Offlerzillas Rückkehr

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von Obergefreiter Jargon Schneidgut (SEALS)
Online seit 28. 10. 2012
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In einer ereignisreichen Nacht erhält Jargon Besuch von einem alten Bekannten - mit schlechten Nachrichten. (Wichtelsingle)

Dafür vergebene Note: 11

Die Unbesonnenheitsstraße lag finster wie immer im klaren Mondeslicht des nur allzu schwülen, typisch-ankh-morporkianischen Sommers. Das letzte Hitzeunwetter lag schon zwei Tage zurück, und die wenigsten Bürger der Stadt wünschten sich etwas anderes als dass es endlich Herbst würde.[1] Das Straßenpflaster lag still, nur einige vermummte Gestalten huschten über Dächer und durch diverse Gassen. Ab und zu bellte ein Hund. Diese relative Stille wurde jäh durch ein metallisches Kratzen unterbrochen, das von einem sich verschiebenden Kanalisationsdeckel stammte. Eine schuppige Hand - oder wohl eher Klaue - streckte sich durch den so entstandenen Spalt und tastete suchend nach einem schräg sitzenden Pflasterstein, der zumindest ein wenig Halt versprach. Mit einem ziemlich lauten Scheppern knallte der metallene, ziemlich schwere Deckel auf die Straße. Dann kroch ein an eine Eidechse erinnerndes Geschöpf aus dem Kanalloch. Sie maß insgesamt etwas über zwei Meter und lief aufrecht, was zugegebenermaßen eine ungewöhnliche Abweichung vom typischen Echsen-Aussehen darstellt. Die restlichen Eigenschaften der Gestalt passten allerdings: Grünliche Schuppen, klauenartige Hände und Füße, ein langer, spitz zulaufender Schwanz, spitze Eckzähne. Nicht zu vergessen die schlitzartigen Augen.
Vorsichtig schnuppernd blickte sich Offlerzilla um und huschte dann in den Schatten einer kleinen Seitengasse. Er suchte nach einem ganz bestimmten Geruch- ein Geruch, den er seit knapp 3 Jahren nicht mehr wahrgenommen hatte, und den er auch nur flüchtig kannte.[2] Aber er stach in seiner Ungewöhnlichkeit so aus der Masse heraus, dass er trotzdem leicht wiederzuerkennen war. Dieser spezielle Geruch äußerte sich durch... Papier, Graphitablagerungen, Angstschweiß, billiges Seifenaroma und ein kleines bisschen Waffenöl. Und den typischen Geruch, den Körperhaar abgibt wenn es über längere Zeit unbehandelt bleibt.

Tief in der Nacht lag Jargon noch immer wach. Den ganzen Tag schon hatte ihn ein unbestimmbares Gefühl verfolgt - es war definitiv nicht sein typischer Gefahreninstinkt - und er war sich immer noch nicht sicher, ob er es ignorieren sollte oder eher Nachforschungen anstellen müsste um endlich schlafen zu können. Diese spezielle Ahnung hatte etwas- fragendes. Als ob jemand verzweifelt an ihn dachte, oder ihn suchte. Es war ein komisch-mulmiges und irgendwie kitzelndes Gefühl, als fühlte man sich dazu verpflichtet, sich schleunigst finden zu lassen. Das hatte der kleine Mann allerdings nicht unbedingt vor. Da es aber eben nur eine Ahnung war, lag er nun trotzdem im Bett, das Schwert an den Kopfstützbalken gelehnt.
Ein Pochen kam von dem improvisierten Teppich-Dach.
Einen Moment lang blieb Jargon in quälender Ungewissheit liegen. War es einfach ein Wasserspeier auf der Suche nach einem guten Futterfangplatz? Unwahrscheinlich - die in Ankh-Morpork lebenden Tauben hatten sich evolutiv so entwickelt, sich von den schäbigeren Vierteln fernzuhalten[3]. Und für Regen war der Klang zu dumpf, zu schwer gewesen.
Schneidgut wühlte sich aus der Decke und griff nach dem Schwert, als der Teppich dem Gewicht nachgab und durchriss. Krachend brachen die improvisierten Stützlatten, und eine im Mondlicht glitzernde, schuppige Gestalt landete mit einem lauten Wumpf knapp neben Jargons Nachttisch. Glücklicherweise verfehlte sie auch den Besitzer selbigen Gegenstandes.
Paralysiert stand er da, den Griff umklammert - bis er erkannte, wen er vor sich hatte.
"...Offlerzilla?"
"Fffsssch.... jaaah...." Die Echse wand sich kurz, in dem Versuch die eigenen Extremitäten zu sortieren. "Kannssst du mir bitte auffhelfffen?"
Erst etwas zögerlich, dann aber entschlossen umfasste der Bärtige die angebotene Krallenhand und half Offlerzilla auf. Dabei konnte er sich selbst kaum auf den Beinen halten. Er sah hoch zur Decke, wo die Sterne irgendwo schelmisch durch das Loch zwinkerten, und seufzte.
"Was führt dich denn hierher....?" Ziemlich verwirrt und überrascht betrachtete er die Kreatur. Ein knotiges Narbengewebe zog sich über die linke Gesichtshälfte des schuppigen Kopfes und über das Auge. Offenbar war die intelligente Echse in einige Kämpfe verwickelt gewesen. "Und was ist mit deinem Gesicht passiert?"
"Dasss isst eine lange Gesschhichte", brummelte das Schuppentier, allerdings in einer Art die darauf hindeutete dass sie sie trotzdem gleich erzählen würde.
"Oh." Jargon stand etwas verlegen da. Er sah sich in seiner Wohnung um als würde er sie das erste Mal inspizieren - immerhin hatte er nicht oft Gäste.
"Setz dich..." Mit einer wenig eindeutigen Geste wedelte er in Richtung des einzigen Stuhls und machte sich daran, ein Feuer anzuzünden. Während er über einige zerbrochene Latten stieg und den Teekessel aus dem Schrank nahm, setzte sich Offlerzilla auf den knarrenden Stuhl und begann zischelnd und knurrend zu erzählen.

