Eine kleine ungleiche Gruppe verließ vor nicht allzu langer Zeit die Stadt Sto Helit.
Ein Ochse mit Persönlichkeitsspaltung, ein liebenswürdiger Schmied sowie sein kleiner schwarz-weißer Kater mit Götterkomplex erreichen im strömenden Regen und bei beginnender Dunkelheit Ankh-Morpork....
Dafür vergebene Note: 12
I. BESSERUNG IN SICHT
Es regnete schon den ganzen Nachmittag, aber das Nass welches im Laufe des Tages vom Himmel gefallen war, schien nur die Ankündigung gewesen zu sein für die Sturzbach-ähnlichen Schauer die bei der gerade einsetzenden Nacht von oben herabstürzten.
Der Regen prasselte unaufhörlich auf die Plane des unweit von Anhk-Morpork angehaltenen Wagens. Rufus, der Ochse der das Gespann zog, schnaubte verärgert, wahrscheinlich über die Pause, die ihn nur länger von dem ersehnten trockenen Stall fern hielt. Der Mann der auf dem Kutschbock saß schlug den Kragen von seinem bunt gescheckten Fellmantel hoch, um die Nässe wenigstens ein bisschen fern zu halten, was aber angesichts der niedergehenden Wassermassen eher ein sinnloses Unterfangen war, und blickte aus tiefen grünen Augen auf die Lichter der größten Stadt der Scheibenwelt.
„Das ist also Ankh-Morpork“, sagte der Schmied scheinbar zu sich selbst und strich sich mit der schwieligen Hand über den braunen Vollbart. Ein leises Miauen, wie zur Bestätigung, kam aus dem hinteren Teil des Wagens, wo die transportierbare Esse stand, in der immer ein wenig Glut vorhanden war und somit den wärmsten Ort in dem Ochsenkarren darstellte. Der leichte Druck der plötzlich auf die Plane ausgeübt wurde, vor der er saß, verriet ihm, dass Luzyfer seinen angestammten Platz an der Esse verlassen hatte um einen Blick zu riskieren. Und tatsächlich erschien ein kleiner schwarz-weißer Kopf der die Plane direkt unter seinen rechten Arm anhob um möglichst viel Schutz vor dem Regen zu haben.
„Ist nicht unbedingt dein Wetter, was Kleiner..?“ fragte der erfahrene Rüstungs-und Waffenschmied den kleinen schwarzweißen Kater und fuhr ihm zärtlich mit der großen linken Hand über das behaarte Köpfchen, nicht ohne dabei, schelmisch grinsend, ein bisschen Wasser im Fell abzustreifen. Ein anklagendes „Mautzen“, sowie ein entschlossenes Kopfschütteln war die Reaktion von Luzyfer und sogleich zog er sich wieder zurück in den hinteren warmen Teil der schweren Kutsche.
„Na dann wollen wir mal.“ seufzte der Kutscher, der Daniel hieß, übertrieben und schnalzte mit der Zunge, woraufhin sich Rufus wieder in sein Geschirr stemmte, wodurch sich der große, schwere beladene Wagen, ächzend und knarrend, langsam in Bewegung setzte. Während sie sich langsam Ankh-Morpork näherten, verfiel der gutmütige Schmied wieder in die Grübelei die ihn schon vor dem kurzen Halt geplagt hatte. Dieses abwehrende Verhalten der Bewohner von Sto Helit ihm gegenüber. Das hatte er in den letzten fünfzehn Jahren noch nie erlebt. Eine komplette Stadt die sich ihm gegenüber so ausgrenzend verhielt, dass er sich nach nur vier Wochen genötigt sah weiterzuziehen, da er ernsthafte Sorge hatte, dass er alsbald einem blutrünstigen Mob gegenüber stehen würde. Das hatte er zwar schon bei Werwolfen oder Vampiren miterlebt aber warum die Bevölkerung wegen einem Waffen-und Rüstungsschmied so einen Aufstand betrieb, das wollte ihm nicht einleuchten. Ein weiterer Seufzer entfuhr seinen Lippen.
„Naja, was soll´s, neue Stadt neues Glück, oder was sagt ihr beiden dazu?“, fragte Daniel Dolch in die Runde aus Mensch und Tier. Mehr als ein Schnauben von vorne und ein leises „Miauu“ von hinten bekam er nicht als Antwort, und trotzdem fuhr er laut fort: „Ihr habt ja recht, so lernen wir auch mal die größte Stadt der Scheibe kennen, und hier gibt es gestimmt Arbeit für uns!"
„Mhhh,… und eigentlich wollte ich immer schon mal nach Ankh-Morpork“, murmelte der Schmied in seinen braunen gepflegten Bart und lächelte leicht.
Während sich langsam der fast volle Mond hinter den Wolken seinen angestammten Platz am Himmel erkämpfte, rumpelte die schwer beladende Kutsche gemächlich weiter, durch die sintflutartigen Regenfälle, in Richtung der großen Doppelstadt.
II. DER 1. KONTAKT
Unweit zur gleichen Zeit am „Mittwärtigem Tor“: Obergefreiter Ikari Gernetod fragte sich inständig womit er das verdient hatte. Wenn er denjenigen in die Finger bekommen würde, der ihn ausgerechnet an einem Montag als Wachvorgesetzten zum Stadttordienst eingeteilt hatte. Und als wenn das nicht schon genug wäre, ihm auch noch diese beiden Streithähne von Rekruten zugeteilt hatte. Er ärgerte sich so sehr darüber, dass er das eigentliche Streitgespräch nur am Rande wahrnahm.
„….dass das eine ROTE Zipfelmütze ist“, beendete Rekrut Klara Morgän gerade seine weitschweifende Ausführung und blitzte den Rekrut Diez angriffslustig aus seinen kleinen Augen an. Aber der, dem die Erklärung galt, ignorierte den Blick, grinste lausbubenhaft und erwiderte nur, „Wenn das rot sein soll, dann habe ich aber noch ein bis zwei Fragen, was dein Farbverständnis für rot angeht…“, und schon ging die Diskussion von vorne los. Man konnte fast den Eindruck gewinnen, dass Diez sich einen Spaß daraus machte, den Gnom mit seiner Zipfelmütze aufzuziehen.
Der Obergefreite und Zombie wollte es nicht mehr hören, selbst Schlichtungsversuche seinerseits waren im Sande verlaufen und so stand er schwer seufzend auf und verließ das kleine Wachhäuschen neben dem Tor und stellte sich, um vor dem starken Regen geschützt zu sein, unter den großen Torbogen. Momentan war alles besser als mit dem Gnom und dem Mensch in dem kleinem Wachlokal zu sitzen und sich deren x-te Version einer Debatte bezüglich der Kopfbedeckung des Gnomes anzuhören und das schloss „Nass bis auf die Knochen werden“
[1] mit ein.
Während der Obergefreite den Blick in die dunkle Nacht hinaus gleiten ließ und hin und wieder ein leises „Pling, Pling“ zu hören war, immer wenn sich ein einzelner Tropfen Wasser unter den Torbogen verirrte und den glänzenden Brustharnisch des Wächters traf, schälte sich gemächlich ein großer dunkler Schatten aus der Finsternis.
Zu dem langsam auf ihn zukommenden Schatten gesellten nach ein paar Augenblicken auch leises Schnaufen sowie „Knarz und Quietsch“-Geräusche wie man sie von schweren Fuhrwerken kannte.
„So, so… Wer reist den da durch Nacht und Wind, das bedarf einer Kontrolle geschwind,“ dachte Gernetod und war selbst überrascht aufgrund des lyrischen Talentes welches er auf einmal zu haben schien.
„Rekruten, Antreten!“ rief er in die Richtung des Wachlokals um etwas leiser hinzuzufügen, „Da kommt Arbeit auf uns zu.“
Sollen die beiden doch ihre offensichtlichen überschüssigen Tatendrang dazu benutzen die gerade in Sichtweite gelangende Kutsche zu überprüfen, dachte sich der Obergefreite.
Schon eilten die Wächter Morgän und Diez, Diez mit Armbrust im Anschlag, aus dem Wachlokal um dem Befehl ihres Wachvorgesetzten nachzukommen, welcher sich nur an den Kopf fasste als er so viel Diensteifer mit ansehen musste.
Wenn er eins noch mehr hasste als Montage, dann waren es Rekruten die so lange dabei waren, dass sie sich selbst nicht mehr als „grün“ hinter den Ohren ansahen, aber durchaus noch in diese Kategorie fielen.
„Was gibs, Söör“ fragte der Gnom und der Obergefreite Gernetod zeigte in die Richtung des nahenden Wagens und sagte mit einem Grinsen im Gesicht: „Kundschaft.“
„So, und jetzt…, haltet euch im Hintergrund, seht zu und lernt,“ raunte er den beiden Rekruten zu.
„HALT“ rief er dem Kutscher des großen schweren Wagens zu und er fragte sich ernsthaft, wann er je so einen riesen Ochsen gesehen hatte. Ächzend kam das Gefährt zum Stehen und der Ochse hob leicht den Kopf um dem neuen Hindernis auf seinem Weg die volle Aufmerksamkeit seiner beiden Persönlichkeiten spüren zu lassen. Voller Faszination, vielleicht auch mit einem bisschen Entsetzen, sah der Obergefreite wie das Tier ihn erst mit dem linken Auge musterte und dann leicht den Kopf drehte um das gleich mit dem rechtem Auge zu wiederholen.
„Einen wunderschönen guten Abend wünsche ich den Herren“, schallte es vom Kutschbock und Gernetod zuckte leicht zusammen. Fast hätte er den Kutscher vergessen bei dem Anblick des großen Tieres, aber jetzt konzentrierte er sich wieder auf den Mann mittleren Alters. Oder zumindest schätzte er ihn so ein. Der Mann, der zur Begrüßung sogar aufgestanden war, was der Rekrut Diez zum Anlass nahm seine Armbrust auf den Fremden auszurichten, lächelte. Besonders bösartig sah er ja nicht aus, dachte der Untote, mit seinen kurzen braunen Haaren, den buschigen Augenbrauen und dem gepflegten Vollbart, aber das konnte natürlich auch täuschen, wer weiß, was für Waffen er unter seinem langen Mantel aus Schafsfell verbarg. Das einzige was er sonst noch über den Mann sagen konnte war, dass er offensichtlich schwere Arbeitsstiefel trug, weil diese unter dem Mantel herausragten. Schnell sammelte sich der Wachhabende wieder um ein zackiges „Freund oder Feind?“ hervor zu bringen.
„Wer will das wissen?“, kam prompt die Antwort vom Kutschbock was Gernetod einen Moment aus dem Konzept brachte, weswegen er nur verdutzt stammelte
„ i i ich, O Obergefreiter Ternegot, ich ma meine Gernetod. Ich meine,
OBERGEFREITER GERNETOD WACHHABENDER WÄCHTER DER STADTWACHE VON ANKH-MORPORK“ und drückte die Brust dabei raus um würdevoller auszusehen. Der Kutscher hob beschwichtigend die Hände „Achso, wieso sagt ihr das nicht gleich das ihr von der Stadtwache seid? Dann sag ich mal, Freund.“ und grinste entwaffnend.
