Ruhig und besonnen beschreitet Groß A'Tuin ihren Weg durch das All, ruhig und geduldig stehen die vier Elephanten auf dem Rücken der Schildkröte und ruhig liegt die Scheibenwelt auf den Rücken der vier Elephanten. Ein idyllisches Bild, übertrumpft von einem achtfarbigen Regenbogen, der dem Dunst der Randfälle sein Erscheinen verdankt. Irgendwo auf der Scheibenwelt sitzen einige Jungs auf Kisten und schauen ruhig, gelangweilt und verdrossen auf einen imaginären Fleck in der Ferne und kicken auf dem Boden liegende Steine von sich.
Die Stadt Ankh-Morpork ist alles andere als ruhig. Hier herrscht reges Treiben, reges Rufen, reges Handeln, reges Stehlen, reges Morden, reges Leben. Und gerade heute kann man den Eindruck gewinnen, dass es in der Zwillingsstadt an manchen Orten lauter ist als sonst üblich.
Eleanore spürte, wie die Halsschlagadern im Rhythmus ihres Herzschlags pulsierten, als sie an die Tür des Ausbilder-Büros klopfte. Dies konnte zum einen damit zusammen hängen, dass sie heute ihren ersten Tag in der Wache hatte, zum anderen auch damit, dass die Uniform, die sie gerade bekommen und angelegt hatte, etwas eng war.
Nachdem sie keine Antwort auf ihr Klopfen vernommen hatte, was auch damit zusammenhängen konnte, dass das Einzige, was sie hörte, das Rauschen des Blutes in ihren Ohren war, klopfte sie erneut - ohne Erfolg.
Soll sie nun einfach die Tür öffnen und schauen, ob der Feldwebel anwesend ist und das Klopfen nur nicht gehört hat? Andererseits hatte Eleanore von anderen Rekruten gehört, dass man besser nichts Schlechtes über die Ausbilderin sagt, da sie alles höre - dann wird sie doch auch ein Klopfen hören?
"Falls Du nach mir fuchst, Rekrutin - ich bin hier vorne", tönte die Stimme des Feldwebels vom Eingangsbereich. "Wenn Du Dich Wächter nennen willst, folltest Du Deine Augen auch ftets wachfam haben. Dann hättest Du mich fehen können, als Du den Flur gekreuzt haft."
Eleanore senkte beschämt ihre Augen und ballte ihre Fäuste,
Na toll, gleich am ersten Tag versagt. Das hat mir aber auch keiner gesagt, dass ich als Wächter wachsam sein muss. , während sie den Eingangsbereich betrat. Zu Eleanores Unglück, was ihre Scham noch steigern ließ, dass sich das Blut nun auch aus diesem Grund in ihrem Gesicht sammelte, war der Feldwebel nicht alleine. Am Tresen bemerkte Eleanore einen weiteren Rekruten. Vom Alter her schien er um einiges jünger zu sein als sie selbst. Er war blond, blass und eher schmächtig, was Eleanore annehmen ließ, dass er eher nicht aus Ankh-Morpork stammte. Er nickte ihr zu, als der Feldwebel, nun dass Eleanore ihr gegenüber stand, wieder das Wort an sie richtete,
"Im Übrigen hättest du mich in dem Büro fo oder so nicht angetroffen. Ich bin Aufbildungs
leiter, mein Büro ift also daf
Leiterbüro, das sich im erften Stockwerk befindet."
Zu Eleanores Glück, das ihr keine Gelegenheit gab noch tiefer im Boden versinken zu wollen, leitete der Feldwebel gleich zum Entscheidenen über, "bift du mit der Uniform denn zurrecht gekommen?"
Eleanore fragte sich, ob das Glück ihr wirklich so schnell wieder entgleiten musste, denn beschämt, ob der Gegenwart des anderen Rekruten, der die Szene vom Tresen aus beobachtete, musste Eleanore antworten, "Sö, äh, Mähm, ich glaub, die Uniform is 'n bisschen eng."
"Rekrutin, dir ift bewusst, dass du die Riemen an der Feite in der Größe verftellen kannst? Ich bin Aufbilder und keine Anziehdame, bei Defawü!" Der Feldwebel verdrehte die Augen, worauf ihr Blick auf die diensthabenden Rekruten am Tresen fiel, "Theodor, das ist kein Grund zu kichern!".
"Jawoll Ma'am, entschuldigen Sie bitte, Ma'am", erwiderte der Angesprochene.
