Zirkus der neuen Art

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von Hauptgefreiter Kannichgut Zwiebel (SEALS)
Online seit 15. 01. 2012
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Wenn es etwas gibt, das Romulus von Grauhaar noch mehr nervt als Koffeinmangel, dann sind es erzwungene gesellige Abende mit Kollegen. (Wichtelgeschichte)

Dafür vergebene Note: 12


Eintrittskarte
Erlebt Zirkus der neuen Art*
Nur kommenden Sonntag, ab 19:00


Staunet und Raunet, wenn Anmut auf Übermut trifft, Geschick auf Humor und strotzende Kraft auf verspielte Erotik!

Reihe 5 - Sitz 8
Einlass ab 18:00


*Auch für Tierhaar-Allergiker geeignet!


Kultur, dachte Romulus und steckte die Karte in die Brusttasche seines blütenweißen Hemdes. So etwas brauchte doch kein Mensch. Und er als Werwolf schon gar nicht! Kultur war Vampirkram, zumindest traditionell gedacht. Ein Steine-Konzert sollte er lieber mal wieder besuchen. Er schmunzelte, als er an das letzte zurück dachte - vor einem halben Jahr im Alten Milch-Club, schon viel zu lange her. Eine Menge Leute waren, berauscht von der Musik, von der Bühne aus ins Publikum gesprungen und hatten sich auf einem Meer aus Händen tragen lassen. Das war so lange gut gegangen, bis der Troll Blaustein an die Reihe kam. Die Menge, und Fred Kolumbini mittendrin, hatte das Gewicht des Trolles tatsächlich halten können. Die Holzdielen des Fußbodens leider nicht. Es hatte etwas gedauert, Fred aus dem darunter liegenden Kellergewölbe zu befreien, in das er zusammen mit den anderen gestürzt war. Und die ganze Zeit über hatte die Band eine Zugabe nach der anderen gespielt. Noch Tage danach war Fred humpelnd und mit Krückstock zum Dienst erschienen und Romulus im Nachhinein froh gewesen, dass er sich genau den richtigen Zeitpunkt ausgesucht hatte, um sich vor dem Club ein paar Snacks zu gönnen.
"Hier, Feldwebel, extra stark!", riss der Hauptgefreite Kannichgut Zwiebel ihn aus seinen Gedanken und reichte ihm eine Tasse mit dampfendem Kaffee. Zumindest die Koffeinversorgung war hier also gesichert.
"Danke, Hauptgefreiter", sagte Romulus und nahm einen Schluck. Er nickte in Richtung der Menge, die sich vor den großen Flügeltüren gebildet hatte. Dahinter befand sich der Theatersaal der Scheibe, des größten Theaters von Ankh-Morpork. "Es ist kurz nach sechs. Sollten sie uns nicht endlich rein lassen?"
Die Antwort kam von Kannichguts linkem Ohr: "Sie debattieren noch." Die Gnomin Lady Rattenklein hatte sich auf der Schulter des Hauptgefreiten an den Grüppchen vorbei navigieren lassen, die überall im Wartesaal des Theaters beisammen standen und schwatzten. Sie nippte an ihrem Perlwein, der hier für Gnome in kristallenen Fingerhüten ausgeschenkt wurde. "Ich habe mich im Theatersaal bereits etwas umgesehen und etwas über die Vorstellung herausgefunden. Wenn ich das richtig verstanden habe, geht es im Prinzip darum, welche der beiden Hauptdarstellerinnen am Ende ihre Brüste zeigen darf."
Die beiden Männer wechselten einen verstohlenen Blick. "Brüste", sagte Romulus und bewies, dass er gut zuhören konnte.
Die Gnomin zuckte mit den Schultern. "Im Gegensatz zu einem normalen Zirkus lassen sie die Tiere und Narren weg und das müssen sie ganz offensichtlich kompensieren. Mit Technik und Artistik - und eben Erotik und so. Ich hatte ja gehofft, dass eher die beiden Hauptdarsteller ..."
"Sie haben kein Bier!", schimpfte Glum Steinstiefel, der zusammen mit Braggasch Goldwart seine Runde durch den Wartesaal beendet hatte. Braggasch sah aus, als käme es ihm aufs Bier nicht an. Offenbar hatte Glum aber bestimmt, dass ohne ordentliches Bier auch keine Alternative in Frage käme. Erst recht keine Saftschorle.
Kannichgut sah auf den Krug in seiner Hand. "Aber ..."
"Ich meinte richtiges Bier! Nicht so ein Gesöff. Da gibt's ja im Eimer Besseres! Letzte Woche war zum Beispiel Angerus Kohlrauch da und hat zur Verlobung seiner Tochter eine Runde Selbstgebrautes spendiert. Ich weiß heute noch nicht, wie ich danach nach Hause gekommen bin, aber alle waren begeistert. Braggasch, sag doch auch mal was!"
"Äh ..."
"Also der Perlwein ist vorzüglich! Lass dir dein Bier nicht schlecht reden, Kannich."
"Ich finde ..."
"Papperlapapp!"
Romulus' Gedanken zogen sich heimlich aus der Getränkediskussion zurück und gingen auf Wanderschaft. Seit geraumer Zeit nahmen ausgewählte Wächter auf Kosten des Steuerzahlers an kulturellen Veranstaltungen teil. Die Auswahl traf der Kommandeur. Deshalb hatte Romulus, Leiter der Abteilung Raub und Mord, ihn aufgesucht, direkt nachdem er seine Einladungskarte erhalten hatte. Er bekam nicht mehr heraus als das, was bereits alle wussten: Der Patrizier war der Ansicht, dass die Stadtwache von Ankh-Morpork mehr am öffentlichen Leben teilhaben sollte. Ihm schwebte etwas vor wie: "Die Stadtwache - Dein Freund und Helfer!" Das sei allemal besser als: "Oh Mist, die Stadtwache! Lass das Brecheisen liegen und dann nichts wie weg!" Vor diesem Hintergrund hatte Romulus sogar Glück. Im letzten Monat musste Ophelia mit einigen Kollegen zu einem Tanzball der Alchimistengilde. Seine Stellvertreterin war laut eigener Aussage gut zurecht gekommen. Probleme hatte lediglich der Wasserspeier Pochtli gemacht, als er von einer der wenigen anwesenden Damen zum Tanzen aufgefordert worden war. Wie es dann letztendlich zu der Explosion gekommen war, die das Tanzhaus zerstört hatte, war im Nachhinein nicht mehr zu ermitteln gewesen.
Erregung erfasste die Menge, die vor den Flügeltüren wartete. Ein Pärchen in Frack hatte sich einen Weg hindurch gebahnt und stand nun mit dem Rücken zur Tür den erwartungsvollen Gästen zugewandt.
"Ich glaub', es geht los", sagte Romulus.

"Erstaunlich", murmelte Kannichgut. "Ich hätte nicht gedacht, dass es eine halbe Stunde dauert, bis wir unsere Plätze erreichen."
"Sieh es positiv", antwortete Lady Rattenklein. "So müssen wir nicht mehr lange warten, bis es los geht." Sie räkelte sich auf dem kleinen Sessel, den ein freundlicher junger - gut aussehender! - Mann im Frack zwischen die Sessel von Kannichgut und Braggasch gehängt hatte. Sie kam selten aus dem Labor heraus, daher genoss sie den Abend in möglichst allen Zügen. Ganz bestimmt nicht ließ sie sich den Abend von einem Miesepeter verderben!
"Wir hätten einfach etwas später kommen können. Jetzt ist es am Eingang erheblich leerer."
"Denk an die Außenwirkung. Wir sollen gesehen werden!"
"Wir haben nicht 'mal Uniformen an. Ich glaub' nicht, dass jemand uns als Polizisten erkennt. Außerdem ist es hier ziemlich dunkel."
"Ach, nun genieß doch einfach den Abend!"
"Ist das ein Befehl, Ma'm?" Kannichgut grinste schief.
"Na darauf kannst du deinen Sessel verwetten!"
"Ich ... äh. Würde ihn nehmen." Braggasch schob die schüchternen Worte förmlich zum Mund hinaus, in der Hoffnung, dass sie bei jemand Interessiertem Gehör fanden.
"Hä?" Die Gnomin starrte den Zwerg irritiert an. "Was?", ergänzte sie für den Fall, dass jemand ihre erste Frage nicht verstanden hatte.
Braggasch senkte seine Stimme. Nicht verschwörerisch, sondern vorsichtig. "Ich tausche gern hm ... mit Kannich. Der Typ vor äh ... mir hat derart breite, ja breite Schultern, dass nichts ... äh nichts kann ich sehen. Also später. Wenn es was zu sehen äh ... gibt."
Die Gnomin sah hilfesuchend zu Kannichgut, immerhin galt er als Kryptographie-Experte. Ob er Sinn in Braggaschs Worte bringen konnte?
Kannichgut enttäuschte sie nicht. "Klar, Braggasch", sagte er. "Kein Problem."
Die beiden Wächter erhoben sich und zwängten sich in der engen Sesselreihe an einander vorbei. Sie hatten sich kaum wieder hingesetzt, als das spärliche Licht einiger Lampen erlosch und den Saal in fast vollkommene Dunkelheit tauchte. Zumindest für den Teil des Publikums, der über keine restlichtverstärkenden Sinnesorgane verfügte.