„Warum bist du so spät noch unterwegs,…. Herr?“, fragte der Zombie gerade heraus, „Außerdem hätte ich gerne gewusst, was du transportierst und wo dein Ziel liegt?“
Der braunbärtige Mann lächelte milde, „Verzeiht mir bitte mein bäuerliches Verhalten aber ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Daniel Dolch der Name, meines Zeichens Waffen-und-Rüstungsschmied. Also auf die erste Frage, weil Rufus, da vorne," dabei deutete er auf den Riesenochsen", meinte es wäre eine tolle Idee bei dem Sauwetter mit dem schweren Gespann schnell über die schlammigen Straßen zu fahren und ich dank seiner übertriebenen Eile ein Rad wechseln musste, das er bei einem tiefen Schlagloch zerstörte. Des Weiteren, ich transportiere Waffen, die ich eigenständig herstelle sowie verkaufe und das wollte ich gerne in Ihrer schönen Stadt tun.“
„Schöne Stadt,“ fragte der Obergefreite ungläubig, „Herr, du warst vorher noch nie in Ankh-Morpork, oder?“ Was Daniel nur mit einem leichtem Kopfschütteln und einem einfachem „Nop!“ bestätigte.
„Na, das erklärt einiges!“, hörte Gernetod den Rekruten Morgän leise sagen weswegen er sich ein leichtes Lächeln nicht verkneifen konnte als er weiter sprach.
„Nun gut, Herr Dolch, du hast doch nichts dagegen, wenn wir uns deinen Wagen einmal von innen ansehen!?“
Der angesprochene zog nur die Plane ein wenig beiseite, deutete ins Innere und sagte schlicht: „Bitte!“
„Rekrut Morgän?“
„Ja, Söör!“
„Vortreten und Fahrzeug durchsuchen, aber bis ins kleinste Eckchen und zwar flott, wenn ich bitten darf.“ befahl der Zombie. Schnell kletterte der Gnom auf den Kutschbock um dann von dort in den überplanten Teil des Wagens zu gelangen. Dort angelangt begann er mit seiner Durchsuchung, nicht ohne das alles was er sah, durch die zurückgefallene Plane gedämpft, zu kommentieren. Während aus dem rückwertigen Teil immer mal wieder Wortfetzen des Gnoms zu hören waren, „Ganz schön warm hier drin...bla, bla, viele Waffen... bla,bla, ….große Axt, …bla, Scharf ist?... AUTSCH, Verflucht!!! grummel... hintere Ecke glüht was…. bla, bla…, schöne schwarz-weiße Felldecke, ….bla…“, musste der immer nervösere Zombie gegen den Drang ankämpfen ungeduldig mit der Fußspitze aufzuklopfen. Daniels Aufmerksamkeit galt inzwischen der Armbrust in Diez Hand, die immer noch halbwegs in seine Richtung zielte. Sehr langsam hob er die rechte Hand in die Höhe als wenn er eine Wortmeldung in einer Schule ankündigen wollte. Aber obwohl er die nächsten Worte an den Obergefreiten gerichtet waren, ließ er den Rekruten mit der Armbrust nicht eine Sekunde aus den Augen.
„Ähmm… Herr Wachhabender, sehe ich das richtig, dass die Standardbewaffnung bei euch Wächtern eine Armbrust des Typs „Burlich&Starkinarm MK V“ ist?“ und ohne auf eine Antwort zu warten fuhr er fort: „Falls das der Fall sein sollte und ich mich nicht irre, dass die Armbrust in den Händen des Wächters dort nicht gesichert ist,“ bei diesen Worten drehte der Wächter die Waffe leicht um besseres Licht auf den Sicherungshebel zu haben und sah nicht mehr nach vorne, „ könnten sie Ihm bitte befehlen die Waffe zu sichern, weil es allgemein bekannt ist, dass die „MK. V“ bei feuchtem Wetter oder Regen von all-“ in diesem Moment war nur ein lautes +TSCHANG+ zu hören, was Daniel zum Anlass nahm leiser weiter zu sprechen und wieder zu Gernetod zu schauen, „eine losgeht…“
„Ups…“ entfuhr es Diez und sah von seiner Waffe zu seinen Vorgesetzten, woraufhin er nur laut fluchte „Verdammt..“
Der Zombie sah an sich herab, weil er einen Schlag im Rücken gespürt hatte, und musste mit Entsetzen feststellen das jetzt eine Bolzenspitze aus seinem Brustharnisch ragte.
„…Verdammt, Verdammt!“, fluchte der Rekrut immer noch.
„REKRUT DIEZ, DAS…!“ donnerte der Obergefreite, doch weiter kam er nicht.
Plötzlich einsetzendes Gerumpel und lautes panikartiges „W-W-WAS ZUM ANKH IST DAS,… AARRRGGGHHHH…!“ von Rekrut Morgän ertönten aus dem hinteren Teil der Schmiedewagens. Fast im selben Augenblick schoss ein Schemen unter der Plane hervor und suchte Schutz zwischen den Hörnern auf Rufus Kopf. Akustisch wurde das Geschehnis von erneut einsetzendem Rumpeln und einem nicht gerade freundlich klingendem Fauchen begleitet, welches sich offensichtlich noch hinter der Abgrenzung zwischen Kutschbock und Kutscheninnerem befand.
„Mörderisches Bestie, verfluchtes…“, zeterte der Gnom aus sicherer Entfernung und hob drohend die linke Faust.Wie auf ein Kommando kam vorsichtig ein kleiner Schwarz-weißer Kopf unter der Plane hervor und fixierte den Gnom mit seinen gelben Augen.
„Wie ich sehe habt Ihr meinen Wegbegleiter Luzyfer kennen gelernt, werter Herr Gnom,“ sagte der Schmied und konnte ein Lachen nicht unterdrücken. Der kleine Kater mautzte nochmal klagend, offenbar verärgert, dass seine Abendverpflegung das Weite gesucht hatte anstatt sich einfach direkt in sein Maul zu legen, und verschwand wieder um sein angestammten Platz an der Esse einzunehmen.
„Das war ein Angriff auf einen Vorgesetzten mit Tötungsabsicht!“ meldete sich jetzt wieder Obergefreiter Gernetod zu Wort, welcher sich wieder als erster gefasst hatte.
„A-aber, aber….du bist doch schon tot und überhaupt …“, protestierte der menschliche Rekrut.
„Das tut nichts zur Sache, und selbst wenn dann war es mindestens mutwilliges beschädigen von Wacheneigentum, womit ich natürlich die Harnisch meine und nicht mich.“ Fuhr ihm der inzwischen wirklich sehr schlecht gelaunte Zombie über den Mund.
„Und das aller schlimmste ist, dass ich mich jetzt darum kümmern muss, dass die Rüstung schnellstmöglich repariert wird und das auch noch vom eigenen Sold zahlen muss. Das wird noch ein Nachspiel haben, Rekrut.“
Daniel wurde hellhörig bei dem was der Zombie sagte, wischte sich die Lachtränen aus den Augen, „Wenn Ihr morgen zu mir kommt, werter Herr Obergefreiter, repariere ich Euch die Rüstung zu einem Spottpreis, immerhin habe ich Mitschuld an der ganzen Ereignissen hier.“ sprach er ihn an, immer noch breit grinsend, „aber zuerst bräuchte ich eine Bleibe für die Nacht. Ihr kennt nicht zufällig eine Taverne in der Gegend, die auch Zimmer vermietet und einen Stall zur Verfügung hat?“
„Doch, bei der Kröselstraße gibts eine, aber der Name fällt mir gerade nicht ein.“ meldete sich Klara zu Wort nachdem er unter leisem Fluchen und Grummeln vom Kopf des Ochsen herab geklettert war. „Die ist auch die ganze Nacht offen. Und nich all zu teuer.“
Nachdem der Wachhabende jetzt andere Sorgen hatte als sich weiter um den Wagen des Waffen-und-Rüstungsschmiedes zu kümmern, erklärten sie Daniel denn Weg zur Kröselstraße und ließen ihn dann passieren.
Als er an Ihnen vorbei fuhr und nochmal freundlich grüßte, hörte er sie schon wieder zanken wie Waschweiber, wobei sie zurück in ihr Wachhäuschen kehrten um wieder vor dem immer noch starken Regen geschützt zu sein.
„Ein interessanter Trupp, ob die wohl alle so lustig sind hier bei der Stadtwache?“, schien er wieder mit sich selbst zu reden und nur ein leises Mautzen aus dem hinteren Teil des Wagens war zu hören bevor er fortfuhr, „ Ja du hast recht, könnte recht amüsant sein, sie vorsichtshalber im Auge zu behalten.“, sinnierte er leise vor sich hin während sich der große Wagen mit dem ungleichen Trio weiter vom Stadttor Richtung Kröselstraße entfernte.
III. LUZYFER´S NEUE FREUNDIN
Ludwig Liebzuvieh stand unter einem Abdach in seinem großem Innenhof, dachte über seine Probleme nach und schaute dabei dem geschäftigen Treiben seiner beiden Stallburschen im Regen zu.
Es konnte doch nicht angehen, dass er mit seinem Rasthof mitten in der Stadt in der Nähe des Schlachtviertels keine ganzwöchige Laufkundschaft bekam. Von Dienstag bis Samstag platzten seine Ställe immer aus allen Nähten, gut gefüllt mit Zugtieren von Händlern und deren Wagen die erst spät in Anhk-Morpork angekommen waren, aber nicht am gleichen Abend wieder zurück fahren wollten oder konnten, weil sie noch Geschäftliches zu erledigen hatten. Er hatte inzwischen sogar eine ganze Menge Stammkunden, aber trotzdem war an den Sonn-und-Montagen sein Hinterhof immer leer, weil die Fuhrleute nun mal auch Familie hatten und deswegen immer Samstags nach Hause fuhren und erst am Dienstag wiederkamen.
„Das kann so nicht weitergehen,“ grummelte der Besitzer und schaute zu der kleinen Einfahrt mit ihrem Torbogen, die man von der Straße aus gerne mal übersehen konnte, wenn man nicht wusste, wonach man Ausschau halten musste. Ludwig ließ sein Blick noch einmal durch den großen teil-überdachten Innenhof schweifen bevor er laut seufzend wieder in Richtung seines Schankraums ging.
„Hoffentlich ist wenigstens die unheimliche Frau mit den Narben im Gesicht endlich weg. Dann doch lieber gar keine Kunden als einen unheimlichen Gast, der sich den ganzen Abend damit aufhält in sein kleines Glas mit Knieweich zu starren,“ murmelte Liebzuvieh während er durch die Küche ging, sich seine große Wirtschürze vom Nagel nahm und um den viel zu dicken Bauch band. Zu seiner großen Enttäuschung saß die Igorina immer noch in der mit Schatten behangenen Ecke und versuchte ihren Knieweich mit ihren Augen zu trinken.
