Wie kann eine Abteilung noch funktionieren, wenn sie gnadenlos unterbesetzt ist? - Pokalsingle zum Thema "Abteilungs-Interna"
Dafür vergebene Note: 11
„So kann das nicht weitergehen, da sind wir uns ja einig, oder?“
Die Abteilungsleiterin von SuSi nickte. Das Problem war offensichtlich. Seit Ewigkeiten hatte sich kein Rekrut nach seiner GRUND-Ausbildung für die SuSi-Abteilung entschieden. Alle in der Abteilung waren hoffnungslos überarbeitet und die durchschnittliche Auswertungszeit von Beweisen hatte einen rekordverdächtigen Höchststand erreicht, zum Ärger aller anderen Abteilungen.
Seit Wochen gab es immer wieder Beschwerden und Ärger und dies war nicht die erste Krisensitzung von Feldwebel Magane und Fähnrich Laiza Harmonie zu diesem Thema. Allerdings hatten sie das Problem nun schon ausführlich aus allen möglichen und unmöglichen Blickwinkeln betrachtet und waren dennoch nicht näher an eine Lösung gekommen. Seit einigen Minuten herrschte nur noch grüblerische Stille.
„Ich habs!“, rief Magane plötzlich und schlug mit der Faust auf die Tischplatte, so heftig, dass ein großer Stapel Akten und Zettel am Rande des Tisches bedenklich ins Wanken geriet. Laiza brachte ihn vorsichtig wieder ins Gleichgewicht.
„Was hast du?“, fragte sie.
„Eine Lösung. Oder, naja, zumindest eine Idee, wie wir vielleicht eine Lösung finden“, antwortete Maggie. Laiza sah sie auffordernd an und die Leiterin der Abteilung Suchen und Sichern begann zu erklären.
Einige Tage später erhielten alle SuSis eine Mitteilung mit der Aufschrift „WICHTIG“.
„Was genau versprechen die sich davon?“, maulte Kathiopeja, „‚Schildert so genau und so ehrlich wie möglich warum ihr euch für die Abteilung SuSi entschieden habt.’ Als ob ich nichts Wichtigeres zu tun hätte.“ Sie füllte ihre Kaffeetasse auf und warf sich mit Schwung auf einen Stuhl im SuSi-Aufenthaltsraum.
Olga-Maria, die bereits am Tisch saß, meldete sich zu Wort: „Nun, ich nehme an, sie wollen das wissen, damit sie ein paar Rekruten überzeugen können, sich ebenfalls für SuSi zu entscheiden. Ein paar mehr Tatortwächter könnten nicht schaden. Die Obergefreite Schraubenndrehr ist ja auch nur vorübergehend bei uns.“
Wie aufs Stichwort kam besagte Obergefreite ins Zimmer und bediente sich am Kaffee.
„Guten Morgen“, murmelte sie und setzte sich auf das alte Sofa.
Kathiopeja verdrehte nur die Augen, während Olga-Maria freundlich zurück grüßte. Dann erhob sie sich und sagte: „Ich bringe dann die Beweise aus der Kirschgasse und die aus der Drunter-und-Drüber-Allee ins Labor. Vielleicht gibt es ja auch schon was Neues zu dem Verschwinden der Gemälde vor zwei Wochen. Und in die Gerichtsmedizin muss ich auch noch.“
Kathiopeja nickte: „Ich geh gleich ins Büro zurück und mache ein paar Berichte fertig. Fallberichte, meine ich. Nicht diesen Unfug, der Magane wieder eingefallen ist.“
Olga-Maria lächelte müde. Sie wusste, dass Kathiopejas Berichte dazu neigten, sehr kurz und spärlich auszufallen und es an ihr war, diese noch mal zu überarbeiten. Natürlich nur, falls Kathiopeja diese Aufgabe nicht gleich von Anfang an an die Hauptgefreite übergab. Olga-Maria wehrte sich nicht dagegen, schließlich waren sie ein Tatortwächterteam und Kathiopeja hatte den höheren Rang. Und Olga-Maria wollte zusätzlich zu der vielen Arbeit nicht auch noch unnötig Streit anfangen.
Schicksalsergeben nahm sie ihre Umhängetasche mit den Beweisen und ihrer Tatortwächterausrüstung und machte sich auf den Weg.
Lady Rattenklein tobte durch das SuSi-Labor.
