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Es gibt Dinge, die gehen einfach nicht jeden etwas an. Man versucht, sie für sich zu behalten oder dezent zu behandeln. Es gibt Leute, die ausgerechnet für solche Dinge ein Gespühr zu haben scheinen. Und die alles andere als dezent veranlagt sind. Und es gibt Rekruten. Die schlimmste Kombination beider Faktoren.
Dafür vergebene Note: 11
Irgendwo in ihrem Hinterkopf begann ein kleiner Alarm anzuschlagen, doch die Zwergendame war überaus geübt darin, gerade diese besondere Art von internem Hinweis zu ignorieren. Es gab nichts Schlimmeres als Zeitdruck. Der Tresendienst würde ihr schon nicht davon laufen. Vor allem, wenn man sich soeben quasi Auge in Auge einem ganz außergewöhnlichen Paar Platoo-Treter gegenüber sah.
Kawumm klebte förmlich mit der knolligen Nase an der Schaufensterscheibe, um die kleingeschriebenen Anpreisungen entziffern zu können. Sie flüsterte deren Daten ehrfürchtig vor sich hin.
"Zehn-Zentimeter-Absätze mit feinsten Granitsohlen aus den Brüchen des Platoo-Plateau, babyblau gefärbtes Lammleder, 15 Silberschnallen je Schaft, Stahlkappen aus mehrfach gefältetem Koomschwerter-Rießei-Kling-Stahl, süße Katzenmotive an den Seiten aus jeweils 25 hochkarätigen Diamanten im 25-Facetten-Spezialschliff, von Hand befestigt durch einen jungfräulichen Tiefer..."
Der Preis, den sie dafür haben wollten, war natürlich völlig absurd. Jenseits von Gut und Böse. Nahezu kriminell.
Kawumm konnte ihren Blick dennoch kaum abwenden und seufzte voller Bedauern.
'So viel kann ich nicht mal in einem Jahr in der Wache verdienen!'
Sie löste sich schweren Herzens von dem verlockenden Anblick der Ware und setzte stattdessen den Weg zum Pseudopolisplatz fort. Es brauchte nicht erst das stufenweise einsetzende Geläut der verschiedenen Turm- und Kirchenuhren, um sie wissen zu lassen, dass sie wieder einmal zu spät zum Beginn ihrer Schicht eintreffen würde. Was sie selbstredend nicht zu größerer Eile veranlasste.
Ihre Gedanken hingen der verpassten Gelegenheit noch etwas nach.
Sie wären sowieso etwas zu gewagt gewesen. Sowas kann man in meinem Alter eigentlich nicht mehr tragen...
Es dämmerte bereits die Dunkelheit herauf, als das Wachhaus vor der Zwergin auftauchte. Nachtschichten waren zwar normalerweise etwas ruhiger, dafür zogen sie sich aber auch in die Länge.
Kawumm rückte ihre Waffengurte mit den Schwertern auf dem Rücken zurecht.
Na gut... dann wollen wir mal!
Mit Rochus Wildgrube zusammen Dienst zu schieben war eine echte Wohltat. Er nahm es ihr nie übel, wenn sie zu spät auftauchte. Seine stoische Gelassenheit resultierte unter anderem daraus, dass ihn die Erfahrung gelehrt hatte, dass die Personen, welche die Wache nächtens aufsuchten, in den seltensten Fällen einem Menschen seiner Größe patzig kamen. Dazu kam, dass Rochus lieber die komplette Schicht alleine geschoben hätte, als sich während dieser nochmals unerlaubt vom Tresen fortzubewegen. Selbst wenn es dabei darum gegangen wäre, ihr Fehlen an einen Vorgesetzten zu melden. Einen Verweis wegen unerlaubtem Verlassens des Tresens hatte er nämlich schon einstecken müssen und dieser hatte ihm vollauf genügt. Und, auch wichtig: Er versuchte sie nicht ununterbrochen vollzuquatschen, so wie es die meisten anderen Mitwächter taten, wenn sie sich langweilten.
Sie malte die Axt auf dem Kritzelblock zu Ende und guckte verstohlen zu ihm rüber.