Gerade als Ludwig sich wieder hinter die Theke gestellt hatte und damit begann mit einem halbwegs sauberen Lappen seine Gläser zu polieren, wurde die Schankraumtür die zur Straße hinausging, aufgestoßen. Der Wind trug ein wenig der bis jetzt ausgesperrten Nässe in den Schankraum und unter lautem Getöse kamen drei Männer die sich gegenseitig stützten herein die der dickbäuchige Wirt nur zu gut kannte.
Sie selbst nannten sich die „Zuverlässig-Brüder“ und waren Tagelöhner die bei den Schlachthöfen arbeiteten, und sie bedeuteten Ärger. Der hochgewachsene Häuter-Hannes, wie er von allen im Schlachtviertel genannt wurde und der inoffiziell als Boss der Dreiergruppe gehandelt wurde, brüllte schon auf dem Weg zum Tresen so laut nach Bier, dass die Igorina leicht zusammenzuckte. Missmutig sah Ludwig die drei über die Biergläser, die er begonnen hatte zu füllen, an.
„Macht mir bitte keinen Ärger, Jungs!“, raunte er den Neuankömmlingen zu und versuchte dabei ihnen so streng in die Augen zu schauen wie er konnte, mit wenig Erfolg, da eine Schlage sich ja auch nicht von ihrer Beute beeindrucken lässt, egal wie streng das Kaninchen schaut.
„Ach iwo…. käm unsch nischt in den Schinn, nischt…“, ließ der etwas dickliche Gerald Gedärm mit leicht schwerer Zunge verlauten und stieß seine beiden Kumpels an, die bei dem gesagten nur breit grinsten.
Sie fläzten sich auf die Hocker am Tresen bevor sie ihr Bier in einem Zug leerten und die Gläser simultan mit lautem Gepolter auf die Theke knallten.
„Noch ne Runde…“, rief der dritte und kleinste im Bunde, weswegen ihn alle nur „Kleiner-Zuverlässiger“ nannten.
[2]„…und drei mal Knieweich dazu und zwar dalli dalli…“, rief er weiter, was den Schankwirt veranlasste schnell wieder hinter die Theke zu schlüpfen von wo er gerade losgegangen war mit dem nun aufgegebenen Vorsatz die Schankraumtür endlich zu schließen.
„…. setzen mir noch den ganzen Schankraum unter Wasser…“, grummelte Liebzuvieh während er die Gläser auffüllte und ein Flasche Knieweich unter dem Tresen hervorholte.
Rogi bekam von dem allen nicht viel mit, viel zu tief war sie in ihre Gedanken versunken und grübelte darüber nach, was sie jetzt in der momentanen Situation mit ihrem Leben nach der Wiederauferstehung anfangen sollte. Ganz zu Anfang hatte sie sich noch überlegt, ob sie nicht doch wieder engeren Kontakt zu Ophelia herstellen sollte. War sie doch schon die letzten Tage vor ihrem erfolgreichem Versuch sich das Leben zu nehmen so nett zu ihr gewesen, ja fast schon wie eine richtige Freundin. Und dann die Sache mit der gemeinsamen Wohnung und die Vorfälle in der Nacht als sie sich das letzte Mal gesehen hatten.
„NEIN“, dachte Rogi, „Sie hat schon so viel wegen mir durchmachen müssen, das würde ihr jetzt wahrscheinlich den Rest geben, wo sie dank ihr ja auch sowas wie eine Gefangene der Wache war.“
Sie umschloss ihr Glas mit dem Knieweich wieder fest mit der Hand, die gerade wieder leicht begonnen hatte zu zittern, ganz so als könne es ihr als Anker dienen, während sie weiter von ihrem Gewissen und den strengen Selbstvorwürfen, ähnlich wie auf einer stürmischen See, auf und ab getragen wurde. Naja, vielleicht war auch der Knieweich mit Schuld den sie seit zwei Stunden unter der Nase stehen hatte.
Rogi hatte gehört, dass inzwischen andere Gäste angekommen waren, ihnen aber bis jetzt keine Beachtung geschenkt.
[3]Plötzlich streifte etwas ihren linken Arm, sodass Rogi, völlig in Gedanken versunken, so sehr erschrak, dass sie fast ihren Knieweich verschüttet hätte. Als sie nach dem Grund schaute, saß neben ihr auf dem Stuhl eine kleine schwarz-weiße Katze, welche sie aus großen gelben Augen neugierig musterte.
„Kusch, Kusch, ich habe nix zu effen für dich, verschwinde,“ sagte die Igorina leise und machte dabei eine Handbewegung von der sie hoffte, dass sie möglichst abweisend wirkte. Doch die junge Katze ließ sich nicht beirren, schloss kurz ein Auge und begann sich an der linken Hand von Rogi den Kopf zu reiben.
Sie schüttelte verwirrt den Kopf, hatte ihr die Katze wirklich gerade zugezwinkert..? Misstrauisch schaute sie zwischen ihrem Glas Knieweich und der Katze hin und her.
Der inzwischen schnurrende Mäuseschreck begann gerade damit, sich langsam auf dem Schoß der Igorina vorzuarbeiten um sich dort ein gemütliches Plätzchen zu schaffen und bevor Rogi wusste, was genau passiert war, lag der, wie sie jetzt erkennen konnte, schwarz-weiße Kater schon rücklings auf ihren beiden Beinen und ließ sich von ihr am Bauch kraulen, was er mit einem noch lauterem Schnurren quittierte.
Die Vibration des schnurrenden Katers übertrug sich auf ihren ganzen Körper und es schien ein Moment als wenn es nichts Wichtigeres geben könnte auf der Scheibenwelt als diesem kleinen „Racker“ ein noch intensiveres Schnurren abzugewinnen.
Sie konzentrierte sich so sehr auf den Kater auf ihrem Schoß, dass sie nur am Rande wahrnahm wie ein Mann, von mittlerer Größe mit kräftiger Statur und in einen Fellmantel gekleidet, den Schankraum durch die noch offenstehende Tür betrat, diese leise schloss bevor er ein freundliches „Einen wunderschönen guten Abend den Damen und Herren“ in den Schankraum rief.
IV. RUFUS IST SCHLECHT GELAUNT
Daniel blieb nach der Begrüßung stehen und musterte den großen Schankraum, der bis auf vier Gäste, drei Männer am Tresen und eine Gestalt in einer dunklen Ecke, nur mit dem Schankwirt aufwarten konnte, mit seinen braunen Augen und strich sich das Wasser aus den kurzen Haaren.
Wo war nur schon wieder Luzyfer abgeblieben, hatte er ihn doch kurz vor seinem Eintreten durch die offene Tür im Schankraum verschwinden sehen.
Naja, der kann schon gut auf sich alleine aufpassen.
Dann zog er seinen Schafsfellmantel aus und hing ihn in der Nähe des Ofens, welcher den Schankraum wärmte, auf.
Er merkte zwar die geringschätzenden Blicke der Männer an der Theke, ließ sich aber von ihnen nicht beirren als er zielstrebig auf den vermeintlichen Wirt zusteuerte.
„Was für ein Sauwetter“, sagte er lächelnd an die Allgemeinheit gerichtet während er sich auf einen der Barhocker setzte und drauf wartete, dass der Schankwirt gewillt war ihn zu bedienen.
Ludwig setzte sein bestes Lächeln auf und ging zu dem Platz den sich Daniel ausgesucht hatte.
„Was kann ich Euch Gutes tun, der Herr?“, sprach er den Schmied an.
„Hallo, mein Name ist Daniel Dolch“, sagte er, ergriff die Hand des verdutzten Wirtes bevor dieser reagieren konnte und schüttelte sie kräftig.
„Ludwig Liebzuvieh“, antwortete der rundliche Schankwirt eher aus Reflex als aus Freundlichkeit heraus und griff schnell mit der zweiten nach seiner rechten Hand, aus ernsthafter Sorge der Mann gegenüber könnte sie ihm „abschütteln“.
Die leise Unterhaltung der drei anderen Gäste an dem Tresen ignorierend, sprach er weiter. „Freut mich, Euch kennen zu lernen werter Herr Liebzuvieh“, dabei lächelte er erneut und zwinkerte dem Wirt zu, „ gehe ich recht in der Annahme, dass Ihr der Wirt und Besitzer dieser wunderschönen Schänke seid?“
Argwöhnisch schaute Ludwig in das Gesicht des Schmiedes um dort ein verräterisches Zucken zu erkennen, wurde aber enttäuscht.
Er konnte keine Anzeichen dafür sehen, dass sich der Mann in dem weitem beigem Leinenhemd über ihn lustig machte. Der Herr meint das wirklich ernst, traf ihn die Erkenntnis, und vor Stolz schwoll seine Brust ein wenig an.
„Das habt Ihr sehr wohl richtig erkannt, was kann ich euch Gutes tun?“
„Mir wurde zugetragen, dass Ihr auch über einen geräumigen Stall verfügt, in dem ich meinen großen Wagen unterstellen könnte. Sowie mein Zugochse einen trockenen Platz bräuchte, sonst wird seine Laune noch schlechter, als sie eh schon zur Zeit ist, und das möchte ich unter allen Umständen vermeiden.“
„Ich werde sofort veranlassen, dass sich meine Stallburschen darum kümmern, Ihr braucht euch keine Sorgen zu machen, Herr. Ihr macht mir allerdings auch nicht den Eindruck als wolltet Ihr in Eurem Gefährt nächtigen, darf es auch ein Zimmer sein?“, äußerte Ludwig und freute sich, zumindest einen offensichtlichen gut betuchten Gast sein Eigen nennen zu können.
„Ihr seid sehr scharfsinnig der Herr“, sagte Daniel, und da war es wieder, dieses Lächeln, das keinen Zweifel daran ließ, dass er das gesagte auch so meinte, „ein Zimmer wäre schön, es muss aber nichts besonderes sein, ich bräuchte nur ein Bett in dem das Stroh in der Matratze nicht zu alt und plattgelegen ist, sowie eine zusätzliche Decke und ein Ofen wäre nett, oder zumindest, dass der Kamin des Ofens der hier für so wohlige Wärme sorgt direkt in einer angrenzenden Wand verläuft.
….und um meinen Wagen kümmere ich mich lieber selber. Wie schon erwähnt ist der Ochse ein wenig schlecht gelaunt und dann kann er sehr, ich sage mal zickig, sein.“ Bei dem letzten Satz grinste er verschwörerisch.
„Sehr wohl der Herr, ich werde Ihr Zimmer sofort herrichten lassen, darf es auch eine Speise sein, Ihr müsst hungrig sein…!? Ähm…Herr, wegen der Bezahlung….“, druckste der Wirt, doch der Schmied hob nur beschwichtigend die Hand worauf Ludwig verstummte.
