Intörne Einblicke

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von Agent Sebulon, Sohn des Samax (IA)
Online seit 01. 08. 2012
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 Außerdem kommen vor: Senray RattenfaengerKawumm Kübelbrecher

Die Rekrutinnen Rattenfänger und Kübelbrecher werden dem IA-Agenten in die Abteilung geschoben - das verlangt nach Beschäftigungstherapie der anderen Art.

Dafür vergebene Note: 11

"Was soll das heißen: 'Du bekommst zwei Rekruten'?", fragte Sebulon, Stammagent von Intörnal Affärs.
Der Kommandeur der Stadtwache von Ankh-Morpork würdigte ihn keines Blickes. "Nun, du stehst einer Abteilung vor, oder? Dann können wir den Rekruten auch Einblick in deine Arbeit geben."
"Sör, meinst du nicht, dass sie irgendwo besser aufgehoben wären, wo sie weniger ... wo sie mehr echte ..." Geduldig wartete Araghast Breguyar auf die Wortwahl des Agenten. "... wo sie für die Arbeit begeistert werden können, die die Abteilung leistet?"
Breguyars gesundes Auge fixierte seine Kaffeetasse nachdenklich. "Soll das heißen, Feldwebel, dass du der Aufgabe nicht gewachsen bist?"
Der Zwerg schloss die Augen und zählte gedanklich bis zehn. Dann fragte er: "Wie lange?"


Tag eins.
Hoite haben wir gelärrnt, wie wichtich die Arbait mit Aktn für einen Agänten isst. Ich und Senrai habben -
"Senray, wie schreibt man 'recherchiert'?"
"Mit zwei 'sch' und langem i, denke ich. Kawumm, ich bin mir ja nun wirklich nicht sicher, was das anbelangt, ich meine ..."
Die Unsicherheitstirade ihrer menschlichen Kollegin rauschte zum einen Ohr hinein und durch das andere hinaus. Die gemeinsame Ausbildung dauerte schon lange genug, dass die Zwergin aus dem Wortstrom das relevante Treibgut nebenbei herausfischen konnte, ohne ihre Aufmerksamkeit zu stark von der Schreibaufgabe ablenken zu müssen. Sie hatte gerade "reschschariert" geschrieben und befunden, dass das Wort absonderlich fremdländisch aussah, als ihre Kollegin den Satz beendete. "Wie sehr wir ins Detail gehen sollten?", wiederholte Kawumm den Kern der Frage, "das müssen wir wohl gemeinsam herausfinden. Ich denke, dass jeder Aufsatz, den wir abgeben, mit äußerst neugierigen Augen gelesen werden wird."
Senray seufzte. "Aber wir müssen jeden Tag ..."
"Eben. Wie schreibt man 'Archiv'?"


Tag zwei.
Die schön geschwungenen Linien der sorgfältigen Handschrift Senrays füllten das Blatt, das Hauptmann Pismire mit gerunzelter Stirn las.
... besonders im Gedächtnis bleiben wird mir jedoch, wie uns die anderen Rekruten anzusehen beginnen. Wir können zwar noch mit ihnen reden und alles, und ich möchte ihnen ja auch wirklich nichts unterstellen, Ehrenwort. Aber.
Warum war der Kommandeur nur auf diese bescheuerte Idee verfallen, dem Verräter vom Dienst Wächter zum Einblick in die Abteilung zu geben? Sicher war es ein spannendes Experiment, keine Frage, und man konnte vom Agentenzwerg eine ganze Menge lernen. Wie man wichtige Informationen nebenbei brachte, beispielsweise: Der ganze Bericht war ein noch größeres Herumgedruckse, als man es von Senray sonst schon erwartet hätte.
Oder wollte der frischgebackene Stammagent nun schon früh anfangen, sich seine Außenagenten auszusuchen? Persönlich hielt er nicht viel von dem Gerücht, dass Ophelia ihm eine helfende Hand war, und es schien ihm auch keinen Sinn zu machen, Wächtern schon früh das IA-Siegel aufzudrücken; denn würden sie nicht allein dieses Zeitraums wegen die ganze Wachezeit lang skeptisch beobachtet werden?
Frustriert schnaubte der Ausbildungsleiter seine Nase. Er würde mit den beiden Rekruten reden müssen. Ach was, er würde mit dem Kommandeur persönlich zu reden haben. In der Wache konnte er Frischlinge nicht einfach verbrennen, wie er lustig war.
Seine Hand umschloss die Tasse, die auf dem Bericht einen Kräutertee-bräunlichen Ring hinterließ, als er sie zum Mund hob. Den beiden dieses Zwangspraktikum zu ersparen, war vermutlich jenseits des Möglichen, doch vielleicht konnte er zukünftigem Rekrutenmissbrauch in dieser Richtung mit einem vier-Augen-Gespräch vorbeugen.
"Ich hoffe, dass ihr beide eine sehr uninteressante Woche habt", prostete er dem Bericht zu. "Um euretwillen."