Was für riesige Hände er hat! Er könnte bestimmt ohne Probleme diese Hebefigur mit einer Tanzpartnerin machen, wie in diesem neumodischen Klicker...
Der ehemalige Bauer blickte starr in Richtung des Eingangsportals, an welchem sich deswegen natürlich trotzdem noch lange nichts tat.
Sie ertappte sich bei dem Gedanken, wie es wohl wäre, von ihm in solch luftige Höhen gehalten zu werden.
Ha! Sehr witzig! Das wäre ganz sicher nicht so romantisch, wie im Klicker. In Wirklichkeit bekämst du vermutlich Höhenangst und es würde dir schlecht werden.
Die Uhr zeigte ihnen mit erbarmungsloser Präzision an, dass es erst halb eins in der Frühe war.
Die Zwergin seufzte leise.
Der Rekrut Wildgrube sah besorgt zu ihr hin.
"Ist alles in Ordnung?"
Sie nickte widerwillig.
"Och... ich langweile mich nur." Eigentlich machte es ihr nichts aus, zu warten und zu schweigen. Aber eine Schicht mit dem starken Kollegen zu verbringen, war irgendwie eine Herausforderung für Kawumm. Er war nicht hässlich und seine schweigsame Art hatte ihn von Anfang an sympathisch gemacht. Und was, wenn sie ihn einfach ein bisschen ausfragte?
"Hm... weißt Du schon, in welche Abteilung Du später wechseln möchtest, Rochus?"
Er überlegte eingehend, bevor er zögerlich antwortete.
"Vielleicht zu RUM?"
Nun wurde sie wirklich neugierig.
"Warum denn zu denen?"
Der riesige Mann lächelte versonnen.
"Korporal von Nachtschatten hilft mir mit dem Lesen und Schreiben..."
"Ach! Wie kommt das denn?"
Er stützte sich mit einem Ellenbogen auf dem Tresen ab und antwortete:
"Das war einer der Abende, an denen sie und die Stellvertretende von RUM zum Dienstschluss noch in die Kantine gekommen sind. Da hatte sie mit mir geredet und dann hatte sich das so ergeben."
"Klingt ja, als wenn die öfter in die Kantine kämen..."
Rochus nickte.
"Ja, ist auch so. Wobei ich die Ziegenberger in letzter Zeit nicht mehr so oft gesehen habe."
Was diese betreffende Kollegin anging, konnte Kawumm sich sogar an die eine oder andere Kleinigkeit erinnern und damit etwas zur Konversation beitragen.
"Würde mich nicht wundern, wenn sie nicht im Wachhaus wäre. Die ist doch Verdeckte Ermittlerin, oder? Vielleicht ein Einsatz?"
Er runzelte die Stirn.
"Aber sie hat doch jetzt den kaputten Arm. Ich glaube, sie darf mit dem nicht mehr verdeckt ermitteln."
Kawumm dachte an die Botengänge, die einem als Rekruten andauernd aufgebrummt wurden und daran, was sie selber dadurch schon alles mitbekommen hatte. Die Mannschaften vergaßen immer, dass sie auch mal ganz klein angefangen hatten und wie viel große Ohren alles mitbekommen konnten, wenn sie ignoriert wurden und nur aufmerksam genug waren. Sie sagte:
"Hm, nein, ich hab mal ihren AL im Gespräch mit dem Kommandeur ertappt. Ich sollte dem Einauge eine Akte bringen und die Tür stand halb auf, weil sie wohl eigentlich schon fertig gewesen waren und der Werwolf gehen wollte. Sie haben sich darauf geeinigt, die Frage, ob die Ziegenberger wieder verdeckt ermitteln dürfte, zu vertagen. Also, zumindest da war das Thema noch nicht vom Tisch."
Am Ende des Flurs, den sie vom Tresen durch die offen stehende Tür einsehen konnten, entstand Bewegung. Kalte Luft zog rüber, als wenn die hintere Tür zum Innenhof aufgestanden hätte. Die Tür zum Aufenthaltsraum der SEALs ging ständig, Stimmen wurden lauter und plötzlich sprintete ein furchtbar dünner Wächter aus dem Raum heraus, auf sie zu und bog kurz vor ihnen zum Treppenaufgang ab, mehrere Stufen zugleich nehmend, um möglichst schnell in die obere Etage hinauf zu kommen.
