Glum, inzwischen auf den Boden gesunken, schnappte protestierend nach Luft.
Der in jüngster Zeit größte Fall der Dienststelle. Zwei Jahre her. Die zlobenische und die borograwische Botschaft von Ankh-Morpork hatten sich im Konflikt über den entführten borograwischen Maler Alexanda Seligova gegenüber gestanden. Beinahe wäre Ankh-Morpork das Herzstück eines internationalen Konflikts geworden. Noch während der Konflikt sich zuspitzte und Breda in den zähen Verhandlungen zur Beilegung der Fronten steckte, hatte der Rest der DOG die Botschaften unterwandert, Humph MeckDwarf und Patrick Nichts die Werke des Malers in vermeintliche Sicherheit gebracht und der Patrizier für die Inhumierung des Künstlers durch einen städtischen Assassinen gesorgt. Ein darauf folgender Brand vernichtete zudem sämtliche Skizzen und Gemälde. Eine kulturelle Tragödie. Doch sie warte den Frieden der Stadt. Und niemand außer Breda und Glum wussten überhaupt von der Beteiligung Vetinaris in dieser Sache. Dennoch hatte sie auch dies nicht gerettet, den schon bald...
"Vele-...Velepos-...poslani-..."
"Veleposlanistvo do Drzava Borogvia.", verlas Daemon laut. "Die borograwische Botschaft! Mist!"
"Das kann doch kein Mensch lesen!"
"Ist auch nicht viel schlimmer, als Überwaldianisch.", warf Glum ein und gesellte sich mit Araghast hinzu, dass nun alle über die Papiere gebeugt standen. "Spontan weiß ich auch nicht, was da steht, aber...ach, wie nett..."
"Was denn?"
"Unterschrieben von Brighton. Na, den Oberst kennen wir doch..."
Valdimier wirkte irritiert.
...doch schon bald verschwand der ehemals leitende Wissenschaftler der borograwischen Waffenforschung und darüber hinaus einzige Mensch, der von den Abmachungen zwischen der Regierung Ankh-Moporks und Borograwiens etwas wusste...
"Nennen wir ihn lieber Alfons Sommer!", sagte Arwan soeben, die zwischen Hatscha und Glum saß. Breda drehte Däumchen.
"Als ich im Bürgerbüro des Patrizierpalastes war, bat man mich unerwarteter Weise zu einem vertraulichen Gespräch bei seiner Lordschaft."
"Ich kenne diese Gespräche!", warf Araghast ein und verdrehte die Augen. "Was wusste er, was sonst wieder niemand wusste?"
"Dass in unseren Akten keine Namensänderung verzeichnet war, erfolgte auf Beschluss der Regierung. Alfons Sommer hat keine Baumaterialien entwickelt, keinen Zement, keinen Kleber - er war der leitende Wissenschaftler der Sektion für Waffenforschung. Zu seiner eigenen Sicherheit wanderte er aus Borograwien aus und zog nach Ankh-Morpork, wo die Regierung ihm in Absprache mit der seinen Schutz gewährte."
Oberst Brighton räusperte sich und straffte die Schultern.
"Das äh- das Vojska...wie heißt es...das Militär von Borograwien hätte sich ohne diese Forschungen nicht so lange standhaft gegen die zlobenischen Soldaten wehren können. Sie kennen das Problem mit dem Grenzkrieg. Wir reden hier nicht von einer Eintagsfliege." [5] Glum hatte genug! Diese Erinnerungsfetzen reichten ihm nun. Dieser Konflikt war inzwischen erst ein einziges Jahr her! Genau ein Jahr! Hätte die DOG damals nicht Bescheid gewusst und ihre Leute bereits in den Botschaften gehabt - die Zwillingsstadt befände sich zum jetzigen Zeitpunkt im Kriegszustand und niemand hätte sagen können, wie die Sache ausgehen würde.
Der Zwerg sprang auf, riss seine Funde an sich und stolzierter gen Ausgang.
"Wollen wir doch mal sehen, wer hier überflüssig ist!"