Es war fraglich, ob der Regisseur mit der Handlung seines Stückes einen Preis gewinnen würde: Mann trifft Mann, beide verbiegen sich, turnen um und auf einander und an Seilen und Stangen herum. Zwei Frauen kommen hinzu, lassen sich auf Händen, Füßen und diversen anderen Körperteilen umher tragen, manchmal mit spitzen Schuhen, manchmal barfuß. Zwischendurch verliert der eine oder die andere ein Kleidungsstück ...
Romulus tauchte ab in eine dunkle Welt mit einem erleuchteten Zentrum - die Bühne - aus stroboskopartigen Farben, fliegenden Leibern, spielenden Muskeln, vor Schweiß glitzernder nackter Haut. Es war unmöglich, die Zeit zu messen. Mal schien sie still zu stehen, mal zu rasen. Er ertappte sich ein ums andere Mal, wie er atemlos auf kreisende, wohlgeformte Hüften starrte oder vor Anspannung verkrampfte, wenn einer der Darsteller etwas Unmögliches versuchte. Vertraute und doch fremde, teils lange vergessene Gerüche strömten auf ihn ein und belebten ihn. Das Publikum, die Kollegen, sie alle waren vergessen und doch Teil seiner Wahrnehmung, als er Zirkus der neuen Art erlebte. Dann klingelten seine Ohren und ihm wurde schwindelig. Der Schrei einer Frau schnitt durch die verzauberte Atmosphäre wie die Sense des letzten Schnitters und der Saal wurde hell.
Romulus hob die Hand zum Schutz vor die Augen und blinzelte. Die Magie des Momentes war verflogen, geplatzt und die Realität hatte sich darüber gestülpt. Er schüttelte den Kopf wie um einen verzechten Abend abzuschütteln. Kopfschmerzen pochten hinter seiner Stirn. Er blickte sich um und sah überraschte Gesichter, aber auch Enttäuschung und Verwirrung. Vor der Bühne versammelte sich eine Menge Neugieriger und versperrte die Sicht auf das Geschehen - oder das Geschehene.
"Was ist da passiert?", fragte Kannichgut.
"Ich glaub', der gut gebaute Kerl mit dem Brustpelz ist abgestürzt." Lady Rattenklein war auf den Kopf des großen Mannes vor ihnen geklettert, der sich erhoben hatte und den Hals reckte. Als Laborantin der Abteilung Suchen und Sichern hatte sie stählerne Nerven und ein Auge für Details.
"Lasst uns nachsehen", empfahl Romulus, während er sich die Stirn massierte, und begann, ihnen einen Weg nach vorn zu bahnen.
Das war leichter gesagt als getan. Auch die Besucher einer kulturell anspruchsvollen Veranstaltung waren immer noch Ankh-Morporkianer und gaben einen Platz, der Spannung und Sensation versprach, nur widerstrebend auf. Vor den Wächtern diskutierte ein Mann mit Zylinder und großer Tasche mit dem Rücken eines vor ihm stehenden Gaffers.
"Nun lassen Sie mich doch hindurch!" Aus seiner Stimme sprach machtlose Gequältheit. "Ich habe bei Grempe Knochen in der Ankertaugasse gelernt. Ich bin Arzt!" Er drückte versuchsweise, aber erfolglos, gegen den Mann, der ihm im Weg stand. "Ich bin Arzt", sagte er mit dünner Stimme, der Verzweiflung nahe.
Braggasch zupfte dem Arzt am Arm. "Ich, äh, glaube dir", sagte er mitfühlend.
Eine Frau, etwa Ende vierzig, kam ihnen entgegen, indem sie ihrer drallen Oberweite folgte, und schob sich an ihnen vorbei Richtung Ausgang. Romulus stellte sich ein großes Passagierschiff vor, das durch die Wellen des Rundmeeres pflügte. Sie drehte ihnen den Kopf zu und winkte ab. "Ich glaube, der braucht keinen Arzt mehr. Niemand kann seinen Kopf so weit nach hinten drehen. Nicht mal dieses Artistenvolk!"
Bevor einer der Wächter weitere Fragen stellen konnte, war sie auch schon wieder in der Menge verschwunden.
"Todd?" Ein dürrer Mann mit fauligen Zähnen lehnte sich nach vorn und hüllte die Wächter in eine Wolke aus säuerlichem Atem. Romulus fragte sich, wie der Mann an seine Eintrittskarte gekommen war. Sein Anzug sah bestenfalls geliehen aus. "Mei' Schwagger is' Toddegräbber. Hehe, wenn's versteht, was ich mein'. Habbihn schnell gehohlt." Der Mann schnitt sich mit seiner Hand mehrmals symbolisch die Kehle durch und kicherte keckernd. Romulus hoffte, dass er nicht verstand, was er meinte und wandte sich wortlos ab.
"Mörder!", erscholl es von irgendwo weiter vorn.
"Der Totengräber muss warten", murmelte Romulus. Laut rief er: "Lasst mich durch! Stadtwache von Ankh-Morpork! Alles zur Seite! Zur Seite, sag ich! Macht Platz!"