Kawumm und Rochus beugten sich synchron vor, um möglichst nichts zu verpassen.
Kurz darauf knallte die Stimme des Kommandeurs wie ein Peitschenhieb durch das Wachhaus und ließ sie hellwach aufspringen und strammstehen.
"FROOOOOOOGS! ZU MIR!"
Rochus wirkte auf einmal nervös und griff zu Stift und Tresenbuch. Er vermerkte in langsamen Schriftzügen die Uhrzeit und den Vorfall: FROG-Einsatz wird ausgelöst.
Aus der Kantine kamen zwei andere Rekruten vorbeigerannt und verschwanden in Richtung Innenhof. Schusi würde vorsichtshalber angespannt werden.
Rochus sah sie an und Kawumm musste nervös grinsen.
"Jetzt geht's wohl wieder los..."
Gemeinsam beobachteten sie den vorrückenden Minutenzeiger und lauschten dem schnellen Getrappel der Schuhe ihrer Kollegen über ihren Köpfen.
Sie sahen beide neugierig an die Decke und die Zwergin bedauerte, nicht vom Tresen weg zu können.
"Die Einsatzbesprechung... ich wüsste so gerne, worum es diesmal geht!"
Das Schuhgetrampel ging wieder los und schon waren die Stimmen des Einsatzkommandos zu hören. Die FROG kamen die Treppe heruntergeeilt. Doch diesmal nicht in ihren schicken grünen Uniformen und auch von den vielen speziellen Waffen, die Kawumm so sehr anzuschauen liebte, war dieses Mal nichts zu sehen.
Hü? Was ist den nun los? Van Varwald ohne seine berühmt-berüchtigten Armbrüste?
Wenn sie es sich genau überlegte, wirkte auch keiner der kleinen Truppe wirklich glücklich. Und jeder trug eine große Tasche bei sich, in der er noch herumkramte oder sie soeben im Laufschritt verschloss.
Der blondgelockte Zwerg, der neuerdings Stellvertreter bei den Fröschen war, nahm sie nicht einmal wahr, als sie die Treppe herunter kamen und er sich krampfhaft darum bemühte, eine der vollgestopften Westentaschen zu schließen.
Der Kommandeur schien besonders schlechter Laune zu sein.
"Wenn es nicht wieder so ein ernstzunehmender Hinweis wäre... glaubt mir, dann hätte ich nicht schlecht Lust gehabt, ihn zu ignorieren."
Kawumm hielt erfolglos Ausschau nach der schicken kleinen Pistolenarmbrust, die normalerweise an dem Gürtel der dunkelhäutigen Wächterin mit dem Rastazopf baumelte. Selbst sie hatte auf eine offensichtliche Bewaffnung verzichten müssen. Gerade blickte sie besorgt zum Kommandeur hinüber, als der ganze Trupp auf den Hinterausgang zusteuerte.
"Ich dachte, Ophelia wäre derzeit nur im Innendienst. Seit wann ist sie wieder im Einsatz, Sör?"
Der Kommandeur schnaufte verächtlich zur Antwort.
"Zu lange... lass uns jetzt lieber hierauf konzentrieren! Als erstes fahren wir zum Gänsetor, um dort eine Reisekutsche aufzutun und in diese zu wechseln. Passt auf, dass eure Waffen in den Reisetaschen keinen Schaden nehmen. Zur Not auf der kurzen Fahrt noch schnell umpacken. Die müssen dann demonstrativ aufs Kutschendach rauf, die Taschen. Muss nach was aussehen. Einer der Rekruten soll mitkommen, um Schusi anschließend zurückzufahren. Von da aus..."
Sie bemerckte aus dem Augenwinkel, wie Rochus sich vorbeugte, um eine weitere Eintragung ins Tresenbuch zu machen, bevor er die Feder wieder abstellte: FROG-Einsatztiehm verlässt das Wachhaus.