Tag drei.
"Das Problem", sagte Sebulon, "ist es, nicht gesehen zu werden - aber alles sehen zu können." Er stand mit den beiden Rekruten im Hof und schwitzte unter der Rüstung. "Ja, Rekrut Kübelbrecher?[1]"
"Sör, muss man nicht auch alles hören können, Sör?"
Nachdenklich schüttelte er den Kopf. "Morgen werde ich mit euch Übungen im Lippenlesen machen. Es ist eine Kunst die ich selbst kaum beherrsche, die euch aber - wie auch das heutige Training im Anschleichen und Verstecken - unschätzbare Dienste in allen großen Abteilungen leisten wird. Ja, Rekrutin Rattenfänger? Und bitte komm gleich zum Kern deiner Frage."
"Ja, also, ja, Sör. Ich wollte wissen, ob denn, naja, die Abteilung 'Suchen und ...'?"
"In allen großen Abteilungen, wie ich schon sagte", unterbrach er sie mehrdeutig. "Vielleicht solltet ihr bei SUSI noch einmal einen Einblick bekommen, wenn die Zeit reif ist. Ein Arbeitsbereich der Wache, der unschätzbare Dienste für die Ermittlungsarbeit leistet." Er atmete aus, froh über dieses entschieden klingende Urteil. "Nun. Angenommen, ihr wollt ein Gespräch belauschen, das hier auf dem Hof stattfindet, wo wir drei gerade stehen - wo würdet ihr euch verstecken?"
Die Augen der Rekruten weiteten sich schlagartig, als sie verstanden, was hier vor sich ging. Unisono riefen sie: "Ich würde niemals meine Kameraden bespitzeln, Sör."
Innerlich schlug Sebulon die Hand gegen seine Stirn; äußerlich jedoch blieb er ruhig und antwortete: "Euch überwacht gerade niemand. Ihr sollt die Vorgehensweise von Intörnal Affärs kennen lernen - und zu meiner Aufgabenbeschreibung gehören unter anderem Beobachten, Belauschen und Bespitzeln. Das war also keine Trickfrage."
"Bist du dir sicher, Sör?", erkundigte sich die Zwergin.
"Ziemlich. Ich probiere es noch einmal: Wenn hier statt uns dreien meinetwegen drei Schmuggler stehen würden, in guter Verkleidung, sodass sie nicht auffallen würden ..."
"Also tragen sie vermutlich Wächterkleidung."
"Richtig, Rekrutin Rattenfänger, sie sind der Umgebung entsprechend verkleidet. Wie ..."
"Worüber reden sie?"
Ein leises Knurren drang aus Sebulons Kehle hervor. "Das wollen wir rausfinden, denn wir sind gute Wächter und sammeln Informationen, bevor wir handeln. Wie also würdet ihr ...?"
"Regnet es?", fragte Kawumm. Sie hatte einen Notizblock hervorgeholt und machte sich Notizen für den Aufsatz am Ende des Tages.
"Nein, Rekrutin, das Szenario unterscheidet sich ganz ausschließlich darin, dass an diesem Punkt -", an dieser Stelle hatte er einen Einfall, zog seine Axt und legte sie auf den Boden, "- um diese Axt herum, diejenigen stehen, die wir belauschen müssen, um herauszufinden, was sie im Schilde führen."
Weitere Fragen lagen in der Luft, doch der Blick des Agenten ließ sie ungesagt bleiben. Die Rekruten sahen sich um.
"Also, ich weiß ja nicht, dort oben auf dem Dach vielleicht", vermutete Senray.
"Keine schlechte Wahl, allerdings kann man hinunterfallen und die Akustik ist im Hof wirklich nicht brilliant."
"Und es ist wirklich keine Trickfrage, Sör?", hakte die Rekrutin Kübelbrecher nach. "Sonst würde ich sagen, dass wir uns verkleiden und mit einem Kaffee zu ihnen stellen. Wächter mit Kaffee fallen nirgendwo auf, Sör."
Einen Moment dachte er über den Vorschlag nach. "Keine schlechte Idee. Wirklich keine schlechte Idee. Nur wenn die betreffenden Personen einen Komplott vorbereiten - das ist eine Verschwörung, nichts zu essen, falls ihr euch fragt -, dann werden sie nur unter sich reden, und nicht etwa mit Individuen, die ihre Pläne durchkreuzen können."
"Dann würde ich vom FROG-Bereitschaftsraum aus lauschen", sagte Senray leise und deutete auf die Rutschstange. "So könnte ich schnell unten sein, falls jemand 'Bombe' oder so sagt. Denke ich."
Der Agent nickte und wiegte den Kopf hin und her. "Eine ausgewogene Wahl, Rekrutin Rattenfänger. Wir machen heute hiermit Schluss."
Die Rekrutinnen lächelten. Frühes Unterrichtsende? Das klang vielversprechend.
"Dafür schreibt ihr mit einen kurzen Aufsatz darüber, wie genau ihr die Schmugglerbande im Hof aushorchen würdet. Vielleicht kommt euch ja am Schreibtisch noch einmal eine bessere Idee als das Dach."
Zwei paar Mundwinkel wurden gleichzeitig von der Schwerkraft erfasst und sackten einige Zentimeter.
"Ja, Sör Agentenzwerg", murmelte Senray frustriert.
Sebulon salutierte, drehte sich und verschwand im Hauptwachhaus.
Kawumm stieß seiner Kollegin mit dem Ellenbogen in die Seite. "Sag mal, Senray, kann es sein, dass er denkt, wir sind dumm?"