Der Geruch von billigem Parfüm und Schweiß hing in der Luft. Aber keine unangenehme Kombination, dachte Romulus und blickte der dunkelhaarigen Frau hinterher, die mit grazilen Schritten das Zimmer verließ und ohne es zu wissen olfaktorische Erinnerungen im Gehirn des Werwolfes zurückgelassen hatte. Braggasch nahm sie in Empfang und führte sie fort. Von draußen brandete das Rauschen zahlreicher Gespräche herein.
"Das war also Kassia Rurig", murmelte er.
"Also ich weiß nicht", sagte Glum Steinstiefel, ohne auf seinen Kollegen einzugehen, während er in seinen Aufzeichnungen blätterte. "Spielschulden als Motiv? Das hatten wir doch im letzten Jahr zur Genüge. Es gab sogar irgendeine Änderung in den Statuten der Spielergilde deswegen, wenn ich mich nicht irre. Mal sehen ... Orlaf Mardiestel hatte die Schulden bei Kharid Rurig schon seit einer Weile. In welcher Höhe wissen wir nicht. Reicht das für einen Mord, der so offensichtlich direkt zu ihm führt? Zu einfach, sage ich! Bestimmt war es nur ein Unfall!"
"Hören wir, was er selbst dazu sagt", brummte der Feldwebel und nickte in Richtung Tür, in der kurz darauf ein groß gewachsener blasser Mann stand. Lange braune Haare kringelten sich bis auf seine Schultern, die nach dem abrupten Ende der Vorstellung mit einem engen Hemd bedeckt worden waren. Darunter zeichnete sich ein muskulöser Oberkörper ab. Romulus schätzte, dass der Mann ihn um mindestens Haupteslänge überragte. Er roch Wagemut und Trotz, aber auch Unsicherheit.
"Bitte ..." Romulus wies auf den Tisch vor einem großen Spiegel, der auf scheinbar magische Weise von einer Aura hellen Lichtes umgeben war. Puderdosen, Farbtöpfe und Pinsel waren hastig beiseite geräumt worden, als eines der Schmink- und Ankleidezimmer des Theaters schnell zu einem Verhörraum umfunktioniert worden war. Orlaf setzte sich auf einen der Lehnstühle, in denen sonst die Akteure der Show für ihren Auftritt vorbereitet wurden, und verschränkte selbstgefällig die Arme vor der Brust. Romulus zwängte sich an einem Pailletten-Kleid vorbei und stieß gegen einen Hutständer, der sofort einer Kiste mit Schmutzwäsche entgegen fiel. Er fluchte leiste, während er den Hutständer auffing und sich Orlaf gegenübersetzte. Das von draußen hereindringende Lärmen erstarb abrupt, als Glum die Tür schloss und einen Schemel hinzu zog.
"Orlaf Mardiestel", sagte Romulus, "dir wird vorgeworfen, deinen Kollegen Kharid Rurig umgebracht zu haben. Was sagst du dazu?"
"Ich habe ihn nicht umgebracht. Und Orlaf reicht!"
"Etwa dreihundert Theatergäste können bezeugen, dass du ihn hast fallen lassen, worauf er zu Tode stürzte." Selbst in Romulus' Ohren klang die Anschuldigung seltsam, doch er musste sich an das Protokoll halten.
"Pah!" Orlaf rümpfte die Nase. "Diese dreihundert Gäste können sicher auch bezeugen, dass Lala während der Show ihren Kopf verloren hat."
Romulus lehnte sich nach vorn. Manchmal ließ sich das Protokoll verkürzen. "Was ist deine Version?"
"Keine Ahnung!" Orlaf zuckte mit den Schultern. "Nach dem Vierschwung haben wir uns synchronisiert und ich habe auf sein Signal gewartet."
"Was für ein Signal?"
"Das 'Hey!', kurz vor seinem Absprung. Er rief 'Hey!' und sprang. Und dann fiel er an mir vorbei." Die Selbstgefälligkeit war gewichen. So langsam schien es auch Orlaf zu dämmern, dass sein Kollege sich nicht nur den Knöchel verstaucht hatte. "Ich ..."
Jetzt wurde es interessant. "Ja?"
Orlaf sah zur Seite. "Ich hörte Kassia rufen", murmelte er. "Sie liefen zu ihm hin, während ich über ihnen am Trapez hing." Er richtete einen harten Blick auf den Feldwebel. "Ich habe keinen Fehler gemacht!"
Romulus seufzte. "Da du gerade Kassia erwähnst ... Die Tochter von Kharid Rurig, nicht wahr? Sie sagte, du hättest Spielschulden bei ihm gehabt. In welcher Höhe?"
Orlafs Augen weiteten sich. "In wel ... was? Ich habe ihn nicht umgebracht! Die Schulden hatte ich schon länger. Seit über einem Jahr. Und sie sind seitdem nicht mehr angewachsen. Früher haben wir uns dreimal im Monat zum Zwiebeln getroffen. Aber in letzter haben wir überhaupt nicht mehr miteinander gespielt."
"Wie hoch waren deine Schulden bei Rurig?", wiederholte Romulus seine Frage, diesmal einen Ton schärfer.
"Etwa 1.000 Dollar." Der Hühne senkte betroffen den Blick. Dann sah er wieder hoch. "Ich wollte die Schulden zurückzahlen. Ehrlich! Ich habe sogar eine Stelle bei 'Circus Ohne' in Aussicht! Bis zum Ende des Jahres hätte ich einen Teil des Geldes zusammengehabt."
Romulus wechselte einen Blick mit Glum, der gerade seinen Bleistift spitzte. "Gut. Das lässt sich überprüfen. Woher wusste Kassia von deinen Spielschulden?"
"Vermutlich vom Spieler", antwortete er. "Albrecht Spieler", fügte er hinzu, als er Romulus' fragenden Blick sah. Orlaf sah weiterhin in verständnislose Gesichter und räusperte sich. "Albrecht Spieler ist lizenzierter Spielwart der Gilde. Kharid und ich haben des öfteren bei ihm gezockt. Er hat sein Hinterzimmer im 'Rauch und Duftig', dem Edellokal am Weißen Markt."
"Aber was hat Albrecht Spieler mit Kassia zu schaffen?"
"Oh, sie waren eine zeitlang zusammen. Muss ihr mächtig imponiert haben, der Junge. Leider hat er auch vielen anderen Mädels imponiert."
"Und du denkst, er hat ihr von deinen Schulden bei Rurig erzählt?"
Orlaf zuckte mit den Schultern. "Vielleicht spricht er im Schlaf. Vielleicht nimmt er es mit den Daten seiner Kunden nicht allzu genau. Andererseits war sie ja Kharids Tochter. Hört mal, ich würde nicht behaupten, dass Kharid und ich Freunde waren. Aber wir haben gut zusammen gearbeitet. Bei unserem Geschäft muss man sich aufeinander verlassen können, sonst geht früher oder später etwas schief."
Romulus lächelte eisig. "Ich würde sagen, da ist heute etwas gehörig schiefgegangen, findest du nicht?"
Der blasse Hühne wirkte jetzt kleiner, in keinster Weise mehr selbstgefällig. "Ja. Es war eine perfekte Show, wisst ihr? Wir haben den Sprung Hunderte Male geübt. Ich war höchst konzentriert. Ich verstehe nicht, wie das passieren konnte." Seine Augen wanderten zwischen den beiden Wächtern hin und her und suchten nach Hilfe und Verständnis.
"Versuche, dich an die letzten Sekunden vor dem Unfall zu erinnern." Glums grollender Bass beendete das kurze Schweigen. Er betonte das Wort "Unfall" so, als zöge er die Möglichkeit eines Unfalls überhaupt nicht in Betracht. Doch Orlaf fasste es als Gelegenheit auf, sich aus dem Sumpf zu ziehen, dessen fauliges Wasser sich über ihm zu schließen drohte.
"Ich ...", begann er. "Wenn man etwas wieder und wieder übt, verschwendet man irgendwann keinen Gedanken mehr daran. Doch wenn es darum geht jemanden aufzufangen, muss man immer konzentriert bleiben. Es gibt so viele Unwägbarkeiten. Ich denke ... Ich glaube, kurz bevor ich ihn fassen konnte ... da ist er zusammengezuckt!" Orlaf starrte die beiden Wächter an, als sei das des Rätsels Lösung.
"Zusammengezuckt?"
"Ja!" Der Hühne gewann an Selbstsicherheit, jetzt, da sich sein Gehirn auf eine plausible Geschichte eingeschossen hatte und die Lücken in seiner Erinnerung mit logischen Details auffüllte. "Wir sahen uns an, dann zuckten Schmerzen über sein Gesicht. Er krümmte sich. Ich kam nicht mehr an ihn heran und er fiel."
"Nun gut." Der Feldwebel schob seinen Stuhl zurück. "Das wär's fürs Erste. Wir werden dich nicht in Untersuchungsgewahrsam nehmen. Ich darf dich aber daran erinnern, dass du die Sachlage deutlich zu deinen Ungunsten verschieben würdest, solltest du versuchen, die Stadt zu verlassen. Am besten bleibst du zu Hause, damit wir es nicht allzu schwer haben, wenn wir noch irgendetwas mit dir besprechen müssen. Alles klar?"