Erst jetzt bemerkte Eleanore den zweiten Rekruten. Auch er schien jünger als sie zu sein, aber um einiges größer. Doch seine Größe war schon das Auffälligste an ihm. Seine blonden Haare, seine blauen Augen und insgesamt seine schlaksige Gestalt waren in Eleanores Augen unauffällig, langweilig, nichts sagend, auch wenn sie den Eindruck hatte, ihn schonmal irgendwo gesehen zu haben. Er schenkte Eleanore keine große Beachtung, sondern vielmehr der Tür, oder dem, was dahinter lauerte.
Nachdem der Rekrut vom Feldwebel zurecht gewiesen worden war, war im Eingangsbereich eine angespannte Stille entstanden, wodurch der Lärm von draußen noch deutlicher als sonst zu hören war. Insgesamt hatte Eleanore den Eindruck, dass der Lärm verhältnismäßig stark war und immer stärker wurde. Als würde sich ein Karren, voll geladen mit den alltäglichen Geräuschen der Stadt direkt auf das Wachhaus in der Kröselstraße zu bewegen.
Die Augen der Rekruten weiteten sich und richteten sich auf die Eingangstür, während die Augen der Ausbilderin sich geweitet auf die Tageszeitung auf dem Tresen richteten, "Ist daf die aktuelle Tageszeitung, die ihr da left?"
"Lesen, Ma'am? Wir haben Tresendienst, Ma'am", murmelte Damian abwesend, die Augen und Ohren starr auf die Tür gerichtet.
Just in dem Augenblick wurde diese mit einer überdurchschnittlichen Geschwindigkeit geöffnet, dass es einen überdurchschnittlich lauten Knall gab, als sie in Kontakt mit der dahinter liegenden Wand kam. Das plötzlich laute Geräusch ließ die drei Rekruten zusammen schrecken.
Im Türrahmen stand ein Troll. Jedenfalls versuchte er da zu stehen, musste seinen Hals aber doch ziemlich verrenken, um einen Blick in das Wachhaus werfen zu können. Dieser schweifte von Theodor zu Damian, die beide noch immer mit schreckgeweiteten Augen die Tür und den Troll ansahen, über Feldwebel Feinstich, die ungestört von den ganzen Vorkommnissen und lauten Geräuschen den Tresen nach etwas absuchte, bis hin zu Eleanore, die beim Anblick des Trolls die Augen verdrehte. Die Augen des Trolls indes weiteten sich,
"Ella, ich dich gefunden habe! Ich dich gesucht habe überall! Haben Wächter dir was getan? Du in Gefängnis bist?"
Eleanore stemmte ihre Fäuste in die Seiten und trat dem Troll mit rotem Kopf
[1] entgegen.
"Das zeigt mal wieder, dass du mir auf dem ganz'n Weg nach Ankh-Morpork nich zugehört hast. Seit ... ach keine Ahnung seit wann ... jednfalls ... seit einer Ewigkeit erzähl ich dir, dass ich, wenn wir in Ankh-Morpork ankommn, der Wache beitret, warum also suchst du mich, wenn du doch wiss'n solltest, wo ich bin?"
Der Troll blickte beschämt zu Boden, murmelte etwas Unverständiges und trat zur Seite. Damit ermöglichte er den Wächtern in Ausbildung den Blick auf einen Mob wütender und zeternder Bewohner und Händler der Stadt und deren Umfeld. Sie schimpften lautstark und beschmissen den Troll mit allem, was gerade zur Hand war. Dabei ist anzumerken, dass nicht alle Werfenden auch hervorragende Zieler waren. Ein Wurfgeschoss, das nicht näher bezeichnet werden kann, aber streng roch, traf den Feldwebel am Kopf, was sie mit einem metallischen Poltern dessen, was sie zuvor in der Hand hatte aufschrecken ließ,
"Waf geht hier vor? Wer ist diefer Troll? Warum beschmeift er mich mit...", sie wischte sich mit einem Finger ein Teil dessen aus dem Gesicht, was sie getroffen hatte, betrachtete es, "...wasimmer daf hier ist?", und nahm den Finger in den Mund, "Mmh, fmeckt leicht nach Tomate...", eine weitere Probe auf dem Finger ergab "...riecht aber nicht danach."