Tag vier.
"Rekruten", sagte Sebulon und versuchte die vielen neugierigen Blicke zu ignorieren, die auf ihn gerichtet waren.
Senray Rattenfänger und Kawumm Kübelbrecher taten es ihm gleich. "Sör, Stammagent, Sör!"
"Höhöhö", machte jemand, dem vor fünf Minuten in der Kantine Bescheid gesagt wurde, dass auf dem Hof ein Spektakel stattfinden würde.
Der Sohn des Samax blieb stehen und schloss die Augen. Er zählte bis zweihundert, bevor er sich ausgeglichen genug fühlte, um fortzufahren. "Ich habe eure Vorschläge gelesen, wie man diesen Ort ungesehen observieren kann. Besonders unkonventionell schien mir dein Szenario, Rekrut Kübelbrecher."
"Ist das nicht eine Sie?", fragte eine Stimme, die nach Lantania vom Silberwald klang.
"Bei Zwergen weiß man das nie", konterte jemand aus Bodenhöhe; vermutlich ein Gnom.
Sebulon räusperte sich. Dann stellte er fest: "Wer kein Rekrut mehr ist und in fünf Minuten noch immer nicht schweigt oder eine sinnvolle Arbeit gefunden hat, wird eine Woche lang von mir begleitet. Und zwar nicht auf die angenehme Weise."
"Er will sich selbst begleiten", feixte eine Frauenstimme noch.
Dann war es endlich still.
Erneut hob der Agent zu sprechen an. "Dein Vorschlag, den Hof in der vorangehenden Nacht mit vielen Sichthindernissen auszustatten, hinter denen man sich verstecken und zum belauschen anpirschen kann ist zwar wenig praktikabel aber originell."
"Hmpf", machte Kawumm, unsicher ob man ein Kompliment des Kameradenschweins vom Dienst annehmen durfte.
"Heute wird wieder ein theoretischer Arbeitstag." Er konnte Senray förmlich ansehen, wie sie sich die Frage verkniff, was das bisher gewesen sei, wenn nicht theoretisch. "Ich habe hier ein Buch über die Kunst des Lippenlesens. Eure Aufgabe wird sein, euch mit dem ersten Kapitel vertraut zu machen und dann die darin beschriebenen Übungen an verschiedenen Ecken - ja, was ist, Rekrut Kübelbrecher?"
"Sör, ich möchte an einem Verhör teilnehmen."
Verwundert blickte Samax' Sohn die Zwergin an. "Ist das so, Rekrut. Was versprichst du dir davon?"
Die Antwort kam unverzüglich und klar: "Einblicke in deine Arbeit, Sör."
Sebulon legte seine Stirn in Falten. Die meisten Gespräche, die er führte, waren eher inoffiziell und unterlagen strenger Geheimhaltung. Eine Idee formte sich hinter seiner Stirn, unkonventionell doch vielleicht effektiv. "Ich werde sehen, was ich tun kann", erwiderte er nachdenklich.
Mit dem Lippenlesen hat es nicht so geklappt, wenn ich ganz ehrlich bin. Es ist ein bisschen wie 'stumme Post', nur ohne die Prügelei am Ende.[2] Mir liegt das nicht so sehr ...