Offlerzilla und sein bester Freund (und ehemaliger Bauarbeiter), Träger, waren bis vor kurzem noch immer in Ankh-Morpork verblieben, verborgen in der Kanalisation, und hatten im letzten Jahr Vorräte für eine längere Reise zusammengesammelt. Ihr Plan war gewesen, im Verborgenen durch das Land zu ziehen, auf der Suche nach einem Ort an dem die beiden mehr oder weniger ungestört leben können würden. So waren sie vor einer Woche schließlich aufgebrochen, im Schutz der Nacht und immer weit genug vom Weg entfernt um sich rechtzeitig verstecken zu können.
„Aber…“ Eine Klauenhand legte sich auf die zugekrustete Wunde am Kopf der Echse. „Derr Weg durch die Sssto-Ebene issst gefähhrlichher alss Man denkt.“
Der Teekessel zischte.
„Wir wurden überfallen.“
Jargon fragte sich, wer idiotisch genug war, einen jungen Mann aus Ankh-Morpork in Begleitung einer riesigen Echse zu attackieren.
„Esss waren Sssklavenhändler, glaube ich“, gab Offlerzilla die Antwort auf die ungestelle Frage. „Jedenfallsss wollten sssie unsss nicht töten.“ Wieder fuhr die Krallenhand über verletztes Gewebe. „Bisss ich mich wehhrte.“
In einem Wäldchen lauerte die Schlägertruppe, die gezielt nach Landstreichern und jenen, die nicht vermisst werden, Ausschau hielten, um sie an diverse ferne Länder zu verkaufen.
Da die Überraschung auf Seiten der Angreifer gewesen war und sie zudem noch die Überzahl gehabt hatten, gelang es ihnen, Offlerzilla niederzuschlagen. Jemand hatte ihm einen Bolzen in den Kopf gejagt, ein anderer einen Speer nachgestoßen. Träger blieb mehr oder weniger unverletzt – er war sofort durch einen Keulenschlag außer Gefecht gesetzt worden. Letztlich blieb die Echse ohnmächtig, aber für tot erklärt in dem Wäldchen liegen. Die Regenerationskräfte des magisch mutierten Reptils waren aber stärker als von irgendjemandem, einschließlich selbigen Reptils, erwartet, und so war Offlerzilla einen Tag später wieder erwacht – mit furchtbaren Schmerzen und nur noch einem funktionalen Auge, aber voller Wut. Trotzdem wusste er, dass er unterlegen war: alleine gegen eine Horde Bewaffneter, die zudem noch seinen besten Freund als Geisel hatten, zu kämpfen hätte für Beide den Tod bedeutet. Also sprintete die Echse so schnell sie konnte nach Ankh-Morpork zurück um Hilfe bei den einzigen Personen zu holen, von denen sie wussten dass sie wohlgesonnen waren und die außerdem Kontakte hatten: Braggasch und Jargon.
„Ich binn heute Nacchht angekommen“, zischelte der schuppige Bekannte und versuchte, Tee aus eine Tasse zu trinken.
Jargon starrte auf die Uhr.
„Das heißt, Träger ist immer noch in der Gewalt der Sklavenhändler?“
„Jaah. Wir müssssen ssso sscchhnell wie möglich handeln.“
Mit gerunzelter Stirn starrte der kleine Mann zur Decke, dann stand er auf.
„Weißt du noch in etwa, wo ihr überfallen wurdet?“
„Icchh weisss, dassss Träger einen Ort namensss Kuhnacken erwähhnt hatte der in der Nnähe liegen sssoll“, antwortete Offlerzilla und ließ kurz seinen Schwanz zischend durch die Luft wedeln. Wie Jargon bemerkte, schien die Spitze andersfarbig zu sein als der Rest.
„Kuhnacken!“, entfuhr es dem Wächter. „Das kenne ich! Da war ich zu meiner Rekrutenausbildung!“
Mit einem leisen Klicken öffnete sich die schwere, eisenbeschlagene Truhe unter dem Bett. Geldscheine wurden herausgekramt und hastig eingesteckt.
Der Echsenschwanz wedelte aufgeregt.
„Wasss hassst du vor?“
Der Obergefreite war schon auf dem Weg zur Tür.
„Eine Nachricht verschicken!“

Der nächste Klacker befand sich in nicht allzu großer Entfernung – ein heruntergekommenes, uraltes Gebäude war vor nicht allzu langer Zeit zu einem „Klacker-Kaffee“ umfunktioniert worden. Der Besitzer, ein neumodisch anmutender Zombie namens Gerd Rumpfbefall, hielt das Café die ganze Nacht offen. Sein Geschäft galt als eines der sichersten Gebäude in der Kröselstraße – es ist einfach dumm, im Laden eines Zombies für Aufruhr zu sorgen. Entsprechend benutzte Schneidgut es gerne in seiner Freizeit, um auf das Fratzenbuch zuzugreifen. Gewöhnliche Klackernachrichten waren ihm in den meisten Fällen aber zu teuer.
Jargon, dicht gefolgt von seinem geschuppten Kumpan, huschte durch die anliegende Seitengasse, sah sich nach eventuellen Gefahren um und verharrte einen Moment. Kein Kribbeln war in seinem Nacken zu spüren.
„In Ordnung- ähm- warte du am besten hier, und… pass auf dass dich keiner sieht.“
„Hatte icchh sssowiessso vor….“
Der kleine Mann nickte, sah sich noch einmal um und verließ dann die Seitengasse, direkt auf die Tür des Cafés zusteuernd.
„Verdammt“, murmelte er.

Im Moment wegen latenter Armlosigkeit geschlossen – In 3 Stunden wieder geöffnet.