Meine Güte! Sie haben vom Alarm bis zum Losziehen gerade mal vier Minuten gebraucht! Und das, obwohl sie sich offensichtlich erst noch schnell umziehen und die Taschen umpacken mussten. Sie sind echt schnell!
Und plötzlich war es wieder still im Wachhaus.
Sie sah zur Uhr. Der ganze Spuk hatte nicht einmal acht Minuten gedauert.
Sie beide setzten sich wieder und Kawumm versuchte, die unterschwellige Aufregung, die der Schlachtruf des Kommandeurs bei ihr ausgelöst hatte, zu unterdrücken.
"Naja... immerhin wissen wir jetzt, dass die Ziegenberger doch wieder ermitteln darf."
Rochus sah sie mit großen Augen an.
"Wissen wir das? Woher?"
Sie atmete tief durch.
Ich vergaß... manche Menschen sind einfach nur groß und... unaufmerksam...
"Schon gut!"
Der ehemalige Bauer sah sie noch einen Moment grüblerisch von der Seite an, ehe er sich mit ihrer Antwort zufrieden gab und sie beide in Gedanken versunken vor sich hin starrten.
So so! Die Ziegenberger ermittelt also wieder verdeckt. Und löst prompt den nächsten FROG-Einsatz damit aus. Der Kommandeur schien alles andere als begeistert zu sein. Den letzten Großeinsatz hatte doch auch sie ausgelöst? Aber merkwürdig, dass der Trubel dann diesmal bei den SEALs angefangen hat. Hm... sehr merkwürdig. Vor allem auch, dass der olle Haudegen ernsthaft gesagt hat, er hätte ihren Hinweis gerne ignoriert! Haben die beiden sich etwa miteinander angelegt? Ausgerechnet der Kommandeur mit der RUM-Stellvertretenden? Er gibt ihr doch auch Dienstags immer dieses Nachhilfetraining. Hatten sie deswegen Streit? Hehehe... vielleicht hat sie ihn einmal zu oft geschlagen? Spannend!
Ihre Gedanken wanderten an den Erinnerungen der letzten Tage vorüber und sie versuchte, einen Anhaltspunkt in ihren Beobachtungen zu finden, der zu dieser neuen Hypothese passte. Sie liebte Klatsch und Tratsch! Solange es um Waffen ging, war sie Feuer und Flamme und völlig von diesen vereinnahmt. Aber sobald sie Gerüchte aufschnappte... vielleicht kam da ihre weibliche Seite zum Tragen?
Gab es irgendwas Besonderes, was mir in letzter Zeit bei den RUMlern aufgefallen ist? Hm... die Ziegenberger hat öfter mal früher Feierabend gemacht. Das war schon ungewöhnlich, wo sie sonst mit am längsten im Wachhaus anzutreffen ist. Dann musste ich die Akten nebenan beim AL abgeben, wodurch es mich auch genervt hat. Sie hat auch gar nicht mehr wie sonst manchmal die Pausen genutzt, um mit dem mickrigen Kerlchen von den SEALs mit den Schwertern zu trainieren. Das liegt nicht an ihm, da könnte ich drauf wetten. Er ist immer im Wachhaus. Aber sonst? Die Vampirin, wie hieß sie noch gleich? Von Nachtschatten... genau, die wirkte in letzter Zeit öfter mal leicht weggetreten. Aber das kann auch alles mögliche bedeuten, muss nicht damit zusammenhängen. Ah, dieser eine Omnianer...
"Rochus?"
"Hm?"
"Was hälst Du von dem Omnianer bei den RUMlern? Dieses Bürschchen, immer adrett angezogen, trägt die Nase viel zu hoch..."
Der große Kerl neben ihr dachte kurz nach.
"Der ist schlau. Hat eine Menge im Kopf."
Kawumm begann zu grinsen. Manche Ideen mussten auch ausgesprochen werden, sonst drohte man, vor Aufregung zu platzen.
"Du, ich glaube das Kerlchen hat sich in seine Stellvertretende Abteilungsleiterin verguckt."
Rochus sah sie überrascht an.