"Ich nich geschmissen hab, Mäm", entgegnete der Troll erschrocken und zurückhaltend, woraufhin auch Eleanore versuchte zu einer Erklärung anzusetzen "Destructivus is..., ich hab ihn...",
"Genug!", unterbrach der Feldwebel, die erneut von einem undefinierbaren Wurfgeschoss getroffen wurde, welches sie nun mit der ganzen Hand aus dem Gesicht wischte und dem Blick nach zu urteilen, den sie von dem Inhalt ihrer Hand zu der Menge vor der Tür warf, befürchtete Eleanore, sie überlegte, es zurück zu werfen, "waf auch immer diefen Mob in Aufruhr verfetzt hat, klärt das. Ihr könnt nicht früh genug lernen, wie man mit wütenden Bürgern umgeht. Ich halte mich im Hintergrund. Ihr, rauf vor die Tür!"
Erschrocken und entsetzt blickten die Rekruten vom Feldwebel zur Tür und wieder zum Feldwebel, die gerade zu einem Blatt Papier auf dem Tresen griff, "Vor die Tür, Mähm?, Aber da ist..."
"Ja, da ift ein wütender Mob. Ihr übt euch heute in der Streitschlichtung", und wischte sich mit dem Papier Hand und Gesicht ab.
Eleanore wich einem Wurfgeschoss aus, betrachtete den durch den Aufprall entstandenen Fleck an der Wand und wandt sich wieder an die Ausbildungsleiterin, "Streitschlichtung ... in Ankh-Morpork? Das soll doch wohl 'n Witz sein?"
Rogi Feinstich sah Eleanore mit ernstem Blick an, "Aufgabe eines Wächters ift es für Ordnung zu forgen. Manche machen das, indem fie dem städtischen Leben ihren Lauf lassen und sich hinter der nächften Ecke verstecken. Ihr follt aber auch Erfahrung darin haben, einen Ftreit schlichten zu können. Und jetzt rauf!", womit sie den Rekruten mit einem Fingerzeig den Weg zur Tür wies.
Dem Befehl automatisch gehorchend ging Damian, nicht aus Ankh-Morpork stammend, resoluten Schrittes in Richtung Tür, "so schwer wird das doch jetzt auch nicht sein. Ich weiß, wie man mit Mengen umgeht", und bekam ein weiteres Wurfgeschoss ab. Nur durch sein sehr intensives Gleichgewichtstraining, das er bei den Balancierenden Mönchen durchlaufen hatte, war er in der Lage, von der Wucht des Aufpralls des Wurfgeschosses nicht nach hinten gestoßen zu werden. Theodor indes, der hinter Damian lief, hatte das fliegende Etwas kommen sehen und in der Befürchtung es könne ihn treffen, die Arme gehoben, welche Damian trafen, der dadurch im Austarieren seines Gleichgewichts gestört wurde, "wie kommst du dazu mich zu schubsen? Ich war doch schon auf dem Weg nach draußen. Wenn du denkst, dass andere es besser können, geh du doch voran."
"Ich habe dich zwar nicht geschubst, sondern du bist auf mich drauf gefallen, aber das soll nun nicht Thema sein. Ich versichere dir, dass es keinen Unterschied macht, ob ich vor oder hinter dir gehe, der Mob bemerkt mich nicht, geschweige denn hört auf das, was ich sage, wie du auch schon nicht mehr bemerkst, dass ich mit dir rede."
"Also komm, Damian, wenn es Teil der Ausbildung ist, ist eine Streitschlichtung vielleicht auch möglich", sagte Eleanore, nahm Damian, ging am Troll vorbei, nicht ohne ihm einen böse funkelnden Blick zuzuwerfen und trat vor die Tür.
Vor der Tür befand sich ein Großteil der Menschen, die an einem solchen Tag auf dem Heumarkt zu finden waren. Nur befanden sie sich heute nicht auf dem Heumarkt sondern vor der Tür zum Wachhaus in der Kröselstraße. Unter ihnen befanden sich Bauern, Viehhändler, Tuchhändler, Tandhändler, Gemüsehändler, Kerzenhändler, Schmiedemeister und was es sonst noch so gibt, jeder seiner zugehörigen Berufsgruppe das passende Werkzeug parat. Durch die Wut derer, die sie in der Luft schwangen, sahen diese Werkzeuge doch sehr erschreckend nach Waffen aus. Unter dem Mob befanden sich wie üblich die Kinder der Straße und hatten Freude an dem Aufruhr, indem sie selbst laut waren und mit Erde, Torf, Abfällen und tierischen Exkrementen warfen. Eleanore fühlte sich kurz selbst wieder als Kind und es kam ihr der Gedanke sich unter die Kinder zu mischen und den Troll ebenfalls zu bewerfen. Doch sie hatte sich dazu entschlossen der Wache beizutreten, also musste sie jetzt auch die Position der Wache einnehmen. Sie holte tief Luft und versuchte gegen das Geschrei und Gezeter der Menge anzukommen, "WAS GEHT HIER VOR! WARUM BEWERFT IHR UNS MIT DRECK! GEHT EURER WEGE UND EUREM TAGEWERK NACH!"