Die Vorstellung war bereits einige Zeit vorbei, doch der Theatersaal war immer noch gut gefüllt. Braggasch war der Ansicht, dass es an zu wenig anwesenden Wächtern lag, die für Ordnung sorgten. Derzeit - seiner Ansicht nach schon viel zu lange - sorgte Braggasch allein für Ordnung, während Romulus und Glum die Verhöre durchführten und Kannichgut und Lady Rattenklein ins Wachhaus zurückgekehrt waren.
"Äh ...", begann er. Das war immer ein guter Anfang. "Würden Sie? Ja Sie! Äh ... von der Bühne wegbleiben. Bitte?" Ignoranz nippte an einem Drink und schlurfte an ihm vorbei. Er sah ihr verzweifelt nach.
"Hey Braggasch!" Die vertraute Stimme von Kannichgut Zwiebel klang wie ein rettender Strohhalm. Er drehte sich um und sah, dass der Hauptgefreite seine Abendgarderobe angepasst hatte: Er trug jetzt die Uniformjacke der S.E.A.L.S. und einen Satz weißer Kommunikationspaddel am Gürtel.
"Gute Güte", rief Braggasch. "Zum Glück äh ... bist du wieder da. Wozu brauchst du die Kom-Dinger? Brauchst du sie?" Nicht zum ersten Mal an diesem Abend und wie so oft in seinem Leben fragte sich Braggasch, ob die Leute eigentlich verstanden, was er sagen wollte. Kannichgut schien mit seinen Ausführungen jedenfalls gut zurecht zu kommen. Bei vielen anderen hingegen war er sich da nicht so sicher.
"Hm." Kannichgut überlegte kurz und nickte dann. "Ratti untersucht die Proben. Ich habe bei denen von S.U.S.I. nachgefragt, ob sie einen Tatortwächter schicken wollen. Aber sie meinten, dass sie anbetrachts der Lage eh keine Spuren mehr am Tatort finden würden." Er blickte zur Bühne hinüber, wo Schaulustige in kleinen Grüppchen umher standen, sich unterhielten und scherzten. Ein Mann mit Bauchladen war irgendwie ins Theatergebäude gelangt und pries angeblich knackige Würstchen an. "Ich denke ja, sie würden eher zu viele Spuren finden." Er wandte sich wieder Braggasch zu. "Zu R.U.M. bin ich nicht gegangen. Wir haben ja ihren Abteilungsleiter höchst persönlich vor Ort. Wenn es neue Erkenntnisse gibt, informieren wir sie quasi umgehend." Er klopfte auf die hölzernen Paddel und zwinkerte Braggasch zu. "Lass uns hier mal Ordnung schaffen!"

Dumpfe Rufe drangen durch die geschlossene Tür des Schminkzimmers und zeigten an, dass sich der Theatersaal nach und nach leerte. Ab und an erklang eine Trillerpfeife. Ansonsten lastete brütendes Schweigen auf den beiden Wächtern, die über ihren Notizen saßen.
"Es könnte wirklich ein Unfall gewesen sein", sagte Glum schließlich.
"Vielleicht hast du Recht", räumte Romulus ein. "Aber irgendwas stimmt da nicht. Irgendein Puzzle-Teil fehlt ..."
Die Tür schwang auf und eine blonde Frau mit üppigen Rundungen trat herein. Roter Glitzerstoff in Form ihres knappen Bikinis scheiterte grandios daran von nackter Haut abzulenken und wenigstens einen Hauch von Anstand zu vermitteln. Auch das halbtransparente Röckchen an ihren Hüften konnte kaum als Kleidungsstück im ursprünglichen Sinne durchgehen.
"Oh", sagte sie, ohne Überraschung zu zeigen. "Ich dachte, ihr wärt hier fertig."
"Du bist die Frau mit den sieben rotierenden Ringen!" Romulus erinnerte sich an den Teil der Show wie an einen alten Traum und schluckte, als sich Details der Vorstellung in den Vordergrund drängten. "Das war erstaunlich ... biegsam!"
"Ja, ja. 'Der Blonden Lala beste Nummer!'" Die Frau winkte lachend ab. "Leider ist uns der achte Ring vor Show-Beginn kaputt gegangen und wir konnten nicht so schnell für Ersatz sorgen."
"Ah, wie schade. Stört es dich, wenn wir dir ein paar Fragen stellen? Wo du schon mal da bist."
"Wenn es euch nicht stört, dass ich mich währenddessen umziehe." Sie verschwand hinter einem Raumtrenner, auf dem kurz darauf äußerst klischeehaft ihr Glitzer-BH landete. "Ich kann euch aber nicht groß weiterhelfen, fürchte ich. Mein Kleid liegt auf der Kiste gegenüber der Tür. Wenn ihr so freundlich wärt ..."
Romulus unterdrückte den Reflex aufzuspringen, um der blonden Frau ihr Kleid zu bringen. Stattdessen zwang er sich zur Ruhe.
"Wie würdest du dein Verhältnis zu Kharid Rurig beschreiben?"
"Wir waren Kollegen." Die Antwort kam zögerlich. Romulus reichte ihr das Kleid mit ausgestrecktem Arm hinter den Raumtrenner. "Danke. Jeder macht hier seinen Job, so gut er kann. Irgendwann verlässt einen das Glück. Wir leben - und manchmal sterben wir - mit dem Risiko. Das ist nicht zum ersten Mal passiert."
"Du denkst also, dass es ein Unfall war?"
Stille. Der Kopf der Frau erschien mit weit aufgerissenen Augen. "Glaubt ihr, dass es kein Unfall war?"
Romulus hob beschwichtigend die Hände. "Das wissen wir nicht. Aber die Möglichkeit besteht. Wer hätte ein Interesse an Kahrids Tod?"
"Keine Ahnung. Ich glaube nicht, dass der Schwarze Feinde hatte."
"Der Schwarze?"
"Der Schwarze Rurig." Sie drehte sich um. "Könntest du mir den Reißverschluss ...? Danke. Wir nannten ihn so wegen seinem Brustpelz. Er kam mit allen gut zurecht, soweit ich weiß. Manchmal war etwas seltsam. Ach, die arme Marlene." Sie schüttelte die blonden Haare aus und bürstete sie durch.
"Seine Frau?", warf Glum ein.
Lala nickte. "Seit ihrem Unfall vor zwei Jahren war Kharid der Ernährer der Familie."
"War sie heute hier?"
"Nein", sagte Lala, während sie ihre Haare mit einem Seidenband zu einem Zopf fixierte. "Nicht, dass ich wüsste. Sie war Seiltänzerin, dann ist sie abgestürzt. Seitdem kam sie nur noch selten vorbei."
"Hm." Romulus wiegte nachdenklich den Kopf. "Danke, Lala. Du hast uns sehr weitergeholfen."
"Gern." Das Lächeln war in ihr Gesicht zurückgekehrt. "Wenn sonst weiter nichts ist ...?"
"Nein." Romulus lächelte ebenfalls.
"Doch!" Die beiden starrten Glum entgeistert an. "Warum ist der achte Ring kaputt gegangen?"

Zufrieden stand Braggasch auf der leeren Bühne. Endlich konnte man den Tatort frei begehen. Sofern es sich überhaupt um einen Tatort handelte. Der Zwerg musste zugeben, dass es nicht allzu viel zu sehen gab. Da Kannichgut wieder ins Wachhaus zurückgekehrt war, hatte er Gelegenheit, die Bühne zu erkunden, bis Romulus und Glum die Verhöre beendet hatten. Neugierig spähte er ins Dunkel oberhalb der Bühne, wo er komplexe Mechanik vermutete. Er entdeckte nur ein paar Flaschenzüge, zwei interessant platzierte, wagenradgroße Zahnräder und jede Menge Seile. Alles in Allem nichts was seine Neugier befriedigte. Unbeleuchtete, mit Stoff verhängte Durchgänge führten ihn hinter die Bühne, wo zwei Laternen schummriges Licht verbreiteten. Es roch nach Schweiß und frischer Farbe. Offenbar hatte man kürzlich Schönheitsarbeiten vorgenommen. Jemand schluchzte. Braggasch schob einen Vorhang beiseite und blickte in das theaterliche Äquivalent einer Asservatenkammer. Einige der unordentlich im Raum verstreuten Requisiten waren in der Vorstellung zum Einsatz gekommen: Keulen, Bälle, Holzringe. An einer Wand lehnten meterlange Stäbe und gegenüber stand ein Eimer mit pastellgelber Farbe.
Auf einer eisenbeschlagenen Truhe saß ein Junge mit mädchenhaften Zügen und zog Rotz hoch.
"Ähem", räusperte sich Braggasch. Der Junge blickte kurz auf, wischte sich mit dem Ärmel über die Nase und starrte wieder schluchzend zu Boden.
Braggasch zog ein Taschentuch hervor und hielt es ihm hin. "Hier!"
"Ich wollte ihn warnen!", entfuhr es dem Jungen und er schüttelte verzweifelt den Kopf, ohne aufzublicken. "Aber er wollte nicht auf mich hören!"
Braggasch steckte das missachtete Tuch wieder ein. "Wovor wolltest du wen warnen?", fragte er, ohne zu merken, dass er gerade den best artikulierten Satz seit Langem ausgesprochen hatte.