Er wandte sich um, mehr oder weniger unschlüssig, und eilte dann zu Offlerzilla zurück.
„Ich schätze, wir müssen zum Pseudopolisplatz“, sagte er gedämpft. „Das Wachhaus an der Kröselstraße ist nachts geschlossen soweit ich weiß.“
Sie machten sich auf den Weg, im Verborgenen bleibend.
„Wasss willssst du eigentlicchh für eine Nachricchht ssschicken?“, zischelte die Echse.
„Braggasch ist gerade in Kuhnacken“, flüsterte Jargon atemlos zurück. „Er macht da ein Übungsseminar für die Rekruten!“
„Interesssant“, zischte es zurück, „aber- Braggasscchh? Meinssst du wirklich, dasss er etwasss ausssrichten kann?“
„Ja.“
Die Brücke war leer. In der Ferne ertönte ein Schrei, den Jargon aber momentan in der Priorität zurückstufte. Er hatte sowieso eher nach „Hilfe, ich bin betrunken und habe in eine Gabel gegriffen!“ geklungen.
„Braggasch… hat sich verändert“, fügte der Obergefreite hinzu und hastete über die Brücke, „ein wenig jedenfalls.“
Sie hatten die Brücke überquert. Offlerzilla sah sich um, indem er den Kopf schräg legte und schnupperte, dann lief er weiter.
„Und du?“
„Hm?“
Das Wachhaus war schon ganz nah.
„Hassst du dich aucchh verändert?“
Jargon hielt inne.
„Ich denke schon.“
Er bedeutete seinem Begleiter zu warten und schlüpfte nach drinnen.

*


Die Nacht lag wie ein erstickender Schleier aus Dunkelheit, Kohlgeruch und Hitze über den schlafenden Teilnehmern des GRUND-FROG-Seminars. Braggasch war noch wach. Er stand auf dem (neuen) Balkon des Gasthauses Bauernruh und schwelgte in nostalgischen Erinnerungen an seine eigene Rekrutenzeit. Damals war es natürlich kein spezielles FROG-Seminar sondern eine Thiemwörk-Bildungsmaßnahme gewesen. Bei jener hatte er zum ersten Mal richtig mit Jargon und Ménelaos zu tun gehabt und zudem gemeinsam mit ihnen, Sebulon und einigen anderen Rekruten einen Mordfall gelöst. [4]
Er sah hoch zum sternenklaren Himmel und sog die kohlgeruchgeschwängerte Luft ein, erinnerte sich an die Nächte im gemeinschaftlichen Schlafraum und die geflüsterten Gespräche. Daran wie sie Harry mit einem Bücherregal quasi eingesperrt hatten um ihre eigenen Ermittlungen anzustellen. An das Kohl-Labyrinth. Die merkwürdigen Dorfpolizisten…
Plötzlich blinkte etwas in der Ferne.
Eine Klackernachricht? Um diese Zeit?
Er sah zum Dorfeigenen, vom großen Strang installierten Klackerturm, bei dem sich knirschend die Klappen in Bewegung setzten und das namensgebende Klackern von sich gaben. Nicht sonderlich beunruhigt, aber ziemlich sicher dass es sich um eine wacheinterne Sache handelte, seufzte er noch einmal und öffnete die Balkontür, um im Eingangsbereich bereitzustehen.
Tatsächlich dauerte es nicht lange bis es zögerlich an der Tür klopfte. Braggasch erhob sich von einem der Stühle und nahm der momentan vermutlich schon schlafenden Rezeptionistin ihre Aufgabe ab, indem er die Tür öffnete.
Ein übernächtigt wirkendes, blasses Mädchen stand da und hielt einen Brief in der Hand.
„Eilzustellung für nen… Braggasch Goldart?“
„Ähm, Goldwart. Das bin ich.“
Sie reichte ihm den Brief und ließ ihren Blick kurz über seine Uniform und seine Streifen schweifen.
Merkwürdig, dass nur mein Name und kein Rang erwähnt wurde, dachte der Zwerg und gab dem Kind eine Münze. Sie nahm das Geld entgegen, schaute ihn noch einmal kurz, beinahe feindselig an und lief zurück zum Klackerturm. Er sah ihr noch kurz nach und wunderte sich ein wenig, öffnete aber dann den Brief und las.
HALLO BRAGGASCH STOP OFFLERZILLA U TRÄGER GESTERN ANGEGRIFFEN STOP SKLAVENHÄNDLER BZW WEGELAGERER IM VERDECKTEN IN D NÄHE EINER BAUMGRUPP KOMMA ETWAS ABSEITS DES WEGS KOMMA SÜDLICH V D STOP HABEN TRÄGER WIEDERHOLE SKLAVENHÄNDLER HABEN TRÄGER KOMMA OFF IST BEI MIR STOP GRÜßE JARGON STOP

„Äh… sowas.“
Sklavenhändler in der Sto-Ebene? Offlerzilla und Träger? Was hatte das denn alles zu bedeuten? Zum einen hätte es Braggasch fast für einen Scherz gehalten, andererseits wusste er genau, wie sparsam Jargon mit seinem Geld umging, und eine Klackernachricht war nicht wirklich die billigste Form der Kommunikation. Dafür aber die schnellste. Es musste sich also tatsächlich um einen Notfall handeln.
Das Herz des Zwerg begann etwas schneller zu pochen. Was galt es jetzt zu tun? Über welche Mittel verfügte er? Alleine mit seiner Armbrust gab es nicht viel auszurichten... Sollte er etwa aus einem Haufen halb ausgebildeter Rekruten einen Stoßtrupp bilden und eine Gruppe höchstwahrscheinlich bewaffneter Sklavenhändler attackieren?
Braggasch strich sich höchst nervös über seinen Bart und befeuchtete seine Unterlippe mit der Zungenspitze. Vielleicht könnte er... Mal sehen...
In der Ferne, hinter den Häusern des Dorfes, flackerte ein winziger, kaum erkennbarer Lichtschein in der Nähe einer Ansammlung von Stämmen, die man kaum als "Wald" bezeichnen konnte.
Ein Fernrohr hatte er natürlich nicht dabei. Typisch.
Er seufzte unentschlossen. Was würde Gürtel an meiner Stelle tun...?
Mit rauchendem Kopf öffnete er die Balkontür und ging nach drinnen.