Damian schaute sie verdutzt an, "So formell hast du bisher nicht geredet."
"Hab ich so mal aufgeschnappt."
"Viel gebracht hat es aber nicht."
In der Tat, die Menge stand noch immer vor dem Wachhaus und da einzelne noch lauter schrien, war akustisch nicht auffällig, dass sich andere die Ohren zuhielten. Optisch fiel es den Rekruten auch nicht auf, da sie nun beratend die Köpfe beieinander hatten, wie sie weiter vorgehen könnten.
"Laut rufen scheint also nicht viel zu bringen. Wie bringt man eine aufgebrachte Menge zum Schweigen?", stellte Theodor die Frage, die alle im Kopf hatten, ausgesprochen in den Raum zwischen ihren Köpfen.
"Auf meinen Reisn hab ich gesehn, wie Kinder zum Schweign gebracht wurdn, indem einer mit nem Knüppl auf ne Scheibe geschlagn hat, die dann ganz laut getönt hat", erinnerte sich Eleanore.
Damian schaute Eleanore an und begann laut zu denken, "Eine tönende Scheibe? Mit einem Knüppel aus dem richtigen Material und einer ausreichenden Kraft, mit der der Knüppel geschwungen wird, dürfte er eine metallische Legierung zum Schwingen bringen, wodurch ein Ton entsteht. Vorausgesetzt die metallische Legierung liegt nicht direkt in der Hand, sondern wird über ein Material gehalten, dass die Schwingung nicht behindern kann. Ich denke, in manchen Gegenden nennt man eine solche Vorrichtung Gong."
"Ein Gong? Wo sollen wir denn jetzt einen Gong her bekommen?", fragte der sonst so Unauffällige erneut die Frage, die sowieso schon im Raum schwebte.
Eleanore betrachtete Damian und war sich nicht sicher, ob sie alles verstanden hatte, was er über metallische Leguringen gesagt hatte, entdeckte dabei aber auf seinem Brustharnisch einen kleinen glänzenden Fleck, "wenn du von metallischm äh irgndwas redest, funktioniert das dann auch mit 'nem Brustharnisch? Der ist doch auch aus Metall?"
"Du willst mit einem Knüppel auf meine Uniform schlagen?, Dir ist schon bewusst, dass du dann mich ... uff", Damian schnappte nach Luft, während Eleanore überrascht Theodor entdeckte, der enttäuscht von dem Knüppel in seiner Hand zu Damian sah,
"auch wenn der Harnisch aus Metall ist, er scheint nicht als Gong einsetzbar zu sein, geschweige denn, die Menge zum Schweigen zu bringen."
"Wenn ich es mir recht überlege, manchmal tönte diese Scheibe oder dieser Gong, wie du ihn nennst und die Kinder wurd'n wieder ganz laut und unruhig. AU! Was fällt dir ein, hast du sie noch alle?!", Eleanore hielt sich ihre Schulter, drehte sich zu Damian und sah nur wütende Augen.
Damian war wieder zu Luft gekommen, "hast du mir gerade nicht zugehört? Die metallische Legierung muss frei schwingen können, um tönen zu können. Wie kann ein Brustharnisch denn frei schwingen, wenn ich ihn noch trage."
Eleanore war sich nicht sicher, ob ihre Schulter nach dem Hieb von Damian noch an Ort und Stelle saß und bewegte diese, "ich versteh nich, warum du mich deshalb jetz schlag'n musstest."
"Na, du bist doch mit dem Knüppel auf mich los."
"Was für ein Knüppl? Ich war das nich."
Theodor betrachtete die Szene und dachte bei sich, dass es manchmal doch ganz praktisch war, vergessen zu werden.