In Gedanken versunken betrat Romulus die Bühne. Als er stehen blieb, schaute er sich erstaunt um.
"Wo sind denn alle?", fragte er Glum und ließ dabei offen, ob er die Schaulustigen oder seine Kollegen meinte.
"Ich nehme an, sie sind vor der Langeweile geflüchtet", vermutete Glum. "Nur hier herum stehen, bringt keine Geschichten, die man morgen am Marktstand herum erzählen kann. Den Höhepunkt des heutigen Abends haben sie ja bereits mit erlebt. Naja, oder vielleicht besser den Tiefpunkt."
Ein grimmiger Blick seines ranghöheren Kollegen brachte den Zwerg zum Schweigen.
"Wie auch immer", fuhr der Zwerg fort. "Der Streit, von dem die Blonde Lala uns erzählt hat, muss nichts zu bedeuten haben. Menschen streiten sich täglich. Deshalb bringen sie sich nicht gleich gegenseitig um."
"Leider tun sie es eben gerade doch allzu oft. Wir müssen mit dieser - wie sagte Lala hieß sie? - Barsi reden. Das Mädel sollte einige Infos über den Toten für uns haben."
"Hey, äh Feldwebel!" Romulus und Glum drehten sich zu Braggasch um, der hinter einem Vorhang hervor trat und auf sie zu eilte. Er zog ein dürres Mädchen mit kurzen Haaren, das gut als Junge durchgehen konnte, hinter sich her. "Gut, dass ich euch mn-äh ... dass ihr hier seid. Das ... unbedingt anhören solltet ihr euch das!" Er wandte sich dem Mädchen zu. "Los! Mmh. Erzähl ihnen, was du ... Das von heute morgen! Bitte?" Er drehte sich zu Romulus. "Das ...! Das ist Barsi. Ein äh ... Freund von Kharid Rurig."
Romulus musterte Barsi. Ihre Augen schienen erst vor Kurzem getrocknet zu sein und waren vor Anstrengung gerötet. "Ja, gut", begann er, sichtlich überrumpelt. "Dann schieß mal los!" Es überraschte ihn, wie schnell sein Verstand die neue Situation als gewöhnlich hinnahm.
"Ich ... Ich ..." Barsi rieb die Handflächen am Stoff ihrer braunen Hose.
"Na los, Mädchen!" Glum hatte seine Notizen aufgeschlagen und wartete mit gezücktem Stift auf interessante Neuigkeiten. "Wir haben nicht den ganzen Abend Zeit!"
"Mädchen?" Braggasch schaute den anderen Zwerg verwirrt an.
Romulus sah zwischen seinen beiden Kollegen hin und her und richtete seinen Blick dann auf Barsi.
"Bitte erzähl uns, was heute Morgen geschehen ist."
Das Mädchen holte tief Luft. "Vor ... vor einigen Tagen, ich hatte gerade die Wäsche von Frau Allesgut abgeholt, sah ich Marlene mit Dirkhand, dem Hausmeister, sprechen. Ich stellte meinen Korb ab und äh ... ging etwas näher heran. Marlene bat Dirkhand um den Schlüssel. Sie sagte, mit ihren Krücken käme sie zum Vordereingang nur mühsam herein. Sie wollte zur Vorstellung ihres Mannes kommen, sagte sie. Das hat sie in den letzten zwei Jahren kein einziges Mal gemacht! Und ...", Barsi zögerte.
"Ja?" Romulus probierte ein aufmunterndes Lächeln.
Barsis Stimme war nun leiser. "Ich wollte mit ihm darüber reden, wollte ihn warnen! Kharid hat mir vor einiger Zeit erzählt, dass Marlene ihn dazu überredet hat, eine Unfallversicherung abzuschließen. 'Für ...'", schluchzte sie jetzt. "'Für den Fall des Falles.' Er hatte dabei gelacht! Auch heute Morgen hat er nur gelacht und gesagt, ich sollte mir keine Sorgen machen." Sie ließ sich in Romulus' Arme fallen und schluchzte lauter. "Und jetzt ist er tot!", murmelte sie, während Romulus ihren Hinterkopf tätschelte.
Sie stieß sich ab und blickte ihm direkt in die Augen. Ihre Stimme war jetzt purer Zorn und ihre Augen funkelten. "Sie hat ihn umgebracht! Sie kam heute zur Vorstellung und hat ihn umgebracht! Irgendwie ..."
"Nun." Romulus suchte nach Worten. Die Geschichte war immer noch zu unvollständig. Immerhin hatten sie ein paar Hinweise darauf, dass Rurigs Tod kein Unfall gewesen war.
"Einer der Ringe", setzte Glum ein. "Er ist heute Morgen kaputt gegangen. Was weißt du darüber?"
"Ich ..." Barsi blickte zu Boden. "Ich konnte ihn nicht gehen lassen. Ich hab' mich an ihn geklammert, da wurde es ihm wohl zuviel. Er ... Er hat mich weg gestoßen. Dabei ist er zerbrochen."
Betretene Stille gesellte sich zur Gruppe auf der Bühne.
"Kannst du dir erklären", fragte Glum nach einer Weile, "warum er so aggressiv reagiert hat?"
"Keine Ahnung", flüsterte sie.
Braggasch hatte die Information, dass sein Junge tatsächlich eine junge Frau war, gut verarbeitet und betrachtete sie mitfühlend. "Du hast ihn geliebt, nicht wahr?"
Barsi sah entsetzt auf, das Gesicht plötzlich kreidebleich. Langsam wich sie ein paar Schritte zurück.
"W-warte!", rief Braggasch ihr hinterher, als sie sich umdrehte und davonrannte.
"Meinen Glückwunsch, Braggasch", sagte Glum.
"Ich schlage vor", ergänzte Romulus, allerdings weniger sarkastisch, "du siehst mal nach ihr. Scheinst ja einen guten Draht zu ihr zu haben." Er wandte sich Glum zu. "Wir sollten Marlene, das ist doch Rurigs Frau, oder? Wir sollten ihr mal einen Besuch abstatten. Wo ist eigentlich unser Komm-Ex?"
"Feldwebel!" Kannichgut kam durch das Tor des Theatersaals herein gestürmt.
"Wie bestellt", bemerkte Glum und rollte mit den Augen.
"Feldwebel! Ich habe Neuigkeiten, die dich interessieren dürften. Es geht um Kharid! Und ich habe dir deine Uniformjacke mitgebracht."
"Ja, ja, später." Romulus winkte ab, nahm die Jacke aber dankbar entgegen. "Glum und ich statten Marlene Rurig einen späten Besuch ab. Informiere den Bereitschaftsdienst über unseren Einsatz und komm dann nach. Vielleicht müssen wir die eine oder andere dringende Nachricht verschicken, nachdem wir mit ihr gesprochen haben. Noch Fragen? Außer Kannichgut jemand? Nein? Gut!"