*


Ein wenig bleich kam Jargon wieder aus dem Wachhaus. Er sah sich kurz um und verschwand dann in der Gasse neben dem Gebäude.
"Und?", zischelte es.
"Also... ich habe Braggasch die Nachricht geschickt. Mehr kann ich nicht tun- zum einen wäre ein Einsatztrupp von unserer Seite aus zu langsam um sie vor morgen einzuholen und zum andern bin ich mir wirklich nicht sicher, ob Kuhnacken und Umgebung überhaupt noch in unseren Zuständigkeitsbereich fallen."
Offlerzilla, den der kleine Mann in der Dunkelheit der Nacht nur als schwarzen, aber im Licht der Laternen und des Mondes irgendwie schillernden Schemen wahrnahm, zischelte ungeduldig und ängstlich.
"Aber wir müsssen etwasss unternehhmen...", gab er von sich und begann, auf und ab zu hüpfen.
"Mit der Kutsche braucht man mindestens sechs Stunden, Off-", setzte Jargon an.
"Ich weissß!" zischte die Echse laut und erbost. "Ich bin hhierhher gerannt!"
Verängstigt schwieg sein Gegenüber und fühlte sich grässlich nutzlos.
Mit einer zuckenden Klaue schob die schillernde Kreatur ihn beiseite, sah sich um und knurrte: "Und icchh renne zurück, Jargon! Du kannssst mir nichht helfen!"
Und bevor der verängstigte, nervöse kleine Mann noch etwas sagen konnte, rannte die Echse mit klackernden Schritten über den Pseudopolisplatz davon.
Es hängt alles an Braggasch, schoss es Jargon durch den Kopf, und sein Herz pochte heftig.

*


Selbiger Muskel pumpte auch in der Brust des Zwergs, der im Kopf alle möglichen und unmöglichen Erfolge und Misserfolge eines eventuellen Einsatzes durchging.
Einerseits gefährde ich damit vermutlich das Leben meiner Rekruten und das eines meiner guten Freunde, dachte er, andererseits ist das Leben von Träger ohnehin in großer Gefahr... wenn ich's mir recht überlege-
Er nagte kurz an seiner Unterlippe und zupfte an einem blonden Barthaar herum.
Eine bessere Einsatzeinführung gibt es nicht.
Er drehte sich einmal um die eigene Achse, sah zu der Laterne auf seinem Schreibtisch. Er entschied sich und schnappte sich den Henkel.
Verflucht nochmal, es geht um ein- Unsinn, vermutlich dutzende Menschenleben. Die Tür öffnete sich knarrend, die schweren Stiefeltritte des temporären FROG-Ausbilders pochten auf den kürzlich ausgetauschten Holzdielen. Wer weiß, wie viele Opfer diese Typen schon in die Sklaverei geschickte haben... und ich bin hier und könnte etwas tun...
Er pochte an das erste Dreierzimmer und rief: "Äh, aufstehen! Es gibt eine... ähm, Spezialbesprechung! Wir treffen uns so schnell wie möglich im, ähm, Konferenzzimmer!"

Etwa zur gleichen Zeit, nicht allzu weit entfernt, stapfte eine kleine Truppe aus Halsabschneidern, Schlägertypen und Prügelknaben über ein Kohlfeld, eine an einen Handwagen gefesselte Gestalt hinter sich herziehend.
"Diese Saison verläuft wirklich beschissen", meinte einer von ihnen, während er einen kurzen Blick zu Träger abgab. Sein kahlrasierter Kopf war von Narben übersät, und ein recht frisch wirkender Klauenabdruck zog sich von der Stirn über die Nase bis zur Oberlippe. In Gedanken hatte ihn Träger bereits Narbenkopf getauft.[5]
Zustimmendes Brummeln kam von einem schmalschultrigen Gesellen weiter vorne, der eine Armbrust auf dem Rücken trug.
"Mit dem hier hatten wir sogar noch Glück", flüsterte er heiser. "Bevor du dazugekommen bist mussten wir zweimal einen Rückzieher machen." Die Stimme des Armbrustträgers schwankte auf sehr merkwürdige Weise zwischen sehr hohen und tiefen Tönen. Vermutlich war das der Grund, weswegen er dauernd flüsterte. Er hatte von Träger den Spitznamen Quietscher erhalten.
"Ich finde immer noch wir sollten den Kleinen einfach umlegen und abhauen." Dieser Satz stammte von einem gewaltigen, bärtigen Ungetüm mit einer Axt, die er immer wieder nervös zwischen seinen Händen hindurchgleiten ließ. Er war Träger am nächsten, was in dessen Eingeweide immer wieder diverse Zuckungen hervorrief. So auch diesmal, als ein merkwürdig-funkelnder, beinahe flehender Blick in seine Richtung geworfen wurde.
"Vielleicht hat er noch mehr komische Monster-Freunde... und ich bin mir echt nicht mehr sicher ob der auch echt tot war."
"Hansi! Bleib verdammt nochmal ruhig! Wir haben ihm einen Speer in den Schädel gejagt! Das überlebt kein verdammtes Lebewesen!", herrschte ihn Narbenkopf an und gab ihm ein Ohrfeige.
Einen Moment lang war nur das Stapfen von Stiefeln auf Kohlpflanzen und das Knarren des Wagens zu hören. Der Geruch von Schweiß und Kohl lag in der drückenden Sommerhitze.
"Ich hab Hunger", flüsterte es aus der Richtung von Quietscher. "Wir müssen beim nächsten Ort etwas mitnehmen. Ich kann keinen verdammten Kohl mehr sehen."
"Bin dafür", brummte der beleidigte Hansi, und auch von den restlichen Mitglieder des Sklavenhändlertrupps kamen zustimmende Geräusche.
"Wieviel Geld haben wir noch?", wandte sich Quietscher nach einer Bedenkpause an einen etwas abseits laufenden, buckligen Kumpanen. Einen Moment lang ertönte nur leises Klimpern und ein Fluchen über die schlechte Beleuchtung, die aus zwei Fackeln bestand. Selbige waren an dem Rucksack von Narbengesicht befestigt.
"Dreizehn Ankh-Morpork-Cents und zwei Djelibeby-Talente."
Wieder ertönte nur das leise Matschen von Stiefeln und Rädern auf Kohl, dazu das Knistern der Fackeln. In der Ferne ließ eine Eule Kommunikationsgeräusche vernehmen.
"Unschön", quietschte es dann plötzlich. "Ich schätze, wir müssen wieder zu anderen Mitteln greifen. Wie weit ist es noch bis Kuhnacken?"
"Etwas mehr als zwei Wegstunden", antwortete es von vorne.
"Gut. Lösch am besten die Fackeln, sie sollen uns nicht kommen sehen."
Trägers von Schlafmangel, Schmerz und Depression betäubten Gehirnzellen machten ihm klar, dass bald etwas geschehen würde. Ein Überfall auf ein Dorf? Das könnte mir Gelegenheit zur Flucht geben... ich kann nur hoffen, dass die Dorfmiliz Widerstand leistet...