Als er sturmgleich auf den Flur hinauslief, wäre er beinahe auf Horatius getreten, der aus der Bürotür Humphs heraus trat. Offenbar war während des zwergischen Aufenthalts im Geheimarchiv inzwischen etwas mehr Leben in die Räumlichkeiten des immens wichtigen Arbeitsplatzes gekommen.
"He, Kleener, pass auf wo du hinläufst!"
"Entschuldige Horatius, aber ich bin Feuer und Flamme. Wo ist die Baum? Wo sind die anderen? Ich will eine Versammlung und das sofort! Keine Widerrede!"
Sämtliche Lethargie Glums war hinfort gefegt. Jetzt war es Zeit anzupacken!
"He, Mann! Das klingt gut - die Schäffin hatte eben genau die gleiche Idee!"
Harry, Humph, Daemon und Glum saßen nur eine Minute später im, wie Glum hinzufügte, vorübergehend baumschen AL-Büro, starrten gebannt gespannt auf Lillis gewichtige Mine, lauschten dem auf dem Sprechdämon, der seinen Platz im Sprechkasten inzwischen wieder eingenommen hatte.
"Also Leute, die Baum hat eine Nachricht von der Obergefreiten Arwan erhalten und offenbar-"
"Arwan?", entfuhr es Daemon unterbrechend. "Die lebt noch? Das erste Anzeichen seit Monaten!"
Alle nickten bestätigend, Lilli schenkte ihm einen verärgerten Blick für die Zwischenbemerkung. Aber sie trug es ihm nicht nach. Darin war sie gut.
"Jedenfalls...", fuhr der Dämon fort. "...hat sie es nach langer Arbeit doch noch geschafft, sich ins neue Hehlernetz der Schmugglergilde einzuklinken. Dazu musste sie extra bis nach Klatschistan reisen. Ihr wisst schon - da wo diese langhaarigen Jagdhunde herkommen. Sie lässt sich wohl entschuldigen, dass sie sich so lange nicht melden konnte. Aber was soll's?"
Da begann Lilli zu tippen.
"Oh. Äh, na dann - dann soll's wohl eben doch nicht. Äh. Oder so."
"Da schau mal einer an!", bemerkte der lanjährige AL Humph wohlgefällig. "Die gibt es also auch noch. Schön, dass die Abteilung doch noch nicht so tot ist wie ich-"
"- Die Abteilung war NIEMALS TOT!", entfuhr es Glum wütend und er hieb den mitgebrachten Stapel Akten auf den Schreibtisch Lillis. Wütend sah er drein. Das war
seine Aufgabe - den Glauben an die eigene Nützlichkeit zu bewahren.
"Ich habe heute über vieles nachgedacht - ich habe vieles Reh-Wü passieren lassen. Jedenfalls habe ich es mir noch einmal angeschaut. Ist euch eigentlich bewusst, wie wichtig das ist, was wir hier tun?"
Entsetzt schauten alle Versammelten auf den Zwerg, Lilli sprang auf. Ihr Blick war aufgebracht, sie hob drohend einen Zeigefinger, begann augenblicklich dem Sprechdämon ihre Befehle einzugeben, doch-
"Oberfeldwebel Lilli, bei allem Respekt - aber das hier muss gesagt werden!"
Sie hielt funkelnd inne, als der alte Rotbärtige diverse Pappdeckel aufschlug und sie herum reichte.
"Das hier ist die Verhandlung mit dem sogenannten
schwarzen Sektober. Eine Geiselnahme und die Sprengung eines Gebäudes konnte verhindert werden, weil die DOG vor Ort war um den FROGs den Weg frei zu halten. Zwei Jahre ist das jetzt her. Weiter. Das hier sind die gesammelten Berichte zu dem Fall mit der Oktopus-Bruderschaft. Blutige Sache; konnte geregelt werden, weil die DOG ihre V-Männer ausschalten konnte. Ein Jahr und ein halbes. Und das hier ist der Fall
die neue Technik. Sechs Monate her. Die Erpressergilde hat versucht die Grenzen ihrer Regularien auszutesten sodass die Abteilung selbst als Erpresser agieren musste. Eine Gratwanderung sondergleichen. Wir haben unzähligen Bürgern die Existenz gerettet. Und was ist das hier?"