Mit Einbruch der Dunkelheit war Regen gekommen. Dumpfes Grollen folgte diffusem Leuchten, das hin und wieder als helle Schatten über den Himmel zuckte. Die Wohnung der Rurigs drängte sich an einen alten Wasserturm, der lange Zeit leer gestanden hatte und inzwischen als Restaurant oder ähnliches genutzt wurde. Romulus war sich da nicht sicher. Die verspielten Erker klammerten sich an die massigen Schultern des Turms und verliehen dem tonnenschweren Gebäude die Eleganz eines Bodenturners. Stufen ächzten unter ihren Schritten, als Glum und Romulus die schmale Treppe zur Wohnung hinaufstiegen. Bei jedem Tritt schienen sie einen Schwall muffiger Feuchte freizugeben. Farbe blätterte von den Wänden und das Geländer diente allenfalls noch als Orientierungshilfe. Romulus fürchtete, dass es zusammenstürzen könnte, wenn er es zu lange betrachtete. Neben der Tür im obersten Stock hing ein Namensschild, auf dem in bunten Lettern "Rurig" geschrieben stand. Die Buchstaben hielten sich wacker auf einem Hochseil, das vor einem stilisierten Zirkuszelt gespannt war. Das Schild wirkte mehr als deplatziert und war vermutlich nur deshalb noch nicht gestohlen worden, weil es in Ankh-Morpork wenig Rurigs gab. Vorsichtig klopfte er gegen die Tür, mehr um sie nicht zu zerstören und weniger um die Ruhe der Nachbarn zu schützen.
Nach einiger Zeit öffnete eine Frau mit dunklem Haar die Tür und blickte sie durch den entstandenen Spalt hindurch an. Die Haare hingen ihr wirr und tief ins Gesicht, das einmal schön gewesen sein musste. Ihre Augen lagen in dunklen Höhlen und die Wangen waren aschfahl. Graue Strähnen und tiefe Krähenfüße ließen sie älter erscheinen, als sie war. Er räusperte sich.
"Marlene Rurig? Wir sind von der Stadtwache und würden dir gern ein paar Fragen stellen."
Wortlos öffnete sie die Tür ganz und ließ sie hinein. Marlene trug einen mehrfach geflickten Hausmantel und stützte sich auf einen schlichten Stock.
"Kommt herein", sagte sie und führte sie ins Wohnzimmer, von dem alle übrigen Räume abgingen. Ihr Stock erzeugte zusammen mit den Schritten der drei Personen auf den knarrenden Dielen einen beruhigenden Rhythmus.
Die Wohnung war geschmackvoll eingerichtet und die konsequente Fortführung des deplatzierten Namensschildes. Dennoch wirkte sie wie der Versuch eines Malers, mit Buntstiften ein Ölgemälde zu zeichnen. Ein schmaler Wohnzimmertisch stand vor einem verblichenen Sofa auf einem dicken Teppich mit bunten Fransen und war offenbar hastig geräumt worden. Aus der fast geschlossenen Schublade einer Kommode lugten die Ecken eines Heftchens hervor. Marlene wies die Wächter zum Sofa.
"Wir bedauern deinen außerordentlichen Verlust", begann Romulus. Er strich ein paar Hundehaare von der Couch und setzte sich, während Glum neben ihm stehenblieb und das Zimmer studierte. Der stechende, aber schwache Geruch eines Hundes stieg ihm in die Nase und führte seinen Blick zu einem Hundekorb in einer Ecke des Raumes. Der Korb stand bereits mindestens eine Woche leer. Wo war der Hund? Er zwang seine Konzentration zurück auf das Verhör. "Was unsere Fragen betrifft ... Es besteht die Möglichkeit, dass der Tod deines Mannes kein Unfall war." Romulus ignorierte Glums missmutiges Brummen und fuhr fort: "Wer könnte ein Interesse am Tod deines Mannes haben?"
"Orlaf!", zischte Marlene wie aus der Armbrust geschossen. Ihre Augen blitzten und einen Moment lang wirkte sie wieder jünger. "Er hatte Schulden bei meinem Mann. Er hat ihn umgebracht, um sie loszuwerden." Sie klang, als hätte sie viel Zeit gehabt, darüber nachzudenken.
"Wir haben mit Orlaf gesprochen", sagte Romulus. "Er hat uns glaubhaft versichert, dass er die Schulden bald zurückzahlen wollte." Seine Nase flüsterte ihm etwas zu, doch zu leise um etwas zu verstehen. "Er hat somit kein richtiges Motiv. Kommt noch jemand anders in Frage?"
Marlene runzelte die Stirn. "Wie - wieso glaubt ihr ihm das?" Sie richtete ihren Blick auf die Wand, wo eine Kohlezeichnung einen Sonnenuntergang am Meer zeigte. "Ich wüsste nicht, wer sonst in Frage käme. Er hatte keine Feinde."
"Erzähl uns etwas von Barsi."
Marlenes funkelnder Blick ruckte zu Romulus hinüber. "Diese kleine ...!" Sie räusperte sich und schloss für einen Moment die Augen. Als sie sie wieder öffnete, hatte sie sich gesammelt. "Ich glaube ... Ich glaube, sie hatte ein Verhältnis mit meinem Mann."
"Klingt nicht gerade nach einem Motiv, Feldwebel."
Romulus nickte Glum zu. "In der Tat. Marlene, warst du heute Abend im Theater?" Er versuchte zu erraten, was in der Frau vorging, doch die strähnigen Haare verbargen das Meiste ihrer Gesichtszüge.
"Was, ich? Nein. Ich habe die Vorstellungen seit Jahren nicht mehr besucht." Sie blickte auf den Stock an ihrer Seite. "Seit meinem Unfall ..."
"Was ist passiert?" Glum ließ den Blick auf seine Notizen gerichtet. Wie viele Zwerge legte er in einem Gespräch wenig Wert auf das Nichtgesagte. Für ihn zählten vor Allem die Fakten.
"Das Hochseil", erklärte Marlene knapp. "Wir traten damals noch in einem Zirkuszelt am Rande der Stadt auf. Ich war nur einen Moment unkonzentriert. Zum Glück hat mir der Sturz nur den Knöchel zertrümmert. Leider konnten wir uns damals keinen Igor leisten." Sie verzog das Gesicht. "Manchmal sind die Schmerzen unerträglich."
Die Bitterkeit in ihrer Stimme machte es Romulus schwer, Mitgefühl zu empfinden.
"Hattest du in letzter Zeit einen weiteren Trauerfall?", fragte er daher in neutralem Tonfall und wies auf den leeren Korb.
"Ja", antwortete sie überrascht. "Tatsächlich habe ich auch kürzlich den Hund bei einem Unfall verloren."
Ihre Wortwahl irritierte Romulus und er sah zu Glum hinüber. Der war eifrig damit beschäftigt, seine inzwischen über etliche Seiten verteilten Notizen zu aktualisieren.
"Es wird Zeit für meine allabendlichen Pillen." Marlene erhob sich zitternd. "Wenn die Herrn mich entschuldigen würden ..." Sie stakste ins Nebenzimmer, wo Romulus das Bad vermutete, und schloss die Tür.
"Also, Glum", nutzte er ihre Abwesenheit, "was haben wir?"
"Wir haben sie noch nicht gefragt, wozu sie vom Hausmeister den Schlüssel wollte."
"Richtig. Das holen wir gleich nach. Und sonst?"
Glum blätterte in seinen Notizen. "Einen verschuldeten und beschuldigten Orlaf, der aber angibt, seine Schulden zurückzahlen zu wollen. Wir haben einen Toten mit einer Unfallversicherung. Wir haben ein Mädchen, das Marlene verdächtigt, weil sie sich das erste Mal seit Langem wieder bei der Truppe hat blicken lassen, was diese aber abstreitet. Besagtes Mädchen soll ein Verhältnis mit dem Toten gehabt haben, was ich, gelinde gesagt, für äußerst unwahrscheinlich halte."
"Hm", machte Romulus. Eine leichte Brise trug ihm ein Gemisch von Schweiß und Parfüm in die Nase. Eine Mischung, die er erst kürzlich irgendwo gerochen hatte. Wo?
"Ich habe mir gedacht", fuhr Glum fort, "dass wir wie folgt vorgehen. Zunächst müssen wir ..."
"Sie hat das falsche Bein belastet!" Mit geprellten Knöcheln kannte Romulus sich aus. "Ich glaub', sie will flüchten", rief er und hechtete zur Badezimmertür.
"Was? Wieso sollte sie ...?"
Der Feldwebel rüttelte an der verschlossenen Tür. Das Prasseln von Regen war durch die Tür hindurch zu hören. "Das Fenster im Bad steht offen", rief er und nahm Anlauf.

