Tussnelda hat etwas Schlimmes angestellt

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von Wächterin Tussnelda von Grantick (SUSI)
Online seit 10. 08. 2014
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 Außerdem kommen vor: Sebulon, Sohn des SamaxMaganeAraghast BreguyarSillybosCim BürstenkinnKolumbini

Bis heute hat sich das rätselhafte Verschwinden der Wächterin von Grantick nicht restlos geklärt, doch inzwischen scheint Gras über die Sache gewachsen zu sein. Bis ein Todesfall neue Fragen aufwirft. Wird sie Internöl Affärs jetzt endgültig aus dem Verkehr ziehen?



Dafür vergebene Note: 13

Zusammenfassung der bisherigen Geschehnisse:
Am 20. Asche 2005 wird Tussnelda von Grantick mit einer eiligen Nachricht zurück in die heimatliche Langeweile von Quirm gerufen. Dort erwartet sie nicht nur eine sehr unwillkommene Verlobung mit Michael Hochrost, sondern auch eine Reihe von Morden. Einerseits ermittelt die quirmer Polizei in Gestalt von Hans Jedermann in sehr schneidiger, zigarrenrauchender Weise - kommt aber andererseits nicht zu rechten Ergebnissen. Tussnelda übernimmt mit püschologischem Sachverstand und findet bald heraus, dass der Gärtner schuld ist. Der Oberkommissar Jedermann bleibt beschämt zurück.
Im Ekel 2006 greifen Kathiopeja und Tussnelda Fritz Sapperlot auf, der statt Himbeermarmelade das Blut seiner Frau an den Händen hat. Tussnelda leitet das Verhör und ist von seiner Schuld überzeugt - auch dann noch, als eine Befreiungsfront 7 Geiseln nimmt und droht, diese zu töten, wenn Sapperlot nicht frei kommt. Auf Befehl von Cim Bürstenkinn befragt sie den vermutlich Schuldigen noch einmal und unterzeichnet dann den Abschlussbericht mit den Worten: "Abgeschlossen, verdammt noch mal!" Fritz Sapperlot wird daraufhin im Schnellverfahren gehängt.
In der gleichen Nacht wird Tussnelda von einer Kutsche abgeholt, worin sie eine Schatulle aus ihrem Kinderzimmer in Quirm findet. In der Schatulle entdeckt sie einen Zettel mit der Ziffer 4 - der Zellennummer von Fritz Sapperlot. Der Kutscher betäubt sie und fährt sie direkt zum Wachehaus. Tussnelda versteht nun, dass irgendetwas extrem verkehrt gelaufen ist und rast zur Zelle 4. Dort findet sie nur noch einen baumelnden Strick, ein paar Lederschuhe und eine Nachricht. Darin wird ihr offenbart, dass Fritz Sapperlot tatsächlich keinen Mord beging und der "Freund" auch weiterhin beobachten werde, was sie so unternimmt.
Im August des Jahres 2006 ist Tussnelda bei FROG und wird Augenzeuge eines Mordes, als das junge Fräulein Siehdichfür auf offener Straße erschossen wird. Über zwei weitere Opfer wird die Spur schließlich zum Henne-und-Kükenfeld Nr. 10 verfolgt - dem Anwesen der Lady Elasia von und zu Traunstein und Bergig-Kastel. Ihr "Freund" platziert auf ihrem Schreibtisch ein weiteres Schreiben, in dem er sie auffordert allein zu erscheinen. Im Anwesen angekommen findet Tussnelda nun nach mehreren Monaten endlich die "Reste" der Geiseln des Sapperlot-Falles. Eine davon trägt sogar Tussneldas FROG-Uniform, sowie eine weitere Botschaft an die Hauptgefreite.
Bis zum Februar 2007 kehrt Ruhe ein - bis Tussnelda im Schlafsaal der Wache einen neuen Brief findet, eine Zeichnung des Hauses ihrer Eltern. Tussnelda verlässt die Wache Hals über Kopf und geht nach Quirm.
Erst im Sektober 2011 taucht Tussnelda wieder in der Wache auf; und zwar in Handschellen, weil sie offenbar irgendetwas angestellt hat. Die Art des Verbrechens fällt unter den Tisch, Tussnelda nimmt eine Ausbildung als Tatortsicherer auf - allerdings nur, um Zugriff auf die besonderen Ressourcen von SUSI zu erhalten...




***


"Mein Name ist Hans Jedermann. Oberkommissar Jedermann, zumindest war es so und sollte es wieder sein. Es ist nicht mein oberstes Anliegen, nicht ganz und gar privatester Natur, dass dem gnädigen Fräulein ein Denkzettel erteilt wird. Allerdings ist es meine Pflicht, hier die Kräfte walten zu lassen, die einen natürlichen Ausgleich, ja, Gerechtigkeit herstellen. Halten sie mich bitte nicht für grausam, zu keinem Punkt bin ich das gewesen. Immer habe ich Möglichkeiten zugelassen, ausweichende Pfade, Varianten des Handelns. Und immer hatte ich für das gnädige Fräulein die Gelegenheit gesehen, zu obsiegen. Alsdann hätte ich mich geschlagen gegeben. Erneut.
Doch bitte, nehmen sie zuerst Platz. Machen sie es sich ein wenig bequem, hier ein Gläschen Kognak? Vielleicht eine Zigarre? Man bekommt so selten Besuch in diesen Tagen.“
Jedermann nahm seinerseits umständlich die Zigarre schwenkend Platz. Der Salon, in den er seinen Besucher geführt hatte, war mit dunklem Holz vertäfelt, Bilder von Jagdszenen an den Wänden, über dem Kamin Geweihe, eine prachtvolle Standuhr mit golden blitzendem Klöppel. Der Fußboden von plüschigem Rot. Ein aufwendig mit Ranken verziertes Bücherregal nahm eine Seite des Raumes völlig ein, gefüllt mit etlichen Folianten und vergoldeten Bilderrahmen, die Portraits einer attraktiven Mitfünfzigerin und des Gastgebers zeigten. Zwei Clubsessel aus teurem Leder umkränzten einen runden Tisch mit Marmorplatte, darauf stand schon ein Kognakschwenker bereit. Mit großer Geste füllte nun der Gastgeber die Gläser und bedeutete seinem Besucher noch einmal, Platz zu nehmen. Dieser tat wie ihm geheißen, gleichwohl sein Blick immer wieder zu der großen Standuhr glitt, Ticktack, ticktack. Sein Kopf folgte fast unmerklich diesem Takt.
Jedermann lächelte reserviert.
"Wie ich sehe, Sie sind in Eile. Kein Grund Ihre Geduld auf das Unendliche zu erproben. Ich denke, bis hier her dürfte ihnen das Geschehen bereits klar geworden sein. Das junge Fräulein hatte mich lächerlich auf die Probe gestellt, zweifelsohne neidete sie mir meinen Erfolg. Zerstören wollte sie mich, das ist gewiss, da hat mich die hochverehrte Elasia stets bestätigt. Ihre so drastisch zur Schau gestellte Ermittlung im Elternhaus sollte nur dem dienen, sich über mich zu erheben. Es hatte ihr nicht gereicht, dass sie mir schon im Sandkasten die Schaufeln wegnahm, nein mitnichten sage ich ihnen. Sie wollte meinen Ruin. Wollte ihn rückhaltlos. Die ganze Scharade hatte sie für mich inszeniert.“
Jedermann zog inbrünstig an seiner Zigarre und blies den Rauch stoßartig hinaus. Er schmatzte leicht mit den Lippen und berührte dann mit der freien Hand das linke Ende seines gezwirbelten Schnurrbartes.
"Ich gebe es zu, eine Weile habe ich gebraucht. Gefühlt eine Ewigkeit, bis ich die Posse durchschaut hatte. Doch das habe ich mir nicht vorzuwerfen. Hätten sie geahnt, dass eine von Grantick zu solchen Tricks greift?“
Nun krallten sich beide Hände in das Lederpolster, die Zigarre wurde fest gegen das Leder gedrückt. Ein würziges Aroma umhüllte die beiden Gestalten am Tisch und Jedermanns Gegenüber schüttelte ganz sachte den Kopf.
"Eine vorgebliche Verlobung - Pah! Eine Serie von Morden - Grotesk! Doch nicht im schönen Quirm - Mitnichten! [1] Tussnelda von Grantick hatte all dies nur arrangiert, um mir zu schaden. Das liederliche Lachen von Wilkins und Willkins werde ich nie vergessen. Vor allen Kollegen hatte sie mich mit ihrer angeblich so profunden Püschologie völlig und in unerträglichster Weise lächerlich gemacht. Und natürlich, es kam wie es kommen musste“, Jedermann schnaufte unwirsch, "zunächst tuschelten nur die Kollegen, dann der Chef, zu guter Letzt meine Ehefrau.“
Jedermann brach ab und atmete tief durch, sein Blick wanderte durch den Raum, heftete sich dann an das Bücherregal, in dem Buch für Buch, Bild für Bild allmählich verschwand. Schweißperlen bildeten sich auf Jedermanns Oberlippe, er blinzelte.
"Alle haben sich gegen mich verschworen. Untragbar, völlig untragbar - so ein Hirngespinst! Ich soll untragbar geworden sein? Das ist in einer Weise infam, in einer Weise unerträglich die jeder wahre Polizist verstehen wird. Stets sorge ich für Recht, für Ordnung und Anstand, allenthalben. Aus dem Dienst entfernt, wegen einer vorlauten Person, die sich nur auf ihre Geburt berufen kann und glaubt in der Lage zu sein... wahre Polizeiarbeit zu leisten?“
Die Uhr beschleunigte ihr Ticken. Die Knochen von Jedermanns Gast knackten, das Bücherregal versschwand.
"Es wird Zeit für uns zu gehen."
Jedermann erbleichte. Rasch führte er die Zigarre wieder zum Mund und nahm einen Zug, lange genug, dass der Qualm tief in seine Lungen strömen konnte. Sein Blick ging zur Uhr, flog weiter zum Kamin, dessen Flammen einen bläulichen Ton annahmen.
"Der Herr! Ich sehe, Sie haben es eilig. Rasch will ich meine Geschichte ihrem unweigerlichen Ende zu führen.“
"Ich habe eine Schwäche für Enden. Berufsbedingt.“
Jedermann atmete aus, griff nach dem Kognakglas und trank einen zügigen Schluck.
"Jemand musste das gnädige Fräulein belehren. Wer sollte hierfür besser geeignet sein, als ich, ein Mann von Ruf und Vermögen? Ich ging also nach Ankh-Morpork, wo ich glücklich Quartier bei meinem sehr geschätzten Freund Kandel fand. Der gute Kandel war mir, so befand er selbst, noch einen Gefallen schuldig. Es war also nicht schwer, ihn für meine Angelegenheit zu gewinnen. Der erste Schritt war, einen Fall zu finden und so zu platzieren, dass er ihr in die Hände fallen musste. Sie wissen sicherlich, dass es in Ankh-Morpork nicht schwer ist, ein gutes Verbrechen zu finden? Vor allem dann nicht, wenn man solch einen Freund wie Kandel hat? Lady Elasia von und zu Traunstein und Bergig-Kastel ist eine seine liebsten Mandantinnen, gesegnet mit hoher Geburt und herbem Temperament. Ihre Hausangestellte, Elvira Sapperlot bekam dies auf recht... tragische Weise zu spüren.“
"Ich erinnere mich. Frau Sapperlot hatte beim Staubwischen eine Porzellanfigur zerbrochen.“
"Ganz recht, ganz recht. Die Lady war ungehalten, eine Tat im Affekt, möchte ich meinen. Die Lady konsultierte umgehend meinen Freund Kandel. Die Gelegenheit war gekommen. Die Spuren rasch beseitigt, die gute Elvira zurück in ihrem eigenen Haus. Der Rest steht in den Akten, [2] Fritz Sapperlot fand seine Frau, bemerkte ihren Tod und wurde schließlich von der Wache aufgegriffen. Das Tussnelda von Grantick ihn in der Kneipe erwischte, war reinster, wunderbarster Zufall. Dass sie das Verhör führen würde, war schrecklich leicht vorher zu sehen.“
Ein leichtes Lächeln umspielte nun Jedermanns Lippen, verblasste jedoch, als er spürte, wie der Teppich unter seinen Füßen seine Substanz verlor. Das Flackern im Kamin erstarb.
"Wollen Sie nicht fragen, warum?“ Er musterte sein Gegenüber, erschaudernd. "Nun, weil sie damals die erfahrenste Püschologin war. Sicherlich, es gab einen Plan für den Fall, dass es nicht so kommen würde. Aber unsere Vermutungen bestätigten sich auf vollständigster Linie. Sie führte also das Verhör und war wild von der Schuld überzeugt. In allen Dingen folgte sie vorhersehbar dem Dossier von Kandel. Nun musste ihr nur noch das eigene Versagen vor Augen geführt werden. Wir platzierten also eine Nachricht, in der wir die Freilassung des Mannes forderten, verbunden mit der Drohung, ansonsten einige zuvor willkürlich erwählte Geiseln zu töten“, Jedermann schwieg kurz, "Ich wollte ihn retten. Das ist offensichtlich. Sie hätte nur folgen müssen, ihr Versagen eingestehen und sich der Schande stellen.“
"Fritz Sapperlot. Hm. Er starb am Galgen.“
"Ganz genau! Ist das nicht ungerecht? Nur weil sie ihr Scheitern nicht eingestehen konnte! Das Urteil war sehr rasch vorzuziehen, Herr Kandel, er hat seine Methoden. Der Mann, der ihn abholte, war leicht mit ein paar Dollar davon zu überzeugen, einige Dinge zu hinterlassen. Einen Strick nämlich und ein paar Schuhe. MEINE Schuhe! Sie sollte ein paar Meilen in meinen Schuhen laufen! Ja, das sollte sie! Sie ist verantwortlich, für alles!“
Jedermann schnaubte.
"Jeder ist für seine eigenen Taten verantwortlich. Das verstehen Sie bald besser.“
"Oh ich verstehe! Ich verstehe voll und ganz! Sie hätte es ja noch verhindern können, die Vollstreckung, die Geiseln, all das. Ich hatte sie doch hochpersönlich mit der Kutsche direkt zur Wache befördert. Aber sie unternahm nichts. Verstand nichts! Sicherlich, was die Tat selbst betraf, führte ich sie auf eine falsche Fährte. Unmöglich, die arme Lady unnötig hinein zu ziehen. Sie hatte ja bereits genug gelitten...“
Er biss die Zähne zusammen, griff erneut zum Glas. Seine Hand durchfuhr nur leere Luft, das Ticken der Uhr pochte unnatürlich laut in seinem Schädel. Jedermann schrie auf: "Genug! Ich bin noch nicht fertig! Hören Sie auf, wenn Sie Anstand haben.“
Tod beugte sich leicht nach vorn, seine Knochen knackten.
"Hans Jedermann, Sie unterliegen einem schwerem Irrtum. Diesen Raum haben Sie geschaffen... Diesen Raum und alles was darin ist“, Tod räusperte sich, was in Anbetracht fehlender Muskelstränge äußerst hohl klang, "Außer mir natürlich.“
"Sie hat mich umgebracht“, entfuhr es Jedermann in plötzlicher Erkenntnis, die Worte segelten durch den nun völlig leeren Raum.
"Das ist zumindest Ihre Auffassung. An dem Resultat kann allerdings kein Zweifel bestehen.“
Und nun, ganz gemächlich, begann Jedermanns Silhouette zu schimmern. Plötzlich verstand er, erfasste die völlig unerwartete Wendung seiner Pläne. Er versuchte zu keuchen, doch es gelang nicht. Stattdessen verschwand er.