Tag fünf.
Hoite habn wir nixs wichtichs gemacht, nur Abschrifften vonn Aktn sortiehrt und bästimmte Namen angemarkärt. Alle Mappän hattens dunkle Klappen, waren kauum benützt und dün. Da merrkt man, wie wenich Arbait ein Wechter habn kann ...
"Rekrutin Kawumm Kübelbrecher", sagte Pismire lächelnd und schob eine Tasse mit noch dampfendem Tee zu der Zwergin auf die andere Seite des Schreibtisches. "Setz dich doch." 'Sör, solange ich nicht weiß, warum ich hier bin, stehe ich bequem', las er aus dem Gesicht des Neulings. Er entschloss sich zu ein klein wenig mehr Offenheit und machte eine einladende Geste mit der Linken. "Ich habe gerade deinen Bericht gelesen. Er hat mir gefallen. Nun, wenn man einmal von deiner Rechtschreibung absieht, heißt das."
Beeindruckt hob die Zwergin die Augenbrauen und ließ sich mit nur wenig Anlauf auf den für ihre Verhältnisse etwas zu großen Stuhl fallen. "Dann lass hören, Sör Hauptmann. Was kann ich für dich tun?"
Der Ausbilder fand zwar das sehr lockere Auftreten der Rekrutin fehl am Platze, sogar etwas anbiedernd, doch das hatte nicht die oberste Priorität. "Deine Ausführungen waren hier und da etwas, nunja, knapp. Und 'Sör' reicht."
"Aha, Sör?"
"Du hättest ruhig etwas mehr von deinen ... Erlebnissen beschreiben können."
"Aha, Sör."
"Vielleicht gibt es ja noch mehr, was heute erwähnenswert war?" Beinahe zitterten seine Finger, so gespannt harrte Pismire dessen, was Kawumm zu sagen hatte - doch sie ließ sich mit der Antwort Zeit.
Langsam ließ die Zwergin ihren rauhen Zeigefinger über den Tassenrand streichen. "Verstehe ich dich richtig, Sör: Du möchtest hören, wie es mir damit gegangen ist, dass ich für den Spitzel vom Dienst in den Akten gewühlt habe?"
Mit einem Schlag verpuffte alle diebische Vorfreude in dem Hauptmann. Sie glaubte, dass dies ein püschologisches Integritätsverhör wurde! Ungläubig schüttelte er den Kopf. "Du bist nicht unter Beobachtung, Rekrutin." 'Wirklich nicht?', sagte ihr Gesicht. "Lass die Schultern locker und schau mich an. Gut. Und jetzt erzähl mir, was heute passiert ist und was nicht in deinem Bericht stand."
Kawumm schlabberte zunächst einen großen Schluck Tee und stellte die Tasse dann an den nun etwas feuchteren Platz zurück. Nervös sagte sie: "Aber es ist in der Tat heute nicht mehr nennenswertes passiert, Sör. Ja, gut, wir waren zwischendurch in der Kantine, haben kurz mit den Dämonen geredet und uns Nervennahrung besorgt - aber ehrlich, Sör, heute waren wir reine Aktenschubser. Keine besonderen Vorkommnisse, genau wie ich geschrieben habe. Oder meinst du, ob mir etwas an der Person des Agenten aufgefallen ist, Sör? Wenn du meine Meinung wissen willst: Der Feldwebel ist mehr beisammen, als ich aus den Gerüchten vermutet hätte." Nach einer Pause fügte sie in einem Tonfall hinzu, der deutlich machte, dass dieses Detail ihr wichtig schien: "Uns ist kein blauer Affe begegnet, Sör." [3]
Pismire atmete tief durch. Dann trank er einen Schluck Tee. "Da bin ich ja beruhigt", log er.
"Sör, darf ich frei sprechen?"
"Bitte."
Die Zwergin beugte sich vor und sah sich verschwörerisch um. "Rundheraus, was möchtest du wissen, Sör?"
Einen Moment lang zögerte er. "Welche Namen hat der Agent in den Akten gesucht?"
"Ist das eine Art Moral-Test, Sör?"
"Du wirst in keinem Fall für deine Antwort verantwortlich gemacht werden, Kawumm."
"Wenn das so ist. Senray und ich sollten in Fallakten und abteilungsinternen Zwischenberichten die Namen von ... etwa zehn Leuten markieren. Die meisten tauchten in den Berichten gar nicht mal auf. Vielleicht ist er doch etwas neben sich, wenn ich's mir recht überlege."
"Welche Namen?", fragte der Hauptmann schärfer als beabsichtigt.
Augenblicklich saß Kawumm kerzengrade. "Besonders häufig habe ich die des Kommandeurs und von einem SEAL namens Bergig markiert, Sör, und noch einer ... Schraubenzieher oder so ... die anderen Namen auf meiner Liste tauchten gar nicht auf. Falls du sie komplett möchtest, Sör, die Liste, dann hole ich sie morgen früh und bringe sie dir in der Mittagsp-"
Pismire winkte ab. Er war beunruhigt. Hatte der Agent tatsächlich freien Zugang zu abteilungsinternen Berichten? Er würde das prüfen lassen - unauffällig. Es lag nicht in seinem eigentlichen Aufgabenbereich, IA zu überwachen. Wenn andererseits der Kommandeur nun schon mittels Rekruten bespitzelt wurde ...? "Danke, das wird nicht nötig sein. Sollten dir weitere Details begegnen, die nicht in einen offiziellen Bericht gehören aber gegebenenfalls von weitreichender Bedeutung sind, lass es mich wissen."
Nachdenklich kratzte sich Kawumm an der Nase. "Wie erkenne ich solche Details?"
"Vertrau deinem Gefühl, Rerkutin. Wenn dir etwas komisch vorkommt, dann lass es mich wissen."
"Wie blaue Affen, Sör?"
"Auch das."
Kawumm stand auf und salutierte lasch. "Du kannst dich auf mich verlassen, Sör." Sie ging zur Tür und öffnete sie, trat hindurch, schloss sie jedoch nicht. Stattdessen blickte sie noch einmal breit grinsend in das Büro. "Sör, weißt du, was lustig ist? Bei IA schiebt nur einer Schicht - und der scheint genauso stur vor sich hin zu arbeiten, wie ein Esel. Iiiih-Aaaah ..."