Hektisch hüpfte die kleine Gnomin zwischen Reagenzgläsern und Beweismitteltütchen hin und her, füllte hier etwas um, öffnete dort ein paar Ventile, machte eine Notiz, inspizierte einen Teststreifen aus Papier, warf einen Stapel Ikonographien vom Tisch und zeterte vor sich hin.
Der Wasserspeier Huitztli Pochtli sammelte die verstreuten Bilder wieder ein und legte sie auf den Tisch.
„Immer mit der Ruhe, es ist doch nur ein kurzes Schreiben, nur eine kleine Erläuterung. Das ist doch schnell erledigt“, sprach er mit beruhigender Stimme auf seine Kollegin ein.
„Schnell erledigt? Dass ich nicht lache! Ich wette, wenn die Berichte fertig sind, dann kommt da noch was nach. Ich habe üüüberhaupt keine Zeit für diesen Unsinn. Aber falls es dir an Arbeit mangelt, darfst du mir gern etwas abnehmen.“
Der Hauptgefreite schüttelte den Kopf: „Du weißt, dass ich genauso viele Fälle zu bearbeiten habe. Aber diese Hektik bringt doch nichts. Nicht, dass du noch Beweise durcheinander bringst…“
Jetzt lief die Lady knallrot an und Huitzli bereute seinen letzten Satz augenblicklich.
„Beweise durcheinander bringen? BEWEISE DURCHEINANDER BRINGEN?! Ich. Arbeite. In. Diesem. Labor. Seit. Mehr. Als. Zehn. Jahren. Und. Ich. Habe. NOCH. NIE. Beweise. Durcheinander. Gebracht.“
„So hab ich das gar nicht gemeint, es tut mir Leid, Mä’äm, ich…“
„Raus hier!“, zischte die wütende Gnomin und Huitzli Pochtli beschloss, dass jetzt ein hervorragender Zeitpunkt wäre, sich in ein Büro zurückzuziehen und den verlangten Bericht für die Abteilungsleitung zu schreiben. Auf dem Weg nach draußen kam ihm seine Kollegin Olga-Maria entgegen.
„Guten Tag Olga-Maria. Du solltest da jetzt besser nicht reingehen, vertrau mir. Warte besser noch einen Moment. Oder lieber ein paar Momente mehr.“
„Oh, okay… ist alles in Ordnung da drin?“
Der Wasserspeier nickte. „Jaja, keine Sorge, es ist wie immer. Leider. Du weißt ja, es ist viel zu tun, das kann schon mal die Nerven belasten.“
„Du sagst es“, antwortete Olga-Maria „Dann bringe ich die neuen Beweise besser heute Nachmittag, was?“
Huitztli seufzte bei dem Gedanken an noch mehr Arbeit, nickte dann aber ergeben.
Charlie Holm und Sillybos waren auf dem Rückweg von einem Tatort zum Wachhaus. Die beiden Tatortwächter, die schon lange als Team zusammenarbeiteten, bahnten sich ihren Weg durch die Menschenmassen in Ankh-Morporks Straßen.
„Was hat Magane gesagt, als du sie gefragt hast, was das soll?“, erkundigte sich der Korporal gerade bei seinem Kollegen.
Sillybos strich sich durch den Bart.
„Nun… ihre Erklärung klang plausibel. Unsere Abteilung ist unterbesetzt. Um das zu ändern, benötigen wir neue Abteilungsmitglieder. Diese kommen aber augenscheinlich nicht von allein. Ergo gilt es herauszufinden, welche Gründe jemanden dazu bringen, sich für SuSi zu entscheiden. Daher die Berichte.“
Charlie Holm kniff die Augen zusammen. „Ich glaube nicht daran, dass das weiterhilft. Aber bitte, wenn die Damen es so wollen. Wie weit bist du mit deiner Erklärung?“
„Oh, so gut wie fertig. Es ist nicht viel, gerade mal vierzehn Seiten.“
Der Korporal schwieg. Dann setzte er zu einer Bemerkung an, schwieg dann aber weiter. Inzwischen waren sie beinah am Pseudopolisplatz angekommen. Vierzehn Seiten, da würde sich Magane aber wundern. Charlie Holm lächelte.
