ihre Tür schloss und atmete erleichtert auf.
Schwitzend und keuchend schleppte er die Diebe einen nach dem anderen aus dem Haus und fesselte sie an die Buche. Er nahm ihnen den Knebel aus den schlaffen Mündern.
Jetzt musste er nur noch das Geschenk….seine Hand fuhr in seine Tasche – und ins Leere.
„Verdammt nochmal!“, fluchte er und suchte auf dem Boden nach dem kleinen Päckchen. Leider ohne Erfolg. Er konnte es irgendwo verloren haben. Und er hatte keine Lust noch einmal ins Haus zu gehen, im Dunkeln ein Paket zu suchen um schließlich erwischt zu werden.

Wütend stapfte er an Anaglypta Huggs Gesangtrupp vorbei, die soeben vor einer anderen Villa ihr Ständchen hielten ohne sich nach ihm umzudrehen.
Er hätte von Anfang an bei seiner Weinflasche sitzen bleiben sollen, haderte er nun mit sich. Was gab es Besseres als sich in der Schneevaternacht bewusstlos zu trinken.
Doch als er durch den Geheimgang ins Hauptquartier zurückkam, stand Nelli gerade in der Küche, kochte Glühwein und hatte ihre Uniform gegen etwas Bequemeres ersetzt.
„Schöne Schneevaternacht gehabt?“, fragte sie und lächelte.
Cim grinste und schüttelte den Kopf. „Absolut nicht. Aber das kann ja noch werden.


* Eine Stunde später, an der Buche vor dem Anwesen der Thorings *

„Hat keiner von euch gesehen wer der Kerl war?“, fragte Tarkin zum wiederholten Male und zerrte wütend an seinen Fesseln.
„N..nei..nein. Es gi…ging alles vi…vi..“
„Ja, danke ich hab verstanden. Du George?“
„Also ich hab erkannt, dass sie einen leckeren Braten hatten, mit viel Kümmel obendrauf. Ich mag Kümmel und der Saft war schon fest. Ich wünschte ich hätte ein Stück Brot gehabt um …“
Während George seine kulinarischen Phantasien weiter ausführte seufzte Tarkin. Auch er hatte nichts außer einer dunklen Kapuze und den dazugehörigen Umhang gesehen. Und hier her konnte er auch nicht mehr kommen, weil schon mindestens drei Kutschen an ihnen vorbei gefahren waren und sie gesehen hatten.
Plötzlich roch es nach Schweinestall und er glaubte ein Grunzen zu hören. Er wollte nur noch in den Eimer und den Abend vergessen.

* Salon der Thorings *

Der Dicke stapfte auf das Tablett zu und grunzte zornig. Jemand hatte seinen Brandy ausgetrunken und seine Pastete angebissen. Schulterzuckend steckte er den Rest in den Mund und ging Richtung Baum. Da stieß sein Fuß gegen etwas am Boden – er bückte sich und hob das kleine Päckchen auf.
„Für Arim!“, sagte der Anhänger daran.
Misstrauisch sah er sich um – stümperte TOD schon wieder in seinem Revier herum? Doch der Knochenmann war nirgendwo zu sehen. Schließlich legte er das Päckchen mit einigen anderen unter den Baum und verschwand kurz darauf mit einem schallenden „Hohoho“ am Himmel.

Epilog

Am nächsten Morgen riss ein sieben-jähriger Knabe die Augen auf und stellte entsetzt fest, dass es schon fast hell draußen war.
Er stürmte aus seinem Zimmer, donnerte die Treppe nach unten, und schrie dem Dienstmädchen auf dem Weg zum Schneevaterbaum „Morgen Anne!“ zu.
Es waren unzählige Geschenke – viele davon trugen seinen Namen – die in buntes, aufwendig bedrucktes Papier gehüllt waren. Nur eines war in Zeitungspapier gewickelt und mit einer rot-goldenen Schlaufe umhüllt.
Neugierig, vor allem weil es so anders aussah als der Rest, hob er es auf und riss gekonnt die Verpackung herunter.
Es war eine Dienstmarke der Stadtwache.
Unten stand FABRICATI DIEM, PVNK!
Oben AMSW – ARIM
Grinsend steckte er sie in die Tasche und sah sich nach dem größten Paket um.

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Im Salon der Thorings brennen zehn Kerzen.

Als die Diebe die Tür öffnen, löscht der Luftzug zwei der Kerzen. Als Cim den Raum betritt , geht eine weitere Kerze aus.
Angenommen, dass keine weitere Kerze mehr erlischt - wie viele Kerzen sind am Morgen übrig?



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Feedback:

Von Tussnelda von Grantick

28.12.2014

Eine nette kleine Weihnachtsgeschichte; sehr kuschelig für Cim´sche Verhältnisse - sogar alle Diebe kommen mit dem Leben davon. Ich persönlich hätte mir etwas mehr Happy End auch für Cim gewünscht, aber das kann ja noch werden.

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