Bisher haben 11 bewertet.Du hast schon bewertet!
...still und starr liegt der Tote,
schweinnachtlich glänzet die Stadt,
freue dich Schneevater kommt bald.
Dafür vergebene Note: 9
Erster Schnee war gefallen, sanft hatte er die schmutzigen Straßen überpudert und die Stadt in ein freundlicheres Kleid gehüllt - etwa für fünf Minuten, danach hatte er sich in kalten braunen Matsch verwandelt. Dabei war es nicht besonders kalt, jedenfalls nicht zu kalt für geschäftiges Treiben auf dem Hier-gibts-alles Platz. Der alljährliche Schneevatermarkt auf dem Platz wimmelte vor Leuten und der Geruch von Glühwein und gebrannten Mandeln lag in der vom Schneefall gereinigten Luft. Der Markt war, wie auch schon in den vergangenen Jahren so platziert, dass er sich an zwei Seiten an die Gebäude der Unsichtbaren Universität schmiegte und auf den beiden anderen Seiten Platz für den Durchgangsverkehr ließ. Der Wochenmarkt, der sonst hier stattfand, war für den Dezember teilweise auf den Kahn ausgelagert worden. Allerdings hatten einige der Händler ihren Stand einfach etwas umdekoriert und waren einfach vor Ort geblieben. So gab es nun wenig schweinnachtlichen Käse unterm Mistelzweig. Am Fleischstand war die einzige Änderung zum Normalzustand, dass das Holzschwein an der Angebotstafel eine Schneevatermütze trug. Der Lederwarenhändler hatte sich die Mühe gemacht eine Tannengirlande über seine Auslage zu hängen. Es gab aber auch viele Stände die so auf dem normalen Markt nicht zu finden waren. Von einer grob gezimmerten Bude ging ein chemisch-mineralischer Geruch aus, ein Warnschild wies darauf hin, dass der Genuss von Trollglühwein und Trollknabbereien für organische Lebensformen nicht ratsam sei. Vorsorglich hatte man rund um diese Bude etwas mehr Platz gelassen, damit mehrere Trolle hier anstehen konnten. Die Bude des zwergischen Kunstschmiedes am anderen Ende des Marktes hatte ebenfalls mehr Raum bekommen, denn das Schmiedefeuer zog immer viele Leute an. Direkt daneben befand sich die Bühne auf der mit freundlicher Genehmigung der Musikergilde musiziert wurde, gelegentlich wurde auch mal was von einem Gildennarren gegaukelt. Ein Glasbläser blies nach Kundenwunsch speziellen Tannenbaumschmuck und an einem Stand mit Schnitzereien aus Lancre wurden Lichterbögen, Sterne, Engel, Nussknacker und sich drehende Pyramiden mit den verschiedensten Szenarien verkauft. An diesem Stand war die Überwaldpyramiede der Verkaufsschlager, dreistöckig, unten eine Schäferszene, in der Mitte Pärchen das von einem Werwolf angegriffen wurde, ganz oben kreisende Fledermäuse.
Fähnrich Dubiata hatte dem Kommandeur verständlich gemacht, dass SEALS keinerlei freie Kapazitäten für eine veränderte Streifenroute, die den Hier-Gibts-Alles Platz einschlösse, habe. Daher hatte sich der Kommandeur an GRUND gewanndt und hier dann keinen Zweifel mehr daran gelassen, dass diese Streife stattfinden werde, unabhängig von freien Kapazitäten. Deswegen gingen jetzt Rekruten in Zweiergruppen Streife über den Schweinnachtsmarkt. Dabei folgten sie in etwa der gleichen Route wie Schnapper, nur mit viel Abstand um ihn nicht Versuchung zu bringen ihnen etwas - sein diesjähriges Angebot umfasste eine wärmende Salbe, Haarreifen mit Geweih, Schneevatermützen und kandierte Würstchen - zu verkaufen. Der Gedanke, dass die Route absichtlich an allen Süßigkeitenständen und auch allen anderen kulinarischen Möglichkeiten vorbeiführte war natürlich absurd, schließlich waren Wächter im Dienst nicht an Pröbchen interessiert, auch wenn sie sie gerne annahmen.