"Also, was nun?", versuchte Eleanore wieder die Konversation auf den Plan zurück zu bringen, während sie sich noch immer die Schulter rieb
dafür, dass er so schmächtig is, hat er ganz schön viel Kraft.
Damian schaute in die Menge und seine Gedanken schienen nicht mehr bei der Sache zu sein, "ich würde ja gerne mal was ausprobieren, wenn sich die Gelegenheit schon bietet. Ich hab da mal davon gehört, dass man in Mengen daiven könnte", sprachs und sprang.
Mit Damians Absprung sah Eleanore die Szene, wenn nicht sogar die ganze Welt ganz anders als sonst. Die Zeit schien stehen geblieben zu sein, und dann doch nicht. Damian bewegte sich stetig aber sehr langsam auf die Menge zu, eine Menge von Menschen, die Werkzeuge, oder waren es doch Waffen, über ihren Köpfen schwangen, Hämmer, Äxte, Heugabeln. Anhand des langsamen Tempos, in dem Damian flog, konnte Eleanore in etwa einschätzen, dass dieser Flug auf den Zinken einer solch geschwungenen Heugabel enden dürfte. Aber auch sie schien von der Zeit beeinflusst zu sein, sie war vollkommen lahm und konnte sich nicht bewegen, musste starr mit ansehen, wie Damian den Zinken der Gabel immer näher kam. Damian schien das nicht zu bemerken. Er hatte die Arme nach vorne gestreckt, hing diagonal in der Luft, die Bewegung ging nicht nur nach vorne, sondern auch um seine Achse, die ihn waagrecht über der Menge ausrichten ließ. Er hatte die Augen geschlossen und sein Gesichtsausdruck spiegelte vor allem Glück wider, aber auch ein bisschen Spannung und Angst.
Zwei Personen schienen von der Zeitverschiebung ausgeschlossen zu sein. Eine davon war der Feldwebel, die in dem Moment, da Damian den unüberlegten Gedanken des Daivens aussprach, aus der Tür getreten war, um einen erhofften Fortschritt in der Streitschlichtung feststellen zu können. Entsetzt hörte sie die Worte des Rekruten, sprang nach vorne, um ihn vom Springen abzuhalten und stieß dabei dem Troll, der die vorangehenden Szenen hinter den Rekruten versucht hatte Schutz vor den Wurfgeschossen zu finden, einen ihrer Ellenbogen in die Seite. Der Troll Destructivus erkannte die Absicht des Feldwebels und ergriff den abgesprungenen Rekruten am Kragen.
Mit einem Mal lief die Zeit wieder, wie sie laufen sollte. Durch die Kraft des Absprungs und die höhere Gegenkraft des Harnischs durch den Griff des Trolls, der die erstrebte Bewegung aufhielt, entwich dem Rekruten erneut alle Luft. Als Damian seinen gesunden Menschenverstand wieder gewonnen hatte, hing er in der Luft und erblickte vor sich das Gesicht des Feldwebels,
"Danke, Destructivus, du kannft den Rekruten jetzt runter laffen. Zu dir Rekrut, daf ist sehr unüberlegt in eine Menge springen, oder wie du es nennst
daiven fu wollen, die mit Waffen aufgerüstet ift, von denen ein Großteil in die Luft ragt."
Erst jetzt nahm Damian die über den Köpfen geschwungenen Werkzeuge deutlich war, und eine Heugabel unter diesen Werkzeug-Waffen schien ihm regelrecht zuzuwinken, "Ja, Mäm, da habe ich offensichtlich nicht überlegt, es wird nicht wieder vorkommen, Mäm."
"Und nun zu der ganfen Situation hier, ich kann noch keine Verbesserung feftellen. Muss ich euch nochmal daran erinnern, daff ihr Mitglieder der Wache seid? Handelt auch fo, und beruhigt diese Menge endlich, danach könnt ihr euch dann damit beschäftigen, die Faffade wieder von der ganzen Erde und waf da sonst noch durch diefe Wurfgeschosse dran klebt, fu befreien. Je fneller ihr die Menge also beruhigt habt, defdo weniger habt ihr nachher zu putzen."
"Ja, Sö.., äh Mähm."
Mit einem letzten Blick auf Mob und die Fassade, ging der Feldwebel zurück ins Wachhaus und die Rekruten waren somit wieder auf sich gestellt.