Romulus krallte sich mit einer Hand an der überschwappenden Regenrinne fest, die protestierend kreischte. Regen hämmerte ihm auf die Stirn. Das Badezimmer hatte sich als kürzer erwiesen als gedacht, weshalb der Schwung ihn direkt aus dem Fenster gegenüber der Tür hinaus befördert hatte. Drei schlitternde Sekunden später war er über den Rand des Daches gestürzt und nur mit Glück an der Rinne zum Halten gekommen. Er sah zur Straße hinab, die sich weiter unter ihm befand, als gesund für ihn war. Glum war am geöffneten Fenster erschienen und hatte ihm etwas zugerufen. Seine Gedanken rasten.
Ein paar Schritte weiter krachten Dachziegel auf die Straße und da endlich sah er sie. Katzengleich und gänzlich unverkrüppelt kletterte sie den Wasserturm hinauf, dem obersten Geschoss mit den meterhohen Fenstern entgegen und ihm fiel ein, dass der Turm nicht als Restaurant genutzt wurde, sondern als Klackertreff. Essen gab es da auch, aber der Sinn der Einrichtung bestand vorrangig in einer Art über die ganze Scheibenwelt verteilter Anschlagtafel. Man konnte Nachrichten schreiben, die quasi automatisch an andere Klackertreffs weitergeleitet wurden. Romulus fragte sich, ob es sinnvoll wäre, die Wachehäuser an dieses Netzwerk anzuschließen.
Unter sich sah er Kannichgut Zwiebel die Straße entlang eilen, den Uniform-Mantel hochgezogen, um sich vor dem prasselnden Regen zu schützen.
"Kannich", brüllte er hinunter. Irritiert sah sich der Kommunikationsexperte um und riss die Augen weit auf, als er nach oben blickte und den Feldwebel am Dach baumeln sah.
"Haben wir einen Code 3?", rief er durch den prasselnden Regen herauf.
"Einen was? Verdammt! Die Rurig ist dringend tatverdächtig und in dem Turm da. Verschaff dir Zugang! Du musst ihr den Weg abschneiden!" Unter der Last der Worte gab die eiserne Rinne nach und brach in zwei Teile. Der Teil, an dem sich Romulus festkrallte, bog sich senkrecht in die Tiefe. Der Feldwebel suchte reflexartig nach einem neuen Halt und fand ein paar Dachziegel, die das Unvermeidliche aber nur hinauszögerten. Einer seine Füße fand Halt am Mauerwerk und Romulus nutzte die Chance, um sich nach oben zu stoßen. Nachdem die ersten Ziegel zur Straße hinunter gesegelt waren, konnte er sich endlich an einer freigelegten Querstrebe der Dachverkleidung hochziehen und lag einen Moment lang keuchend auf dem Dach. Regen drang ihm unters Hemd und wusch den Schweiß fort. Ein Schwalbenpärchen kreischte über ihm auf und flatterte in die Nacht davon. Er blickte hinauf und sah, wie Marlene an einem der Fenster des Turmes herum hantierte.
Ein durchnässtes Abendkleid klatschte neben ihm aufs Dach. Es war auf wenig kunstvolle Weise mit einem Unterkleid und einem Pullover verknotet und endete in Glums Händen.
"Hier Feldwebel! Ich zieh dich hoch!"
Romulus griff nach dem improvisierten Seil und versuchte, auf den glitschigen Ziegeln Halt zu finden. Schnell überwand er die Entfernung und hielt sich am Fensterbrett fest.
"Marlene, ich meine Kassia, ist zum Turm hinüber geklettert. Ich werde ihr folgen. Kannichgut versucht, ihr den Weg abzuschneiden. Wäre gut, wenn du ihn dabei unterstützt."
"Kassia Rurig?", rief Glum überrascht und schien, als sein Kollege nickte, einen Moment zu überlegen, wie fruchtvoll eine Diskussion mit dem Feldwebel bezüglich der Verfolgungsjagd übers Dach sein würde. Er kam zu einem Ergebnis. "Wird gemacht, Feldwebel. Sei bloß vorsichtig! Die Ziegel sehen glitschiger aus als Piepenstengels Auberginen-Suppe!"
Ohne Rücksicht auf die Integrität des Daches hastete Romulus zum Giebel hinauf. Zweimal rutschte er ab und prellte sich die Schienbeine. Schließlich stand er am Turm und blickte hinauf. So elegant Marlene auch den Turm erklettert hatte, so schwer schien sie sich mit dem Fenster zu tun, das sie noch immer nicht geöffnet hatte. Das Mauerwerk sah leicht erkletterbar aus - bei Tag und trockenem Wetter. Er wünschte sich, er hätte die Einladung zur Abendveranstaltung nie angenommen. Kultur. Pah!
Vorsichtig machte er sich an den Aufstieg und wäre nur einmal beinahe abgestürzt, als eine Kiesellawine auf ihn herab prasselte, während Marlene sich am endlich offenen Fenster ins Turminnere schob. Kurze Zeit später hatte auch er das Fenster erreicht und spähte hindurch. Ein undurchschaubares Wirrwarr sich kreuzender Holzstreben und Seile nahm dem spärlich beleuchten Raum seine Tiefe. Die gegenüberliegende Wand war fast nicht zu erkennen. Hunderte Zahnräder verschiedener Größen drehten sich klackend, einem riesigen Uhrwerk gleich, und trieben Winden und Stangen an. Ihr Lärm lieferte sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit dem trommelnden Regen. Romulus zog sich keuchend in den Raum. Eine zierliche Gestalt trat aus dem Schatten und baute sich in einiger Entfernung vor ihm auf.
"Kassia", murmelte Romulus. "Wieso hast du dich als deine Mutter ausgegeben?"
"Wie schade", sagte die Frau, ohne auf Romulus einzugehen. "Ich hatte gehofft, die kleine Scharade ohne weiteres Blutvergießen hinter mich zu bringen. Wie hast du mich erkannt?"
"Dein Parfüm hat dich verraten."
Kassias Augen weiteten sich belustigt. "Ich hatte es mir schon gedacht, ein Werwolf! Du bist doch von Grauhaar, nicht wahr? Von dir war letztens ein Foto in der Zeitung. Wie praktisch!"
Praktisch? Wovon redete sie da? Romulus richtete sich langsam auf, ohne die Frau aus den Augen zu lassen. "Dein Fluchtversuch wirft kein gutes Licht auf dich. Bis jetzt hatten wir nichts gegen dich in der Hand. Also kommst du am besten mit mir, dann können wir alles besprechen. Ich bin mir sicher, es wird sich alles aufklären."
"Fluchtversuch?" Die Frau lächelte kalt. "Meine Flucht ist doch noch gar nicht beendet."
"Willst du hinaus in den Regen fliehen? Der Weg nach unten ist dir versperrt. Meine Kollegen sind bereits vor Ort. In wenigen Minuten ist das ganze Gebäude umstellt." Romulus war kein Meister im Zwiebeln, doch er hoffte, dass sie auf seinen Bluff zumindest so lange einging, bis tatsächlich Verstärkung angerückt war. Aus dem Augenwinkel sah er einen Kopf an der Treppe ins untere Stockwerk auftauchen. Kannichgut? Der Kopf verschwand wieder.
"Kann sein", säuselte die Frau. "Aber so lange brauch' ich gar nicht ..." Sie holt eine Pfeife aus einer kleinen Tasche an ihrem Gürtel und setzte sie an die Lippen. Als sie hineinblies, explodierten Romulus' Gedanken.

Seine Welt bestand allein aus Schmerz. Romulus hätte nie gedacht, dass Schmerzen farbig sein konnten. Plötzlich ebbten sie ab. Zurück blieb nur ein hämmerndes Klingeln in seinen Ohren. Sein Sichtfeld dehnte sich wieder auf das übliche Niveau aus und er sah eine Frau vor ihm auf dem Boden liegen. Jemand drehte ihn auf den Rücken und er sah das Gesicht eines Kollegen über ihm aufragen. Seine Lippen bewegten sich, doch Romulus hörte nur das Klingeln.
"Kannich ...", murmelte Romulus, bevor Schwärze ihn umfing.