Die Damen der omnianischen Gemeinde waren sich relativ einig, dass der Stand einfach an der falschen Stelle war. Von der Bühne hatte ihnen vorher keiner was gesagt und die Unruhe, die durch den Glühweinstand gegenüber entstand hatten sie nicht bedacht. Zwar waren die anderen Nachbarn ganz angenehm, aber der Lärm war kaum auszuhalten und wenn die Leute grade einen Glühwein mit oder ohne Schuss getrunken hatten interessierten sie sich nicht mehr für einen Kaffee, auch nicht für einen mit Schuss. Außerdem hatte dieser Glühweinhändler schon ohne Schuss deutlich zu viel Alkohol in seinem Gebräu und er war ein unangenehmer Mensch. Er machte zwischen den einzelnen Musikdarbietungen lauthals Werbung für seinen heißen Würzwein, der angeblich der beste der Stadt war. Genervt schlossen die Omnianerinnen gegen 22 Uhr ihren Stand und zählten die Tageseinnahmen, sie machten nicht den Umsatz den sie erwartet hatten und auch mit den ernsthaften Glaubensgesprächen hielt es sich sehr in Grenzen. Gegenüber war noch immer Betrieb, der unmögliche Kerl bediente auch die nächtliche Kneipengänger-Kundschaft, grade so als bräuchte er gar keinen Schlaf. Vielleicht würde er ja irgendwann aus Übermüdung aufgeben. Jedenfalls machte er sich auf diesem Wege keine Freunde auf dem Markt.
Am nächsten Morgen schneite es sanft und es war beinahe windstill. Noch in den dunklen Morgenstunden öffneten die ersten Buden und auch die Omnianerinnen gehörten zu diesen frühen Öffnern. An diesem Morgen waren es zwei der älteren Damen - Gertie Schuster und Magitt Wechter - die den Dienst übernommen hatten. Ihnen fiel als erstes auf, dass der Glühweinstand gegenüber nicht, wie sonst morgens, fest verschlossen war. Als nächstes bemerkten sie einen dunklen Fleck an der Tür zum Stand. Gertie gehörte zu der Sorte alter Frauen, die sich nicht um die Belange anderer kümmerten, die nicht besonders neugierig waren und auch sonst ihre Nase weitestgehend aus allem raushielten, daher ging sie einfach in den Gemeindestand und begann mit den Vorbereitungen. Magitt hingehen war als Hexe schon von berufswegen neugierig und kümmerte sich um alles, auch wenn es sie nichts anging. Sie nahm sich eine Laterne vom eigenen Stand und ging näher an den Glühweinstand heran. Bei näherem Hinsehen entpuppte sich der dunkle Fleck als eine dunkelrote gefrorene Flüssigkeit, dunkler als ein Rotweinfleck im Schnee sein könnte. Die dunkelrote Flüssigkeit kam aus dem Innern der Bude und war anscheinend unter der Tür durchgeflossen. Vorsichtig stieß sie die einen Spalt offenstehende Tür an, sie öffnete sich ein kleines Stück weiter - etwa soweit, dass man sich hätte hinein- oder herauszwängen können - und wurde dann von einem Gegenstand dahinter blockiert. Die Hexe bemühte sich nicht auf die Flüssigkeit zu treten und spähte vorsichtig in den, von der Laterne in ihrer Hand spärlich beleuchteten, kleinen Raum. Bei dem Gegenstand handelte es sich um den eindeutig toten Körper des unmöglichen Glühweinhändlers. Er hatte offensichtliche nicht mit dem Leben zu vereinbarende Verletzungen, die auch keinen Zweifel an der Herkunft der dunkelroten Flüssigkeit ließen. Selbst die beste Hexe hätte für diesen Mann nichts mehr tun können. Sie zog die Tür mit einer ihrer freien aber behandschuhten Hand wieder zu und begann dann nach den sicherlich schon anwesenden Rekruten zu suchen.
An diesem Morgen hatten die Rekruten Lasse Zain und Rochus Wildgrube die erste Schicht der sogenannten Schweinnachtsspezialstreife, dieser Umstand hatte den großen Nachteil, dass sie sich später wieder im Wachhaus an der Kröselstaße melden und an den Nachmittagslektionen teilnehmen mussten. Das bedeutete es konnte für sie auch keinen kleinen Glühwein geben, aber frische idealistische Rekruten kamen wahrscheinlich sowieso nicht auf den Gedanken Alkohol im Dienst zu sich zu nehmen. Morgens war es extrem ruhig auf dem Markt. Er ähnelte um diese Zeit dem normalen Wochenmarkt, nur das einige der Buden geschlossen waren. Es waren noch kaum Besucher da, nur einige wenige ältere Damen, die sich von diesem neumodischem Kram doch nicht vom einkaufen abhalten lassen würden. Während so langsam und begleitet von dem Gezeter zweier Freundinnen von Frau Willichnicht das Morgenlicht auf den Hier-Gibts-Alles Platz tröpfelte zogen die beiden ungleichen Rekruten ihre Runden. Bis sie von einer Frau gestoppt wurden, die zielstrebig auf sie zukam. Die Frau berichtete den beiden Wächtern von einem Toten den sie gefunden hatte und führte sie dann zu der fraglichen Bude. Nachdem sich die beiden vorort von dem Wahrheitsgehalt dieser Aussage überzeugt hatten, machte sich Rochus auf den Weg zu Wachhaus am Pseudopolis Platz und Lasse bewachte derweil den Tatort. Ein Außenstehender hätte sich vielleicht gewundert, dass der schmächtige Junge zum Wache stehen da blieb während der schwerfällig wirkende Riese den Botengang übernahm, aber die beiden arbeiteten ja schon ein paar Tage zusammen, so wusste Rochus von Lasses Orientierungsproblemen und Lasse von Rochus Leichtgläubigkeit.