"Er hat sich... Du meinst, in die..."
Sie nickte selbstsicher.
"Jap."
"Wie kommst Du darauf?"
"Das sieht doch ein Blinder mit Krückstock. Der Kerl schreibt ihr doch sogar über das Fratzenbuch lauter so kleine Nachrichten, von wegen 'würde mich freuen, wenn wir uns hier oder dort auf einen Kaffee treffen könnten', bla. Über Musik und Kunst will er sich mit ihr unterhalten, jaja. Und sie sind beide ohne eine fest Bindung! Also für mich ist das eine klare Sache. Man wird nicht jünger. Und von ihren Interessen her würden die beiden doch ganz gut zusammenpassen, findest Du nicht auch?"
"Äh..."
"Komm schon! Sie hat ihm doch sogar übers Fratzenbuch geantwortet und die ganzen Veranstaltungstipps gegeben! Sowas weiß man nicht einfach so, wenn man sich nicht auch selber dafür interessiert, oder?"
Der große Kerl wiegte nachdenklich seinen Kopf hin und her, bevor er antwortete:
"Ich glaube, sie wüsste sowas auch, wenn sie selber das nicht mögen würde. Wegen ihrer Spezialisierung."
Kawumm seufzte genervt.
"Wie auch immer."
Sie schwiegen wieder, während die Zeit quälend langsam verging. Der Tag setzte vor den Wachhaustüren mit aufhellendem Zwielicht ein und kurz darauf gab es eine kurze Phase allgemeiner Aufregung, als sie die morgendliche Aufwartung Frau Willichnichts hinter sich brachten. Als diese sich endlich zum Gehen überreden ließ und die Tür hinter ihr ins Schloss fiel, atmeten sie beide erleichtert auf.
Damit ist der schlimmste Teil der Schicht überstanden...
Eine halbe Stunde später traf über den Hintereingang des Wachhauses der erschöpft wirkende FROG-Trupp wieder ein. Der goldgelockte Zwerg hatte die undankbare Aufgabe übertragen bekommen, sie am Tresen zurückzumelden. Er schlurfte neben sie und machte kurz Meldung.
"Korporal Goldwart meldet: Das FROG-Einsatzthiem mit Kommandeur Breguyar, Leutnant Mambosamba, Feldwebel Van Varwald, Hauptgefreiter Nyvania und mir ist unbeschadet aus dem Einsatz zurück."
Während Rochus mit seiner langsamen Art und den immer noch vorhandenen Schwierigkeiten die Rechtschreibung betreffend die Meldung notierte, ließ sie sich die Gelegenheit nicht entgehen, den hübschen Korporal zu begutachten.
Vielleicht etwas jung. Aber da gibt es Schlimmeres.
Sie lächelte ihn vorsichtig an, doch er war anscheinend zu müde oder in Gedanken mit anderen Dingen beschäftigt, um das zu bemerken. Sie nahm es mit einem leisen Seufzer zur Kenntnis.
Aufgeschoben ist nicht aufgehoben...
"Aufregenden Einsatz gehabt?"
Endlich sah er sie direkt an und nahm sie auch wahr. Prompt kam er ins Stottern.
"Äh... also, wie man es nimmt, nicht?" Er blickte flehentlich zu dem großen Rekruten hinüber, der aber noch immer mit gebeugtem Rücken und der zwischen seinen Lippen eingeklemmten Zunge die Buchstaben eines Ranges malte. Er würde solange für eventuelle Rückfragen warten müssen. "Wir, also, äh... wir waren alle etwas... naja, nervös. Ist ja immer so... ähm, aber aufregend, naja... ist eher ein bisschen anstrengend, nicht?" Er wandte den Blick ab und wusste offenbar nicht, was er weiter sagen sollte, was ihn zum Plappern verleitete. "Ein Glück war der Einsatz einigermaßen... äh... schnell? Ja, doch, einigermaßen schnell... äh... vorbei." Er räusperte sich. "Ist sowieso schon schlimm genug, jetzt immer ohne Feldwebel Feinstich auszurücken, nicht wahr? Aber wenn der Kommandeur dann auch noch immer so... naja... Kommentare... äh, macht... Von wegen, dass wir vorsichtig sein sollen und Daunenkissen als... äh... Waffen unserer Wahl... öhm, tja... also einpacken sollen, um eventuelle Attentäter damit niederzuschlagen... also, wegen der Internen und so..." Das goldige Kerlchen errötete glattweg und blickte sie kurz entschuldigend an. "Er ist... mh, nicht so gut drauf, im Moment. Wegen der Sache mit der Anzeige. Und so." Er seufzte tief und von Herzen.