Sehr aufgeregt, mittlerweile aber fest entschlossen stand Braggasch vor der versammelten Truppe der ihm zugewiesenen Rekruten. Die Truppe war recht klein und sehr bunt zusammengewürfelt.
Zum einen waren da Rochus, Opal und Senray, die Braggasch einigermaßen einschätzen konnte weil sie bereits bei einigen Einsätzen dabei gewesen waren und auch öfter mal im Zuge ihrer Ausbildung das Wachhaus am Pseudopolisplatz besucht hatten. Über die beiden anderen, Skaddel und Lyassinia vom Wald, wusste er noch nicht besonders viel- nur dass Letztere nicht besonders gesprächig und Ersterer im Gegenteil ein plappernder, trinklustiger Kerl war.
Sie waren allesamt verschlafen und entspechend schlecht gelaunt, bis ihnen ihr derzeitiger Aushilfsausbilder die Lage erklärte.
"Hm... Also, so wie es aussieht wurde in der Nähe eine Truppe von, ähm, Sklavenhändlern gesichtet, die kürzlich ein neues Opfer gefangen genommen haben. Äh... mein Plan wäre nun gewesen, einen Rettungstrupp - also, uns - loszuschicken um, ähm, ja, eine Befreiungsaktion durchzuführen."
Im ersten Moment gab es kaum eine Reaktion, außer einiger sich weiter öffnender Augen. Die Nachricht sickerte durch den Schleier der Müdigkeit.
"...wieso denn?", entfuhr es dann Lyassinia. "Ich meine- ist das überhaupt unser Aufgabenbereich? Hier und jetzt?"
Die Lippen des Zwerges bewegten sich kurz, während er einen Satz formulierte.
"Äh... hier und jetzt - äh - nein." So gut er konnte versuchte Braggasch seine Haltung zu straffen. "Aber würde euch das hindern? Ihr bewahrt immerhin das Leben - äh, oder mindestens den wichtigsten Teil davon - eines, nein, vieler Menschen."
Opal knackte kurz, während er in der (zum Glück angenehm kühlen) Nacht sein Gehirn in Gang setzte.
"Ich es unangemessen fände, als Wächter", sagte er dann und brachte diesmal seine Fingerknöchel zum Knacken.
"Äh... was genau?"
"Nicht helfen."
Goldwart nickte, stolz.
Senray blickte nach links und rechts und meldete sich dann ebenfalls zu Wort. "Ich schätze, ich wäre ebenfalls dabei..."
Das wiederum spornte Lyassinia und Skaddel dazu an, sich bereit zu erklären. Am längsten brauchte Rochus - wahrscheinlich weil er noch sehr müde und ohnehin nicht der schnellste war, aber letztendlich erklärte auch er sich dazu bereit, mitzumachen.

Zwei Stunden vergingen. Immer noch war stockfinstere Nacht. Eine steife Brise bließ auf dem Hügel, der an Kuhnacken angrenzte und einen perfekten Ausblick auf das Dorf bot, das vom Licht des Halbmonds stark genug beleuchtet wurde, damit man einzelne Gebäude ausmachen konnte. Auf der Hauptstraße brannten einige wenige Straßenlaternen, um zu verhindern, dass eventuelle Postkutschen mit Eilzustellung gegen eine Hauswand schmetterten.
Quietscher spähte die Lage aus und hielt Ausschau nach Wachen. Er schüttelte verächtlich den Kopf.
"Sieht fast so aus als wäre es unbewacht", quäkte er grinsend. "Wenn wir es richtig anstellen können wir bestimmt noch einen oder zwei Leute mitnehmen."
Narbengesicht, der neben ihm auf dem Boden hockte und an einem Kohlkopf hermzupfte, nickte.
"Könnte gute Beute geben", brummte er. Der Rest der Bande hatte sich bereits bewaffnet und war Einsatzbereit, mittlerweile brannten wieder zwei Fackeln, die das auf dem Hügel befindliche, mittlerweile zertrampelte Kohllabyrinth schwach beleuchteten..
"Na schön Leute", quietschte der Späher der Truppe und wandte sich an den waffenstarrenden Haufen. "Zuallererst bleiben wir leise- wir räumen den Kornspeicher aus und packen alles auf den Handwagen. Dann zündet der Feuertrupp", mit einer Geste wies es zweien der Banditen ihre Rolle zu, "das nächstbeste Gebäude an. In der aufkommenden Panik schnappen wir uns zwei von den Dorfbewohnern und treffen uns dann alle", er drehte sich um und zeigte, nicht weit entfernt, auf ein Wäldchen hinter dem Dorf, "dort."
Er besah sich die Gesichter der Männer. "Alles klar soweit?"
Träger, der mit gefesselten Armen ganz hinten am Eingang des Kohllabyrinths saß, deutete die organisierte Vorgehensweise als ein Zeichen dafür, dass die Truppe nicht zum ersten Mal so vorging, während zustimmendes Gemurmel erklang.
"Gut", übernahm Narbengesicht das Kommando. "Du hältst noch zwei Minuten Ausschau, dann stürmen wir los!"
Der angeheizte Trupp traf letzte Vorbereitungen.