Rochus hielt sich im Wachhaus nicht lange mit dem Tresen auf sondern begab sich sofort in den Keller. Seit die Ausbilder die Idee mit den Tutoren gehabt hatten war er öfter hier unten gewesen, um mit seiner Tutorin zu reden. Er hatte dabei allerdings soweit es ihm möglich war darauf geachtet nicht in die Pathologie hineinzusehen und den längeren Weg zum Büro zu benutzen. Heute konnte er darauf keine Rücksicht nehmen, der riesenhafte Rekrut duckte sich unter dem Türrahmen zum Obduktionsraum durch und war erleichtert, dass hier keiner der Tische belegt war. Er ging weiter bis zur Bürotür, klopfte, trat dann ein und begann sofort mit der Zusammenfassung der Geschehnisse. Magane sah von den Papieren auf mit denen sie sich grade beschäftigt hatte und schob dann eine andere Akte darüber, schließlich hatte sich der Kommandeur Geheimhaltung erbeten. Sie hörte ihrem Schützling aufmerksam zu und schickte währenddessen Rohrpostnachrichten an die diensthabenden Tatortwächter eine Einsatzmeldung an Laiza und eine Meldung an RUM. Danach schrieb sie noch eine Notiz für Avalania, mit deren Auftauchen sie während ihrer Abwesenheit rechnete. Als Rochus geendet hatte übergab sie die Rohrpostkapseln den vielfach verfluchten Dämonen und machte sich mit dem Rekruten auf zum Stall um dort die Tatortwächter und vielleicht sogar den diensthabenden Ermittler zu treffen.
Tatsächlich hatten sich nicht nur Hauptfeldwebel Sillybos und Wächterin Tussnelda von Grantick sondern auch Oberfeldwebel Romulus von Grauhaar am SuSi-Karren eingefunden und während Magane die Bestechungsmöhre für Frederike aus dem Futterschrank holte ließen sich die anderen von Rochus ins Bild setzen.
Der Markt war inzwischen deutlich belebter und der nicht öffnende Glühweinstand zog langsam Schaulustige an. Romulus begann sofort sich diskret bei den umstehenden Standbetreibern umzuhören, Silly und Tussi - also vorallem Tussi - sicherten was es zu sichern gab, die Rekruten setzten ihre Streife fort und Magane holte sich einen Kaffee bei ihrer Großmutter, da sie ja sowieso noch keinen Zugang zu der Leiche hatte. Die beiden Tatortwächter stellten neben mehreren gefrorenen Blutproben auch eine zerbrochene Weinflasche mit Fingerspuren und einige Fußabdrücke und eine aufgebrochene leere Kasse sicher. Danach riefen sie nach der Pathologin und sie machte sich an die Arbeit. Sie stellte fest, dass das Opfer bereits seit mehreren Stunden tot war und dass der Tod vermutlich eingetreten war, weil jemand ihm eine abgebrochene Weinflasche in den Hals gerammt hatte, was zu extremem Blutverlust geführt hatte. Später im Wachhaus würden die Fingerspuren mit der Kartei verglichen werden und vielleicht würde sich dort ja eine Übereinstimmung finden. Hier ließ sich so leider nicht mehr feststellen, deswegen packten die vier erfahrenen Wächter den Toten und die Indizien auf den Karren und machten sich auf den Weg zurück.
Schon am Nachmittag war von der Blutlache vor der Bude nichts mehr zu sehen, es hatte darauf geschneit. Einer der anderen Glühweinhändler hatte - nach Rücksprache mit der Wache - einen Helfer her geschickt und den Stand übernommen. Der Täter, ein stadtbekannter Säufer und Kneipenschläger, war schnell über die Fingerspuren überführt worden und hatte nach wenigen Minuten professioneller Vernehmung auch gestanden. Er hatte als Abschluss seiner Kneipentour noch einen letzten Glühwein trinken wollen, dann aber nicht zahlen können und irgendwie hatten dann der Alkohol und eine leere Flasche hinterm Tresen zu einer Kurzschlusshandlung geführt. Den Kasseninhalt hatte er nur aus einem Reflex heraus mitgenommen, schließlich hatte der Glühweinhändler das Geld ja nicht mehr gebraucht.
Für die Inhalte dieses Textes ist/sind alleine der/die Autor/en verantwortlich. Webmaster
und Co-Webmaster behalten sich das Recht vor, inhaltlich fragwürdige Texte ersatzlos von der Homepage zu entfernen.