Tag sechs.
"Das waren zwei Minuten nach Verfolgungsbeginn, bevor er euch abgehängt hat", kommentierte Sebulon die Situation. Er nickte den beiden schwer atmenden Wächterinnen zu. "Keine schlechte Arbeit, wenn auch noch verbesserungswürdig." Er schaute an der Häuserfront hinauf zur Feuerleiter. "Komm raus, Braggasch, und verrate ihnen, wie du es gemacht hast."
Der FROG-Späher Goldwart ließ sich vor den beiden Rekrutinnen auf den Boden fallen. Überrascht wichen beide einen Schritt zurück. "Tatsächlich hätte ich gar nicht vermutet, dass ich mittlerweile so, äh, gut bin", lächelte er verlegen. "Wollte euch nicht erschrecken. Äh, ich habe dich", er deutete auf Senray, "gesehen, als ich mir bei Schnapper eine Ratte-am-Spieß gekauft habe. Du hast sehr beunruhigt gewirkt und mich, äh, angestarrt. Als ich unauffällig fortschlendern wollte, ich wusste ja nicht, dass ich beobachtet wurde, standest plötzlich du", der Finger wanderte zu Kawumm und verschwand dann samt Hand in der Hosentasche, "an der Straßenecke mit exakt dem gleichen Gesichtsausdruck. Ich habe eins und eins, äh, zusammengerechnet und habe mir Zeit gelassen, den Platz in Richtung Esoterische Straße zu verlassen. Beim Glaser habe ich mich kurz unterhalten, um kein unnötiges Aufsehen zu erregen, dann bin ich rechts abgebogen. Hinter mir habe ich Schritte gehört und das schlimmste befürchtet. Also habe ich links das Haus betreten, bin direkt durch den Hinterausgang raus, hörte hinter mir schnelles Stiefelklappern auf Kopfsteinpflaster und die Tür verzögert ins Schloss fallen, also wusste ich sicher, dass ihr mich verfolgt. Darum bin ich in der nächstbesten Gasse links abgebogen, in ein Wohnhaus, die Treppen hoch, in den ersten Stock, dort den Gang runter und aus dem offenen Fenster, an der Fassade über die Regenrinne in den zweiten Stock, dort zurück ins Haus. Die Wohnung stand glücklicherweise leer und hatte rechter Hand eine Tür zum Balkon. Von dort aus bin ich auf das Dach geklettert, auf das Nachbarhaus und hinter einen Schornstein. Tja, und dann habe ich euch unauffällig beobachtet, um herauszufinden, was eigentlich los ist. Euch wiederfinden war leicht, weil ihr so laut, äh, geflucht habt. Dann kam Sebulon dazu und da wurde mir klar, dass ihr die beiden Praktikanten seid, von denen er erzählt hat."
Stolz auf seinen besten Freund nickte Sebulon. Er war nicht nur von den mittlerweile ausgeprägten Späher-Talenten seines Freundes begeistert, sondern auch von dessen errungener Unabhängigkeit vom ständigen rum-äh-en, wenn er über etwas redete, womit er sich sicher fühlte. Während Kawumm leise über die Betitelung als Praktikantin murrte, richtete sich der ehemalige Ausbilder zu seinen vollen einhundertsieben Zentimetern auf und versuchte pädagogische Autorität auszustrahlen. "Aus deiner professionellen Sicht als Späher, Korporal Goldwart, welche Verbesserungsvorschläge würdest du den Rekruten Kübelbrecher und Rattenfänger für die nächste unauffällige Verfolgung geben?"
Das Lächeln verschwand aus Braggaschs Gesicht. Er sah nun recht leidend aus, denn er mochte es nicht sonderlich, schlechte Nachrichten zu überbringen. Vor allem dann nicht, wenn die Liste schlechter Nachrichten derart lang war ...