„Das sollte für die erste Woche reichen, und wenn Ihr hier noch irgendwelche Schmiedearbeit habt dann mache ich Euch das auch zum Materialpreis. Und eine kleine Speise hört sich gut an!“ Während er das sagte legte er einen zehn Ankh-Morpork-Dollarschein auf den Tresen, den er in weiser Voraussicht in Sto Helit vor seine Abreise in einer Wechselstube besorgt hatte.
Der Schankwirt musste sich starke Mühe geben nicht von einem Ohr bis zum anderen zu grinsen, so sehr freute er sich, und er vergaß fast dem Schmied die Hand zu reichen um den Handel zu besiegeln. „Abgemacht! Ich werde sofort Schmalz, Schinken, Käse und ein wenig Brot aus der Speisekammer holen lassen.“
Der Schankwirt rief nach einem der Stallburschen, die auch als Mädchen für alle fungierten, und begann eifrig Anweisungen zu erteilen. Währenddessen machte sich Daniel auf den Weg zur Tür um Rufus samt Wagen in den Hof zu führen.
Rogi saß in ihrer Ecke, streichelte weiter den immer noch auf ihrem Schoß sitzenden Luzyfer am Bauch, der das seinerseits mit lautem Schnurren belohnte, und musterte den ständig lächelnden Mann, der sich mit Daniel Dolch vorgestellt hatte, wie er mit Ludwig Liebzuvieh, dem Besitzer sprach.
Der Schankwirt gab jetzt einem seiner Angestellten Anweisungen über die zu erledigenden Aufgaben. Der Schmied, wie sie aus dem Gespräch der zwei entnommen hatte, drehte sich der Eingangstür zu und schickte sich an zurück zur Tür zu gehen, doch weit kam er nicht.
Die drei anderen Gestalten vom Tresen stellten sich ihm halbherzig in den Weg.
„Der werde Herr hasch bestimmich ein bisschel Dollarrs um unsch drei hard arbeitenden Leutsch einen auschzugeben“, sprach der Größte Ihn an und hauchte ihm dabei eine Ahnung von der Menge des bisher getrunkenen Alkohols ins Gesicht.
Der kleine Kater auf Rogis Schoß rollte sich auf die Beine, blieb aber sitzen und fixierte die Szenerie gespannt, immer noch schnurrend aber deutlich leiser als zuvor. Während sie ihm weiter zärtlich den Nacken kraulte spürte sie deutlich wie sich sämtliche Muskeln in dem kleinem Körper zu spannen begannen und seine Hinterpfoten eine Stelle suchten wo er sich abstoßen könnte ohne ihr dabei allzu viel Schaden zuzufügen.
Der Schmied, der immer noch freundlich lächelte, betrachtete die drei Störenfriede wie sie ihn anfeixten von unten bis oben bevor er, weiter seinen klaren Blick auf sie gerichtet, über die Schulter beim Wirt auf seine Rechnung eine weitere Runde für die Gestalten bestellte. Dann nickte er ihnen zu und ging weiter zur Tür einen kleinen Bogen machend. Dort angekommen zögerte er kurz als hätte er etwas vergessen und rief dem Schankwirt zu, der inzwischen damit beschäftigt war die georderte Runde für die „Zuverlässig-Brüder“
auszuschenken, „Achja, falls euch ein kleiner schwarz-weißer Kater auffallen sollte der euch ansieht als wäre er einer der Allmächtigen persönlich, dann bietet ihm bitte eine Schale mit Sahne an, auf meine Rechnung versteht sich.“ nahm sich seinen Mantel von der Stelle wo er ihn hinterlassen hatte, streifte ihn mit einer eleganten Bewegung über und ging nach draußen, wo es anscheinend noch heftiger regnete als zuvor. Leise schloss sich die Schankraumtür hinter ihm.
Der kleine Kater saß immer noch auf Rogis Schoß und entspannte sich merklich wieder, ließ die drei Gestalten am Tresen aber nicht aus den Augen.
Rogi schaute verdutzt auf die Tür aus der Daniel gerade wieder verschwunden war und danach auf den Kater auf ihren Beinen, hatte das Tier tatsächlich verächtlich geschnaubt als der Schmied das mit dem Blick ansprach oder spielten ihr ihre Sinne einen Streich.
„War daf dein Herrchen?“, flüsterte sie und belegte damit gleich, dass sie von Katzen ungefähr so viel Ahnung hatte wie eine Kuh von Klackertürmen.
Leise mauzte Luzyfer beleidigt und ließ ihr kurz eben jenen Blick zukommen den der Schmied gerade so passend beschrieben hatte, bevor er wieder die Gestalten am Tresen unter Beobachtung stellte. Dabei bohrte er Rogi eine Kralle der Vorderpfote ins Bein, sodass sie es gerade spüren konnte, ohne dass es schmerzte.
„Schon gut, Schon gut“, musste sie leise lachen, „Du hast kein Herrchen. Ich verfteh schon. Du brauchft mich nicht gleich zu verftümmeln.“
Sie kraulte ihn noch ein bisschen intensiver am Nacken, merkte sofort wie er sich sichtlich weiter entspannte und wieder begann laut zu schnurren.
Sie beschäftigte sich so sehr mit dem schwarz-weißen Kater, dass sie die nahende Gefahr erst registrierte als das Fellbündel auf ihrem Schoß aufsprang, einen Buckel machte und laut begann zu knurren, was sicher furchterregend geklungen hätte wenn er nur ein wenig größer gewesen wäre. Aber aufgrund des fehlenden Resonanzkörpers konnte man es beim besten Willen nur als “niedlich“ bezeichnen.
Sie schaute auf und sah wie die drei Störenfriede von der Theke auf sie zu schlenderten, gleich einem Raubtierrudel das genau wusste, dass ihre Beute in der Falle saß.
Innerlich verfluchte Rogi sich selbst und am liebsten hätte sie sich selbst geohrfeigt, nach einem Ausweg zu suchen war passe, das war ihr schon bewusst gewesen als sie diesen Platz gewählt hatte. Jetzt wollte sie den Näherkommenden nicht auch noch die Befriedigung geben, wie ein gehetztes Tier mit ihren Blicken einen Fluchtweg zu suchen.
Mit ruhigem und gefasstem Blick musterte sie die Gestalten wie sie sich auf sie zu bewegten, während das Grollen auf ihren Beinen erst noch etwas lauter wurde und dann verstummte.
Verwundert stellte sie fest, dass der kleine Kater von ihrem Schoß auf den Tisch gesprungen war, ganz so als wollte er ihr bei einem bevorstehenden Kampf nicht im Wege sein, und sich dort hingesetzt hatte, immer noch die Störenfriede im Auge behaltend. Es sah fast so aus als hätte der Kleine auch das Warnen aufgeben und stellte sich jetzt auf einen Kampf ein.
Rogis Hand tastet nach ihrem kleinen Schlegel mit dem sie jeden auf die Minute genau ins Land der Träume schicken konnte. Innerlich betete sie, dass sie diese Fähigkeit nicht auch bei ihrem selbst verschuldeten Tod hatte einbüßen müssen.
Noch einmal erklang ein kurzes Knurren vom Tisch, doch dieses Mal wirkte es erheblich bedrohlicher. „War der kleine schwarz-weiße Kater gewachsen? Er sieht irgendwie größer aus als vorher“, dachte die Igorina, “Nein, das kann nicht sein, liegt bestimmt nur am gesträubten Fell!“
Und dann waren die „Zuverlässig-Brüder“ an ihrem Tisch und Hannes holte zum rhetorischen Rundumschlag aus: „Na wasch habn wir den da, eine niedlische Straschenmietze und ne weniger niedlische Flickenteppischmitze!“
Was der Kater nur mit einem absolut gar nicht mehr niedlichen Fauchen quittierte, wobei er die Ohren anlegte und gut sichtbar seine scharfen Zähne zeigte.
Die Warnung wäre wohl wirkungsvoll gewesen, wenn die drei Aggressoren nicht schon so stark dem Knieweich zugesprochen hätten, dass jegliche panikartigen Versuche ihres Unterbewusstseins mit dem Gehirn Kontakt aufzunehmen von einer rosaroten fluffigen Wolke aus Alkohol vereitelt wurde.
„Ochwie niedlisch!“ sagte Hannes und versuchte den Kopf von Luzyfer zu tätscheln.
Noch weit bevor die Hand den Kopf des Katers berühren konnte, reagierte dieser mit einer solchen Geschwindigkeit, dass selbst die noch relative nüchterne Rogi Schwierigkeiten hatte, der Bewegung zu folgen.
Hannes schrie vor Schmerzen auf und hielt sich den stark blutenden Handrücken mit der gesunden linken Hand, zwischen deren Fingern sofort Blut hervorquoll.
Der kleine schwarz-weiße Kater saß schon wieder auf seinen Hinterpfoten und leckte sich die blutige Pfote mit der er Hannes die Verletzung zugefügt hatte, und schien sichtlich zufrieden mit dem Ergebnis, als dieser wutentbrannt fluchte: „Verdammtes Mistvieh, schnappt euch diese scheiß Katze, ich will ihr Fell!“
Die anderen beiden zogen, wie Rogi fand, hässlich verrostete Langdolche und als sie gerade zum Angriff übergehen wollten, donnerte hinter ihnen eine kräftige Stimme:
„Was, bei der Mutter, soll das? Habt ihr Schiss, euch mit jemanden in eurer Größe anzulegen?“
Die drei Angetrunkenen fuhren simultan herum und vor ihnen stand ein nicht mehr ganz so freundlich lächelnder Daniel. Rogi nutzte die kurze Ablenkung, sprang sofort auf, wählte auf dem Kopf von dem Kleinen-Zuverlässig eine Stelle die mindestens eine halbstündige Bewusstlosigkeit sowie einen Gedächtnisverlust von nochmal der gleichen Zeit hervorrufen würde und schlug mit Ihrem Schlegel zu. Der Kleine fiel in sich zusammen wie ein Zirkuszelt in dem man den Hauptmast durchgesägt hatte.
Zeitgleich sprang Gunther mit dem Dolch voran vor um den Schmied zu attackieren.
Aber dieser machte einen Schritt nach hinten, womit er seinen Oberkörper außer Reichweite des Angriffs brachte. Dann fasste er den Angreifer schnell mit seiner linken Hand an dem Handgelenk in dem jener die Waffe hielt und zog einmal kräftig an dem Arm, sodass er den noch den vorhandenen Bewegungsmoment des Attackierenden verstärkte, woraufhin dieser in seine Richtung stolperte. Dabei führte er seine Linke und die immer noch mit einem rostigen Langdolch bewaffnete Hand in einem großen Bogen von seinem Körper weg und rammte Gunther, mit voller Wucht, die rechte Faust zwischen die Augen.
Da der Körper von Gedärme-Gunther noch in Bewegung bleiben wollte und nur das Gesicht unsanft an der Faust des Schmiedes gebremst wurde flog dieser mit den Beinen voran an der linken Seite von Daniel vorbei und schlug erst nach einem Meter auf den Boden und blieb dort regungslos liegen, immer noch den Dolch in der erschlafften Hand.