Romulus schwieg eine Weile, nachdem er Fred Kolumbini alles erzählt hatte, was es über seinen jüngsten Fall zu sagen gab.
"Glückwunsch!" Kolumbini zog an seiner Pfeife. "Du hast den Fall in Rekordzeit gelöst. Würde mich nicht wundern, wenn da eine Beförderung bei rausspringen würde. Zeit wär's ja!"
Romulus winkte ab. "Ich war nur zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Und ich hatte den richtigen Riecher. Der Rest hat sich dann von selbst ergeben."
"Naja, dafür wurden dir deine Ohren beinahe richtig zum Verhängnis! Hätte Kannichgut nicht ... gute Güte, was hat er eigentlich gemacht? Die Frau mit dem Klacker ... niedergeschlagen?" Kolumbini hob ratlos die Schultern. "Er meinte übrigens, er hätte mehrmals versucht, dich darauf hinzuweisen, dass Kharid ein Werwolf war."
"Ich weiß nicht, ob mir das in der Situation geholfen hätte. Aber mich wundert nicht, dass Rurig seinen Einsatz am Trapez verpasst hat. Diese Hundepfeifen sind wirklich niederhöllisch!"
Kolumbini nickte mitfühlend. "Warum hat die Kleine sich als ihre Mutter ausgegeben?"
"Mit dem Verdacht auf ihrer flüchtigen Mutter hätte sie die Versicherungssumme eingelöst und sich längst ins Ausland abgesetzt, bevor ihr jemand auf die Schliche gekommen wäre."
"Verstehe. Bedauerlich jedenfalls", sagte Kolumbini, "dass es kein Unfall war. So hätte wenigstens die Witwe das Geld ausgezahlt bekommen."
"Och ..." Romulus nippte an einer Dose Superbulle.
Kolumbini musterte seinen langjährigen Freund argwöhnisch. "Will ich es wissen?"
Romulus hob abwehrend die Hände. "Marlene fiel aus allen Wolken, als sie zwei Wochen später von ihrer Kur aus Gennua zurückkehrte. Sie hat ihre Aussage gemacht und wir den Fall abgeschlossen. Kassia kam vor Gericht und wurde verurteilt. Was kann ich dafür, wenn das Versicherungsunternehmen drängelt und daher mit dem vorläufigen Bericht Vorlieb nimmt, in dem noch von einem Unfall auszugehen war? Sie soll umgehend nach Klatsch gezogen sein, wegen dem Klima. Ich glaube nicht, dass sie das Geld zurückzahlen wird."
"Ein einfacher Verfahrensfehler, würde ich sagen." Kolumbini blies zufriedene Rauchkringel unter die Decke. "So etwas passiert."
Romulus grinste zustimmend, lehnte sich dann aber nachdenklich in seinem Sessel zurück. Der Fall hätte auch leicht anders ausgehen können. Er hatte verdammt viel Glück gehabt! Er sah zum Fenster hinaus auf den sonnenbeschienenen Pseudopolisplatz, wo wieder einmal Karren die Zufahrtstraßen verstopften. Das war also Zirkus der neuen Art gewesen! Auf eine Zugabe konnte er gerne verzichten.
Zählt als Patch-Mission für den Komm-Ex-Patch.



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Feedback:

Von Braggasch Goldwart

17.1.2012

Spannend und angenehm lesbar, sehr schöner Witz. Braggasch ist hervorragend charakterisiert. Da ich dem armen Romulus beim leidenden Warten zusehen musste, hab ichs allerdings eine Note runtergesetzt, als beabsichtigt. :D Nichts desto trotz ein Stück brillianter Arbeit!

Von Breda Krulock

26.1.2012

ganz ok ^^

Von Glum Steinstiefel

18.1.2012

Ich bin mir nicht sicher, wie mein Feedback aussehen soll, da ich die Geschichte bereits vorher zum Teil kannte und bereits gespannt auf die Auflösung war. Inhaltlich finde ich alles sehr rund umgesetzt, auch wenn mir die Flucht Kassias etwas planlos erscheint.
Was deinen Schreibstil angeht - herrlich! Ein paar Lieblinge habe ich unter deinen Sätzen ausgemacht und alles lässt sich sehr flüssig und interessant lesen. Besonders die milde Dramatik, als Romulus an der Regenrinne baumelte, gefiel mir ganz wunderhübsch!
Ich sprach vorhin von dem Teil bis zu dem ich dereinst lesen durfte - und es geht mir um den Teil danach. Bezüglich Glum schwächte sein energisches Wesen nämlich ziemlich ab. Er hätte sich niemals überlegt ob eine Diskussion keinen Sinn macht oder nicht, aufgrund einer - nennen wir es so - höheren Autorität. Er hätte eine Diskussion nur aus Zeitgründen fallen lassen. Dass er sich von Romulus mehrfach einschüchtern lässt, passt leider vorne und hinten nicht zu ihm. Glum hat ja sogar vor dem Kommandeur eine große Klappe. Aber das habe ich nicht in die Bewertung einfließen lassen. Wollte es nur noch mal sagen ; )

Ich hoffe sehr mehr von dir zu lesen!
Dein detailliertes Schreiben, ohne dass die Information zu viel würde ist toll! Doch, das Lesen macht Spaß!
Der Fall an sich war spannend aufgebaut und machte auch Lust auf mehr, daher war inhaltlich die einzige Ernüchterung in meinen Augen die plötzliche Flucht, gefolgt von einem schnellen Ende.
Insgesamt als Note: gut!

Von Nyvania

18.1.2012

Eine solide Single. Anfangs hatte ich einige Probleme in das Geschehen zu finden, aber am Ende hat sie mir richtig gut gefallen. Die Anspielung auf das Klalckernetzwerk ließ mich natürlich schmunzeln und ich muss sagen, dass mir das Ende gut gefallen hat. =)

LG,

Nyv

Von Ophelia Ziegenberger

26.1.2012

Sehr schöne Wichtelgeschichte, die Romulus' Charakter auf jeden Fall gerecht wurde. Trotz des sich letztlich als sehr dienstlich herausstellenden Einsatzes, hast Du eine eher private Einsicht in ihn ermöglicht. Die Geschichte war spannend und gleichzeitig atmosphärisch dicht gewebt, nicht nur in den Action-Szenen sondern auch schon zuvor. Das Zusammenspiel der verschiedenen Wächter war hervorragend getroffen! Kannichs Part daran fand ich amüsant, denn er hat die Möglichkeiten seiner Spezialisierung ja in verschiedener Weise ausgereizt. ^^

Von Romulus von Grauhaar

18.1.2012

Die Geschichte und der gesamte Fall hat mir sehr gut gefallen, ich habe lediglich zwei Kritikpunkte: 1. Stellenweise wirkt es ein Bisschen zu rundweltlich (z.B. Foto in der Zeitung), das hat aber kaum gestört, 2. Die Todesursache passt nicht so ganz: Ein (Scheibenwelt-)Werwolf stirbt nicht einfach so durch einen simplen Sturz...

War auf jeden Fall sehr kurzweilig zu lesen, die Darstellung von Romulus passte auch gut, und gerade die abteilungsübergreifende Arbeit zusammen mit einigen Charakteren, die bisher in meinen Singles wenig bis gar nicht vorkamen, hat mir sehr gut gefallen.

Vielen Dank für eine tolle Wichtelsingle :)

Von Sebulon, Sohn des Samax

16.1.2012

Sehr unterhaltsame Geschichte. Vielen Dank! Da verzeihe ich dir gern die wenigen Syntax-Holpereien. Dass Romulus den Hauptfokus hatte, verwunderte mich nur kurz; die Geschichte überzeugte aber durch die Liebe zu den Details - insbesondere bei gedanklichen Abschweifungen des Werwolfs.

Von Kannichgut Zwiebel

29.01.2012 13:00

Vielen Dank für das viele Feedback! Das ein oder andere werde ich damit beim nächsten auf jeden Fall besser machen können. 8)

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