... im Träning mit B.G. habben wir färstandenn, dass unauffehlige Beschadden ist bissher nicht unsere Spätzjal--- Spezziall--- Sterke. Der Feldwebbel gab uns amm Nachmittag dann dass Gesätzbuch der Wache zu lesen. Darin habben wir wenig über IA gefunnden. Dass isset auch gut so. Jetzt kennen ich unt Senray etwa alle Färgehen, die einen gutten Wechter von ainem Krimminälen unterscheidigen. Am Schluss habben wir mit dem Agenten die Bestrafungswürdigkeit von Einzelfellen disskutiert.


Tag sieben.
Es klopfte leise an sein Büro.
"Sör, es ist Kawumm", raunte eine Stimme. "Du wolltest mich ..."
Pismire öffnete die Tür mit einem Schwung, zog die aufgeschreckt fiepende Rekrutin mit einem Ruck in den Raum hinein und schloss die Tür wieder. Fragend hob er eine Augenbraue.
Kaum, dass die Rekrutin sich gefangen hatte, plapperte sie in vorauseilendem Gehorsam los: "Sör, falls es um den Bericht von gestern geht, ich habe wirklich lange nachdenken müssen, wie man dieses verflixte Wort schreibt. Dass das nicht gut wirkt, hätte ich mir gleich denken können. Ich bitte vielmals um Entschuldigung. Worte sind nicht meine guten Freunde, wenn du verstehst, was ich ..."
Der eiserne Blick des ehemaligen Schamanen ruhte weiterhin auf Kawumm, deren Stimmung sich mittlerweile von beunruhigt zu panisch gewandelt hat.
"Geht es vielleicht wieder um das, was ich nicht aufgeschrieben habe? Also, Sör, da gibt es wirklich nichts, was zu erwähnen wäre, ehrlich! Also über das hinaus, was ich aufgeschrieben habe, selbstverständlich; ich habe keinerlei Interesse daran, dich zu langweilen, Ehrenwort - oder willst du etwa wissen, was heute passiert ist? Ich kann es dir erzählen, Sör; haarklein, das sollte deine Bedenken zerstreuen, Sör, allesamt. Heute war ein praktischer Tag. Zuerst haben wir ..."
Bevor Kawumm richtig loslegen konnte, nahm Pismire zwei Blätter vom Posteingangsstapel seines Schreibtisches und streckte sie der Rekrutin wortlos entgegen.
"Sör, ich verstehe nicht." Papier raschelte. "Das ist tatsächlich ... da steht ja mein Name drunter! Aber das habe ich nicht ... das ist nicht mein ..." Die Augen des Ausbildungsleiters ruhten unerbittlich auf der Rekrutin, der es immer schwerer fiel, zusammenhängende Sätze aus dem Text zu verstehen. Ihre Augen glitten nur noch über die Zeilen ohne den Inhalt zu fassen. "Ich ... das ... dafür habe ich keine Erklärung, Sör. Ich habe das nicht geschrieben ..."
Pismire kniff die Lippen zusammen. War das ein gutes Zeichen? Kawumm schien es so, als würde diese Bewegung das vorzeitige Ende ihrer Dienstzeit einleiten, oder Schlimmeres.
"Sör, ich werde den Bericht sofort neu schreiben. Das heißt, erstmals schreiben. Das hier ist eine ganz miese Fälschung, Sör, du musst mir einfach glauben. Du wirst ihn noch vor Dienstschluss haben, das verspreche ich! Ich kann mir wirklich nicht erklären, wie ... - bitte entschuldige mich."
Sprach's und rauschte aus dem Büro.