V. DAS KATZAPULT
So kam es, dass Hannes plötzlich nur noch alleine dastand, ohne dass sich ihm ein Ausweg zeigte. Einen kurzen Moment verharrten alle Beteiligten bewegungslos. Der immer noch lächelnde Daniel und Hannes belauerten sich gegenseitig. Dann sah Daniel kurzzeitig ein bösartiges Flackern in den Augen seines Gegenübers, welcher sich offensichtlich gerade wieder an das vermeintlich schwächste Ziel erinnerte. Ohne Vorwarnung drehte sich Hannes schnell um die eigene Achse und attackierte den kleinen schwarz-weißen Kater mit einer schwungvollen Rückhand. Da Luzyfer beizeiten noch damit beschäftigt war, sich genüsslich das Blut von der Pfote zu lecken, traf ihn die Hand unvorbereitet.
Rogi musste entsetzt mit ansehen wie das schwarz-weiße Fellbündel wie von einem Katapult abgeschossen im hohem Bogen, um die eigene Achse rotierend und unter lautem Gemauze, quer durch den Schankraum flog bis er lautstark sowie unsanft von der Wand gebremst wurde und dann zu Boden fiel. Unheilvolle Stille breitet sich von dem leblos am Boden liegenden Kater aus und Hannes drehte sich selbstzufrieden wieder zu Daniel um.
Doch als er wieder in die Augen des Rüstung-und-Waffenschmiedes sah, dämmerte ihm, dass diese Aktion sein größter und vielleicht auch letzter Fehler in seine nicht sehr ruhmreichem Leben gewesen sein könnte.
Rogi sah ebenfalls wie sich Wut aus den Augen des nicht mehr lächelnden Mannes ergoss. Es hätten auch Tränen sein können doch die gesamte Mimik verriet ihr, dass es im Moment nicht Trauer war, sondern vielleicht ein bisschen Sorge, aber vor allen Dingen gefährliche Wut, die auf den Wangen von Daniel Rinnsale bildete.
„Ich, ich…“ stammelte Hannes, aber weiter kam er nicht. Zwei kräftige Hände packten ihn am Kragen und der Schmied riss ihn von den Beinen, wirbelte ihn mit ausgestreckten Armen einmal um die eigene Achse und warf ihn, offensichtlich mit aller Kraft die er aufbringen konnte, in Richtung der anderen Schankraumwand. Dem hohen Bogen nach zu urteilen wäre er sicher mindestens fünf Meter weit geflogen, dachte Rogi, aber Hannes prallte schon nach nur einem Meter, von einem lauten Knacken begleitet, mit dem Gesicht voran gegen die Wand und fiel auf den Boden.
Die Wände der Schänke vibrierten und es rieselte etwas Putz von der Decke.
Die Igorina dachte einen kurzen Moment, die Schänke würde einstürzen.
Doch daran störte sich Daniel nicht, er war schon längst wieder über dem Bewusstlosen und begann damit, ihn mit seinen großen Fäusten zu bearbeiten, dabei schrie er dem leblosem Körper seine Wut entgegen:
„DU VERDAMMTER NICHTSNUTZ, VERDAMMTER…DIR WERDE ICH HELFEN……“, donnerte es durch den Raum.
Rogi schüttelte ihren Schrecken ab und stürzte zu dem Schmied, der keine Anstalten machte mit seinem Bombardement an Schlägen aufzuhören.
Sie versuchte ihn von dem Verletzten wegzuziehen, doch er befreite sich und stieß sie weg wie eine Puppe, nur um sich sofort wieder seinem vorigen Opfer zuzuwenden und es weiter wutentbrannt durch die Mangel zu drehen.
Rogi zögerte kurz, doch dann hob sie seufzend ihren Schlegel, den sie immer noch in der Hand hielt, zielte auf die Stelle an Daniels Kopf, die eine Bewusstlosigkeit von einer Minute hervorrufen würde, und schlug zu.
Daniel fiel in sich zusammen wie ein nasser Sack und blieb regungslos am Boden liegen.
Sie drehte ihn gerade auf den Rücken als sie ein ihr bekanntes Grollen hinter sich hörte.
Langsam hob sie entwaffnet die Hände, ließ dabei ihren Schlegel fallen und drehte sich vorsichtig um.
Hinter ihr stand der auf einmal gar nicht mehr so klein wirkende schwarz-weiße Kater.
„Nicht dein Herrchen, wie!? Dass ich nicht lache!“, versuchte die Igorina mit einem Scherz und einem freundlichen Lächeln die Situation zu entschärfen.
Doch Luzyfer war offensichtlich nicht nach Scherzen, denn er legte die Ohren an und fauchte laut, wobei er ihr auf recht eindrucksvolle Weise erneut die Zähne zeigte, die jetzt eher wie kleine Dolch wirkten und komplett den Faktor Niedlichkeit verloren hatten.
„Schon gut, Kleiner, ef musste fein, er war wie im Rausch!“, versuchte Rogi den Kater zu beruhigen, der das gesagte nur mit einem weiteren lauten Fauchen quittierte und sich in Angriffsposition brachte, ganz so als wolle eine Mutter ihr Junges beschützen.
„Oh Mann, foweit ift es schon mit mir gekommen, ich rechtfertige mich vor einer
Katze... “, grummelte sie während sie sich langsam rückwärtsgehend von dem am Boden liegendem Schmied entfernte.
Kaum dass sie einen Meter entfernt war, gab der Kater die Drohgebärden auf, humpelte zu dem immer noch bewusstlosen Schmied um ihn erst mit der Nase anzustupsen dann einmal in sein Ohr zu mauzen und dann mit der Zunge die Stirn abzulecken.
Na gut, dachte sich die Igorina, dann kann ich ja vielleicht erstmal versuchen mich ein wenig um sein “Opfer“ zu kümmern.
Beim herantreten an den leblosen Körper von Hannes bemerkte sie zu ihrer großen Erleichterung, dass dieser zumindest noch atmete. Erst zögerlich, dann immer selbstsicherer, tastete sie mit leicht zittrigen Händen zuerst das Gesicht und dann den Körper ab.
„Gut, schauen wir mal. Nafe gebrochen.“ In dem Winkel in dem die Nase stand brauchte sie dafür nicht zu tasten, „Die Schädelbafif scheint nicht gebrochen zu fein, eine schwere Gehirnerschütterung wirst du wohl mindestenf trotzdem davon getragen haben. Mh…der Kiefer, fagen wir mal es wird eine Weile dauern bevor du wieder feste Nahrung fu dir nehmen kannst."
"Sieht fo aus alf hättest du Glück im Unglück gehabt, Kerl, vielleicht noch ein zwei angebrochene Rippen aber zumindest scheinft du keine weiteren schweren Verletzungen die zum Tode führen könnten davon getragen zu haben“, sprach sie weiter mit dem Bewusstlosen.
Ludwig Liebzuvieh hatte die ganze Szenerie wie versteinert mitverfolgt und löste sich jetzt aus seiner Starre. Mit erstaunlicher Geschwindigkeit, in Anbetracht seines Körpervolumens, umrundete er den Tresen und eilte zu Rogi und begann vorwurfsvoll auf sie einzureden: „Sie können doch nicht meine Gäste bewusstlos schlagen, dann trinken die doch nichts mehr…das das …ist geschäftsschädigend.
Ich werde jetzt die Wache holen lassen, der Kommandeur ist ein guter Freund von mir…..“
„Zu spät, die ift bereits hier. Und ich werde dem Kommandeur ihre Grüße aufrichten“, sagte Rogi trocken, schlug ihren Umhang zurück und lächelte finster. Unter dem Umhang kam jetzt Ihre Wächteruniform mit den vielen Auszeichnungen zum Vorschein, was dem Schankwirt die restlichen bestimmt nicht netten Worte im Halse stecken bleiben ließ. Verlegen starrte er auf den Boden während er regungslos verharrte, offensichtlich in der Hoffnung, dass die Igorina ihn einfach vergessen würde.
„Wollteft du nicht die Wache holen“, hakte sie nach als Ludwig nach ein paar Sekunden immer noch wie eine Salzsäule still stand und keine Ambitionen zeigte sich zu bewegen, „und fag denen dann gleich auch, daf ein Wächter vor Ort ist und wir hier ein Fani benötigt wird."
VI. WIESO MANN NICHT MIT EINER LANGWAFFE GEBÄUDE STÜRMT
Der Vektor Cim Bürstenkinn hatte fast gute Laune. Er war bei seiner Lieblingsbeschäftigung, dem Streifengang, und hatte in dieser verregneten Nacht das Glück von zwei Mannschaften begleitet zu werden, die er in der Vergangenheit fast lieb gewonnen hatte.
[4]Die Gefreite Nyria Maior und der Hauptgefreite Jargon Schneidgut hatten sich das Vertrauen des Feldwebels schwer erarbeitet und redlich verdient. Er war in gewisser Weise stolz, dass es mit sein Verdienst war, dass mehr oder weniger brauchbare S.E.A.L.S. aus ihnen geworden waren. Da konnte er auch gut über die kleinen Schwächen der beiden hinwegsehen, die er wahrscheinlich auch noch mit der Zeit ausmerzen würde.
Die drei Wächter, welche Ölmäntel über ihrer normalen S.E.A.L.S.-Uniform trugen, bogen gerade auf die Kröselstraße ab um das dortige Wachhaus anzulaufen, in der Hoffnung sich dort ein wenig aufwärmen zu können und vielleicht noch einen warmen Kakao abzugreifen.
Der Feldwebel ging voran und seine beiden Mitwächter, die sich schon ganze Zeit leise miteinander unterhielten, folgten ihm auf dem Fuße. Die Gerüche aus dem Schlachterviertel wurden zum Glück leicht abgeschwächt aber man konnte trotzdem die beiden dominanten Düfte aus Fäkalien und Angst sehr gut wahrnehmen.
Abrupt stockte die Gefreite mitten im Satz und blieb wie angewurzelt stehen. Wäre die plötzlich eingetreten Stille, die nur vom Prasseln des Regens untermalt wurde, nicht so untypisch für den heutigen Streifengang gewesen, hätte sich Cim Bürstenkinn nicht einmal umgedreht um zu schauen was auf einmal los war. Doch als er es tat, konnte er eine Nyria sehen die sich leicht schwankend an der Wand abstützte und gerade anfing nervös in ihren Taschen unter ihrem Ölmantel zu nesteln.
„Na na, du wirst doch wohl noch die 200 Meter warten können mit dem Rauchen, bis wir das Wachhaus Kröselstraße erreicht haben und uns unseren wohl verdienten Kakao abgeholt haben“, feixte der Vektor und grinste Jargon unverhohlen an, so dass sich dieser auch ein Lächeln abrang.
Die Werwölfin antwortet nicht, atmete aber erleichtert auf, da sie das Gesuchte in ihren Taschen offensichtlich endlich gefunden hatte. Mit zittrigen Händen brachte sie eine Mettwurst zum Vorschein und biss ohne Umschweife herzhaft hinein.