***


05. Spuni im Jahr des prophezeienden Frosches

Regen blieb aus an diesem frühen Morgen, kein Nebel wallte über den Friedhof der geringen Götter, um eine passendere Begräbnisstimmung zu erzeugen. Der Geruch feuchter Erde vereinigte sich mit dem blümeranten Parfüm der in tiefdunklen Taft gekleideten Lady Elasia. Zwischen den Grabsteinen trat die athletische Gestalt Siegfried Kandels hinzu und deutete einen knappen Diener an.
"Mylady? Mein Beileid zu ihrem Verlust", sagte er und reihte sich in den kurzen Trauerzug ein, der genau genommen nur aus ihr, den engagierten Sargträgern, sowie ihren letzten zwei verbliebenen Hausmädchen Betsie und Babsi bestand.
"Mein Verlust? Verschenkt war ich in dieser Treue", erwiderte die Lady und schritt weiter voran, mit kerzengerader Haltung, die Hände vor dem Bauch gefaltet.
Kandel schwieg dazu, bot ihr jedoch den Arm an.
"Hans war mein Abzug", wisperte sie, "Zwang mich, konfrontierte mich mit meinen dunkelsten Gedanken. Ihn zu kennen, war wie einen Teil von mir selbst zu erkennen... Er war die Basis meiner ganzen Integrität. Mein Wirken. Mein Alles und Jedes. Ja, Ja, närrisch war es."
Die Sargträger erreichten nun die ausgehobene Grube und positionierten den Sarg aus billiger Eiche. Hätte Siegfried Kandel die Lady schlechter gekannt, hätte ihn der Anblick irritiert, das kümmerliche, letzte Geleit für Hans Jedermann seine Verwunderung geweckt. So aber wiegte er nur bedächtig den Kopf, schwieg weiterhin und gestattete seiner wertvollsten Mandantin[3], sich ihrem Pathos hinzugeben.
"Doch lebte ich nicht in geraubter Zeit? In einer geraubten Welt? Oh lieber Kandel, Sie in ihrem jugendlichen Alter wissen noch nicht um den Wert der Limitation. Nur was endlich ist, kann nach der Grenzenlosigkeit streben... "
"Werden Sie ihn denn sehr vermissen? Nach diesem unglücklichem Zwischenfall?"
Es Mord zu nennen, wäre wohl taktlos, fügte er in Gedanken hinzu.
Lady Elasia seufzte schwer.
"Ich denke jeden Tag an ihn, dauernd, ständig, ohrenbetäubend laut begleitet er jeden Schritt, jede Tat. Immer noch ist er mir genauso kostbar, wie ganz zu Beginn", ein gut eingeübter Singsang, effektvoll untermalt vom schabenden Geräusch, des in die Grube gleitenden Sarges.
"Und dennoch, ich konnte nicht anders... Von Beginn an wusste ich, ich würde dies nicht ewig können, nicht ewig wollen. Ich wusste, wie ungerecht dies werden würde. Nicht für mich, sondern für ihn."
Mal wieder, dachte Kandel lakonisch und lächelte fein, als die Lady sich von ihm löste, um eine Schaufel Erde auf den Sarg zu werfen. Danach wandte sie sich rasch ab, ergriff voller Energie seinen Arm und sagte:
"Wir müssen über mein Testament sprechen. Jetzt wo dieser Jedermann tot ist, sollte ich mich rasch anderen Dingen zu wenden. Wir sind uns doch einig?"
Tief in seinem Inneren war Kandel ein wenig niedergeschlagen. Jahrelang hatte es für Lady Elasia nichts anderes gegeben, als ihren lieben Hans. Und er hatte die beiden auch noch zu dieser unheilvollen Allianz zusammen geführt. Hätte er nur eine Sekunde geahnt, dass sich die beiden in ihrem Wahn befeuern würden, sicherlich hätte er ein wenig gezögert.
"Selbstverständlich besteht die beste Einigkeit zwischen uns", erwiderte er verbindlich und führte sie hurtig vom Friedhof.
"Aber sagen Sie erst, lieber Kandel - das junge Fräulein wird doch hoffentlich nicht ungebührlich handeln?", hauchte die Dame.
"Gewiss nicht, meine Liebe. Das gute Fräulein von Grantick geht inzwischen wieder völlig in ihrem Wacheleben auf. Unwahrscheinlich, dass sie einen weiteren Vorstoß wagt. Insbesondere ohne weitere Provokation."
"Mein lieber Kandel, Sie scheinen absolut sicher zu sein."
Der Anwalt nickte bedächtig, ein kleines Lächeln umspielte seine Lippen. Doktor Holzkopf war in seinem Dossier über Tussnelda von Grantick sehr deutlich gewesen. Die junge Lady von Grantick würde sich zu keinerlei Handlung hinreißen lassen, ehe sie nicht absolute Gewissheit über die Rechtmäßigkeit ihres Tuns hatte. Und diese Gewissheit war ihr mit Jedermanns Verschwinden abhanden gekommen. Der Doktor hatte oftmals um das absurde Vergnügen gefleht, Tussnelda in den Raum zu führen, in dem Hans Jedermann lange Zeit im Sanatorium verbracht hatte... fast schon in Würgnähe der Quirmerin. Allein um zu beobachten, welche Reaktion dies bei ihr auslösen würde. Allein um festzustellen, ob er sie auch in diesem Punkt richtig eingeschätzt hatte.
"Keine Sorge, meine Liebe. Mir liegt das Urteil eines Fachmannes vor."

***


Später an diesem Tag konnte sich Siegfried Kandel endlich entspannt zurücklehnen. Gab es einen besseren Ort, als dieses Refugium? Er genoss jeden Aufenthalt in dem geschmackvoll in rot und beigen Tönen gehaltene Raum, der mit luxuriösen Ledermöbeln und einzigartigen Kunstwerken zeitgenössischer Meister ausgestattet war. Durch die Fenster wehte leicht gedämpft das geschäftige Treiben des frühen Abends in Ankh-Morpork herein, durchmischt vom jubilierenden Gesang der Spatzen. Ein weiß behandschuhter Lakai servierte ihnen eben den Fünf-Uhr-Tee in kostbarem Porzellan, schimmernd wie Gold. Ruhig wartete er das Verschwinden des Lakaien ab und wandte seinen dunklen Blick dann zurück zu Schräg, der es sich in dem Ohrensessel ihm gegenüber behaglich gemacht hatte.
"Wie sind Sie zufrieden, Herr Kollege?“, erkundigte er sich höflich.
"Es steht alles zum vorzüglichen Besten, Herr Kollege“, erwiderte Schräg gedehnt.
"Erfreulich. Aber sicherlich wäre das Beste kein Anlass, um hier zusammen zu finden“, milde lächelnd griff Kandel nach der Teetasse und sog das Aroma ein.
"Das Wesentliche erreichen wir über Umwege, der kluge Mann meidet den direkten Weg in der ersten Instanz“, Schräg lächelte, aber das Lächeln war bestenfalls höflich, erreichte nicht die erloschenen Augen des Gildenvorstehers.
"Die Präambel der Gilde ist heute genauso Weise, wie zur Zeit ihrer Niederschrift, Herr Kollege. Lassen Sie mich einwenden, dass sie im Kollegium angewandt nur zu unnötigem Annahmeverzug führen könnte“, Kandel nahm einen Schluck und überschlug die Beine, seine Hände ruhten auf den Armlehnen des roten Ohrensessels.
"In dieser Ansicht dürfte ein gewisser Konsens bestehen, Herr Kollege. Nun, wie ich höre, hatten Sie in letzter Zeit häufiger vor der höchsten Gerichtsbarkeit zu tun?“
"Das eine oder andere Mal mag dies durchaus der Fall gewesen sein. Schwurgerichte fordern den findigen Anwalt doch in mancherlei Weise heraus. Zum Ende zählt allein der Rechtspruch, unanfechtbar und für alle bindend“, Kandel grinste.
"Selbst der findigste Anwalt verliert seine Reputation im gleichen Maße, wie seine Klienten. Abyssus abyssum invocat. [4]
Diese so ruhig vorgetragene Aussage, ließ Kandels Augenbraue in die Höhe schnellen.
"Herr Gildenvorsteher“, hob er an, wurde jedoch unterbrochen.
"Lady von und zu Traunstein und Bergig-Kastel hat unsere Möglichkeiten in beträchtlichem Maße in Anspruch genommen“, Herr Schräg schwieg kurz und zog eine Ausgabe der Times aus seiner Lederaktentasche, die an seinem Sessel lehnte. Er legte sie auf den kleinen Mahagonitisch und tippte mit seinem knöchern wirkenden Zeigefinger auf eine Überschrift.
"Tragischer Todesfall im Haus des Schreckens“, las er vor und lehnte sich dann wieder zurück, sinnierend einen Finger an die Lippen gelegt.
"Ich erinnere mich an den Todesfall eines Hausmädchens, einer gewissen Frau Sapperlot. Wurde ihr Mann nicht schuldig gesprochen?“
"Nach geltendem Recht verurteilt“, erwiderte Kandel trocken, arrangierte die akkurate Bügelfalte seiner Hose neu und nahm einen Schluck Tee.
"Schriften bleiben. Und wie erfreulich in der Sache, dass es nicht einmal eine Randnotiz über die Dienstherrin der Dame gibt. Allerdings darf ich Ihnen sicherlich vergegenwärtigen, dass im Hause eben jener Dienstherrin die sieben nicht mehr ganz so frischen Opfer einer Geiselnahme aufgefunden worden? Recht kurz nachdem offensichtlich vom Hause derselben Dienstherrin tödliche Schüsse auf vermutlich unschuldige Passanten abgeben worden waren? Noch nachträglich allerherzlichste Gratulation zu Ihrer Argumentationsführung. Auch die Schadensersatzforderung gegen die Stadtwache war...“, Schräg zog die Augenbrauen hoch und lächelte, "amüsant. Die Gilde war immer sehr froh, dass Sie ihre unschätzbaren Dienste unter die Herrschaft der Gerechtigkeit gestellt haben.“
"Reichtum verdient Recht.“
"lvcre sermat[5], erwiderte Schräg automatisch mit dem Motto der Anwaltsgilde, "Wir bevorzugen, dass Sie auch weiterhin für uns tätig werden.“
"Ich assumiere, dass die Klientin in der Betreuung immer aufwendiger wird, Herr Kollege. Ich werde Siegbert Strohmann im Sinne einer Ultima Ratio[6] konsultieren.“
Schräg griff nach seiner Teetasse, leerte sie in einem Zug und beugte sich dann vor. Leicht hob er den Zeigefinger und richtete ihn auf Kandel.
"Causa finita,[7] Kollege Kandel.“

***


32. Gruni im Jahr des pendelnden Lamas

"Etatkürzungen“, der stechend grüne Blick von Kommandeur Araghast Breguyar hätte das alberne Papier am liebsten entflammt. Der gute Havelock Vetinari hatte eine deutliche Art, seine Zufriedenheit zu zeigen. Ihm blieb also nichts anderes übrig, als sich der verhassten Schreibtischarbeit in besonderem Maße zu widmen, zu schauen, wo mit den kostbaren Dollars geschludert wurde. Er war fündig geworden. Vernehmlich klopfte es da an der Tür, nach einem knapp zwischen den Zähnen durchgepressten "Herein“ trat Magane in das Büro des Kommandeurs.
"Feldwebel Schneyderin[7a], was für eine besondere Freude“, brummte er. Magane salutierte knapp. Araghast erhob sich von seinem Stuhl, allerdings nicht etwa um die Abteilungsleiterin der Susen freundlich zu grüßen, sondern um zu einem der beiden Aktenschränke seines Büros zu gehen. Es dauerte nicht lange, bis der Püschologe mit einem verschlagenen Grinsen verkündete:
"Da haben wir sie ja.“
Mit ausgreifenden Schritten kehrte er zu seinem Schreibtisch zurück, warf die Akte darauf und bedeutete Magane unwirsch, sich zu setzen.
"Sag mal Feldwebel, was ist für dich eigentlich normal?“, eröffnete er das Gespräch, die Fingerspitzen zueinander geführt. Sein Blick durchbohrte die Wächterin mit püschologischem Sachverstand.
"Bitte? Sör, wird das eine Püschositzung?“
"Nein, nein. Es sei denn, es wäre mal wieder eine nötig“, grinste der Kommandeur humorlos und lehnte sich nach vorne. "Also? Was ist denn nun normal?“
Magane rollte leicht mit den Augen. War der Boss auf der Suche nach einem Opfer, mit dem er ein wenig spielen konnte? Konnte er sich dafür nicht jemand anderen suchen?
"Nun ja, Brot. Ich denke Brot ist ziemlich normal.“
Araghast nickte bestätigend, mit süffisantem Grinsen.
"Ja, man kann wohl im Allgemeinen davon ausgehen, dass Brot normal ist. Und weißt Du, was noch normal ist?“
Er beugte sich noch weiter nach vorne, das Grinsen verblasste nun und ließ nur noch das grün schimmernde Auge zurück.
"Es ist normal, wenn ein Wächter seine Ausbildung innerhalb einer normalen Zeitspanne abschließt. Es ist auch normal, wenn ein Wächter nach“, er zählte mit den Finger an, "zehn Jahren Wachedienst es zu etwas mehr gebracht hat, als nur zum Wächter!“
Magane seufzte tief, direkt aus den Katakomben ihres Herzens. Natürlich wusste sie nun, um wen es ging.
"Immerhin war sie davon fast fünf Jahre überhaupt nicht da. Und das ging NICHT auf meine Kappe, damals war sie bei den FROG!“, erwiderte sie.
"Mein lieber Feldwebel, Du willst mir also sagen, dass in DEINER Abteilung die letzten 3 Jahre nicht ausreichten, um eine Spezialisierungsausbildung abzuschließen und endlich mal was auf die Schulter zu kriegen? Habt ihr da unten nichts zu tun?“
Magane wurde blass, ihr war schon klar gewesen, dass dieses Gespräch nicht sonderlich angenehm verlaufen würde, aber dass der Kommandeur SO ungehalten sein würde...
"Sör, die Wächterin Tussnelda von Grantick betreibt eben sehr intensive Studien, um das Fachgebiet ganz besonders tief aufzunehmen. Wenn sie damit erst fertig ist...“
"Ich erwarte, dass sie jetzt fertig wird. Nicht irgendwann. Jetzt! Ich erwarte, dass die ehemalige Hauptgefreite von Grantick ganz schnell wieder zurück auf die Straße findet, um ihren Sold zu verdienen. Und glaub nicht, dass ich nicht weiß, wie wenig die Laboranten von ihrem Dauergast halten! Diese sogenannten Studien kosten Geld, dass ich lieber für ein anständiges Paar Schuhe ausgeben will, verstanden?“
Die Feldwebel nickte und verließ dann von einem ungeduldigen Winken verabschiedet, das Büro.