Verdrossen blickte Eleanore auf den Boden und kickte einen Klumpen Erde, der vor ihren Füßen lag von sich, "Uns wie Mitglieder der Wache verhalt'n? Was hab ich denn vorhin bitte anderes versucht."
"Du kommst doch aus Ankh-Morpork, Ella. Was macht die Wache, wenn sie versucht haben, eine Menge zum Schweigen zu bringen?"
"Wenn ich das wüsste. Ich bin eigentlich angeschrien word'n, glaub ich, aber das hat mich nich zum Schweigen gebracht, ich hab se eher ausgelacht."
Die Erinnerung nun aus anderer Sicht betrachtet, führte dazu, dass Eleanore wütend auf sich und die Kinder wurde, da sie in ihnen sich selbst erkannte. Die Erinnerung und die Einsicht riefen einen Blick hervor, der Damian das Blut in den Adern gefrieren ließ. Anatomisch war der Blick nicht weiter auffällig, er war starr ins Leere gerichtet und zwischen ihren beiden Augen hatten sich zwei kleine Falten gebildet, die Kieferknochen mahlten und traten aus ihrem Gesicht hervor. Doch aus irgendeinem Grund hatte Damian den Eindruck, dass aus den Augen Funken sprühten, die einem die Haut von den Knochen ätzen konnten und dass sich hinter der mahlenden Fassade ein ganzer Schwall dieser Funken sammelte, dass, sobald Eleanore den Mund öffnete, sie Feuer spucken könnte, stinkendes Feuer, das einen als brodelndes Stück Asche zurück lassen würde. Ihr Blick traf die lachenden und werfenden Kinder, deren Bewegungen dadurch langsamer und deren Geschrei dadurch leiser wurde. Auch die Händler bemerkten diesen Blick, und anstatt noch lauter zu werden, weil Eleanore gegen die Kinder vorging, waren auch sie von ihrem Blick verschreckt. Die Protestierenden in den vordersten Reihen entwickelten die Angst, in Kürze nur noch ein Haufen brodelnder Asche zu sein.
"Ella, bist du sicher, ob du nicht ein Drache bist?", fragte Damian, der froh darüber war, nicht in der Richtung zu stehen, in die sie Feuer spucken würde, würde sie den Mund öffnen.
"Seltsam, du bist nicht der erste, der das fragt", antwortete Eleanore noch immer gedankenverloren die Kinder anguckend, aber ohne dass aus ihrem Mund Feuer flammte.
"Aber dein Blick kann doch ganz schön einschüchtern. Immerhin hast du die Menge soweit zum Schweigen gebracht, dass wir jetzt auch mit Rufen gegen sie ankommen."
Dies ließ Theodor sich nicht zweimal sagen, er trat einen Schritt nach vorne, holte tief Luft, dass sich seine Brust nach vorne wölbte, er spannte das Zwerchfell an, öffnete den Mund und stand sofort vorn über gebeugt, würgend und spuckend, um das wieder aus dem Mund zu bekommen, was auf dem Weg nach vorne geworfen in seinem Mund gelandet war.
Währenddessen konnten Eleanore und Damian vereinzelte Kommentare ausmachen, die aus der Menge hervortraten,
"Der Troll hat meinen Stand verwüstet", "Er hat einfach alles umgeschmissen", "Er ist mitten durch gelaufen", "Er hat meine Tiere verschreckt", "und jetzt sucht ER Schutz bei der Wache, wobei WIR den Schutz doch vor IHM bräuchten".
Eleanore drehte sich zu dem Troll um und starrte ihn an. In Verbindung mit einem einfachen "Destructivus?" sackte der Troll in sich zusammen, "Ich dich gesucht habe, überall."
"Aber ich hatte dir doch erzählt, dass ich zur Wache gehe. Warum hast du denn dabei den Markt verwüsten müssen?"
"Du unter einem der Tische hättest sein können"
"Da treff'n wir in 'nem Kaff aufeinander, während du von Jungs mit Steinen beworf'n wirst. Du läufst mir hinterher, nachdem ich dich vor ihnen in Schutz genommen habe. Wir werden Reisegefährten bis nach Ankh-Morpork zurück und hier schaffst du es erneut, von Kindern mit Steinen und Dreck beworf'n zu werden."
Der Troll senkte beschämt den Blick und setzte zu einer Erwiderung an, als aus der Menge ein erneuter Ruf kam, "Wer ersetzt mir nun den entstandenen Schaden?!", was der Grundtenor des Anliegens der versammelten Händler sein durfte, aus den bestätigenden Kopfnicken und Rufen der Umstehenden zu urteilen.