Selbiges taten auch die Braggasch zugewiesenen Rekruten - alle waren mit ihren behelfsmäßigen Waffen ausgerüstet, trugen die dichtetesten Rüstungen die die Übungskleider hergaben und bereiteten sich mental darauf vor, Braggaschs Anweisungen zu Befolgen [6].
Die letzten zwei Stunden hatte selbiger Zwerg vor allem damit verbracht, Ausschau zu halten, eine Konstruktion im Hinterhof zusammenzuzimmern und die Rekruten bei Laune zu halten.
Er hatte mehr oder weniger durch Zufall entdeckt, wie sich die Bande auf dem Hügel zusammenrottete - dabei hatten gewisse nostalgische Gefühle auch ihren Beitrag gehabt. Mit dem Kohllabyrinth und der Tatsache, dass man von dort aus guten Ausblick auf das Dorf hatte, hatte er schon einmal zu tun gehabt. Das war auch der Grund, warum er den Großteil der Vorbereitungen für ihren Einsatz im Hof des Hotels vornahm.
Was die Sklavenhändler genau vorhatten, wusste er nicht - aber Gutes hatten sie garantiert nicht im Sinn. Er hatte Metall blitzen sehen.
Mittlerweile wusste er, dass sie zahlenmäßig stark unterlegen waren. Die verschlafenen Dorfbewohner, deren Häuser er von Lyassinia und Skaddel hatte abklappern lassen und die mittlerweile zum Großteil informiert waren hatten ihn wissen lassen, dass sie nur über eine drei Mann starke Dorfmiliz verfügten.
Es ist mir ein Rästel warum dieser Ort nicht schon viel früher überfallen wurde, dachte er, aber wir haben einen Troll - und zwei Zwerge! Er sah mit zufriedenem Gesichtsausdruck zu seiner Konstruktion. Und das hier!

"Da regt sich doch was", flüsterte Quietscher plötzlich unzufrieden.
"Wo?", meldete sich Narbengesicht sofort.
Ein Finger zeigte auf das an der Hauptstraße gelegene Hotel, wo zwei Gestalten eintraten.
"Verflucht, du hast Recht-"
"Da!" Ein Schemen eines Mannes huschte zu seinem Nachbarhaus.
Einen Moment lang herrschte Stille.
Dann herrschte Narbengesichts Stimme: "Wir brechen ab! Das ist mir zu heiß! Die wissen Bescheid!"
Quietscher wollte etwas erwiedern, aber der Mann mit dem knotigen Kopf schnitt ihm das Fiepen ab.
"Nein, sieh doch!" Beim Hinterausgang der Bauernruh regte sich ein Schatten, kaum zu sehen. Gebannt starrten die Beiden darauf.
"Was ist los?", brummte Hansi schließlich ungeduldig, die Axt in seinen Händen herumwirbelnd.
Die Beiden anderen ignorierten ihn und starrten in die Düsternis.
"Es ist eine Kutsche! Sie bewegt sich!"
"Wo sind die Pferde?!"

Mit einem für ihn untypisch grimmigen Gesichtsausdruck schaute Braggasch durch das Sichtkonstrukt auf der Kutsche, das er aus einem Ofenrohr und einigen Spiegelsplittern gebaut hatte.
"Lenk bitte etwas nach rechts, Senray - danke."
Die kleine Wächterin saß vorne und hielt die Zügel in der Hand, direkt hinter zwei großen, trabenden Pferdehintern, die ihr jegliche Sicht versperrten.
"Äh... Sör... du bist dir sicher dass das funktionieren wird?"
"Äh... nein. Aber es ist die beste Möglichkeit, die wir haben."
Die Pferde waren mehr oder weniger in eine große Holzkiste eingebaut, die fast bis zum Boden ging und hatten vorne schlicht einen Fensterrahmen eingebaut bekommen, durch den sie sahen wohin sie trabten.
"Kannst du sich noch etwas antreiben?"
Vorsichtig ließ die kleine Frau die Zügel schnalzen. Schnaubend verfielen die beiden Rösser in Galopp. Die Kutsche schwankte fürchterlich.
Opal, der ganz klein zusammengekugelt im hinteren Bereich der Kutsche saß (er diente als Gegengewicht) und sich kaum zu rühren wagte verfluchte die Tatsache, dass er sich dazu entschieden hatte, den "großen Troll" zu markieren.
"Wir brauchen dich! Du bist unser stärkster Mann!", hatte der kleine furchtsame Zwerg gesagt. Sosehr er Zwergen misstraute - sowas konnte er natürlich nicht ausschlagen.