***


Schicksal hatte ausgerechnet am heutigen Tag[9], Sebulon, Sohn des Samax und seines Zeichens IA-Stammagent ausgewählt, als seinen Gehilfen zu fungieren. Der Zwerg freilich ahnte nichts davon und trat völlig überrascht auf ein Metallrohr, kam ins Stolpern und segelte mit ausgebreiteten Armen auf seinen Aktenschrank zu, der unseligerweise offen stand.
"Sapperlot", rief er aus und ahnte nicht, wie nah er damit im Grunde genommen schon dran war[10]. Ächzend befreite er sich aus der nicht sehr sanften Umarmung der Aktenberge, in die er hineingestürzt war, wobei ihm Schicksal ein besonderes Exemplar hinterher fallen ließ.
"Vermutlich sollte ich all dem Krempel von meinem Schreibtisch doch mal aufräumen", grummelte Sebulon und rieb sich eine schmerzende Stelle am Kinn. Seufzend bückte er sich nach der Kladde, die aus dem Schrank gestürzt war.
"Wen haben wir denn da? Akte Nummer 52, Tussnelda von Grantick. Von der habe ich wirklich lange nichts mehr gehört", murmelte er. Die ewige Wächterin... was wurde eigentlich aus der Püschositzung? Habe ich keinen Bericht von Romulus erhalten?, fragte sich der Zwerg im Stillen und blätterte zu der entsprechenden Seite durch. Was haben wir denn hier?
An der Stelle, an der sich üblicherweise die abschließenden Berichte der Püschologen fanden, war nur kurz vermerkt:

Die Wächterin von Grantick legte ein püschologisches Gutachten des Sanatorium Sandelholz vor, demgemäß nach eingängiger Untersuchung unter Verwendung von wissenschaftlich total anerkannter Methoden die Sache klar ist, nämlich, dass die Wächterin von Grantick völlig normal ist. Unterzeichnet war es von Doktor Holzkopf, dem Leiter des Institutes, womit dann wohl alles in Butter ist.


So richtig gut gefiel dem Agenten das nicht, auch wenn das ziemlich offiziell wirkende Gutachten von Doktor Holzkopf angefügt war. Irgendwas stimmte an dem Ding nicht, es würde wohl kaum schaden, Romulus darauf anzusprechen, auch wenn schon einige Zeit vergangen war. An die Vernehmung von Tussnelda konnte er sich noch gut erinnern. Ihm gegenüber hatte sie damals den Verdacht geäußert, dass ein Kollege von der Wache in die "ganze Angelegenheit" verwickelt war. Sie hatte ihm damals sogar ohne Widerspruch all die Briefe überreicht, die ihr ein unbekannter Täter hatte zukommen lassen. Diese hatte er damals sehr genau von den Laboranten untersuchen lassen, allerdings war, abgesehen von der vertraulichen Ansprache und den von Tussi benannten Fundorten nichts Merkwürdiges daran gefunden worden. Die Handschrift war als eindeutig männlich gewesen, das Papier teuer. Er selbst hatte den Briefeschreiber als nervenkrank bewertet. Alles in allem hatte es in der Sache kein rechtes Fortkommen gegeben, insbesondere weil die Briefe zum damaligen Zeitpunkt bereits fünf Jahre alt gewesen waren. Tussnelda hatte das eigentümlich gleichmütig aufgenommen, fast schon unbeteiligt hatte sie gewirkt. Nein, so richtig gut gefiel das Sebulon wirklich nicht. Auch hier schien es angebracht, die Wächterin einmal darauf anzusprechen.
"In aller Freundschaft."

***


Das Absperrband wehte lustig im Wind. Nebel und Morgengrauen hätten aus dramaturgischen Überlegungen sicherlich gut ausgesehen, leider jedoch war es ein heiterer Frühlingsmorgen. Das Kaffeehaus "Vienna Major“ schmiegte sich ansehnlich in das milde Sonnenlicht, ein dreistöckiger Backsteinbau mit netten Erkern verziert, ein Vorgartenbereich ausgestellt mit runden Tischen und hellen Sonnenschirmen. In einer Vogeltränke zwitscherten Spatzen und das warm-herbe Aroma von viel Kaffee lag in der Luft. Tussnelda kam just aus dem Labor, frisch aus einer langatmigen Auseinandersetzung mit Lady Rattenklein, der es überhaupt nicht gefallen wollte, wenn Tussnelda einen Platz belegte. Hegelkant war da fast schon wie gerufen erschienen und hatte Nachricht gegeben, ihr Ausbilder wünsche sie hier zu sehen. Die Wächterin bahnte sich also einen Weg durch die Schaulustigen, die ziemlich leicht von dem schmalen Durchgang in den Vorgartenbereich abzuhalten waren. Olga-Maria Inös begegnete allem mit schweigendem Blick und quittierte auch Tussnelda von Granticks Eintreffen nur mit ein paar knappen Worten:
"Na, haben sie Dich mal rausgelassen?“
Keine sehr herzliche Begrüßung, aber das war Tussnelda reichlich egal. Sie bemühte sich nicht, kumpelhafte Bande zwischen sich und ihren Mitwächtern zu spannen. Ihre Arbeit war die einzige Realität, die sie brauchte, war ihr Rückzugsort, ihre Sicherheit vor unnötigen Gefühlen. Freundschaft, Liebe, was war das schon? Zerbrochen in einer Sekunde, in einem Augenblinzeln, um den anderen als Mängelwesen zurück zu lassen, für immer gebunden an den Schmerz, an das Wissen, wie es einst gewesen war. Sie erinnerte sich gut daran, wer sie davor gewesen war. Folgsam, Leutselig. Mit dem Recht bewaffnet, immer mutig voran.
"Wäre es nie passiert...", murmelte sie.
"Wie meinen?"
Sillybos korpulentes Erscheinungsbild schob sich in das Zentrum von Tussneldas Aufmerksamkeit.
"Äh", sagte sie, um sich Zeit zu verschaffen.
"Öhm, alle hätten ihren Kaffee bekommen, wäre nicht dieser Zwischenfall gewesen", erklärte sie dann und grinste den Hauptfeldwebel an.
"Nun, dessen können wir uns nicht sicher sein. Wer ahnt schon, wie die Realität sich verhält, wenn man eine Variable ändert?" sinnierte Sillybos.
"Um was geht es denn heute?"
Bedächtig bedeutete ihr Sillybos, ihr näher zum Ort des Geschehens zu folgen. Sie betraten nun das Innere des eleganten Kaffees, welches hochwertig mit roten Ledersesseln und runden hölzernen Kaffeehaustischen ausgestattet war. An einem kleinen Pult, auf dem offensichtlich das Reservierungsbuch lag, saß ein ziemlich toter Kellner.
"Aha."
"Muss sich dieses Spektakel denn so in die Länge ziehen?!"
Ihnen entgegen trat ein hagerer Herr, mit grauem zurückgehenden Haupthaar und beachtlicher Stirnfaltentiefe. Er hatte die eine Hand lässig in die Taschen einer feingewebten Hose geschoben, in dem grauen Cord Jackett steckte ein reinweißes Taschentuch.
"Sie verstehen doch sicherlich, dass diese Verzögerungen schwierig für das Geschäft sind?"
"Herr Kolschitzky, eine sachgemäße Tatortsicherung braucht ihre Zeit."
Sillybos klopfte ihm aufmunternd den Arm und wies auf einen Tisch direkt am Fenster, zwei Tassen mit goldenen Rand dampften. "Nehmen Sie doch bitte wieder Platz, während meine Kollegin hier ihre Arbeit tut."
Herr Kolschitzky lupfte seine beeindruckend buschigen Augenbrauen, kam aber der Aufforderung des Hauptfeldwebels nach. "Was für eine deprimierende Angelegenheit."
Sillybos nickte zustimmend und wandte sich an Tussnelda:
"Es müssen einige Spuren gesichert werden und am besten lernt es sich doch in der Tat. Ich werde mich derweil dort", Sillybos deutete wage in Richtung der zweiten Kaffeetasse, "hinsetzen, die Ergebnisse deiner Bemühungen genau beobachten und dir mit Rat und Tat. ähm, und noch mehr Rat zur Seite stehen."
Damit hatte Tussnelda gerechnet. Seit sie der Abteilung beigetreten war, hatte es nicht viel zu tun gegeben. Und der ephebianische Philosoph hatte sich schon immer eher durch Rat als mit Tat hervorgetan. Ihr war das nur recht. Sie hatte die Gelegenheit genutzt, sich mit allem vertraut zu machen und war ihren eigenen Interessen nachgegangen. Der Beendigung ihre Ausbildung war sie immer aus dem Weg gegangen - ihre Studien verlangten ihre volle Aufmerksamkeit und durften nicht durch profane Ermittlungen, wie dieser hier gestört werden.
Ihren STAUB hatte sie dennoch um einige Komponenten erweitert. Sie war nun quasi völlig apptuhdäjt in Sachen Kriminalistik.
"Sei vorsichtig", mahnte Sillybos, "und zieh dein Haarnetz über."
Die Wächterin tat wie ihr geheißen. Neben Haarnetz und Handschuhen zog sie auch Schuhüberzieher aus ihrem Koffer, nicht ohne einen strafenden Blick in Richtung des Herrn Kolschitzky zu werfen, der ohne jede Vorsicht oder gar Schutzbekleidung durch die Szene lief.
"Ich beginne nun mit einer ersten Begutachtung, bevor ich die einzelnen Indizien markiere und exakte Vermessungen vornehme. Anschließend werde ich Ikonographien der einzelnen Ob- und Subjekte anfertigen, sowie -wenn erforderlich- Proben für das Labor entnehmen", erläuterte Tussnelda ihr Vorgehen routiniert. Sie hatte den Text auswendig gelernt. Er war langweilig und sagte kaum mehr als nichts aus, aber erfahrungsgemäß beruhigte er Zivilisten.
"Gut, gut."
"Meine Güte, wie lange wird das wohl dauern? Gegen 10 Uhr kommen die ersten Damen, um ihren Kaffee zu nehmen... wir müssen doch noch Ordnung machen."
"Das wird schon, der ruhige Arbeiter wird sein Tagewerk zur rechten Zeit vollbringen."
Tussnelda schüttelte sachte den Kopf, Kolschitzkys Anwesenheit verbunden mit Sillybos Weisheiten waren ihr weniger als recht. Kühl beschrieb sie also ihre Eindrücke:
"Ich stelle fest, dass sich unter einem Pult eine Leiche in halb sitzender Position befindet. Unregelmäßige Blutspritzer führen von der Leiche weg, beziehungsweise zu der Leiche hin. In den Torso der Leiche hat sich ein Armbrustbolzen gebohrt", fuhr sie fort und bewegte sich vorsichtig in Richtung der Leiche, peinlich darauf bedacht, nicht in die Spuren zu treten. "Ich bemerke, dass durch die Blutspur Fußabdrücke führen", mit einem weiteren strafenden Blick in Richtung Kolschitzkys fügte sie hinzu: "möglicherweise jedoch von einer tatortberechtigten Person. Bei genauerer Betrachtung der Leiche sehe ich, dass sie in der Hand ein Tuch trägt."
Die Wächterin von Grantick ging vor der Leiche in die Hocke, näherte sich der Leiche und atmete vorsichtig prüfend die Luft ein, begutachtete die Haut, die ausdruckslosen Augen. Mit einem Finger drückte sie vorsichtig gegen die Leiche. "Das Opfer ist etwa 30 Jahre alt, würde ich schätzen. Der Tod wird vermutlich in den letzten vier Stunden eingetreten sein, wenn man die Öffnungszeiten des Kaffeehauses bedenkt..."
"Fein, fein. Sehen Sie, es geht doch vorzüglich voran."
Begleitet von dem irritierenden Kaffeeschlürfen ihres Vorgesetzten erhob sich Tussnelda wieder und ging nun der Blutspur nach.
"Das Opfer hat viel Blut verloren und muss unter starken Schmerzen gelitten haben. Merkwürdig, dass sich der junge Mann diese Strapaze zugemutet hat - was hat ihn veranlasst, vom Ort des Verbrechens bis hierher zu gehen? Warum behielt er dabei das Geschirrtuch in der Hand? Wollte er vor dem Täter fliehen? Folgerichtig wäre gewesen, wenn er versucht hätte, das Kaffeehaus zu verlassen. Stattdessen entschied er sich, zum Gästebuch zu gehen."
"Mit unseren Gästen hat dies doch nun wirklich nichts zu tun", schaltete sich da der Kolschitzky ein, "Als ich ihn das letzte Mal sah, brachte ich die Gäste zur Kutsche. Womit ich ihnen sagen will, dass weder ein Gast und im Übrigen auch kein anderer Mitarbeiter hier gewesen ist. Für mich liegt der Fall völlig klar."
Tussnelda rollte mit den Augen: "Dann lassen Sie uns doch an Ihrem kriminalistischem Gespür teilhaben."
"Simpel. Ein Einbruch. Der Einbrecher war überrascht von Ferdinand, tötete ihn und zog dann unverrichteter Dinge wieder von Dannen."
"Eine interessante Theorie Herr Kolschitzky, die wir sicherlich bedenken werden. Ich schaue mir nun den Ort des Verbrechens selbst an."
Die Spur führte zu einem kleinen Separee, mit einer gedeckten Tafel. Offenkundig hatten zwei Gäste dort gesessen, denn zwei Teller sowie Tassen standen parat.
"Interessant. Zwei Teller, Zwei Gedecke. Etwas scheint mir zu fehlen...", die Wächterin musterte noch einmal angestrengt die Tafel. Ein weißes Tischtuch, sowie heruntergebrannte Kerzen in schweren Haltern deuteten eine gediegene, nächtliche Gesellschaft an. Eine Serviette aus feinstem Damast war unordentlich neben einen Teller geworfen.
"Nun, die Dame scheint recht keck zu sein", der Besitzer erhob sich, "sehr auf Zack, das junge Ding. Ich werde mal draußen nach dem Rechten schauen", mit einem Nicken empfahl sich der Mann und ging in den Vorgarten.
"Es fehlt in der Tat etwas", murmelte Tussi, die inzwischen sehr vertieft war, "sogar etwas mehr als etwas. Es fehlen eine Serviette und eine Kuchengabel."
"Gute Detailarbeit", erwiderte Sillybos, der schnaufend hinter sie trat.
"Gute Kinderstube", meinte Tussnelda, "an einer solchen Tafel ist das Fehlen von Besteckteilen und Servietten zu augenscheinlich. Es drängt sich der Verdacht auf, dass unser Opfer nicht wirklich ein Geschirrtuch hält."
"Frappierend."
Tussnelda kniff die Lippen zusammen und nickte leicht. Mit einem Mal fühlte sie sich schwindelig, Sillybos Stimme klang merkwürdig träge in ihren Ohren.
"Fällt Dir der Geruch auf?"
Sie furchte die Stirn, versuchte sich zu konzentrieren.
"Jetzt wo du es sagst... es liegt etwas in der Luft, etwas dass ich irgendwie nicht richtig greifen kann. Erinnert mich dunkel an etwas."
Sie schloss die Augen, glaubte plötzlich ein Ticken zu hören, ganz gedämpft.
"Parfüm, wenn du mich fragst. Irgendjemand an dieser Tafel hat ein sehr schweres Parfüm benützt, etwas sehr Süßliches."
"Eine Dame", flüsterte die Wächterin und bewegte sich ganz langsam von dem Tisch weg, schüttelte sachte den Kopf und versuchte sich zu sammeln.
"Vielleicht."
"Mh. Ich sollte mich jetzt, nach der ersten Begutachtung, um die Schilder kümmern. Und um die Ikonographien."
"Und ich sollte mich dringend setzen."
Tussnelda von Grantick grinste ein wenig verunglückt. Sie bis in das Separee zu begleiten grenzte für den Philosoph schon fast an Hochleistungssport. Sie bewegte sich wieder zu ihrem Koffer mit dem STAUB und begann, die Nummertäfelchen fein säuberlich an den verschiedenen Positionen aufzustellen. Sie wünschte, bei der anschließenden Vermessung weitere aufschlussreiche Details aufspüren zu können. Zumindest einerseits. Denn andererseits dachte sie wieder einmal an ihre vollmundigen Worte bei dem Bewerbungsgespräch, aus einem Tatort lesen zu können wie aus einem Buch. Sie hatte schnell gemerkt, dass Tatorte insofern mehr Seiten hatten, als gewöhnliche Bücher. Rasch hatte sie damals begriffen, dass sie viel mehr Dinge lernen musste... der Beginn ihrer sehr ausgeprägten Studien über die allgemeine Natur aller Dinge. Sie stöhnte leise. Das Bewerbungsgespräch war damals absolut ein Drahtseilakt gewesen.
Nachdem sie sich taktisch selbst bei Intörnal Affärs angezeigt hatte, um das Bild der reuigen Sünderin zu komplettieren, war die Erwähnung der Asservatenkammer ein erster Schritt in die richtige Richtung. Zwar war sie unschlüssig, ob es wirklich so klug gewesen war, dem Agenten die Briefe zu zuspielen, aber es hatte perfekt in ihre kleine Geschichte gepasst. Verdecke nur so viel, wie gerade nötig, dachte die Wächterin grimmig. Taktik war früher nicht gerade ihre Stärke gewesen, sie war eher eine Frau der direkten Tat gewesen. Aber die Zeiten hatten sich geändert. Die Dinge sprechen sich schnell in der Wache rum. Hätte tatsächlich einer meiner Kollegen etwas mit der Angelegenheit zu tun gehabt, wäre der Täter aktiv geworden. Nun sind fast drei Jahre vergangen und keine Spur...
"Alles in Ordnung? Du schaust so sinnend?", rief ihr Sillybos zu.
"Äh... nein, nein. Ich denke nur nach." Innerlich rief sich Tussnelda energisch zur Ordnung.
"Wohl dem, der denkt!"
Rasch hatte Tussnelda die Arbeit erledigt, nicht ohne Sillybos Ermahnung, es nicht zu schnell anzugehen. Dennoch konnte die Wächterin kaum erwarten, die einzelnen Elemente näher in Augenschein zu nehmen und beschleunigte daher auch noch die notwendigen Ikonographien.
"Hach, diese Jugend", brummte Sillybos kopfschüttelnd und strich sich über das schüttere Haar, "Geduld ist eine Tugend, die man nur unter der Last vieler Jahre lernen kann. Tussnelda, du wirst noch etwas Wesentliches übersehen, wenn du weiterhin so hastig agierst", er deutete wage auf die Fußspuren. "dort kann ich noch keine Nummer sehen und immerhin kann uns der Schuh einiges über den Menschen erzählen, der in ihm läuft."
Ärgerlich brummte von Grantick und holte dann das Versäumnis nach. Hiermit schien jedoch alles gebührend erledigt zu sein. Mit einem Klebeband nahm sie dann einen Abzug der blutigen Fußspur und verstaute ihn in einem Umschlag.
"Es ist wirklich die Serviette", stellte Tussnelda dann fest und ging wiederum vor der Leiche in die Hocke. Der Kellner war überaus gut gekleidet, ein Jackett aus feinem Zwirn, dazu passende Hose, glänzend gewichste Schuhe.
"Aber wieder, es scheint etwas zu fehlen", murmelte die Tatortwächterin in Ausbildung und betrachtete noch einmal ganz genau das Gesicht des jungen Mannes. Er war glatt rasiert, die Kotletten akkurat gestutzt, das Haar in einer säuberlichen Tolle arrangiert. Sie musterte das feine Jackett, das noble Innenfutter. Mit ihrer behandschuhten Hand griff sie in die aufgenähten Taschen.
"Interessant", sagte sie und hielt ihrem Ausbilder einen in der Morgensonne blinkenden Gegenstand entgegen. Eine Kuchengabel. "Absolut interessant. Wir sollten unbedingt auch Proben von den Speisen mitnehmen, sowie Referenzabdrücke von den Schuhen des Mannes."
"Nur frisch ans Werk Tussi", Sillybos lehnte sich entspannt auf dem roten Ledersessel zurück und faltete die Hände über seinem beachtlichen Bauch. "Ich bin sicher, dir ist aufgefallen, dass die Teller wie geleckt sauber sind.“
"Merkwürdig. Aber wir nehmen die Teller trotzdem mit", noch einmal ging Tussnelda zum Pult und blätterte durch das darauf liegende Buch, "dies scheint eine Liste der Reservierungen zu sein. Dann wissen wir schon mal, wen wir vernehmen können.“
"Gemach, gemach. Das wird schon RUM übernehmen. Wir spielen auf dieser Bühne, im Labor und auf dem Seziertisch", erwiderte der Philosoph und schloss leicht die Augen.
Tussnelda von Grantick seufzte und glitt mit dem Finger über die Einträge.
"Leibniz von Tungstein...“, las sie laut vor, verstummte allerdings unwillkürlich.
Sillybos blinzelte und öffnete ein Auge: "Tussnelda? Was Interessantes gefunden?“
Ganz langsam las Tussi den letzten Namen vor:
"Lady Elasia von und zu Traunstein und Bergig-Kastel.“