Der alte Wächter seufzte tief. Dass die Schrift für die Zwergin höchst ungewöhnlich aussah, war ihm schon längst aufgefallen. Die Ausführungen der Rekrutin waren allerdings nicht hilfreich gewesen. Vor allem hatte sie derart schnell gesprochen, dass er kaum eine Chance gesehen hatte, sie zu unterbrechen ohne sehr unhöflich zu wirken. Er würde den tatsächlichen Bericht abwarten müssen - wobei Pismire davon ausging, dass dieser viel unspannender geschrieben sein würde.

"Wie war es?", fragte Senray, die auf den Stufen vor dem Wachhaus auf die Leidensgenossin gewartet hatte.
"Im Kreuzverhör. Wie in den Intörnal-Affärs-Akten - nur ohne Anschuldigungen."
"Also haben wir etwas ausgefressen?"
Die Zwergin schüttelte den Kopf. "Das glaube ich nicht. Bestenfalls der Agent." Sie kniff die Augen zusammen und fügte leise mit Schärfe in der Stimme hinzu: "Er hat den heutigen Bericht bereits für uns geschrieben. Dieser Mistkerl."
Mit einer düsteren Ahnung erhob sich die junge Frau. Ihre Stimme zitterte. "Steht etwas darin, was jemanden belasten könnte, ...?"
"Ach, keine Ahnung."
Verblüfft legte Senray den Kopf schief. "Warum bist du dann wütend?"
"Er hat meinen Schreibstil nachgeahmt. So eine schlechte Handschrift habe ich nun wirklich nicht."

Nach Sonnenuntergang saß der Agent noch immer in seinem Büro am Pseudopolisplatz und dachte nach. Es war frech gewesen, einen gefälschten Bericht für Kübelbrecher abzugeben, aber dafür war er vermutlich in den Genuss eines milden Verhörs gekommen, das er sich ja ausdrücklich gewünscht hatte. Und nicht zuletzt konnte er auf diese Weise die mitlesenden Wächter ein Stück weit aufrütteln. Man sollte wirklich nicht alles als selbstverständlich wahr betrachten, was einem gereicht wurde.
Ein Grinsen stahl sich auf sein Gesicht und seine Zähne blitzten kurz im Kerzenschein auf.
Morgen würde die Woche vorbei sein. Dann konnte er sich wieder ganz auf seine Arbeit konzentrieren, ohne dass jemand seine Ermittlungen störte. Er hatte auch schon eine Ahnung, in welcher Richtung er in die Tiefe bohren musste, um fündig zu werden. Er konnte sich viele Akten beschaffen, doch die Bougerie machte sich mehr als verdächtig rar, wenn er Anfragen hatte. Angeblich pflegten sie ein geheimes Archiv? Welch besseren Ort sollte es in der Wache geben, um Wächtervergehen vor IA zu verstecken ...
Doch das würde warten müssen.
Er pustete die Kerzen aus und streckte sich in der Dunkelheit.


Oktotag.
Als Sebulon den leeren Ausbildungsraum des Wachhauses in der Kröselstraße betrat, überkam ihn ein wehmütiges Gefühl. Diese sieben Tage waren ihm unerwartet wie der Geist vergangener Schweihnacht vorgekommen; er fühlte sich unangenehm wehmütig. Er war gern GRUND-Ausbilder gewesen. Doch das gehörte wohl der Vergangenheit an. Andere Zeiten, andere Verpflichtungen.
"Tretet ein und setzt euch auf einen beliebigen Platz", sagte er seinen beiden Schützlingen. Er konnte fühlen, wie die Zwergin innerlich über die Ungerechtigkeit brodelte, dass alle anderen Rekruten heute frei hatten. Sie setzte sich auf den Ausbilderplatz und sah den Agenten herausfordernd an. Senray entgegen entschied sich für einen Platz in der dritten Reihe am Fenster. "Ich werde euch jetzt keinen Vortrag darüber halten, was eure Platzwahl über euren Charakter aussagt." Er machte eine kurze Pause, um den Rekruten Zeit zu geben darüber nachzudenken, was kleine Entscheidungen für Bedeutungen im Prohfailing haben konnten. Gelangweilt blickten Kübelbrecher und Rattenfänger ihn an. Er gab jedem von beiden Stifte und viel Papier. "Heute gibt es nur eine einzige Aufgabe. Wenn ihr fertig seid, legt ihr eure Antwort an meinen Platz hier an der Tür, danach habt ihr frei."
Kawumm verdrehte die Augen und brummte: "Und die Aufgabe lautet wie, Sör?"