"Verteidigungsstellung einnehmen!", brüllte der narbige Anführer der Truppe. "Sie kommen hierher!"
"Ich habe ein ganz mieses Gefühl bei der Sache", quiekte sein Kumpan.
"Verflucht!", entfuhr es Narbengesicht. "Dieses verdammte Kohlfeld ist der beschissenste Ort überhaupt wenn man angegriffen wird!"
Die einzige Deckung, die die Kerle zur Verfügung hatten war der Handwagen und Kohl.
"Wir ziehen uns zurück!", fiepte Quietscher.
"Nein! Wenn wir dem Ding jetzt den Rücken zudrehen fährt es direkt in uns rein!"
Das Rumpeln des Kutschpanzerwagens war bereits zu hören. Auch Hufgeräusche ertönten.
"Alle Mann auseinander! Beschießt das Ding mit brennenden Bolzen sobald es hier ist! Schnappt euch eure Fackeln und Armbrüste!"
Während der Wagen den Hügel erklomm wurde er langsamer - Narbengesicht hatte eine Eingebung.
"Der Handwagen! Schiebt ihnen den Wagen entgegen! Aufwärts können sie nicht manövrieren!"
So setzten drei findige Männer den Karren in Brand und schoben ihn los.
Braggasch erkannte die Gefahr.
"Opal! Du musst raus!"
Die Kutsche kippte nach vorne als der steinerne Wächter sich durch die Tür nach draußen zwängte, wurde aber von Gestellen auf den Pferderücken aufrecht gehalten. Eines der Tiere wiehierte unwillig.
Der Troll stapfte nach vorne, griff nach dem herannahenden Gefährt und packte es mit beiden Händen.
"Verdammt! Ein beschissener Troll!", brüllte Quieker mit seiner tiefsten Stimme bisher. Die Meute verfiel in Panik und stob auseinander - zu ihrem Glück, denn im nächsten Moment schleuderte Opal den Wagen mit all seiner Kraft zurück in die Richtung aus der er gekommen war.
Dreck, Kohlblätter und brennende Holzsplitter flogen durch die Luft. Jemand brüllte schmerzerfüllt auf. Opal stapfte so schnell er konnte weiter und wurde auf dem Weg nach oben von der Kutsche überholt, die gerade die Hügelkuppe erklomm.
"Ruhe bewahren!", kreischte Narbengesicht und schnappte sich eine brennende Planke. "Zündet das Mistding an!"
Die Kutsche nahm an Fahrt auf.
"Rückzug! Rückzug!", schrillte die Stimme des quietschenden Spähers durch die Luft. "Wir haben hier nichts mehr verloren!"
Opal erreichte den Hügel, während ihm der panische Mann entgegenrannte. Quietscher lief gegen eine Wand aus Stein.
"Du hiermit verhaftet bist", grollte es. "Und deine Kollegen auch!"
Auf dem Hügel waren nun noch die Kutsche, Narbengesicht, ein wundersamerweise nahezu unverletzter Träger und vier weitere Bandenmitglieder. Der Rest der Truppe war entweder geflohen oder außer Gefecht.
Opal stand mit Quietscher unter dem Arm am Rand des Hügels und sah zu, wie der holzbezimmerte Karren im schwachen Flackern des Feuers und der Fackeln schlingerte, langsamer wurde und schließlich ruckelnd und zuckend zum Stehen kam.
"Das nicht gut ist", brummte er.

"Verdammt! Hüa! Hüa!", klang es aus dem Innern des Konstrukts.
Aber die Pferde tapsten nur noch erschöpft und verwirrt umher, registrierten plötzlich, dass sie eigentlich in einer Art Stall standen und hatten dann gar keine Lust mehr sich zu bewegen. Das Linke sackte in seiner Konstruktion zusammen und hing lose in den Zügeln.
Jetzt machte sich in Senray Furcht breit.
"Was sollen wir tun, Sör?!", entfuhr es ihr während sie Abstand von den erschöpften Pferden nahm.
"Äh...", kam es zur Antwort. Braggasch sah durch das Ofenrohr und drehte sich dauernd. "Ich... wir müssen hoffen, dass Rochus, Skaddel und Lyassinia rechtzeitig kommen... äh... keine Panik!"
Sie schluckte und tastete nach einer Packung Streichhölzer (zur Beruhigung) und ihrem Kurzschwert (zur Verteidigung).
Goldwart griff nach seiner Armbrust und ging zum vernagelten Kutschfenster. Durch einen Spalt sah er, wie sich Narbengesicht und Kompanie vorsichtig näherten.
Wo steckt Opal?, dachte er.
In diesem Moment rumpelte die Kutsche. Es hörte sich an, als sei etwas auf dem Dach gelandet. Senray entfuhr ein kurzer Aufschrei.
Durch den Spalt erkannte Braggasch, wie die Truppe der Räuber innhielt und auf das Dach der Kutsche starrten.
Auf selbigem saß ein recht kleiner - aber dennoch bedrohlicher - Wolf mit silbernem Haar und knurrte hingebungsvoll.
"Was- was ist los? Was ist das auf dem Dach?", fragte Senray.
"Ich kann nichts erkennen- aber es scheint den Kerlen Angst einzujagen!"
"Das- das ist gut- oder?"
"Äh... ich hoffe es."

Ein verdammter Werwolf!, schoss es dem Bandenführer durch den Kopf. Ein Troll, ein Werwolf - was kommt noch?!
"Hei-eia ihr Schweinehunde!"
Ein Zwerg! Und einer mit vielen Äxten dazu!
Der Wolf sprang im selben Moment wie Skaddel. Kurz nachdem die beiden das Kampfgeschehen eröffnet hatten erreichte auch Rochus, mit zwei Keulen und einer Menge Muskelmasse bewaffnet, das Kampfgeschehen. Opal brauchte ebenfalls nicht mehr lange.
"Äh, na gut- Es wird Zeit da rauszugehen!" Braggasch zückte seine Axt und drückte Senray die Armbrust in die Hand. "Jetzt gehts um alles!"
Als er das Kampfgeschehen erreichte war es eigentlich schon vorbei. Drei der Banditen ergaben sich sofort, Narbengesicht wurde von Opals Hand niedergestreckt. Hansi fiel, weil ihm Träger in die Kniekehle trat.
Die Truppe wurde zusammengesammelt und gefesselt, Träger als Opfer identifiziert. Braggasch kam auf die Gefangenen zu und sprach, immer noch voller Adrenalin: "Na dann, äh... sie sind hiermit nach scheibischem Recht verhaftet wegen Sklavenhandels in illegalem Rahmen und Angriffs auf eine höhere Gewalt!"
Die Sklavenhändler schwiegen.
"Braggasch?", äußerte sich Träger erstaunt.
"Äh, ja..." Der Zwerg wirkte erleichtert, den Jungen nahezu unversehrt zu sehen. "Ich war grade in der Nähe."