***


Schwer ließ Tussnelda von Grantick in ihren Bürostuhl sinken. Zwang sich ruhig zu atmen, ganz langsam die von Parfum geschwängerte Luft ihres Büros zu absorbieren. Das eigenartig flaue Gefühl in der Magengrube kam diesmal allerdings nicht von dem hübschen blauen Teppich, den Cim damals aus dem Boucherie Rouge geholt hatte. Die Erinnerung an Lady Elasia und alle Bilder, die mit diesem Namen verknüpft waren, peinigten sie. In ihr Innerstes eingebrannt. Jede Nacht sah sie die Blicke der sieben Leichen, jede Nacht spürte sie, wie sie in einer klebrigen Pfütze aus Blut watete. Niemals hatte ihr Cim vorgehalten, dass die Geiseln nicht gerettet werden konnten, niemals hatte er das Thema mit überhaupt einem Wort erwähnt. Nur durch Nachfragen hatte sie erfahren, dass man der Lady damals wirklich den Prozess gemacht hatte, allerdings war die Sache wenig erfolgreich ausgegangen. Der Anwalt der Dame hatte sehr genau darüber Beweis geführt, dass die Geiselnehmer sich widerrechtlich Zugang zum Anwesen der Lady verschafft hatten. Die Lady selbst sei damals nicht einmal vor Ort gewesen und sehe sehr großzügig von einer Schadensersatzforderung gegen die Wache ab. Tussnelda lehnte den Kopf gegen die Stuhllehne, ihr Blick wurde glasig. Vor ihren Augen flackerten Bilder, sekundenschnell. Sie im Anwesen der Lady. Tatortwächter, die Spuren sammeln. Sie in der Wache, wie sie die letzte Botschaft findet. Wie sie packt, nach Quirm reist. Immer wieder die Zeichnung ihres Elternhauses. Dann, langsam, unendlich langsam das Bild der Flammen, die begehrlich über das Dach ihres Elternhauses lecken, wahnsinnig hell in dieser dunklen Nacht. Qualm vergräbt sich beißend in ihrer Lunge, trotz des nassen Lappens, den sie sich hastig um den Kopf gewickelt hat. Sie schreit, schreit so laut es nur geht, doch nur ein Krächzen entringt sich ihrer Kehle. Krachen, Knistern, die Hitze verbrennt sofort die feinen Härchen auf ihren Armen, wieder schreit sie, als sich der Stoff ihrer Kleidung in die Haut brennt. Wenn sie doch nur ihren Vater finden kann, wenn sie ihn nur rechtzeitig erreicht, ihre Mutter, Mama, wo bist du? Nichts erkennt sie mehr von ihrem Zuhause, wie blind irrt sie durch die lodernde Eingangshalle, Vorhänge, Bilder, alles frisst das Feuer in Sekundenschnelle, der Rauch sammelt sich pechschwarz an der Decke, eine übermächtige Wolke, grauenhaft. Sie japst, kann nicht atmen, sie kann nicht rufen, die Treppe stürzt mit Getöse in sich zusammen, der Weg nach oben versperrt. Ein Ächzen geht nun durch das Haus, dröhnt in ihren Ohren. Gleich wird alles einstürzen, sie für immer begraben. Ein ersticktes Winseln, kaum hörbar, kaum greifbar. Sie zwingt sich in die Richtung, in den Herrensalon. Drückt gegen das Holz der Tür, es hat sich völlig verzogen. Schmeißt sich dagegen, sieht ihre Mama, ihren Papa, halb besinnungslos gefesselt an einen Stuhl.
Es klopfte.
"Das hat jetzt lang genug gedauert!"
Völlig irritiert musterte Tussi Magane, die mit einer Akte in der Hand eingetreten war.
"Hä?"
"Hier, die Akte. Ist doch alles völlig klar. Ich weiß gar nicht, was das ganze bei dir überhaupt soll. Silly hat auch gesagt, dass du alles weißt, was du als Tatortwächter wissen musst. Du machst jetzt die Ausbildung fertig und beginnst endlich den normalen Dienst und damit BASTA", stieß die Feldwebel hervor, setzte sich auf Cims Platz und musterte die Wächterin. "Ist alles in Ordnung?" fragte sie dann unvermittelt.
Tussi atmete heftig aus und fuhr sich durchs Haar.
"Ja, schon. Ich bin nur heute auf etwas gestoßen... bei dem Erinnerungen wach wurden", erwiderte sie ausweichend.
"Erinnerungen?", die Feldwebel beugte sich vor, "Hör mal Tussi, wir kennen uns schon echt lange. Wenn es was gibt... wenn du mal über irgendwas reden willst..."
Tussnelda presste die Lippen aufeinander und schob angespannt den Unterkiefer vor, ihre Hände glitten fahrig über ihre Beine.
"Du erinnerst dich noch an diese Geiselnahme?"
Magane verzog das Gesicht.
"Naja, Geiselnahmen. Davon hatten wir jede Menge. Etwas genauer vielleicht?"
"Vor etwa acht Jahren. Wir hatten damals einen Mörder gefasst", Tussnelda stockte kurz, "Oder zumindest waren wir der Meinung, dass er einer war. Fritz Sapperlot, der damals gehenkt wurde, weil er seine Frau erstochen hatte...", Tussnelda stockte wieder, feiner Schweiß sammelte sich auf ihrer Oberlippe, "Naja. So sah es zumindest aus. Cim hatte mich dann damals angesprochen, weil irgendwer seine Freilassung forderte. Der hatte damals sieben Geiseln genommen."
Magane nickte gemächlich.
"Jaa...", begann sie gedehnt, "Ich glaube, ich erinnere mich. Die Leichen haben wir allerdings viel später erst gefunden, da gab es doch diesen Heckenschützen."
"Ich habe die Geiseln gefunden. Im Anwesen von Lady Elasia von und zu Traunstein und Bergig-Kastel..."
"Stimmt. Bei der Spurensuche kam aber nicht viel raus. Die Lady wurde zwar angeklagt, aber aus Mangel an Beweisen freigesprochen. Wollte sie damals nicht sogar Schadensersatz von der Wache, weil wir diese vorgeblichen Einbrecher nicht abgehalten hätten? Pah, als wären wir Objektschützer", Magane schüttelte grinsend den Kopf, bemerkte dann aber, dass Tussis Blick unwillkürlich auf den Boden geglitten war und sich ihre Hände ineinander verkrampft hatten. "Tussi?"
Die Wächterin blickte auf, die Augenbrauen eng zusammen gezogen.
"Ihr konntet nichts Interessantes finden. Aber ich...", sie brach ab. Nach kurzem Zögern beugte sie sich zu ihren Stiefeln hinab und zog daraus einen kleinen Schlüssel hervor, mit welchem sie die unterste Schublade ihres Schreibtisches öffnete. Sie nahm eine Uniform-Jacke der FROG raus und reichte sie Magane.
"Was soll ich damit? Das ist deine alte FROG-Uniformjacke. Oft hast du sie ja nicht getragen."
"Schau in die Brusttasche."
Magane zuckte mit den Schultern und öffnete die Brusttasche. Darin fand sie einen Zettel, sichtlich oft zusammengefaltet, zerknüllt und wieder glatt gestrichen.

geehrtes Fräulein von Grantick,
Sie wissen die Zeichen einfach nicht zu deuten. Sie enttäuschen mich außerordentlich mit ihrer Unfähigkeit, auch nur ein einfaches Verbrechen aufzuklären. Zwingen Sie mich nicht, noch weiter zu gehen! Ich erwarte nun endlich eine gebührende Antwort auf all dies.