Kawumm lächelte verständnisvoll.
Braggasch Goldwartssohn brachte etwas Sonnenschein an den grauen Tresen. Er sollte weiterreden, egal worüber.
"Ich hab gehört, Du hast letztens wieder eine tolle Erfindung gemacht?"
Das war zwar nur ein Schuss ins Blaue aber ganz daneben würde sie damit sicher nicht liegen. Die private Bastelwerkstatt im Büro des Kollegen war sozusagen legendär im Wachhaus. Oftmals ging es schneller, den Bastelenthusiasten aufzusuchen und ihm neues Material für seine Sammlung zu versprechen, anstatt kleinere Reparaturen an der schrotttigen Rekrutenausrüstug an eine Schmiede außerhalb des Wachhauses zu übertragen.
Sie ergänzte ihre Aussage mit einem imaginären Detail, um ihn aus der Reserve zu locken. Immerhin hatte sie wirklich davon gehört gehabt, dass der Korporal freudestrahlend mit einer Rolle Draht durchs Wachhaus gehüpft sein sollte, um nach seinem IA-Kumpel Sebulon zu suchen und sie ihm zu zeigen.
"Irgendwas mit ganz feinem Draht?"
Seine Reaktion übertraf ihre kühnsten Erwartungen.
Er wurde feuerrot im Gesicht.
"Das... das war nichts. Gar nichts! Ich habe nur eine Kleinigkeit, also überhaupt... und schon mal keine tolle Erfindung! Äh... ich, also... gar nichts! Ich erfinde auch nicht und bastel kaum, so derzeit..."
Sie hatte eindeutig einen Nerv getroffen.
Nur welchen?
Vorsichtig, mit misstrauisch zusammen gekniffenen Augen, versuchte sie, seine Nerven wieder zu beruhigen.
"Natürlich... das wird Feldwebel Ziegenberger dann vermutlich freuen, oder?"
Er taumelte einen winzigen Schritt zurück und blickte sich gehetzt um.
"Was? Wieso... äh... warum sollte das sie... äh... freuen?"
Ops! War wohl nichts mit Rückzug aus gefährlichem Terrain. Was zum...?
"Najaaaa...", versuchte sie sich ihm zu erklären. "Weil deren Büro doch genau neben dem deinen liegt. Und bei Dir geht es dann ja nicht immer leise zu, wenn Du hämmerst, bohrst, klopfst... dann wird sie doch froh sein, über eine Pause?"
Er atmete erleichtert auf und rang sich ein verzweifeltes Grinsen ab.
"Achso! Ja. Natürlich! So gesehen... äh, hast Du Recht. Denke ich." Er warf dem malenden Rochus einen letzten Blick zu und entschied ganz klar, dass es ihm unvorschriftsmäßig egal war, ob dieser noch Fragen an ihn haben würde oder nicht. "Also... ich muss dann mal wieder los. Äh... tschüss!"
Rochus sah überrascht auf und auch sie selber blickte dem Zwerg neugierig hinterher.
Du solltest niemals Poker spielen, Kleiner. Wirklich nicht.
Der große Hühne überraschte sie, als er erstaunlich aufmerksam flüsterte:
"Was war das denn?"
Vielleicht sollte ich ihn nicht so schnell unterschätzen? Er bekommt ja doch ein Wenig davon mit, was um ihn herum passiert...
"Das, mein Guter, war etwas Internes. Ganz eindeutig. Und ich wüsste gar zu gerne, was genau."
Sie kniff die Augen zusammen, als sie dachte:
Das behalte ich doch mal im Blick...
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