Lady Rattenklein hatte sich indessen wieder beruhigt und dachte darüber nach, wieso sie sich damals für die Abteilung SuSi entschieden hatte. Sie hatte Laborantin werden wollen, weil der Umgang mit Chemikalien ihre Leidenschaft war. Damit kannte sie sich aus und nach all den Jahren im SuSi-Labor war sie wirklich gut in dem, was sie tat.
„Nun, dann schreibe ich das eben so“, murmelte sie.
Avalania saß in der Gerichtsmedizin und säuberte ihre Gerätschaften. Das hatte weniger hygienische als praktische Gründe, mit einem sauberen Skalpell arbeitete es sich deutlich besser als mit einem blutverkrusteten. Die Zeit dazu nahm sich die Zwergin gern, sie hielt nichts davon, hektisch eine Leiche nach der anderen aufzuschneiden. Das führte nur zu ungenauen Ergebnissen.
Außerdem kam sie sowieso so schleppend voran, dass es kaum einen Unterschied machte. Zwar hatte sie durch Magane mitunter Unterstützung, seit diese sich zur Gerichtsmedizinerin hatte ausbilden lassen. Aber die Leitung der Abteilung nahm sehr viel Zeit in Anspruch, was zur Folge hatte, dass Magane in der Gerichtsmedizin nur äußerst selten auftauchte.
Während Avalania eine übelriechende Flüssigkeit unbekannten Ursprungs von ihrem mittelgroßen Skalpell entfernte, dachte sie darüber nach, was sie dazu gebracht hatte, für SuSi zu arbeiten.
Waffen waren schon immer ihre Leidenschaft gewesen, ursprünglich hatte sie ja als Ballistikerin arbeiten wollen. Leider war diese Spezialisierung gerade mit dem Gerichtsmediziner zusammengelegt worden, als sie sich beworben hatte. Anfangs hatte es genug Wächter in der Gerichtsmedizin gegeben, da war wirklich noch Zeit genug gewesen, sich der Ballistik in größerem Umfang zu widmen, Waffenspuren nicht nur an den Leichen, sondern auch am Tatort selbst zu untersuchen, aber das war lange her.
Mittlerweile kam Avalania so gut wie nie aus den Räumen der Gerichtsmedizin heraus, sie sezierte eine Leiche nach der anderen und schreib Berichte darüber. Trotzdem war sie nicht unglücklich, wie sie mit etwas Überraschung feststellte. Sie mochte ihre Arbeit, sie wusste, dass es wichtig war, was sie tat. Und anhand der verschiedenen Wunden die Tatwaffe zu identifizieren kam der Zwergin als Aufgabe sehr gelegen, mittlerweile gab es kaum noch Waffen, die sie nicht zuordnen konnte. Und dazu gehörten natürlich auch Gegenstände, die nicht als Waffen gedacht waren.
Als ihre Instrumente wieder glänzten, setzte sie sich an ihren Bericht.
Olga-Maria Inös hatte Huitztlis Warnung ernst genommen und saß nun an ihrem Schreibtisch und grübelte über ihre Motivation nach, die sie dazu gebracht hatte, sich für SuSi zu entscheiden.
Während der GRUND-Ausbildung war schon abzusehen gewesen, dass Kämpfen und Verfolgen nicht ihre Stärken waren. Aber das wollte sie so nicht aufschreiben. Und so wirklich für SuSi entschieden hatte sie sich ja eigentlich, weil ihre Freundin Rea Dubiata sich damals als Gerichtsmedizinerin beworben hatte und Olga-Maria gern in ihrer Nähe bleiben wollte, weil sie sich mit neuen Kontakten schwer tat. Und das wollte sie unter keinen Umständen aufschreiben. Aber die Abteilungsleitung belügen, das ging selbstverständlich auch nicht. Also schrieb sie mehr schlecht als recht einen Bericht zusammen, der im Prinzip aussagte, dass sie mit ihren Fähigkeiten für keine andere Abteilung geeignet war.
Charlie Holm schrieb etwas ganz ähnliches, allerdings deutlich kürzer. Er hatte überhaupt keine Zweifel, dass seine Fähigkeiten für SuSi unverzichtbar waren.
Bereits nach drei Wochen
[1] hatte Magane endlich alle Berichte auf ihrem Schreibtisch. Sie seufzte. So wirklich erfolgreich war ihre Idee wohl doch nicht gewesen, wenn man sich dieses Ergebnis besah.