Hoffnungsvoll,

Ein Freund


Magane blickte ungläubig zu Tussnelda.
"Was soll das?", fragte sie scharf, "Woher kommt das?!"
Unbewegt blickte ihr Tussi ins Gesicht, wie versteinert wirkte die Wächterin plötzlich und erwiderte völlig ruhig:
"Die Uniformjacke hatte man einer der Leichen angezogen. In ihrem Mund fand ich diesen Zettel. Als ich die Uniformjacke sah, wurde mir eines klar: Nur ein Wächter oder eine hochrangige Person hätte die Gelegenheit gehabt, meine Jacke unbemerkt an sich zu bringen. Ich musste also zum einen Zeit gewinnen, musste überlegen, was ich tun sollte. Zum anderen war meine Karriere durch die Sache mit Sapperlot schon gefährdet."
"Und glaubst du im ernst, dass dir DAS jetzt nicht schadet?", fuhr die Feldwebel ihre Mitarbeiterin an. "Was glaubst du, wie reagiert der Kommandör, wenn er davon erfährt?"
"Soll er mich doch degradieren", Tussnelda grinste böse, "Was kommt unter Wächter? Ja, ich habe wirklich sehr viel zu verlieren."
Magane schwieg.
"Die Geschichte ist noch nicht zu Ende", setzte sie an.
"Ganz richtig. Sie geht weiter. Mein Freund hat mir eine weitere Nachricht geschickt. Eine Zeichnung, eine Zeichnung von dem Haus meiner Eltern. Das Ganze war also mehr als persönlich. Ich habe damals schnell meine Sachen gepackt und bin nach Quirm gegangen. Ich kam gerade noch rechtzeitig...", erneut verstummte Tussnelda, unwillkürlich hatten ihre Hände angefangen zu zittern, ihre Wangen erröteten. Mit einem Ruck beugte sie sich zu der noch offenen Schreibtischschublade und zog eine Flasche heraus.
"Willst du?"
Magane schüttelte den Kopf.
"Nicht im Dienst. Tussnelda hör mal..."
Die Andere nahm einen sehr tiefen Schluck.
"Ich brauch das jetzt. Magane, wirklich, es tut mir alles so leid", sagte sie, recht leise und schluckte schwer. "Die Wache war mein zu Hause, ich wollte nichts Böses."
Maggie schob ihren Stuhl dichter an Tussi heran und legte ihr den Arm um die Schultern.
"Die Wache ist immer noch dein Zuhause", murmelte sie versöhnlich.
"Ich habe kein Zuhause mehr!"
Sie nahm einen weiteren Schluck aus der Flasche und stellte sie dann hart auf ihren Schreibtisch. Aus einem ledernen Etui fummelte sie eine Zigarette heraus und zündete sie an.
"Es macht dir doch nichts aus?"
Magane rückte ab, atmete heftig aus und klopfte mit dem Finger dann auf die Akte.
"Warum erzählst du mir das? Warum heute?"
"Die Kaffeegesellschaft", sagte Tussi zwischen zwei Zügen an der Zigarette, "Alte Bekannte für die Wache[11]. Vielleicht hast du die Gästeliste gesehen? Die Lady war dabei und wieder ist ein Mann gestorben. Wieder mit einer Armbrust erschossen. Würde mich nicht wundern, wenn wir feststellen: Der Bolzen war eine Spezialanfertigung, besondere Durchschlagskraft, 36 Gramm schwer. Wie damals, bei dem Heckenschützen, den wir nie fanden. Wie damals, bei meinen Eltern. Weißt du, ich kam rechtzeitig. Ich kam rechtzeitig, um mein Geburtshaus abbrennen zu sehen. Ich konnte meine Eltern tatsächlich finden, konnte sie aus diesem Flammenmeer rausholen, obwohl ich kaum noch weiß, wie ich das geschafft habe. Mein Vater...", mit der brennenden Zigarette in der Hand bedeckte Tussnelda ihre Augen, ihre Schultern bebten. Ihre Hand fand die Flasche.
"Oh ihr Götter", murmelte sie, "warum nur habt ihr das zugelassen? Ich hielt ihn in den Armen, meine Mutter hatte schon aufgehört zu atmen, erstickt in der pechschwarzen Hölle, in der HÖLLE!", sie spuckte aus, "mein Vater, er lag in meinen Arm, sein Atem rasselte, sein Herz schlug. Er lag in meinen Armen, er lächelte mich an. Mein Mädchen, sagte er, mein Mädchen und lächelte, fürchte dich nicht, sagte er, schau in die finstre Nacht und lache alles aus, was von dort kommt", nun flossen Tränen über Tussneldas Gesicht, langsam glitten sie ihre Wangen hinunter und tropften ihr Kinn herab. "Eine von Grantick weiß, dass das Schlimmste nicht so schlimm sein kann, wie der Zorn einer von Grantick."
Abwesend glitt Tussis Blick zu dem schmalen Luftschlitz, der die einzige Beleuchtungsquelle des schummrigen Büros war. Sie hatte plötzlich vergessen, dass Magane neben ihr saß.
"Tussnelda?", wieder griff Magane nach ihrem Arm und rüttelte sie leicht.
"Ein Bolzen, ein Schuss", fuhr die Wächterin völlig übergangslos fort, "der Korporal bäumte sich auf, sein Blut auf mir, nur noch ein letztes Ächzen, ein letztes Wort: "Jedermann."
Es klopfte, Sebulon trat ein.
"Guten Tag die Damen", sagte er und verstummte, als er die Situation erfasst hatte: Die Wächterin von Grantick sichtlich emotional labil, rauchend, auf dem Schreibtisch eine Flasche auffallend alkoholischen Inhalts. Feldwebel Magane, deren Finger sich in eine FROG-Uniform gekrallt hatten.
"Störe ich?", sagte er und versuchte es mit einem Lächeln, "Ja nun, ich denke, dann machen wir das wohl später. Richtig?"
Maggie warf ihm einen verärgerten Blick zu und machte mit dem Kopf eine eindeutige Bewegung. Raus, formten ihre Lippen lautlos.
"Ja dann. Also Tussnelda, komm doch mal später bei mir vorbei", sagte er und schob noch hinterher: "Aber nicht zu spät."
Tussnelda schniefte.
"Intörnal Affärs hat wirklich einen unglaublichen Riecher", sagte sie mit versteinerter Miene.
Maggie nickte langsam.
"Darum werden wir uns später kümmern. Jetzt lass mich eine Frage stellen - wurde dein Vater mit einem 36g-Bolzen erschossen?"
Tussnelda nickte.
"Und dieser Jedermann? Kennst du ihn?"
"Ich kannte ihn. Er ist tot."
Maganes Augen weiteten sich.
"Er ist tot?"
"So tot wie man nur sein kann", fast schon fröhlich klangen diese Worte und ein gemeiner Zug hatte sich auf Tussneldas Gesicht offenbart.
"Wie kam das?", fragte Magane alarmiert.
"Stand alles in der Zeitung. Letztes Jahr, stand alles in der Zeitung... ich hätte wirklich gleich zu dieser Person gehen sollen", jetzt brabbelte Tussi wieder, "Vielleicht war ich ja dort. Kann mich nicht erinnern", erwiderte Tussnelda steif, "Ich kann mich wirklich nicht erinnern... Einen letzten Brief habe ich..."
"Zeig ihn mir", sagte Magane.
"Das kann ich nicht. Er ist in meinem Kopf", erwiderte Tussi und betonte jeden einzelnen Buchstaben ganz genau.
"Sag es mir."
"Advokaten und Soldaten sind der Dämonen Spielkameraden[12]"

***


Sonnenlicht schlich sich durch das vergitterte Fenster, erhellte den blanken Boden, glitt über einen Eimer, hinüber zu der schmalen Pritsche auf der Tussnelda lag. Sie hatte einen Arm über die Augen gelegt, um weiterhin in seliger Dunkelheit verbleiben zu können. Ihr Kopf schmerzte. Das Aroma gebratener Würste konnte daran auch nichts ändern. Vor allem, weil die Würste auf der anderen Seite der Gitter gebraten wurden. Mit einem Seufzen schob die Wächterin schließlich die Beine von der Pritsche, in der Stadt begannen die Uhren ihren täglichen Wettstreit um neun Uhr und für halb zehn war eine Besprechung zwischen RUM und SUSI geplant, um über die gegenwärtigen Ermittlungen zu sprechen. Magane hatte sich gestern recht klar ausgedrückt: Dienst nach Vorschrift. Ihre Vorgesetzte wusste derzeit offenkundig noch nicht, wie sie mit Tussis whiskeygeladenen Geschichten umgehen sollte und hatte ersatzweise zunächst Disziplin verordnet.
Tussi schnappte sich ihr Schlafkissen und schlurfte in den Schlafsaal. Die Wächterin konnte die Schlafgeräusche ihrer Mitwächter, die nächtlichen Flüstereien und die Ausdünstungen schwer ertragen. Daher schlief sie wann immer es möglich war, im kleinen Zellentrakt. Nun warf sie das Kissen zurück auf das Etagenbett, in dem sie schlief, wenn ihr nichts anderes übrig blieb, zog sich eine frische Uniform aus dem Spind und begab sich in den dunstigen Waschraum der Wache. Glücklicherweise hielten erstaunlich viele Wächter erstaunlich wenig von Körperhygiene, so hatte sie auch heute Morgen das Zwielicht und vor allem das gesamte warme Wasser für sich. Tussnelda begab sich in den hinteren Teil des Waschraums, legte ihre Uniform auf den Stuhl und griff nach dem Eimer. In diesem Moment öffnete sich die Tür, Cim Bürstenkinn stand darin. Tussi zuckte zusammen. Der Feldwebel war nur mit einer Hose bekleidet und offenbar willig, ein Bad zu nehmen.
"Tag Tussi", meinte er und lächelte leicht, "Waren wir verabredet?"
Er musterte sie, die Wächterin war nur mit kurzen Hosen und einem Leibhemdchen bekleidet. Plötzlich war sie sehr dankbar für das spärliche, dunstige Licht.
"Lange nicht mehr gesehen", erwiderte sie und ging zu dem großen Kessel, um ihren Eimer zu füllen.
"Lag wohl kaum an mir", brummte Cim und ging zu der Nische, neben der Tussi sich bereits häuslich eingerichtet hatte und griff sich ebenfalls einen Eimer.
"Ich hatte zu tun", murmelte sie, schöpfte Wasser und brachte es in den Zuber. Der Feldwebel kommentierte das nicht weiter, sondern begann gleicherweise Eimer um Eimer in den Badezuber zu schöpfen. In stiller Eintracht arbeiteten sie, begleitet vom Scheppern der Eimer, dem Plätschern des Wassers und dem sich überall verteilenden Dampf. Es wurde stickig. Fast schon gleichzeitig griffen ihre Hände zu den Vorhängen, um die Nische abzutrennen. Tussnelda hielt kurz inne.
"Ich hab mir trotzdem Sorgen um dich gemacht", sagte sie, sie standen direkt voreinander, so dicht, dass Cims Atem ihre Wange streifte. "Auf ganz kollegiale Art."
"Ich weiß", sagte er rau, Etwas zuckte kurz in seinem Gesicht. "Ich sollte dann."
Mit einem Ruck zog er den letzten Spalt des Vorhangs zu, räusperte sich und wenige Sekunden später verriet das Plätschern, dass er in den Zuber eingetaucht war. Tussnelda fluchte innerlich, auch wenn ihr nicht ganz klar war, weshalb. Die Wächterin atmete tief ein, irgendwie machte ihr die Luft zu schaffen, ihr Kopf fühlte sich flau an. Das musste an all dem Whiskey liegen, den sie gestern getrunken hatte. Missmutig zog sie die Augenbrauen zusammen - war es wirklich klug gewesen, Maggie so viel zu erzählen? Es war nur so aus ihr herausgequollen, mit diabolischer Freude, fast schon haltlos. Und trotzdem, es waren nur Schnipsel der Geschichte gewesen, nur Details. Sogar Cim kannte letztlich nur Schnipsel...
"Hast du etwas erreicht?"
Bevor Tussi antwortete, zog sie sich rasch das Leibchen über den Kopf und schüttelte die Hose von den Hüften. Mit dem großen Zeh voran kletterte sie in den Zuber und griff sich ein Stück Kernseife aus der Halterung zu ihrer Linken.
"Ähm?"
"Beim Doktor, zumindest nehme ich an, dass du dort warst."
Tussnelda nickte gemächlich. Seitdem sie von Quirm zurückgekehrt war, hatte sie eine beträchtliche Zeit im Sanatorium Sandelholz verbracht. Zunächst war es hauptsächlich eine Zufluchtsstätte gewesen, in der sie sich sicher fühlte - kaum einer kam schließlich freiwillig dorthin, noch nicht mal Doktor Holzkopf war sehr erpicht über die Leitung des Sanatoriums. Mit dem Scheitern ihrer Pläne war die Wache für sie danach die beste Option gewesen, außerdem hatte das Schicksal ein wenig nachgeholfen. Das Sanatorium hatte sie jedoch weiterhin häufig besucht. Der Doktor war ein guter Lehrmeister, nicht nur auf dem Gebiet der allgemeinen Verhaltenslehre, sondern auch in den Bereichen der Anatomie. Er hatte ihr sogar einige... Exponate für... weiterführende Studien zur Verfügung gestellt.
"Zumindest weiß ich jetzt, wie lang postmortale Bewegungen ohne nachweisbare Spuren möglich sind", sagte sie dann, als ihr bewusst wurde, dass Cim ihr Nicken durch den dichten Vorhang nicht sehen konnte.
"Was auch immer dir weiterhilft", brummte er
"Wenn ich jetzt nicht ganz andere Probleme kriege..."
"Hm?"
"Ich hatte gestern ein Gespräch mit Maggie... Mein Freund Whiskey war auch dabei."
"Wir könnten auch mal wieder einen Rotwein miteinander trinken...", entgegnete Cim sinnend.
"Bist ja selten genug im Büro", gab Tussi zurück, "kaum eine Gelegenheit, miteinander Wein zu trinken."
"Hm", brummte Cim, "lass uns das nachholen."
"Hm", erwiderte Tussnelda, die Situation erschien ihr irgendwie - unpassend. Gleichwohl ihr der Mann in der Nische nebenan inzwischen so vertraut war, wie kaum ein anderer, war es eine merkwürdige Vorstellung, ihn SO direkt neben sich zu wissen. Im Grunde trennte sie nur eine Armlänge.
"Tussi?", sagte er dann plötzlich, und etwas in seinem Tonfall alarmierte sie, erinnerte sie daran, wie er üblicherweise bei einem Einsatz klang, wenn er sich zu einer todsicheren Lösung entschlossen hatte, wobei todsicher für gewöhnlich hieß, dass er demselben nur knapp entrann.
"Ja?", stieß sie hervor.
"Hast du zufällig Seife auf deiner Seite?"
"Ähm. Ja, klar."
Cim zog den abgrenzenden Vorhang zur Seite und streckte seine Hand aus. Sein Grinsen, der direkte und unverwandte Blick, mit dem er sie nun über den Rand des Zubers musterte, machte sie verlegen. Einige Sekunden lang schwiegen beide.
"Also?"
"Ja..."
"Seife?"
Unbeholfen taste die Wächterin nach der Kernseife und reichte sie ihm, streifte für einen Augenblick seine Hand. Tussnelda biss sich auf die Unterlippe.
Die Tür ging.
"Morgen miteinander", schmetterte Sebulon in den Raum.
Will denn heute plötzlich jeder baden? fragte sich Tussi im Stillen.
"Tussnelda? Bist du das da hinten? Ich wollte dich an unser Gespräch erinnern", sagte der Zwerg und versuchte sich einmal mehr an einem vertrauenserweckenden Lächeln.
"Der unvermeidliche Sebulon", brummte Cim und zog den Vorhang wieder zu.
"Bin da, Sör, bin da."
"Wunderbar, dann können wir doch?"