Die Sonne des nächsten Morgens kroch sehr langsam am Horizont empor und beleuchtete Kuhnacken in blassem Tageslicht.
Goldwart und Träger standen zusammen auf dem Balkon des Hotels und starrten trübe in Richtung des Hügels, auf dem sich feiner Nebel gebildet hatte. Die Sklavenhändler saßen sicher verwahrt in den Zellen der Dorfbüttel, von Lyanissia - die dem Korporal mehr oder weniger notgedrungen von ihrem Werwolf-Dasein berichtet hatte - bewacht, die noch am wachsten war. Der Rest der Rekruten lag verarztet, aber ungewaschen in ihren Betten und schlief wieder.
Das haben sie sich aber auch verdient, dachte der Zwerg. Er rieb sich übers Gesicht und den Bart. Meine Güte... es hätte so viel schief gehen können. Ich muss verrückt gewesen sein.
Er starrte auf die Straße, auf der plötzlich ein grüner Schemen zu sehen war.
"Oh...", murmelte er. "Ein alter Bekannter..."
Träger hatte bereits freudig "Off!" ausgerufen und eilte schon zur Treppe. Braggasch seufzte kurz, dann wandte er sich zur Tür um und folgte ihm.
[1] Dass sich meist eben Jene im Herbst und dem darauffolgenden Winter wünschen, es wäre wieder Sommer, gehört zu den merkwürdigen Phänomenen der heutigen Zivilisation.

[2] Nachzulesen in Offlerzilla

[3]  Eigentlich schade. Mit einem Stein und etwas Geduld hätten sich die hungernden Bewohner der Schatten sonst schnell etwas zu Essen besorgen können.

[4]  Nachzulesen in der Multi Kaffee, Kohl und krumme Dinger

[5]  Eine erstaunlich typische Reaktion für die Geiseln von solchen Kerlen. Im Ernst, das findet man fast überall, ist das schonmal jemandem aufgefallen?

[6]  Für manche (vor allem Opal) der schwerste Teil der Vorbereitungen




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Feedback:

Von Braggasch Goldwart

02.11.2012

Zu Anfang noch sowohl Stil- als auch Storytechnisch wahrscheinlich das Beste, was ich bisher von dir gelesen habe! Wunderbarer Sprachwitz, feinste Beschreibungen, sehr gut recherchiert. Gegen Ende hin nimmt das leider alles ab. Es wirkt, wie ein typisches "Geschichte muss fertig werden"-Phänomen, bis es letzendlich nur noch kurze, vorantreibende Absätze sind. Sehr schade - mit ein bisschen mehr Zeit hätte da wirklich was richtig Großes draus werden können - so ist es Schön, angenehm, und von meiner Seite aus sowohl aufgrund der Beschreibungen von Braggasch als auch wegen der vielen nostalgischen Anschlüsse eine Freude. ;)

Von Breda Krulock

02.12.2012

Du hast einen sehr angenehmen Schreibstil, hat Spaß gemacht diese Geschichte zu lesen. Auch die Darstellung von Braggasch war schön zu lesen, man hat viel über ihn erfahren.
Für mich allerdings hatte die Geschichte einige Längen bei den Szenen mit den Sklavenhändlern. Da fehlte mir ein bisschen die Spannung in den Charakteren. Auch war mir nicht die Vorgeschichte bekannt, wodurch ich in manchen Szenen zwar verstand, worum es ging, ich aber dennoch das Gefühl hatte etwas wichtiges zu verpassen.
Alles in Allem aber ein sehr schöne Wichtelgeschichte =)

Von Kanndra

12.11.2012

An Teil 1 kann ich mich zwar nicht mehr so gut erinnern, aber dieser Fall ließ sich auch so verstehen. Die Geschichte hat mir gefallen, aufregende Action mit ein wenig Humor. Aus meiner Sicht war auch Braggasch gut getroffen.

Von Ophelia Ziegenberger

31.10.2012

Wenn ich raten sollte, dann war diese Wichtelgeschichte an Offlerzilla gerichtet, richtig? ;-) Nein, es war gut zu erkennen, dass Du Braggasch beschenkt hast und dass Du dir viel Zeit dafür genommen hast, den Hintergrund und die Beziehungen um dessen Charakter auszuleuchten. Eine schöne Single, in der er inklusive seiner Mitstreiter zum Zuge kam. Ich fand auch den Kniff, ihn außerhalb der Stadt und seiner gewohnten Umgebung agieren zu lassen, gut durchdacht. Und natürlich darf in keinem Braggasch-Setting eine Bastelei fehlen. :-)

Von Sebulon, Sohn des Samax

03.11.2012

Och, schön.
Ich mag deine Beschreibungen. Manchmal (z.B. verborgen - im Verborgenen) hast du so eigenartige Wiederholungen drin - aber ich finde, du hast den Rekruten viel Ehre erwiesen.

So im Nachhinein handelt die Geschichte gar nicht von Offlerzilla, sondern von 'Gruppenleiter Braggasch', fast schon als A-Team. Wie kam's zu dem Titel?
Warum der Kasten gebaut wurde, ist mir nach dem Lesen nicht mehr so klar (damit ist man ja ziemlich vom Gelände abhängig).

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