Da gab es einen seitenlangen Aufsatz von Sillybos über die Theorie der Spurensicherung und die Bedeutung von Wirklichkeit und Wahrheit und irgendwelche Zusammenhänge, von denen Magane kein Wort verstand, weil der Philosoph sich auf Schriften und Gedankengänge bezog, von denen sie noch nie etwas gehört hatte.
Charlie Holm hingegen hatte nur einen Satz geschrieben: „Ich bin bei SuSi, weil SuSi mich braucht.“
Auch Lady Rattenkleins Bericht ließ sich im Grunde zusammenfassen als „Chemikalien sind toll“ und Avalanias Erklärung lief auf „Waffen sind toll, aber Leichen aufschneiden ist auch in Ordnung“ hinaus.
Über Olga-Marias Bericht war Magane nicht besonders überrascht, dass es der Hauptgefreiten an Selbstbewusstsein mangelte, wusste sie schon spätestens, seit Olga-Maria sie mit der Spezialisierung des Tatortwächters vertraut gemacht hatte. Magane machte sich gedanklich eine Notiz, sich darum bei Gelegenheit mal zu kümmern.
Auch die anderen Berichte gaben kaum brauchbare Hinweise, wie man neue Wächter zu SuSi locken könnte.
„Mist“, murmelte sie. „Wie leitet man eine Abteilung, wenn alle Mitglieder dermaßen in Arbeit ersticken, dass nicht mal für Motivationsmaßnahmen Zeit bleibt? Oder für die Anwerbung neuer Mitglieder? So kann das nicht weitergehen…“
Magane hatte viele Ideen, von Spezial-Seminaren für Rekruten bis hin dazu, SuSi-Mitglieder gleich ganz zu GRUND abzuordnen und einen entsprechenden Einfluss auf die Rekruten auszuüben. Aber sie konnte nicht ein einziges Mitglied ihrer Abteilung entbehren, wenn sie alle jetzt schon kaum noch mit der Arbeit hinterherkamen.
Sie seufzte wieder.
Es hatte ja doch keinen Sinn, dieses Problem immer wieder zu betrachten. Mittlerweile wusste sie ja selbst kaum noch, wieso sie unbedingt SuSi-Abteilungsleiterin hatte werden wollen.
Einige Tage später tauchten die ersten Nachrichten auf.
Morgens entdeckte Charlie Holm am schwarzen Brett im SuSi-Aufenthaltsraum einen kleinen orangefarbenen Zettel mit blauer Schrift.
„SuSi braucht kompetente Wächter – so wie dich!“
Charlie Holm schüttelte den Kopf. Wer sich das wohl ausgedacht hatte?
Nur ein paar Stunden später entdeckte Lady Rattenklein beim Öffnen einer Akte einen weiteren Zettel mit der Aufschrift „SuSi – da stimmt die Chemie!“
Die Gnomin lächelte. Und wie die Chemie stimmte. Leise summend machte sie sich an die Arbeit.
Etwa zur gleichen Zeit sah auch Olga-Maria den Zettel am Schwarzen Brett. Und nur wenige Momente später fand sie eine zweite Nachricht in einem Beweismitteltütchen in ihrer Tasche.
„Suchen und Sichern – das ist deine Berufung!“
Olga-Maria beschloss, den Zettel zu behalten.
In den nächsten Tagen tauchten die orangefarbenen Zettel überall auf, in Akten, in Schränken, auf Schreibtischen…
Sillybos fand einen in seiner Badewanne (SuSi – saubere Arbeit!) und Kathiopeja fischte einen aus ihrer Kaffeetasse (SuSi – immer wachsam!).
Inzwischen besaß jedes SuSi-Mitglied gleich mehrere Zettel und irgendwie wirkten die Botschaften, so albern sie auch klangen, doch motivierend. Die Arbeit wurde nicht weniger, aber die Wächter waren insgesamt deutlich entspannter, arbeiteten gewissenhaft und zügig und irgendwie fühlten sich alle Abläufe reibungsloser an.
Laiza Harmonie rührte in einer Teetasse herum.
Wozu jahrelange Erfahrung als Abteilungsleiterin und ein bisschen Wissen über Kontaktgifte und Hypnoseformeln doch gut waren…
Lächelnd nahm sie einen Schluck Tee.
[1] und mehreren Nachfragen
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