***


"Trefft ihr euch öfter im Waschraum?", fragte Sebulon, nachdem sie in sein Büro eingetreten waren und wies ihr einen Stuhl.
"Ich pflege mich grundsätzlich nicht im Waschraum zu verabreden", erwiderte Tussnelda trocken und nahm Platz, "Aber wenn das die einzige Frage war, kann ich ja zu meiner Einsatzbesprechung."
Sebulon musterte die Wächterin, deren Wangen leicht gerötet waren, das nasse Haar hing ihr strähnig ins Gesicht. Natürlich hatte er die Gerüchte über die Abstellkammer gehört und das auch noch Feldwebel Bürstenkinn involviert war, erhöhte seine Neugierde zusätzlich. Dennoch entschied er sich, dieses Thema hinten anzustellen.
"Durchaus nicht. Ich wollte mich noch einmal mit dir über unser gemeinsames Problem unterhalten."
"Möchten Sie den Aufnahmedämon dafür nicht anstellen?"
"Wie?", Sebulon schüttelte leicht den Kopf, lehnte sich zurück und verschränkte die Arme, "Nein. Das hier ist keine Vernehmung. Betrachte es als freundschaftliches Gespräch."
Tussnelda zog eine Augenbraue hoch.
"Ein freundschaftliches Gespräch?"
"Weißt du, ich wusste deine Offenheit damals sehr zu schätzen."
"Offenheit, Sör? In welchem Zusammenhang?"
Sebulons Stirn umwölkte sich, offenbar hatte er die Wächterin auf dem falschen Fuß erwischt und sie schien in keiner Weise gewillt zu sein, ihm ein wenig entgegen zu kommen.
"Weißt du was? Ich bin wirklich hungrig und einen Kakao könnte ich auch gebrauchen. Lass uns doch runter in die Kantine gehen, ja?"
Tussnelda zuckte mit den Schultern, erhob sich und folgte ihm. In bester Wachemanier stiefelten sie einträchtig, in wiegendem Schritt die Etagen hinunter. Als sie die Kantine erreichten, war diese leer wie meist um diese Zeit. Sebulon ging rüber zur Theke, wo neben dem Kaffeedämon tatsächlich eine Kanne Kakao stand, goss sich ein und betätigte anschließend den Kaffeedämon.
"Guck mal, da hinten müssen noch belegte Brote rumstehen", sagte er über die Schulter zu Tussi. Auf Brot ist wenigstens Verlass, dachte er und setzte sich mit den beiden Tassen an einen Tisch.
"Weißt du, was mir keine Ruhe lässt? Was du damals zu mir gesagt hast... dass du glaubst, dass ein Wächter bei der Wache an komischen Geschichten beteiligt war... Aber du weißt ja, dass ich die Briefe, die du mir damals gegeben hast, sehr genau habe untersuchen lassen. Und das nicht wirklich etwas dabei heraus gekommen ist...", Sebulon trank einen Schluck des Kaffees und nahm sich eine Butterstulle.
Die Wächterin kreuzte die Arme hinter dem Kopf, lehnte sich dabei lässig zurück und musterte ihn wortlos.
"Okay, dann anders", sagte er und legte den Kopf leicht schräg, "ich erinnere mich noch ganz gut an gestern Abend. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich dich und Feldwebel Magane in deinem Büro angetroffen habe, wohlgemerkt zur Dienstzeit. Ich erinnere mich auch an eine Flasche. Ich könnte jetzt natürlich auch ein Gespräch mit Feldwebel Magane darüber führen, was los war. Und ich könnte sehr genau überprüfen, womit du deine Zeit verbringst", er setzte ein kleines Lächeln auf. "Ich könnte mit der Angelegenheit aber auch anders umgehen, wenn ich davon ausgehe, dass du grundsätzlich auch weiterhin ein konstruktives Mitglied der Wache bist."
Fragend hob der Agent seine Augenbrauen. Die Wächterin beugte sich nun nach vorne, ihre Augen glitzerten.
"Fragen Sie, Sör. Ich werde antworten, wenn ich kann."
"Wo warst du?"
"Können Sie das genauer spezifizieren? Bis eben zumindest in Ihrem Büro, davor im Waschsaal..."
Sebulon senkte leicht genervt das Kinn.
"Wir haben nie davor besprochen, wo du warst, als du vom Dienst verschwunden bist."
"Nun, ich war einige Tage in Quirm. Danach bin ich direkt nach Ankh-Morpork zurückgekehrt."
Sebulon stutzte.
"Aber du warst fast fünf Jahre lang verschwunden? Du willst mir nicht im Ernst erzählen, dass du die ganze Zeit in Ankh-Morpork warst, während sich deine Kollegen fragten, wo du steckst? Wir haben die halbe Stadt abgesucht und letztlich nur ein verbranntes Haus vorgefunden und wurden per Klackernachricht durch die Polizei von Quirm übe rein abgebranntes Anwesen dort informiert! "
Tussnelda nickte gemächlich, nahm einen Schluck Kaffee und faltete dann die Arme vor sich auf dem Tisch.
"Als ich zurückgekehrt war, habe ich durchaus eine gewisse Zeit damit verbracht, die Wache zu beobachten - die Routen der SEALS auszuloten, die Gewohnheit der Kameraden zu prüfen. Ich wollte nicht unerwartet in bekannte Arme stolpern, solange nicht einige Dinge für mich klaren waren."
"Aber warum hast du dich nicht gemeldet? Offiziell den Dienst quittiert?"
Tussi zuckte mit den Schultern.
"Warum hätte ich das tun sollen? Die Sache war für mich erledigt, jeder Besuch der Wache hätte ein Risiko sein können. Ich hatte meine Zukunftspläne geändert."
Irritiert musterte der Zwerg die Wächterin ihm gegenüber, er kratzte sich am Hinterkopf. Dunkel stieg in ihm die Erinnerung an ein Gespräch auf, das er hier, in der Kantine mitangehört hatte. Zwei Rekruten hatten sich über eine Gefangene unterhalten, die angeblich eigentlich eine Wächterin war. Ja, der Name Tussnelda war auch gefallen.
"Du bist nicht freiwillig zur Wache zurückgekehrt?"
"Das kann man so sagen", die Wächterin nickte, "aber die meisten Leute kommen ja schließlich nicht ganz freiwillig zur Wache.
"Aber die wenigsten in Handschellen."
Tussnelda nickte. "Wohl wahr. Die Umstände waren ein wenig prekär."
"Offen gesagt, habe ich wohl versäumt, den Bericht über deine Festnahme zu lesen..."
"Dem kann abgeholfen werden, Sör. Ist ja alles aktenkundig. Ich habe Herrn Schräg verprügelt."
Die Wächterin grinste, sichtlich erfreut und lehnte sich nun wieder lässig zurück.
"Du hast?! Herrn Schräg? VERPRÜGELT?!"
Wiederrum nickte Tussnelda und fuhr sich dabei leicht über die Lippen.
"Mit großem Genuss."
"Aber dann hat es ein Verfahren gegeben..."
"Nei-hen. Herr Schräg war so freundlich, davon abzusehen. Er hatte wohl seine Gründe..."
Sebulon fuhr sich mit der Hand durch das Gesicht, versuchte sich zu fassen.
"Erklär mir, wie es dazu kam. Und wo warst du eigentlich? Irgendwo wirst du doch gewohnt haben?"
"Jap. Im Sanatorium Sandelholz. Ich verbrachte einige Jahre damit, dort Paragraphen und Präzedenzfälle zu büffeln, die Gildenordnung zu lernen... Wobei dies der schwierigste Teil war, denn der größte Teil davon ist öffentlich nicht verfügbar. Ich wurde dann als Rechtsreferendar der Gilde der Anwälte akzeptiert, bei den Aufnahmeformalitäten hat mir meine", Tussnelda räusperte sich, " noble Abstammung etwas Sinnvolles eingebracht, abgesehen natürlich von der beachtlichen Schulbildung, die den Anforderungen in bester Weise entsprach."
Tussnelda lächelte, aber es war ein grimmiges Lächeln.
Sebulon schüttelte den Kopf, es fiel ihm schwer, das Gesagte mit der Person in Einklang zu bringen, die vor ihm saß. Verblüffung beschrieb es noch nicht einmal annähernd.
"Aber warum das alles? Jetzt mal im Ernst, Tussnelda, du hattest es also richtig zu was gebracht? Warum hast du dann Herrn Schräg angefallen? Und warum hat er dich nicht dafür belangt?"
"Nun, Sör. Das war einfach. Ich stand vor meiner letzten Prüfung, danach hätte es mir freigestanden, als Anwalt in Ankh-Morpork zu prozessieren. Und ich wäre in das Kartell aufgenommen worden..."
Sebulon erstarrte. Das Kartell der Anwälte. Eine nebulöse Vereinigung, deren Mitglied jeder gildenlizensierte Anwalt wurde. Über kaum eine Gilde, über kaum eine Vereinigung war selbst bei den besten Dobermännern so wenig bekannt. Kein Husky hatte es jemals hineingeschafft. Keiner wusste genau, welche Schwüre so ein Anwalt zu leisten hatte, wenn er in das Kartell eintrat. Nur einer war mehr als bekannt: "Ich gelobe feierlich, niemals ein Mitglied der geschätzten Anwaltschaft zu verraten."
"So oder so ähnlich zumindest", murmelte die Wächterin leise, als hätte sie seine Gedanken verfolgt.
"Es gab zwei Möglichkeiten - entweder war es ein Wächter. Oder jemand, der in der Lage war, Zugriff auf die Mechanismen der Justiz Eingriff zu nehmen. So jemand hätte Urteile beeinflussen können, Beweise verschwinden lassen können. Ich stand an der Türschwelle, ich hätte alles erfahren. Leider hatte ich meinen alten Freund einmal mehr unterschätzt."

***


Richten wir nun unseren Blick für einen Moment nach oben, nein, weiter, ganz nach oben. Wir erklimmen Cori Celest, Windung um Windung, bis wir schließlich Würdentrachts gleißende Pracht erreichen. Wir schleichen uns durch die prachtvollen Gemächer, vorbei an weißen und schwarzen Marmorsäulen, beeindruckenden Deckengemälden und goldenen Diwanen. Bis wir schließlich einen schockierend im Barock gehaltenen, von edlen Duftessenzen durchströmten Raum erreichen, eine Note von Patschuli und Jasmin in der Nase. Dort sitzt, auf einem mit Blattgold verziertem Sessel, die Lady.
"Langweilig", sagt die Lady und hält sich die grünlich schimmernde Hand gähnend vors Gesicht.
Schicksal lächelt milde.
"Was genau gefällt dir nicht?", fragt er sehr höflich.
"Dass du deine eigenen Figuren gegeneinander spielen lässt. Das ist nicht nur gegen die Regeln, sondern auch langweilig."
"Die Würfel wollten es so", Schicksal deutet auf den Pasch, den er eben gewürfelt hat. Ich habe nur eine günstige Gelegenheit ergriffen."
"Trotzdem, ich sage es ist nicht in Ordnung, wenn du Sebulon gegen Tussnelda spielen lässt. Wobei ich immer noch finde, dass du das Mädchen gar nicht spielen darfst."
"Ich habe sie dir in einem ehrlichen Spiel abgenommen", erwidert Schicksal lächelnd, "und außerdem hast du Cim bekommen."
"Er ist ein wenig schwierig in den Griff zu kriegen..."
Ein wenig geistesabwesend greift die Lady zum Würfel, rollte sie aus und zieht dann Magane in den Besprechungsraum.
"Oh Bitte, wie vorhersehbar. Das ist deiner doch nicht würdig", Schicksal nimmt nun seinerseits die Würfel lässt sie in seiner Hand kreisen. Er zieht.
"Schicksal! Nicht schon wieder Sebulon!"