Der Feldwebel und der Hauptgefreite sahen sich direkt an. Beide wussten was das zu bedeuten hatte und das einzige Wort welches beiden zeitgleich über die Lippen kam war: „Woher??“
Da das sprechen mit einer dicken Mettwurst zwischen den Zähnen relativ schwierig ist beschränkte sich Nyria darauf, mit ausgestreckter Hand auf eine Tür auf der anderen Straßenseite zu deuten, an der sie gerade vorbei gegangen waren. Das Schild über der Tür wies diese als Eingang zu der Taverne und dem Kutschenrasthof „Zum wartenden Fuhrmann“ aus. Unter der Vermeidung gesprochener Worte gab Cim der Gefreiten zu verstehen, dass sie sich an der Einfahrt zum Hof positionieren sollte damit niemand klammheimlich entkommen könnte. Während Jargon seine mitgeführte Armbrust spannte und einen Bolzen einlegte, hauchte der Feldwebel ihr zu: „Wenn wir in fünf Minuten nicht wieder da sind, rennst du so schnell du kannst zur Kröselstraße und kommst mit der kompletten GRUND hierher zurück und machst den Laden dem Erdboden gleich.“
Dann zog er sein Langschwert aus der Scheide an seinem Gürtel und bezog seitlich der Tür Stellung. Seine Hand schloss sich langsam um den Türknauf und er warf einen letzten Blick auf den Hauptgefreiten, der gute zwei Meter direkt vor der Tür stand und gerade die Armbrust an die Schulter brachte um seinen Vorgesetzten abzusichern, und nickte diesem zu. Erst als Jargon sein Nicken erwiderte schloss er ganz kurz die Augen, die Hand immer noch auf dem Türgriff ruhend, und sammelte sich. Als er die Augen wieder öffnete waren jegliche Emotionen aus seinem Gesicht gewichen und sein Blick wirkte jetzt eher wie der eines Raubtieres. In seinen Gedanken begann er bis Drei zu zählen und bei jeder Zahl nickte er mit, wie sie es immer machten beim Erstürmen eines Gebäudes. Viele Male hatten sie das in der Ausbildung geübt, sodass Jargon genau wusste, wann sein Feldwebel die Tür ruckartig aufreißen würde. Cim hatte schon zweimal genickt und spannte gerade alle seine Muskeln an, wodurch er den Türknauf noch fester umfasste, als die Tür von jemandem nach außen aufgedrückt wurde.
Wie aus einem Reflex heraus ließ der Vektor den Türgriff los und hakte seinen nun freien Arm bei der Person unter, die gerade andachte die Taverne eilig zu verlassen, und nutzte deren Restgeschwindigkeit sowie die Trägheit des wie ihm jetzt auffiel korpulenten Mannes und steuerte ihn in einem großen hundertachzig Grad Bogen gegen die Tavernenwand. Der Schrei den der Mann dabei von sich gab endete abrupt, als er mit nur einem Arm und dem Gesicht jäh von der Wand abgebremst wurde.
Ludwig verstand die Welt nicht mehr, gerade wollte er noch zur Wache stürmen um die von der merkwürdigen Wächterin geforderte Unterstützung zu holen, als ihn schon an der Tür ein Arm ergriff und ihn von außen gegen seine eigene Tarvernenwand schmetterte.
Leicht benommen spürte er, wie ihn von hinten jemand an die Wand drückte.
„Wer bist du und was läuft hier…“, zischte ihm eine fremde Stimme ins Ohr.
„I-Ich bin Lu-Ludwig Liebzuvieh“, presste dieser zwischen seinen Lippen hervor, „und ich bin der Besitzer dieses Rasthofes. Und da drinnen hat es gerade eine deftige Schlägerei gegeben zwischen den „Zuverlässig-Brüdern“ und einem meiner Übernachtungsgäste bis ein Wächter versucht hat dazwischen zu gehen und…“
„Das reicht“, zischte die Stimme wieder und etwas lauter „Jargon, hast du ihn?“
„Jawohl, Sör“, antwortete der Gefragte. Sofort verschwand der Druck aus dem Rücken des Schankwirts worauf dieser sich abrupt umdrehte und sogleich erbleichte als er bemerkte, dass knappe zwei Meter vor ihm ein Wächter stand und mit einer geladenen Armbrust auf ihn zielte.
Cim, dem die „Zuverlässig-Brüder“ ein Begriff waren, rannte mit gezogenem Langschwert in den Schankraum und wollte sich gerade schnell einen Überblick verschaffen als er merkte, dass es wohl keine besonders gute Idee gewesen war, mit einem Schwert von mehr als einen Meter Länge schnell in einen beengten Raum zu stürmen. Nachdem er mit dem Griff schon an den Türrahmen des Schankraumeingangs gestoßen war, wodurch die Waffe unkontrolliert nach links geruckt war und dort vom Tresen rückwärtig abgelenkt wurde, strebte die Klinge jetzt entgegen der Laufrichtung des Feldwebels, also genau in Cims Weg. Für den Vektor verging die nächste Sekunde wie in einer starken Zeitlupe und trotzdem geschah fast alles immer noch gleichzeitig. Mit Erschrecken registrierte er das sein eigenes Langschwert jetzt seine Laufroute kreuzte und er entsann sich mit Schrecken, dass er die Klinge erst heute vor Dienstbeginn nochmal extra geschärft hatte. Es kam ihm so vor, als ob ihn seine eigene Waffe blutdürstend angrinste. Da er das Schwert aufgrund der beiden unfreiwilligen Kollisionen zu nah an seinem Körper führte, war darunter wegtauchen keine ernst zu nehmende Option, ohne dass er Gefahr lief, sich den eigenen Kopf abzuschneiden. Also versuchte er aus dem Straucheln heraus irgendwie über die Klinge hinüberzuspringen. Leider bemerkte er erst sehr spät, dass er die Waffe ja immer noch mit der rechten Hand fest hielt...
Als er kurz darauf auf dem Rücken liegend die Augen wieder öffnete und gerade begann sich abzutasten, ob sich nicht doch etwas abgeschnitten hatte, sah er für einen sehr kurzen Moment eine hoch gewachsene Gestalt in einem schwarzem Kapuzenumhang. Unter der Kapuze war ein grinsender Totenkopf, der ungläubig zwischen Cim und einer Sanduhr, die er in seinen langen knöchernen Fingern hielt, hin und her starrte.
Dann schüttelt er den Kopf und noch während die Gestalt immer mehr verblasste konnte der Vektor eine Stimme in seinem Kopf hören, die missmutig sagte:
Eigentlich hatten wir beiden einen Termin, aber ich habe Geduld und viel Zeit zum Warten!An seine Stelle trat ein Umriss, der sich kurz darauf als Rogi rausstellte.
„Daf ging aber schnell!“, begrüßte sie ihn breit grinsend, „aber jetzt weif ich, woher du die ganzen Narben im Gesicht hast, mit der Nummer kannft du dich übrigens problemlos in der Narrengilde bewerben.“ Dabei deutet sie auf die Stelle sehr nah neben dem am Boden liegenden Cim, im der das immer noch vibrierende Langschwert steckte. Als der S.E.A.L.S.-Feldwebel sich mit seiner Hand durchs Gesicht fuhr, bemerkte er die warme klebrige Nässe, die Blut verursacht, aber es war nicht viel und er konnte spüren, dass der Schnitt nur oberflächlich war. Die Igorina reichte ihm die Hand und zog ihn mühelos auf die Beine. Während er, nicht ohne Mühe, seine Waffe wieder aus den Bodendielen der Schänke zog, hatte er jetzt Zeit, sich im Schankraum umzusehen.
In der am weitesten von der Tür abgelegenen Ecke lagen leicht voneinander entfernt zwei leblose Gestalten. Etwas näher an der Tür aber halb verdeckt von einem Stützbalken war eine weitere Person am Boden und schien sich nicht zu rühren. Direkt an der Wand neben dem Eingang lag eine Gestalt in einer großen Pfütze aus ihrem eigenen Lebenssaft, deren
[5] Gesicht so blutüberströmt war, dass er beim besten Willen nicht sagen konnte wer dort lag.
„Gut, daf du da bist, Cim. Der Herr hier benötigt dringend deine Hilfe. Hat ordentlich waf abbekommen. Mindestenf ne Gehirnerschütterung aber ich denke keinen Schädelbruch. Aber ich glaube die Kieferknochen sind mehrfach gebrochen mal ganz zu schweigen von den vielen Platzwunden. Vielleicht hat er auch noch die eine oder andere gebrochene Rippe.“
Cim schmerzte es sehr, aus dem Munde seiner geschätzten Sani-Kollegin bei der Stellung einer Diagnose die Worte denke, glaube und vielleicht zu hören. Aber er ließ sich nichts anmerken.
VII. AUFRÄUMARBEITEN
Feldwebel Bürstenkinn hockte sich neben die Igorina um sich ein Überblick über die Schwere der Verletzungen zu manchen, dabei fragte er, „Wer ist denn unser Opfer hier? Und wo ist die Tatwaffe?“ Dabei ließ er seinen Blick kurz durch den Raum huschen, auf der Suche nach dem benannten Gegenstand.
Rogi deutete vage über die Schulter auf den immer noch bewusstlosen Schmied, „Der da ist die Tatwaffe, und seine Motivation zu der Tat hockt neben ihm und leckt sein Gesicht. Der Name des Opfers lautet, wenn ich mich nicht irre, Häuter-Hannes.“
Der Vektor schaute anerkennend über die Schulter zu Daniel, denn der Name war ihm geläufig, nur dass die Leute genauso aussahen wie Hannes, wenn die Zuverlässig-Brüder mit ihnen fertig waren. Erst jetzt nahm er die erschlafften blutigen Fäuste von Daniel wahr. Gleichzeitig bemerkte er die kleine schwarz-weiße Katze die versuchte, den Bewusstlosen wieder zur Besinnung zu bringen, indem sie ihm abwechselnd durchs Gesicht leckte und ins Ohr mauzte.
„…wie keine weitere Waffe?“ fragte er leicht beeindruckt und hob beide Augenbrauen.
Die G.R.U.N.D.-Ausbildungsleiterin schüttelte den Kopf und senkte leicht den Blick, „Nein, keine Waffe. Aber darüber bin ich froh, er war wie in einem Rausch und nicht mal ich konnte ihn davon abhalten, weiter auf diesen Mann einzuprügeln, er hat mich einfach wie beiläufig weggeschubst als wäre ich nicht weiter als ein Ärgernis, ich musste ihn erst mit meinem Schlegel betäuben, damit er aufhörte.“
Ein kalter Schauer durchlief den Rücken des Vektors, die Beschreibung der Igorina und die Verletzungen der vor ihnen liegenden Person ließ nur den Schluss zu, dass dort hinter ihnen ein waschechter Berserker lag. Cim wusste genau wie man sich nach solch einem „Anfall“ fühlte, die Scham die Kontrolle verloren zu haben, gepaart mit dem Zustand der völligen Erschöpfung. Dunkel erinnerte er sich an seine Zeit zurück als er noch von demselben Fluch beherrscht wurde.