Verwundert blickte Pismire auf die ikonographische Kopien der beiden Aufsätze zu "Sinn und Aufgabe von Intörnal Affärs". Die Zwergin hatte geantwortet: "Die Abtailung IA isset derzait sinnlos. Wenn jedder Wechter saine Kammeraden bewacht, ist jedder bewacht. IA macht aber Angst, und Angst führet zu Dummhaiten. Sinn und Aufgabbe von Intörnäl Affährs sollte sain, poßitiefe Anraize zu schaffn, ein guter Wechter zu sein. Nicht strahfen sondern lokken."
Er überlegte, ob er beeindruckt sein sollte, wie viel die Zwergin von Püschologie verstand oder wie wenig Taktgefühl sie mit der Antwort bewiesen hatte.
Die Hände des alten Wächters griffen nach dem zweiten Aufsatz, der sieben Seiten lang war und gar nicht mal so unsicher klang. Er erläuterte einige Rechtsgrundlagen, wies auf die Schwäche der Abteilungsstruktur hin, nahm Bezug auf aufgeklärte Fälle - Senray Rattenfänger schien durchaus einen guten Einblick in die Abteilungsarbeit bekommen zu haben und zweifelte nicht am Sinn der Intörnal-Affärs-Aufgabe im System der Stadtwache. Allerdings sagte der Aufsatz auch nichts völlig neues darüber, was in den letzten Tagen passiert war. Selbst aus dem gestrigen überarbeiteten Bericht war nichts Erhellendes hervorgegangen; im Gegenteil, es waren aus seiner Sicht alle vermeintlichen Anschuldigungen aus der gefälschten Version gestrichen und durch seitenweise Langeweile in Form von Wächtertratsch ersetzt worden. Es schien Pismire, als hätte der Verräter vom Dienst nur Präsenz zeigen aber bewusst niemandem ernsthaft hinterherspitzeln wollen, während ihm jemand dabei zusah.
Der Gedanke ließ ihn schmunzeln. Pismire beschloss, sich diese Vermutung zu merken. Vielleicht würde sie sich noch einmal als nützlich erweisen.
[1] Was das Geschlecht von anderen Zwergen angeht, war Sebulon eher traditionell eingestellt. Ein Bart erscheint einem traditionellen Zwerg nicht als Kriterium für oder gegen Weiblichkeit - doch stets als ein Bonus. Insbesondere bei Kälte oder wenn eine zusätzliche Tasche vonnöten ist.

[2] Mehr Informationen über Spiele in Ankh-Morpork bei der D.R.E.SCH.

[3] Den kennen geneigte Lesende gegebenenfalls aus der Coop "Buch ohne Siegel". Prinzipiell ist er jedoch nur ein (wenn auch extremes) Beispiel unter Vielen für das geistige neben-sich-sein des ehemaligen Püschologen.

Zählt als Patch-Mission für den IA-Stammagent-Patch.



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Feedback:

Von Braggasch Goldwart

08.8.2012

Schöne Single die schön zur momentanen Pokalrunde passt. Ich denke es hätte ruhig ein wenig mehr Handlung dabei sien können - und das Ein oder Andere der sich im Hintergrund abspielenden Tätigkeiten hätte sich sicher über eine Beschreibung gefreut. Manche Anspielungen - wie die Sache mit dem esel - habe ich schlicht und ergreifend nicht verstanden... oder es war so flach, wie man es nciht von dir kennt. ;) Brags war auf jeden Fall, wie zu erwarten war, wieder wunderbar dargestellt. :D

Von Kawumm Kübelbrecher

02.8.2012

Sehr blumige und lautmalerische Sprache. Originell aber stimmig. Hab mich sehr amüsiert darüber, was meinem Spielcharakter wiederfuhr. Die Story läßt Raum für eigene Gedanken.

Von Ophelia Ziegenberger

21.8.2012

Schöne Idee und solide Umsetzung. Obwohl es natürlich wirklich nicht besonders nett ist, dass Du damit die beiden 'Frischlinge' in die Schusslinie gerückt hast - und das dann auch noch Bregs in die Schuhe schiebst! ^^ Auf jeden Fall auch ein netter kleiner Einblick in die Tätigkeiten eines Stammagenten.

Von Araghast Breguyar

29.08.2012 19:40

[quote="Forendämon"] Manche Anspielungen - wie die Sache mit dem esel - habe ich schlicht und ergreifend nicht verstanden... oder es war so flach, wie man es nciht von dir kennt. ;) [/quote]

Zu Ras' Zeiten hing über der Theke des 'Eimers' neben dem Wimpel von IA regelmäßig das Bild eines Esels - der Witz hat quasi schon Tradition :D

Von Braggasch Goldwart

30.08.2012 21:59

Hatte auch nie für möglich gehalten, das er wirklich nur flach sein könnte. ^^

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