***


"Todesursache sind schwere innere Blutungen, da gibt es nichts dran zu deuten. Interessant war allerdings die weitere Begutachtung der Leiche. Im Magen fanden sich Rückstände einer digitoxinartigen Substanz, die ohne Behandlung innerhalb der nächsten Stunden evident zum Tod durch Herzstillstand geführt hätte."
"Das wird der Schütze dann wohl nicht gewusst haben", meinte Kolumbini und paffte an seiner Pfeife.
Maggie nickte zustimmend. "Davon können wir ausgehen. Offen gesagt, war es bei dieser sehr deutlichen Todesursache letztlich nur Zufall, dass wir überhaupt auch den Mageninhalt untersucht haben. Letztlich hat Sillybos darauf bestanden, weil er und Tussnelda diese Kuchengabel in seiner Jacke fanden."
"Das heißt also, dass gleich zwei Personen diesem Kellner ans Leder wollten? Muss ja wirklich eine bedeutende Person gewesen sein."
"Ich bin da anderer Ansicht", mischte sich Tussnelda ein, "wenn ich die Situation am Tatort Revue passieren lasse, glaube ich nicht, dass der Kuchen für ihn bestimmt war. Ganz im Gegenteil, ich glaube, er hätte ihn niemals essen dürfen."
"Kuchen?", Kolumbini klopfte lässig den Inhalt der ausgerauchten Pfeife in einen kleinen Teller und zog aus einer der unerschöpflichen Taschen seines Mantels direkt neuen Tabak. "Wieso Kuchen?"
"Nun...", begann Tussnelda gedehnt, "Stellen wir uns folgendes vor: Eine nächtliche Runde sitzt allein im Separee eines Kaffeehauses, kein anderer Gast ist mehr anwesend. Schließlich löst sich die Runde auf, hinterlässt nur ihre Reste und einen armen Kellner, der aufräumen soll. Was wäre, wenn der Kellner nicht widerstehen konnte? Wenn er einfach von den Resten genommen hätte? Der Kuchen wäre also nie für ihn bestimmt."
"Tussnelda du übersiehst, dass wir keinerlei Reste gefunden haben. Auf den Tellern konnte nicht mal ein Krümel sichergestellt werden. Der Kellner wird doch nicht alles auf den letzten Rest weggeputzt haben", insistierte Sillybos.
"Dann hätten wir auch Speichelreste gefunden, da bin ich völlig bei dir. Aber genau das ist doch merkwürdig - nicht mal mehr ein Krümel deutet auf den Kuchen hin, der so offensichtlich vergiftet war. Eine dritte Person war am Tatort, der Mann, der durch die Blutspuren von Kellner Ferdinand gelaufen ist. Der Mann, der das Gift in den Kuchen brachte, der Mann, der eigentlich aufräumen wollte, aber leider von Ferdinand gestört wurde."
"Das heißt...", begann Maggie und wurde durch ein Klopfen unterbrochen.
Sebulon steckte seinen Kopf durch die Tür.
"Feldwebel? Kann ich dich mal sprechen?"
"Das ist jetzt eher ungünstig, wir sind mitten in einer Einsatzbesprechung", murrte Magane.
"Es ist wichtig", meinte Sebulon und war wieder verschwunden. Seufzend erhob sich Magane.
"Agenten lässt man nicht warten... und vom gerichtsmedizinischen Standpunkt ist eigentlich alles gesagt. Macht halt schon mal weiter", sagte sie nur und verließ den Raum.
"Nehmen wir für einen Moment an, dass die Theorie der Wächterin stimmt", fuhr Kolumbini fort, "und da ich davon ausgehe, dass sie ihren püschologischen Spürsinn nicht völlig verloren hat, bin ich dazu durchaus gewillt... Nun, nehmen wir also an, Tussnelda hat Recht. Dann hätten vermutlich unsere beiden nächtlichen Kuchenesser ebenfalls dieses Gift in sich."
"Es spricht einiges für eine rasche Einvernahme", brummte Sillybos.
"Allerdings. Die passende Medizin sollten wir direkt mitnehmen, nicht dass wir zu spät kommen. Rogi hat da bestimmt was Passendes", nickte Kolumbini, "Verhören können wir die Leute danach immer noch. Wenn Tussnelda Recht hat, führt uns das wohl auch zu dem Armbrustschützen."
"Ich übernehme Lady Elasia"; sagte Tussnelda hastig, quittiert von einem äußerst scharfen Seitenblick von Sillybos.
"Ich komme mit dir", sagte ihr Ausbilder.
"Gut, dann gehe ich zu Leibniz von Tungstein. Das Verhör machen wir anschließend hier", Kolumbini entzündete die zuvor gestopfte Pfeife mit einem Streichholz. "Doch vorher schnell zu Rogi."

***


Tussneldas Gedanken rasten. Wie schaffe ich ihn mir vom Hals?, dachte sie, während ihr Blick durch das träge Gewimmel des Hier-Gibt’s-Alles-Platz hastete. Nachdem sie von Rogi allesamt mit einer Dosis Antidot ausgestattet worden waren, aufgezogen in einer Spritze, instruiert dies direkt in die Herzgegend zu spritzen, hatte sich die kleine Gruppe vor dem Pseudopolisplatz in unterschiedliche Richtungen aufgeteilt.
Warum hat er mich nicht alleine gehen lassen können?
Ihr Blick ging zu Boden, zur Gosse. Allenthalben saßen Bettler, hielten die Hand auf. Wenn Schicksal ihr gewogen wäre...
Sie beschleunigte unwillkürlich ihren Schritt, schlängelte sich durch die Massen.
"Tussi!", keuchte Sillybos hinter ihr. Gut, wenn sie so weiterlief, konnte sie ihn vielleicht abhängen.
"Beeilung Sillybos, es geht um alles!", rief sie über die Schulter und nur sie selbst wusste, dass es um alles letztlich insbesondere für sie ging.
Da! Genau das Gesicht!
"Arif!", an einen kleinen, vielleicht 12 jährigen Jungen, angetan mit einem kartoffelbraunen Überwurf und dunkler Gesichtsfarbe wandte sie sich.
"Mensch Tussi! Du hast dich schon lange nicht bei mir blicken lassen", freute sich der Kleine.
Tussnelda zog schnell ihren Wochensold aus der Tasche und drückte ihn den Buben in die Hand.
"Arif, siehst du den Dicken da hinten? Könnt ihr ihn mir eine Weile vom Hals halten? Eine Stunde wäre gut, eine halbe würde reichen", sagte sie hastig.
Arif nickte.
"Klaro, für dich würde ich alles tun[13]. Wir kriegen das schon hin", der Junge winkte einige seiner Kollegen von der Bettlergilde heran, die so reichlich an der gut gedeckten Tafel des Hier-Gibt’s-Alles-Platz zu finden waren. Die Wächterin nickte knapp und stürzte davon, bahnte sich ihren Weg in Richtung Henne-und-Kükenfeld 10. Kostbare Minuten verstrichen, bis sie endlich die lang gezogene Gebäudefront vor sich sah, an die sie sich so gut erinnerte, wie an ihr Zuhause. Ohne zu zögern drückte sie sich gegen das kunstvoll geschmiedete Tor. Es ließ sich öffnen, völlig widerstandslos.
Noch bevor sie den Klopfer berühren konnte, wurde die mächtige Eichenholztüre aufgerissen, vor ihr stand eine junge Frau in Dienstbotenkleidung, einen Bastkorb in der Hand.
"Stadtwache Ankh-Morpork", begann sie, wurde aber von der jungen Damen unterbrochen, die losschepperte:
"Damit hab ich nichts mehr zu tun! Ich gehe!"
Sie wollte schon die kleine Treppe hinuntergehen, als Tussnelda sie am Ärmel packte.
"Die Lady? Ist sie im Hause?"
"Pah! Sie wird wohl da sein, seit dem Frühstück lässt sie sich nicht mehr blicken. Unmögliche Person! Schmeißt mir das Brot gegen den Kopf! Ich war so dumm, bis zuletzt bei ihr zu bleiben! Alle hat sie schon vertrieben!".
"Das heißt, nun ist ihre Ladyschaft allein im Hause?", fragte Tussnelda rasch.
"Sicher! Wer hält es mit der schon aus?" mit zornesrotem Kopf verließ die Frau die Szene, hinter sich die leise lächelnde Tussnelda. Sie ließ ihren Kopf kreisen, schaute sich genau um, ob irgendjemand in der näheren Umgebung war. Nur das vor Zorn dampfende Dienstmädchen. Rasch zog sie ein Absperrband aus ihrem STAUB und riegelte den Tatort ab. Dann zog sie ihre Handschuhe an.

***


Die Lady würfelt, Ärger lässt ihr Gesicht fast schon violett schimmern. Sie würfelt, eine 3. Mit wenig damenhaften Worten zieht sie Cim in Richtung Henne-und-Kükenfeld.
Schicksal lacht.
"So wird er nie dort ankommen. Sieh es einfach ein, die Runde geht an mich."
"Mein Lieber, rechne mit mir am Meisten, wenn die Aussicht gering ist", hält sie dagegen, doch Schicksal kichert nur.
"Und was sollte das ändern? Er wird ihr höchstens helfen."
"Ich kenne sie besser als du. Sie wird es nicht tun, wenn er ihr zusieht."
Schicksal zieht Tussnelda in das Entre des Anwesens.


***


Tussnelda betrat die Eingangshalle. Unvermittelt wurden die Erinnerungen wach, stiegen ihr in die Nase mit dem Geruch alter Leute, von Pfeifenqualm, blumiges Parfüm. An die Wände verteilt waren insgesamt 12 Stühle aus feinem Kirchholz, mit rotem Plüschpolster versehen. Die Standuhr tickte: ticktack, ticktack.
"Stadtwache Ankh-Morpork", sagte sie, sah vor sich wieder sieben der Stühle besetzt, "Bitte stehen sie alle ganz langsam auf", murmelte sie und vergewisserte sich mit der Hand, dass die Armbrust an ihrer Seite hing. Der Wind pfiff, eine Tür knallte.
Vorsichtig, Schritt für Schritt näherte sie sich der geschwungenen Freitreppe, ließ die Stühle hinter sich.
"Ein Dienstmädchen, ein Koch, ein Gärtner, eine ältere Gouvernante, ein junger Mann in feinem Zwirn, ein kleines Mädchen mit einer Zeitung in der Hand, eine Frau in einer FROG-Uniform...", zählte Tussnelda die damals hier gefundenen Geiseln auf. Sie fühlte sich schwindelig, es rauschte in ihren Ohren. Fast schon glaubte sie Schritte hinter sich zu hören.

***


Es prickelte in Cims Nacken und er beschleunigte seine Schritte. Das subtile Gefühl von Gefahr wurde immer stärker, der Eindruck, aus irgendeinem Grund keine Zeit verlieren zu dürfen. Aber nichts in seiner unmittelbaren Umgebung gab ihm einen Hinweis, es war ein angenehmer Vormittag, die Bewohner Ankh-Morporks gingen mit dem maximal möglichen Maß an Unschuld ihren täglichen Verrichtungen nach. Einem Impuls folgend, wechselte er seine Route von der Königsstraße, rüber zu Teekuchenstraße.

***


"Mein Name ist Tussnelda von Grantick. Hauptgefreite von Grantick, zumindest war es so und sollte es wieder sein. Sie verstehen sicher, dass es meine Pflicht ist, zu aller gebotenen Härte zu greifen?"
"Was wollen Sie von mir?", keuchte Lady Elasia und sank matt auf ihren Frisierstuhl. Ihre prall beringten Finger tasteten ziellos über Tiegel und Töpfe. "Sehen sie nicht, dass es mit mir nicht zum Besten steht?"
"Halten Sie mich bitte nicht für grausam, ich werde ihnen durchaus alle Hilfe zukommen lassen, die ihnen zusteht."
Tussnelda fingerte eine Zigarette aus ihrem Lederetui und entzündete sie.
"Es macht ihnen doch nichts aus?"
Tussnelda wartete keine Antwort ab, sondern nahm einen tiefen Zug. Als sie die Lady in ihrem Gemach angetroffen hatte, war plötzlich Ruhe über sie gekommen. Kalte Ruhe, als schlage plötzlich auch ihr Herz langsamer.
"Sie müssen mir helfen! Jetzt gleich", die Lady war sehr blass, kurzatmig. Die aristokratischen Züge der Frau wurden durch den grotesk weit offen stehenden Mund der alternden Schönheit entstellt, die Augen sausten durch den Raum, ihre Hände fahrig.
"Ich werde ihnen helfen. Ich lasse ihnen eine Möglichkeit, einen Ausweg. Vielleicht werde ich mich sogar geschlagen geben, wenn Sie völlig und absolut ehrlich zu mir sind", Tussnelda stand weiterhin in der Tür, machte keinen Schritt auf die Dame zu.
"Was soll ich tun? Hören Sie, ich werde schreien!"
"Tun Sie das. Wenn Sie möchten, schreien Sie. Ihre Fenster scheinen mir jedoch sehr dicht zu sein und das Haus ist leer...", die Wächterin betrat nun doch noch den Raum, mit langsamen, gemäßigten Schritten.
"Ich würde ihnen also raten, ihr Leid zu verkürzen. Ihr Leben liegt in ihrer eigenen Hand. Erklären Sie mir, wie Elvira Sapperlot starb. Warum Sie sieben Geiseln nahmen und in Ihrem Hause hinrichten ließen. Erklären sie mir auch, warum drei Menschen auf offener Straße von einer Armbrust zerfetzt wurden. Warum die Falltürenfabrik abbrannte", die Wächterin schwieg kurz, nahm einen weiteren Zug und zog dann einen kleinen Flachmann aus der Innentasche ihrer Jacke. "Auch einen Schluck? Nun wohl kaum. Wäre zu ungünstig, nicht wahr?" Sie trank, verschraubte den Flachmann dann fein säuberlich und hielt währenddessen ihren Blick unverwandt auf Lady Elasia gerichtet, deren ohnehin schon blasses Gesicht nun fast schon transparent wirkte. Die Dame japste, keuchte. "Und zu guter Letzt, und darum bitte ich besonders höflich, erklären Sie mir doch bitte, warum mein Elternhaus abbrannte. Warum meine Mutter in den Flammen erstickte. Und warum mein Vater, den ich aus den Flammen gerettet hatte, dann von einem Bolzen ermordet wurde. Erklären Sie mir, warum Sie Jedermann halfen. Und wenn Sie so freundlich sein wollen, erklären Sie mir am besten auch gleich, warum Jedermann es tat und wer Ihnen noch half."
Tussneldas Miene war starr. Sie holte nun einen kleinen Aufnamedämon hervor und schaltete ihn ein.
"Ich habe nichts damit zu tun!", japste die Lady und fuhr sich an die Kehle, "Nichts sage ich Ihnen. Ich verlange, umgehend meinen Anwalt zu sprechen. Ich kenne meine Rechte"
Wiederrum griff Tussnelda in ihre Jackentasche, in ihren Händen hielt sie nun eine Spritze.
"Und welches Ihrer Rechte könnte mich dazu veranlassen, Ihnen dieses Medikament zu injizieren? Kennen Sie die Antwort?", Tussnelda entblößte mit bösem glitzern ihre Zähne und packte die Spritze wieder weg.
"Kein einziges. Ich kenne nur Gerechtigkeit, für die Menschen, die Sie ermordeten. Nur die Rache für meine Familie. Oh ich weiß, Sie haben nichts damit zu tun. Zumindest haben die Gerichte es so entschieden. Aber im Gegensatz zu Ihnen, interessiert mich die Wahrheit der Gerichte nicht. Sprechen Sie. Dann werden wir sehen, welches Gericht Sie diesmal rettet. Welcher Anwalt kann Sie retten, wenn er mit Ihren Worten hört, wie Sie alles gestehen? Aber, immerhin, Ihre hohe Geburt wird Sie vor dem Strick retten."
Ganz langsam nickte nun also diese Lady.
"Gut", japste sie, "gut einverstanden. Sie bestimmen die Regeln."
"Das tue ich der Tat", bestätigte Tussnelda. Wenn auch nur noch für einige kostbare Minuten.
"Elvira Sapperlot, sie war mein Hausmädchen. Immer schon ungeschickt. Ich verlor einfach die Geduld... Jedermann, mein guter Hans... an diesem Tage kam er zum ersten Mal zu mir. Er sorgte für alles Nötige und Elviras Mann wurde festgenommen", eine heftige Hustenattake unterbrach Elasia, "aber er war so anständig", keuchte sie, "als ihr Mann festgenommen wurde, sagte er, wir müssen ihn retten. Er unternahm alles weitere, ich gab ihm Geld, genug Geld, jemanden anzuheuern. Aber Sie", sie streckte die zitternde Hand aus und deutete auf Tussnelda, "SIE! Ihr Wächter wolltet nicht auf unsere Forderungen eingehen. Was hätten wir tun sollen? Jedermann sperrte die Geiseln in den Keller, es dauerte einige Zeit, bis sie tot waren... aber wir haben keine Hand angelegt! Sie waren schuld! Sie hätten sie retten können, das hat er gesagt! Er hat mir alles erzählt, wie Sie ihn ruiniert haben. Seine Karriere zerstörten. So ein anständiger, so ein ordentlicher Polizist, stets auf das Recht bedacht! Sie haben ihn dazu gemacht", wieder verstummte die Lady und begann, heftig zu krampfen. Kleine Schaumbläschen bildeten sich um ihren Mund.
"Nichts haben sie getan... Hans wurde immer niedergeschlagener! Ich musste Sie dazu bekommen, sich ihm zu stellen, zu verstehen, dass all das, alles Ihre schuld gewesen war! Sie fanden sie einfach nicht, diese dummen, nutzlosen Geiseln! Es hätte Ihnen doch klar seien müssen! Ein Koch, ein Gärtner, es war genau zu erkennen auf dem Bild der Geiselnahme, er hatte Ihnen sogar seine Schuhe zurück gelassen."
"Sie wollten meine Aufmerksamkeit erringen", flüsterte Tussnelda, die Kehle wurde ihr eng, ein scharfer Schmerz durchfuhr ihren Arm, ihre Brust, "Der Täter wollte Beachtung. Ein klassischer Serien-Beziehungsmörder... ich habe es nicht erkannt."
Die Lady schrie auf, das Gesicht eine verzerrte Maske.
"JA!"
"Er wollte sich von mir lösen... "
"Den ersten Schuss machte ich, er war so wenig überzeugt, dass es noch Sinn hatte- Aber ich konnte seine Agonie nicht eine Sekunde mehr ertragen... seine Freundschaft, unsere Freundschaft, wurde zu etwas tieferem, etwas Reinerem. Er war so glücklich, als er verstand, dass dies Sie nun hierher bringen würde... er bereitete alles vor, mit großer Akribie. Die Uniform, die Nachrichten. Alles für Sie, nur für Sie.... Er wollte..."
Tussneldas Zigarette war inzwischen bis auf den Filter hinuntergebrannt. Mit den Fingern zerdrückte sie die glimmenden Reste, dankbar über den Schmerz und steckte die Reste der Kippe ein. Der Aufnahmedämon lief weiter in ihrer Jackentasche.
"Sie haben die Fabrik angezündet, um jede Beziehung zu unterbrechen. Mein Elternhaus, alles das."
Die Lady nickte.
"SAGEN SIE ES!", rief Tussnelda aus.
Die Lady ließ die Schultern hängen, rutschte langsam von dem kleinen Stuhl herab, ging allmählich zu Boden.
"So war es", keuchte sie, "So war es. Bitte!"
Tussnelda näherte sich der Lady, die Spritze in der Hand.
"Was bedeutete die letzte Nachricht? Sagen Sie es mir, nur das noch, dann..."
Tussnelda ging neben der Lady in die Hocke.
Diese krallte sich mit der Hand mit einer schier unglaublichen Kraft in ihre Lederjacke. Sie öffnete und schloss den Mund, japste und zog sie dabei noch näher an sich heran.
Eine Tür knallte im Wind.
"Sagen Sie es", flüsterte Tussnelda der Frau zu, ihre Mundwinkel bebten, sie konnte selbst kaum noch atmen, fühlte förmlich wie jede Luft aus ihren Lungen gepresst wurde. Mit einer seltsamen Faszination sah sie der Frau in die Augen, wissend, dass sie keine Antwort mehr erhalten würde. Das Licht der Augen brach.
Schritte.
Kalt.
Für einen Moment schloss Tussi die Augen. Legte den Kopf in den Nacken, immer noch in der eigentümlichen Umarmung der Frau gefangen. Atmete.
Einen Finger nach dem anderen löste sie die Umklammerung der Frau von sich auf, massierte ganz kurz die Finger der Leiche, um das Blut zum weiter fließen anzuregen, nur für einen kleinen Moment. Zog die Schutzhülle der Spritze ab, versenkte sie dorthin, wo eben noch das Herz geschlagen hatte, drückte durch, ganz langsam.
Erhob sich.
Trat einige Schritte beiseite, nahm den Ikonographen aus dem STAUB und begann Aufnahmen des Tatorts zu machen.
Cim trat ein.