Kurz in alten Erinnerungen versunken schüttelte der S.E.A.L.S.-Feldwebel den Kopf um die finsteren Gedanken zu vertreiben.
„Achja, wir haben draußen vor der Tür einen dicken Mann, ich sage mal vorsichtig, aufgegriffen, der eilig die Taverne verlassen wollte. Er behauptet der Besitzer dieser Schänke zu sein?“
„Traurig aber wahr, er ist der Befitzer. Ich hatte ihn zum Wachhaus Kröselstraße geschickt um mir Verstärkung zu holen“, sagte Rogi und grinste leicht, „Weit scheint er ja nicht gekommen zu sein, hoffe, du hast ihn nicht zu grob behandelt. Aber wir sollten uns jetzt erstmal um den Verletzten und die restlichen Störenfriede kümmern. Mit wem bist du auf Streife, Cim?“
„Hauptgefreiter Schneidgut und Gefreite Maior. Nyria war es auch die zuerst mitbekam, dass etwas hier nicht stimmt. Jargon hält unmittelbar vor der Tür den Besitzer mit einer Armbrust in Schach und Nyria steht an der Hofeinfahrt und passt auf, dass keiner durch die Hintertür entkommt.“
Mit erhobener Stimme rief Feldwebel Bürstenkinn nach dem Hauptgefreiten, während er schon damit begann, die schlimmsten Platzwunden zu versorgen sowie die Blutung an dem aufgerissenen rechten Handrücken des Verletzten mit einem Druckverband zu stillen.
Rogi hatte sich erhoben und ging nun ihrerseits zu den beiden Bewusstlosen im hinteren Teil der Schenke und begann damit, diese zu fesseln und nach weiteren Waffen zu durchsuchen.
Zuerst betrat ein kreidebleicher Ludwig den Schankraum, dicht gefolgt von Jargon, der diesen immer noch mit der Armbrust im Schach hielt.
„Jetzt nimm die Waffe runter, wie Feldwebel Feinstich mich gerade aufgeklärte, ist das wirklich der Besitzer.“ Der angesprochene tat wie ihm geheißen, sehr zur Freude des Schankwirts, der erstmal hinter den Tresen eilte um sich auf den Schock einen doppelten Knieweich einzuschenken, welchen er auch sofort gierig hinunter stürzte.
„Geh nach draußen und sage Nyria, sie soll ihren Posten an der Hofeinfahrt aufgeben und schnell zum GRUND-Wachhaus laufen und uns von dort mindestens fünf Rekruten hierher schicken. Des Weiteren soll sie veranlassen, dass sofort eine Taube oder eine Klackernachricht an den Pseudopolisplatz geschickt wird, am besten sogar beides parallel, wir benötigen eine Transportmöglichkeit für den Schwerverletzten hier, sonst stirbt er uns noch unter den Händen weg. Wenn du ihr das ausgerichtet hast, hilfst du Feldwebel Feinstich dabei, die Verdächtigen zu fesseln, am besten du beginnst mit dem Typen da mit der Katze…“
„Nein...“, unterbrach ihn Rogi „glaubt mir, er ist keine Gefahr mehr und er ist überhaupt nur in diese Situation gekommen weil er mir geholfen hat.“
Cim hob mit einem fragenden Blick die Brauen und schaute zu der Igorina, doch diese hielt eisern seinem Blick stand. Der Hauptgefreite Schneidgut verharrte auf der Stelle, sollten sich doch die Vorgesetzten darum streiten, was passiert, er würde dann die ihm übertragenen Aufgaben nach besten Wissen und Gewissen sorgfältig abarbeiten.
„Ach verdammt, sei's drum. Also alles wie gehabt, Hauptgefreiter, aber einfach den Kerl mit der Katze der Frau Feldwebel überlassen!“
Der Rechtsexperte salutierte zackig, „Jawohl, Sör.“ und verließ den Schankraum wieder, um die Befehle des Feldwebels an die Gefreite weiter zu geben, und kam gerade rechtzeitig zurück als der am Boden liegende Schmied wieder langsam zu Bewusstsein kam.
Rogi hockte in einer Entfernung die, wie sie hoffte, ausreichen würde, dass Luzyfer sie nicht wieder als Gefahr für sein Herrchen einordnen würde. Während sie darauf wartete, dass Daniel langsam wieder zu vollem Verstand kam, beobachtete sie den kleinen schwarz-weißen Kater, wie dieser aufgeregt mauzte, dabei immer wieder den Körper ablief und seinen Kopf an der großen schwieligen Hand des Waffen-und-Rüstungsschmiedes rieb um sich dann auf seinen Brustkorb zu setzen, damit er weiter das Gesicht ablecken konnte.
„Oh“, stöhnte Daniel, fasste sich mit der linken Hand an den Hinterkopf und lächelte schmerzverzerrt, „hat mich ein Troll angegriffen oder warum habe ich diese heftigen Kopfschmerzen?“
Zeitgleich begann er schon wieder unbewusst, den kleinen Kater mit der rechten Hand zu streicheln. Plötzlich hielt er inne, schaute erst zu Luzyfer, man konnte sehen, dass er sehr erleichtert war, den kleinen Kater auf eigenen Pfoten stehen zu sehen, dann suchten seine Augen nach einem bekanntem Gesicht unter den Anwesenden und blieb bei Rogi hängen, die sich ihm vorsichtig näherte. Er wollte aufspringen, doch sein Körper versagte ihm den vollständigen Gehorsam, weswegen er sich zwar kurz auf den Füßen befand, aber wäre die Igorina ihm nicht schnell als Stütze zur Hilfe geeilt als sie ihn schwanken sah, dann wäre er wohl nicht nur leicht in die Knie gegangen.
„Fei vorsichtig, Herr Dolch, ich war leider gefwungen, dich K.O. zu schlagen.“
„Ihr wart das? Was genau ist den überhaupt passiert? Ich kann mich nur noch erinnern, dass ich vom Stall zurück kam und Euch und Luzyfer gesehen habe, wie ihr von drei Taugenichtsen bedrängt wurdet, und da wollte ich euch zu Hilfe eilen, und dann war da auf einmal ein Bild von Luzyfer, wie er im hohen Bogen durch diesen Schankraum flog, und dann….. nichts mehr.“ versuchte Daniel die Geschehnisse zu rekonstruieren.
„Ohja, geholfen habft du mir auf jeden Fall, auch wenn du dabei vielleicht ein wenig über das Ziel hinaufgeschossen bift.“ Dabei deutete Rogi auf den Schwerverletzten der immer noch von Cim versorgt wurde.
„Ich muss dich also bitten mich zur Wache zu begleiten, damit wir alles ordentlich aufzeichnen und einen möglichst genauen Bericht erstellen können, wenn du Pech hast, wird der Patrizier versuchen, dich wegen „versuchtem Totschlag“ anzuklagen. Und auf dem Weg zur Wache werde ich dir dann auch nochmal genau erklären, was hier“, dabei machte sie eine allumfassende Geste, „genau passiert ist und inwiefern du involviert bist!
Wir warten nur noch auf unseren Wagen von der Wache damit wir dann auch gleich den Verletzten und die beiden Gefangenen transportieren können.“
„Mhh", machte Daniel, der inzwischen mehr und mehr wieder zu Kräften kam und Herr all seiner Sinne und seines Verstandes zu werden schien, „einen Wagen sagt Ihr, wir können auch meine Kutsche nehmen wenn es eilt, die ist in zwei Minuten abfahrbereit und für den Verletzten sowie zwei weitere Personen sollte der Platz wohl ausreichen, ohne dass ich die Ladefläche erst leer räumen muss.“
„Na dann los, worauf warten wir noch?“, war es nun Cim, zu Rogis Überraschung, der sich zu Wort meldete, „Transportbereit ist er schon, umso schneller wir ihn in einen Behandlungsraum bringen und ich Unterstützung bekomme, desto besser können wir ihn wieder zusammen flicken.“
VIII. DAS ENDE VOM ANFANG
Und so kam es, dass Cim, Rogi, Daniel und der Verletzte keine drei Minuten später auf der Kutsche des Waffenschmiedes saßen und Ruffus den Wagen durch den bedeutend nachgelassenen Regen Richtung Pseudopolisplatz zog.
Während der Vektor sich im hinteren Bereich der überplanten Ladefläche um seinen Patienten kümmerte, hatte Rogi vorne mit auf dem Kutschbock neben dem Waffen-und Rüstungsschmied Platz genommen und erzählte ihm, was genau passiert war, dass sie sich genötigt gefühlt hatte, ihn außer Gefecht zu setzen. Dabei kraulte sie Luzyfer, der mit unter ihren Umhang gekrochen war nachdem sie sich neben Daniel gesetzt hatte, im Nacken und er entlohnte sie dafür wieder mit seinem eindringlichen Schnurren.
Jargon Schneidgut war bei der Taverne mit den beiden gefesselten Gefangenen zurück geblieben und wartete weiter auf Nyria, die ja noch mit Verstärkung aus der Kröselstraße zurückkommen sollte, damit die Verhafteten dann auch zum Wachhaus am Pseudopolisplatz überführt werden konnten. Da er gerade sowie so nichts Besseres zu tun hatte und er die Zeit aber nicht verschwenden wollte, las er den beiden Bewusstlosen ihre Rechte vor. Es musste ja alles seine Richtigkeit haben.
Als Daniel den großen Wagen auf den Innenhof des Wachhauses am Pseudopolisplatz lenkte, wurden sie dort schon erwartet. Zuerst wurde der Verletzte abgeladen und in die Autopsie gebracht, weil dort schon Magane und ein Arzt darauf warteten, mit Cim Bürstenkinn zusammen die Behandlung fortzuführen.