Glum hielt eine blaue Akte in die Höhe.
"Erinnert ihr euch noch an
Das ICH im Team? Ein breiter Abteilungstest zur Stärkung der Einheit und zur Vertrauensbildung. Ich wäre dabei beinahe ertrunken, aber ihr habt mich vereint gerettet. Vor drei Monaten. Zwölf Wochen. Was ist passiert?"
Sie schauten betroffen drein und auch Lilli ließ sich auf ihren Stuhl zurück sinken.
"Und dann die Sache mit den Botschaften? Das Schloss aus Zuckerwerk? Der Feuerfestumzug der Spielergilde? Die Betrugsaffäre um das morporkianische Zepter? Natürlich sind wir in letzter Zeit weniger geworden und natürlich drückt das aufs Gemüt. Aber Leute - wir sind nicht weniger wert als der Rest der Stadtwache. Auch wenn wir nicht gerade in einem der Hauptwachhhäuser untergebracht sind. Aber wir liegen immerhin dazwischen. Wir sind ein essentielles Bindeglied!"
Glum legte die Papiere beiseite.
"Lasst euch doch nichts einreden! Jeder von uns ist wichtig und unsere Arbeit würde schmerzlich vermisst! Und seit wann sind wir auf Anerkennung angewiesen?"
Der Zwerg kehrte zu seinem Platz zurück und schwieg verbissen. Nach einem kurzen Moment meldete Harry sich zu Wort.
"Du klingst so, als glaubtest du, wir wären uns darüber nicht im Klaren, Stiefel! Aber das sind wir uns sehr wohl! Es ist gar keine Frage, dass die DOG eine unverzichtbare Abteilung ist! Aber unsere Arbeit wird nicht gerade einfacher dadurch, dass wir derart unterbesetzt sind!"
Daemon pflichtete dem bei: "Genau! Du sagst es! Unsere Arbeit wird immer schwieriger. Uns fehlen die Leute."
"Dann, liebe Leute, wird es schleunigst Zeit für einen Neuanfang!", meldete Horatius sich zu Wort. Lilli hatte soeben zu tippen begonnen und der Dämon waltete seines Amtes. "Und am besten beginnen wir damit, indem wir Arwan bestmöglichst unter die Arme greifen!"
Die Ohren spitzten sich.
"Sie ist mit einigen Hehlern auf dem Rückweg. Es geht um Drogen, hartes Zeug. In zwei Tagen treffen sie in der Stadt ein, dann müssen wir vorbereitet sein! Die haben einen Spitzel irgendwo in der Schmugglergilde und den müssen wir ausschalten. Er verdächtigt sie bereits. Irgendetwas lief da unrein. Wenn wir ihr nicht zur Hilfe eilen, ist die gesamte Operation gefährdet! Und die Obergefreite freilich auch!"
Er holte tief Luft.
"Ist das ein Fall für die DOG?"
"FÜR DIE DOG!", riefen die Versammelten außer Lilli einstimmig und zum ersten Mal war Glum zufrieden mit ihr.
[1] siehe: Ein Wahnsinns-Plan.
http://www.stadtwache.net/phps/zeigemission.php?art=S&nummer=1140
[2] siehe: Märchenhaft (Original).
http://www.stadtwache.net/phps/zeigemission.php?art=S&nummer=1234
[3] siehe: Streidt unter Geschwistern.
http://www.stadtwache.net/phps/zeigemission.php?art=S&nummer=1253
[4] siehe: Der borograwische Maler Alexanda Seligova.
http://www.stadtwache.net/phps/zeigemission.php?art=S&nummer=1371
[5] siehe: Wo ist Alfons Sommer?
http://www.stadtwache.net/phps/zeigemission.php?art=S&nummer=1422
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