Nun ergriff Damian das Wort, "Leute von Ankh-Morpork, es tut mir aufrichtig Leid, dass Ihnen die Suche des Trolls nach seiner Freundin so viel Ungemach verursacht hat. Ich bin darüber unterrichtet, dass sowohl der Troll als auch die Wächterin erst vor kurzem in die Stadt kamen und bezweifle, dass sie Ihnen den Wert durch finanzielle Mittel ersetzen können."
Obwohl die Menge Damian zugehört und auch verstanden hatte, warfen die Kinder auch weiterhin noch mit Dreck und die Händler wurden wieder laut. Als Eleanore erkannte, dass der erneute Anstieg des Geräuschpegels auch an dem Inhalt des zuletzt Gesagten liegen könnte, blickte sie kurz den Troll an, drehte sich zur Menge und hob die Hand, was die Menge erstaunlich schnell zur Ruhe brachte.
"Da hat Damian nich unrecht, finanziell können wir euch nicht entschädigen. Ich kann aber folgenden Vorschlag machen: Der Troll is groß, kräftig und nich ganz helle, außerdem hat er zur Zeit keine Beschäftigung. Er begleitet euch mit Sicherheit gern zurück auf den Markt, hilft euch dabei eure Stände wieder her zu richt'n und weitere Arbeiten für euch zu erledig'n, bis ihr denkt, dass er den angerichtetn Schaden wieder erarbeitet hat. Damit wäre doch allen irgendwie geholf'n."
Einzelne Händler schauten sich untereinander an und berieten sich. Die Lautstärke und die Blicke ließen die Rekruten darauf schließen, dass der Vorschlag Einverständnis fand, da die Händler schon anfingen Pläne zu machen, mit welchen Arbeiten und Aufgaben sie den Troll beschäftigen können.
Eleanore drehte sich erneut zu Destructivus um, "Somit is auch dir geholf'n, du hast was zu arbeit'n, und später kannste da vielleicht auch bleib'n. Geh zu meiner Mutter, sie braucht etwas Gesellschaft, sie wird dich aufnehm'n. Schau, dass du allen hilfst und tust, was man dir aufträgt ... ach, das brauch ich dir ja eigentlich gar nicht zu sag'n, das machst du sowieso. Wenn du mich wieder such'n solltest, ich bin hier."
Daraufhin boxte sie Destructivus in den Bauch, was soviel wie ein Abschied bedeutete. Der Troll nickte nur und ergab sich gesenkten Hauptes seinem Schicksal und seiner Zukunft auf dem Heumarkt. Im Kreise der Händler wurde er von einem zum nächsten gezogen, jeder trug ihm auf, bei der Herrichtung des jeweiligen Standes zu helfen und es kam schon fast wieder zu erneuten Unruhen, als die Händler darüber zu diskutieren begannen, wem er zuerst helfen solle. Aber das kümmerte die Rekruten nicht mehr, da sich der Platz vor der Tür zum Wachhaus langsam wieder leerte. Einzelne Kinder hatten noch immer Freude daran, mit Erde zu werfen, was aber doch auch bald den Reiz verlor, als sie merkten, dass sie nicht mehr aus der Anonymität heraus werfen konnten.
Damian und Eleanore klopften sich gegenseitig auf die Schulter, Theodor klopfte beiden auf die Schulter und musste sich mit einem verwirrtem Blick von beiden begnügen, als sie zurück ins Wachhaus traten.
Dort standen drei Eimer gefüllt mit Wasser und jeweils einer Bürste daneben, was die Rekruten an ihre Aufgabe erinnerte, die sie nun hatten.
Damian griff nach zwei Eimern und gab einen davon Eleanore, "Und während wir jetzt den Dreck weg machen dürfen, den Destructivus in gewisser Weise verursacht hat, darfst du mir erzählen, wie es dazu kommt, dass ein Troll soviel Verwüstung anrichten kann, während er nach dir sucht. Ach ja, und warum er gerade nach
dir gesucht hat, wäre auch ganz interessant zu wissen."
[1] ob aus Gründen der Scham oder der Wut ob des Auftritts des Trolls im Wachhaus oder weil sie noch immer nicht die Riemen richtig eingestellt hatte, was Einfluss auf den Blutfluss hat, sei hier mal außen vor gelassen.
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