Rogi, Daniel und Luzyfer stellten den Wagen ab und brachten Rufus vorerst im Stall der Wache unter. Wobei die Hilfe des kleinen schwarz-weißen Katers darin bestand, nicht allzu viel im Weg rum zu stehen und die Geschehnisse mit aufdringlichem Mauzen zu kommentieren. Nachdem das erledigt war, führte Rogi den bärtigen Schmied zu dem Gefängnisstrakt unter dem Wachhaus, wo er sich verständnisvoll und ohne Widerworte in die ihm zugewiesene Zelle begab und sich auf die Pritsche legte. Rogi schloss die Zellentür, verriegelte sie jedoch nicht und war im Begriff zu gehen, als sie sich nochmal umdrehte und zu dem mit geschlossenen Augen auf der Pritsche Liegenden sagte, „Eine Frage habe ich allerdings noch, wieso hast du mir eigentlich geholfen? Du hättst auch einfach wegschauen können wie es hier in Ahnk-Morpork Brauch ist. Du kennst mich nicht einmal wirklich.“
„Zum ersten, kann ich es nicht leiden, wenn vermeintlich Stärkere versuchen die Schwachen zu drangsalieren!“, antwortete er ohne die Augen zu öffnen, „ Und zum zweiten, Luzyfer traut Euch anscheinend und hätte Euch gerne als Freundin, wer bin ich, dass ich ihm diesen Gefallen ausschlage.“
Der angesprochene saß auf dem Bauch von Daniel und putzte sich ausgiebig. Als er seinen Namen hörte, unterbrach er seine Katzenwäsche, schaute kurz Rogi aus gelben Augen an, zwinkerte ihr zu und mauzte freundlich bevor er seine Körperpflege wieder aufnahm. Daniels Lächeln wuchs deutlich in die Breite. Die Igorina musterte das ungleiche Paar für einen Moment und wünschte ihnen eine gute Nacht. Dann ging sie in die Kantine um dort ihren Bericht zu verfassen und sprach am Morgen lange mit Kommandeur Breguyar, als dieser zum Dienst erschien. Breit grinsend verließ sie sein Büro mit einem vergilbten Blatt Papier in der Hand. Von dort kehrte sie wieder in der Kantine zurück, stellte dort zwei Kaffee
[6] sowie eine Schüssel mit Sahne
[7] auf ein Tablett, legte den vergilbten Zettel sowie die von ihr in Daniels Namen angefertigte Aussage dazu und begab sich wieder in den Zellentrakt. Sie kam gerade rechtzeitig um Daniel dabei zu beobachten, wie er mit nacktem verschwitztem Oberkörper seine letzten Liegestürze machte, während Luzyfer auf den Beinen des Schmiedes saß und sich nicht vom Treiben des dunkelhaarigen Mannes beirren ließ. Geduldig wartete sie kurz ab, bis er seinen Frühsport beendet hatte, bevor sie ihn mit „Guten Morgen, ich hätte da nen Kaffee und ne Schale mit Fahne für euch beide." ansprach.
Bei dem Wort Sahne ruckte Luzyfers Kopf sofort herum und kleine gelbe Augen fixierten die Schüssel. Schon kam Bewegung in den kleinen schwarz-weißen Kater und er sprang schnell auf die Igorina zu, um sich sein kleines Köpfchen an den Beinen von Rogi zu reiben, dabei klägliche Mauzlaute von sich gebend, ganz so als hätte er seit Tagen keine Mahlzeit mehr bekommen.
„Ja, du armer kleiner Kater, fo wie du dich anhörst hast du seit Wochen nichts mehr gegeffen!“, spottete sie breit grinsend über Luzyfer, während sie die Schüssel auf dem Boden abstellte. Wie zur Bekräftigung ihrer Aussage war die Schüssel noch nicht ganz auf der Erde angekommen, als er schon gierig das erste Mal die Zunge in die Sahne steckte.
Daniel zog sich gerade wieder sein helles Leinenhemd über, mit dem er sich zuvor den Schweiß vom Körper gewischt hatte. Dankbar nahm er die Tasse Kaffee entgegen nachdem er Rogi lächelnd einen wunderschönen Guten Morgen gewünscht hatte.
„Du bist erstaunlich gut gelaunt für jemanden, der die letzte Nacht in einer Zelle geflafen hat“, sagte die Igorina, während sie beide auf der Pritsche Platz nahmen um in Ruhe das heiße Getränk aus ihren Tassen zu schlürfen.
„Naja, wenn ich auf Reisen in meiner Kutsche schlafe ist das auch nicht viel gemütlicher“, gab er zurück und lächelte sie freundlich an. Nach einer kurzen Pause fragte er etwas vorsichtiger: „Was passiert jetzt mit mir? Werde ich angeklagt?“
Rogi musste wieder grinsen.
„Deswegen bin ich auch hier“, sagte sie und hielt ihm ein beschriebenes Blatt Papier hin.
„Was ist das?“
„Deine Aussage zu dem gestrigen Abend. Da du dich sowie so nicht mehr an viel erinnern kannst, habe ich mir gedacht, ich schreibe sie einfach direkt für dich“, äußerte die Igorina und zwinkerte ihm verschwörerisch zu, „Du brauchst nur noch zu unterschreiben, gerne darfst du natürlich auch gegenlesen, was ich da in deinem Namen geschrieben habe. So wie du dich ausdrückst, bin ich mal davon ausgegangen, dass du viele Jahre Lesen und Schreiben gelernt hast.“
Er las eine Weile, was auf dem Zettel geschrieben stand, ohne auf die Anspielung mit der Ausdrucksweise einzugehen, hob dann anerkennend die buschigen Augenbrauen und unterschrieb mit einer Feder, die ihm Rogi anreichte.
Dann reichte er das Schriftstück der Igorina zurück.
„So, das war das erste und nun folgt der zweite Streich.“ Dabei überreichte sie ihm ein altes vergilbtes Blatt mit einer Vorgravur.
-=FREIWILLIGEN MELDUNG ZUR STADTWACHE VON AHNK-MORPORK=-
stand dort in großen Lettern geschrieben und Daniel schaute Rogi verwirrt an.
“Aber ich bin doch Schmied und kein Wächter!“
„Wie wäre es mit Wächter und Waffen-und Rüstungsschmied, ich habe schon mit dem Kommandeur gesprochen und unter Murren und Knurren hat er zugestimmt. Lass mich erst zu Ende reden “, sagte sie weil sie merkte, dass der Mann Einwände erheben wollte. „Du müsstest nur die reguläre Grundausbildung durchlaufen und warst dann einer von unf. Da wir seit geraumer Zeit überlegen, aufgrund von gehäuften Beschädigungen der Dienstwaffen und Rüstungen, vor allen Dingen die der Zombies werden öfter in Mitleidenschaft gezogen, einen festen Auftrag zur Instandhaltung zu erteilen, was wäre da näher liegend als einen Schmied zu verpflichten, der einen Teil seiner Dienstzeit damit verbringt, unsere Ausrüstung zu reparieren. Und ich glaube unsere S.U.S.I.S. würden fich sehr über jemanden freuen, der mit fo profundem Fachwissen über Waffen und ihrer Wirkung aufwarten kann. Du würdest den normalen Wächtersold bekommen und das Material wird von der Wache bezahlt. Deine Schmiede könntest du nach ein paar kleinen Umbauarbeiten hier im Stall mit einbauen, wodurch im Winter auch die Ausrüstung und Tiere dort von der Wärme profitieren würden. Außerdem hätten wir damit deinen gestrigen Ausrutscher zumindest teilweise legitimiert, weil wenn du oben auf das Formular schaust dort steh das Datum von gestern, also warst du schon ein Wächter als du gegen Hannes und seine Bande vorgegangen bist. Also hättest du dich höchstens vor der I.A. wegen außergewöhnlicher Gewalt bei der Festnahme zu verantworten. Na, was meinst du?“, schloss Rogi ab.
„Mhhh“, machte Daniel und leiser, „Wächter Daniel Dolch.“
„Hört sich doch toll an“, feixte die Igorina ihn an, „Oder findest du nicht? Und du könntest den Schwachen helfen, sich gegen die Starken zu wehren, die sie quälen.“
„Wächter Daniel Dolch“, wiederholte dieser deutlich lauter und begann, breit zu grinsen und noch einmal „Wächter Daniel Dolch, gefällt mir, je häufiger ich es sage.“
„Na, dann unterschreib endlich, während der Grundausbildung würdest du fowiefo im Wachhaus in der Kröselstraße untergebracht und dein Ochse und der Wagen könnten erstmal hier bleiben.“
Daniel unterzeichnete zu Rogis Zufriedenheit das Formular und gab es ihr zurück.
„Wächter Daniel Dolch“, sagte er noch einmal und grinste die Igorina jetzt so breit an, dass diese schon Angst hatte, dass ihm gleich der Kopf abfallen würde, wenn das Grinsen noch breiter würde.
„Gut, ich werde jetzt nochmal zum Kommandeur gehen und allef weitere in die Wege leiten und in ner knappen Stunde treffen wir unf im Innenhof bei den Ställen. Die Zeit sollte dir reichen, allef hier soweit vorzubereiten, aber bedenke, mindestens die ersten 14 Tage bift du jetzt voll in der Grundausbildung beschäftigt, also verstau alles so, dass nichts im Weg rumliegt. Um deinen Ochsen kümmern die sich hier automatisch mit, wenn der im Stall steht und nach deiner Grundausbildung finden wir dann auch eine Aufgabe für ihn.
Luzyfer kann uns begleiten, wenn er nicht allzu viel Blödsinn anstellt, auch wenn ich glaube, dass du da nicht wirklich Einfluss drauf hast.“
Wie zur Bestätigung kam ein Mauzen vom Boden, mit dem sich der kleine Kater beschwerte, dass die Sahne schon alle war.
„Aber das kläre ich dann schon. Also, in einer Stunde im Hof, ich hoffe, du bist da, ich werde nicht auf dich warten“, sprach Rogi, stand auf und verließ den Zellentrakt.
Als Daniel kurz nach dem Feldwebel aus dem Zellentrakt kam, verhielten sich ihm gegenüber alle anwesenden Wächter erheblich freundlicher, manche grüßten ihn sogar zurück, wenn er ihnen einen Wunderschönen Guten Morgen wünschte, und seine Laune stieg ins unermessliche.
Im Hof angekommen, verstaute er alles so, dass es die nächsten drei Wochen nicht stören konnte, und verabschiedete sich von Rufus.
[7a] Als Rogi in den Hinterhof kam, saß Daniel auf einer Mauer, hatte Luzyfer auf dem Schoß, den er streichelte, und rauchte eine Pfeife.
„Fo, dann könne wir ja los“, sagte sie, „oder hast du noch irgendwelche Fragen?“
„Nur eine noch, man hat mich vor der Ausbildungsleiterin gewarnt, sie hätte Haare auf den Zähnen. Ist die wirklich so schlimm?“, fragte er, als sie langsam Richtung Wachhaus Kröselstraße losgingen.
Rogi konnte ein Schmunzeln nicht unterdrücken.
„Wer weiß, wer weiß?“, wich sie seiner Frage aus, „Bilde dir am besten felbst ein Urteil wenn wir da sind…?“, und sie beschleunigte den Schritt ein wenig, damit er ihr Gesicht nicht sehen konnte, wie es leicht bebte bei dem unterdrückten Lachen.
ENDE
[1] Was man bei einem Zombie durchaus wörtlich nehmen kann
[2] meistens kamen sie aber nur bis Kleiner weil sie dann schon von ihm mit Händen oder Zähnen angegriffen wurden
[3] Was angesichts des Gestanks der Drei als beträchtliche Leistung zu werten war
[4] Auch wenn er das niemals offen zugeben würde
[5] wir nennen es mal weiterhin
[6] nach einer ausführlichen Diskussion mit den Kaffeedämonen
[7] nach einer ausführlichen Diskussion mit Frau Piepenstengel
[7a] ja, von allen beiden
Für die Inhalte dieses Textes ist/sind alleine der/die Autor/en verantwortlich. Webmaster
und Co-Webmaster behalten sich das Recht vor, inhaltlich fragwürdige Texte ersatzlos von der Homepage zu entfernen.