***


Schicksal lacht laut. Sichtlich vergnügt beobachtet er, wie Cim Bürstenkinn die Szene überblickt.
"Sagte ich doch, dass er zu spät kommt."
Empört erhob sich die Lady und stürmte aus dem Raum, wobei sie gegen den gerade eintretenden Io stieß oder besser gesagt, auf dessen göttliche Zehe. Ein Fluch entrang sich dem Blinden.

***


Plötzlich hatte Regen in Ankh-Morpork eingesetzt, hatte den frühen Mittag in eine plätschernde Landschaft von Pfützen verwandelt, war weitergezogen zum Abend und verzierte die Straßen lustig mit rauschenden Rinnsalen. Ein merkwürdiger Abend war es, allenthalben gingen Gläser zu Bruch, Kutschen touchierten sich, etliche Kartenspieler wurden beim Falschspiel erwischt und mussten sich fluchend auf der Wache rechtfertigen, weil das Glück sie verlassen hatte. Dagegen erkannte ein Zeitungsjunge, der vor vielen Jahren schon die liebe Mutter verloren hatte, eben diese plötzlich vor der Pforte der Anwaltsgilde und fiel ihr glücklich in die Arme. Der Diener, der die Zeitung flugs aus dem Regen holte, sah plötzlich eine Annonce Sie wartet nur auf dich und schwor sich, endlich die nette Witwe von nebenan zum Tee zu bitten. Beseelt lächelnd legte er die Zeitung auf Herrn Kandels Schreibtisch und empfahl sich den beiden Herren mit respektvollem Nicken, das leichte Lächeln auf seinen Lippen kaum überspielend.
"Ist dies nicht jene von Grantick, gegen die Sie sich so stark ausgesprochen hatten?", Schräg tippte auf die Schlagzeile der Zeitung, "Sie ist also bei der Wache gelandet? Amüsant. Eine Schande im Übrigen, sie wirkte vielversprechend..."
"Anhand Ihrer Reaktion dürfte Ihnen augenscheinlich geworden sein, dass sie im Kartell nur für Verdruss gesorgt hätte", murmelte Kandel und nahm die Ikonographie des Titels genauer in Augenschein. "Das ist sie also..."
Schräg hob erstaunt die Augenbrauen.
"Sie kannten sie bislang nicht persönlich?"
"Nein", ganz genau zeichnete er mit dem Finger die Konturen des Bildes der Wächterin nach, aufgenommen vor dem Anwesen von Lady Elasia von und zu Traunstein und Bergig-Kastel. Herrin des Schreckenshaus verstorben - Kann das Henne-und-Kükenfeld endlich aufatmen?
"Herr Kollege? Ein wenig abwesend, will mir scheinen....", sehr aufmerksam beobachtete Schräg den Mann, der immer noch in das Bild vertieft war. Dieser zuckte kurz mit einem Auge und blickte dann endlich auf.
"Mitnichten. Ich muss in dem Zusammenhang wohl leider konstatieren, dass meine Mandantin unlängst verstorben ist. Was ich natürlich mit großem Bedauern zur Kenntnis nehme", lächelte Kandel fein und rieb sich die Hände, "die Erbschaftsangelegenheit werde ich wohl selbst übernehmen."
Unablässig prasselte der Regen gegen die Fensterscheibe, ganz anders, als in der Zelle Nummer sieben, wo der Regen durch die Gitterstäbe direkt auf den Zellenboden tropfte.
Cim Bürstenkinn stand vor der Pritsche und unterdrückte den Drang, Tussnelda zu wecken. Ein sanftes Lächeln ließ seine Züge viel weicher wirken als sonst, zumindest bis zu dem Moment, in dem er sich selbst dabei erwischte.
"Wir waren eigentlich verabredet", flüsterte er leise und er hätte schwören können, irgendwo einen Mann kichern zu hören.

ENDE.

[1] Siehe Single-Mission: "...Sind alle Mittel erlaubt“.

[2] Siehe Single-Mission: "Die Rückkehr des Herrn Jedermann“.

[3] Ihr Wert bestand im Wesentlichen aus unüberschaubaren Landbesitz, einer nicht unerquicklichen Barschaft und Geschmeiden, die andere von und zu Traunstein und Bergig-Kastels aus den Weiten der Fremde verschleppt hatten

[4] Wörtlich: Der Abgrund ruft den Abgrund herbei. Hier sinngemäß: Ein Fehler zieht den anderen nach sich.“

[5] Geld spricht für sich.

[6] hier im Sinne von das letzte mögliche Mittel um einen Konflikt zu lösen, nachdem alle Verhandlungen gescheitert sind.

[7] Der Fall ist beendet.

[7a] Bekanntermaßen spricht der Kommandeur Magane stets nur mit Rang und dem verhassten Nachnamen des Ehemanns an.

[9] Genau genommen tat er das stets ausgerechnet heute, aber in diesem Fall hatte er den unangenehmen Gehilfen lange im metaphorischen Schrank verstauben lassen. Schicksal konnte nämlich Bürokratie und all deren Spießgesellen nicht sonderlich ausstehen und hatte es wohl nur Sebulons Zwergenerbe zu verdanken, an ihn als Spielfigur geraten zu sein. Vielleicht war es aber auch nur Zufall.

[10] Nämlich am Namen des Mannes, dessen dummerweise ungerechtfertigter Tod die Piste des Niedergangs für Tussnelda von Grantick planiert hatte

[11] siehe dazu Wache-Wiki: Leibniz von Tungstein

[12] Deutsches Sprichwort, Original: Advokaten und Soldaten sind des Teufels Spielkameraden

[13] Siehe Single-Mission: Von Problemen mit Karotten-Creme




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Feedback:

Von Cim Bürstenkinn

16.8.2014

Der Titel musste Sebulon ja auf Deine Spur bringen.
Ich finde es sehr gut, wie du den Bogen weiterführst und
immer mehr Fragezeichen verschwinden.
Wie schon gesagt, hätte ich dem Ganzen vielleicht ein »was-bisher-geschah« verpasst, oder eine AK-Single mit einer Zusammenfassung geschrieben und dafür ein paar Rückblenden eingespart.

Was du wunderbar hingekriegt hast, ist die Darstellung der inneren Dämonen von Tussnelda. Die völlige Ausrichtung auf die Rache, bei der die Cim-Sache eigentlich zur unerwarteten Ablenkung wird, die nicht unbedingt erwünscht ist.

Die Single hat zu folgender AK-Live geführt:
http://www.stadtwache.net/phps/zeigemission.php?nummer=467&art=L

Von Ophelia Ziegenberger

25.8.2014

Hat mir sehr gut gefallen, diese Rückkehr-Single. Abgesehen davon, Tussi als Charakter wieder dabei zu haben, war es ein gutes Gefühl, die offenen Erzählfäden wieder aufzudecken und sie innerhalb dieses Textes abgestaubt und verknüpft vorzufinden. Das brachte eine innere Waagschale ins Gleichgewicht, die so lange darauf gewartet hatte wieder ausgeglichen zu werden, dass das unbefriedigte Harren darauf schon zur abgestumpften Normalität geworden war. Nun ist es besser. Viel besser. Auch wenn es mir natürlich um Tussis zugängliche Art leid tut. Aber so ist es natürlich, nicht wahr? Der Lauf der Dinge, im Reigen der Wächterschaft... Sie verlieren ihre Unschuld und müssen sich ihrer Haut erwehren, ihren Geist schützen, ihr Herz. ^^ Die Single hatte eine angenehme Länge, schlüssige Szenenübergänge (auch bei den Perspektiv- und Zeitsprüngen), eine nachvollziehbare innere Logik, intensive Charakteranleihen an die Figuren der Kollegen, eine durchgängig verwandte korrekte Grammatik, sauber gesetztes, vollmundiges Vokabular... toll zu lesen! Topp! :-)

Von Rabbe Schraubenndrehr

16.8.2014

...Ich finde immernoch dass Sebulon leicht Springteufelartig rüber kommt... aber es ist witzig ;)

Von Tussnelda von Grantick

30.11.2014 15:58

Jaja, liegt schon ein Weilchen zurück;-) Aber eine Frage nagt an mir und da ich gelegentlich immer mal wieder an meiner neuen Single sitze, stelle ich sie einfach:



Warum wurde die Mission nicht als Ausbildungsmission anerkannt? Immerhin gab es eine -fand ich- recht lange Szenerie, die sich deutlich mit dem Tatortwächtern beschäftigte, sogar mit Hinweisen des Ausbilders. Und später nochmal eine Einsatzbesprechung mit Tatortwächter-"Blabla"- und grundsätzlich wurde das Ausbildungsthema als solches "Es geht schon ewig", auch noch behandelt - War es zu wenig, eingedenk des "Gewichtes" der restlichen Szenen?



Oder ist es Tussis Schicksal für immer Azubi zu bleiben? ;-)

Von Araghast Breguyar

30.11.2014 21:01

Theoretisch ist es Aufgabe des jeweiligen ALs (beziehungsweise der Person, die die Mission einstellt, was eigentlich der AL bzw. Stellv. der Abteilung sein sollte), der Wacheleitung zu melden, dass der betreffende Wächter die Ausbildung durch die Single abgeschlossen hat.



Ich sehe das einfach mal als 'Tussis Ausbildung ist abgeschlossen'.

Von Magane

05.12.2014 02:17

Ich fürchte, dass das auf meine Kappe geht. Asche auf meine Tomaten.

Blöd, dass ich das wahrscheinlich bis zu nächsten Mal - falls es ein nächstes Mal geben sollte - wieder vergessen hab.



Einfach zu wenig Bewegung...

Von Tussnelda von Grantick

05.12.2014 20:40

och, Ende gut alles gut:-) Ich dachte nur als, ich hätte was falsch gemacht;-) Also, alles schön jetzt.

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