Die Rückkehr des Herrn Jedermann

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von Wächterin Tussnelda von Grantick
Online seit 15. 10. 2011
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 Außerdem kommen vor: KanndraAyure NamidaOphelia ZiegenbergerRomulus von GrauhaarCim BürstenkinnNyvaniaValdimier van Varwald

Ein Stück in drei Teilen, ein Rückblick auf 4 Jahre.

Dafür vergebene Note: 12

Des Stückes erster Teil: Himbeermarmelade

Ankh-Morpork, im Ekel 2006 (dieser Teil spielt noch vor Tussis Wechsel zu FROG)

Es war ein ekliger Abend im ungemütlichen Monat Ick. Eiseskälte kroch durch alle Ritzen der unscheinbaren Kaschemme, irgendwo in Ankh-Morpork. Kein bedeutendes Ereignis hatte hier jemals statt gefunden, kein wichtiger Mann hatte sich über den grob gezimmerten Tischen in sein Bier gestürzt, kein Skandal war durch die verrußte Feuerstelle gegangen. Hier gab es nur sauren Biergeruch, zu hell aufgedrehte Petroleum-Leuchten und meist leere Stühle. Tussnelda von Grantick und Kathiopeja besetzten zumindest zwei. Beiden war es heute wie so oft nicht nach dem Eimer gewesen, jede hatte Gründe gefunden, keinen Kollegen sehen zu wollen. Dieser Laden hatte einen Vorteil - Tussnelda hatte noch Gratis-Coupons aus einer Werbeaktion, die heute auslief. So saßen die beiden also hier, nippten schweigend an ihren Getränken, hingen trüben Gedanken nach. Es ging um Kaffee und Verrückte, die typischen Geiseln eines Wächterlebens.
Tussnelda versuchte ihren letzten Einsatz [1], das Erlebte püschologisch korrekt aufzuarbeiten. Sie machte Traumanalysen, Assoziationstrainings und Schuldentleerungsübungen. Sie heulte massig, meist an einem verregneten Fenster. Im Alltag war der Gefreiten kaum anzusehen, welche Trauer in ihrem Inneren tobte und blut geifernd nach Freiheit brüllte. Nur blass war sie geworden und schmaler, so dass die hohen Wangenknochen deutlich hervor traten und ihrem Ausdruck eine Schärfe verliehen, die unnahbar wirkte. Aber es stand ihr, der Kontrast zu Haar und Augen wirkte interessant und wurde durch die gerade geschnittene, schwarze Jacke betont, die sie neuerdings trug. Das einzige Zugeständnis an die eigene Verzweiflung. Sie berührte die Jacke an der Stelle, wo sie an ihrer Uniform braune Flecken wusste. Eingetrocknetes Blut. Wegen dieser Sprenkel trug sie die Uniform-Jacke nicht. Sie brachte sie es nicht fertig, sie zu reinigen, sie ertrug den Gedanken nicht, wie das getrocknete Blut klares Wasser in eine rosa Brühe verwandelte. Sie ertrug den Gedanken nicht, ihre Hände wieder und wieder in dieses Rosa zu tauchen, sein Blut zu verwaschen und hinter her aus dem Fenster zu gießen.
Tussneldas zwinkerte, irgendwie musste sie sich ablenken. Rasch konzentrierte sie sich auf einen gut frisierten Mann, der einen Bierkrug in seinen schlüpfrigen, dicklichen Fingern hielt. Sie glaubte fast, dass ihr Sehvermögen austickte als sie merkte, dass seine Hände blutig waren.
"Vielleicht ist es auch Himbeermarmelade", überlegte sie abwesend und nippte an ihrer Milch.
"Hm?", Kathiopeja schaute zu ihrer Kollegin auf.
"Ach, der Typ da. Seine Hände... sehen blutig aus. Ist aber bestimmt nur Himbeermarmelade."
Kathiopejas Augen leuchteten auf. Die Ermittlerin war heiß, heiß auf einen Fall, auf Ablenkung, vielleicht auch auf Himbeermarmelade.
"Wir fragen ihn einfach!"
Schultern zuckend folgte Tussnelda der Gefreiten, die sich sofort zur Linken des fetten Mannes gesetzt hatte.
"Guten Tag", sagte Kathiopeja freundlichst und deutete auf seine Hände, "ist das vielleicht Blut?"
"Oder ist das vielleicht Himbeermarmelade?", ergänzte Tussnelda.
"Das ist Blut", erklärte der Dicke wie selbstverständlich und dann: "Von meiner Frau. Sie wurde erstochen."
"Ach", machte Tussnelda.
"Soso", meinte Kathiopeja, "und da sind sie erst mal schön ein Bierchen trinken gegangen?"
"Ganz genau. Ich hatte noch einen Gutschein", strahlte der Frisierte.
Tussnelda packte einen Notizblock aus, das Gedächtnis eines jeden Wächters. "Wie heißen sie denn?"
"Fritz. Fritz Sapperlot", gurgelte Fritz.
"Fritz. Schreibt man Sapperlot mit zwei P?"
Fritz nickte.
"Gut. Danke." Tussnelda kritzelte noch ein wenig auf dem Block. Das machte immer Eindruck.
"Und sie sind?", wollte Herr Sapperlot wissen, als er endlich seinen Krug abgestellt hatte.
"Ach so. Ja. Wir sind die Polizei", antwortete Tussnelda.
"Und sie sind: Festgenommen", grinste Kathiopeja.

***


Tussnelda sehnte sich nach einer ungesunden Angewohnheit um die erfolgreich abgeschlossene Ermittlung zu feiern. Es musste herrlich sein, mit selbstzerstörerischer Zufriedenheit an einer Zigarette zu paffen oder ein übervolles Bierglas runter zu ziehen. Aber das würde ihr immer verwehrt bleiben. Die verfluchte Erziehung konnte einem wirklich jeden Spaß verderben. Andererseits war sie dankbar. Hätte sie nach Frederick mit dem Saufen angefangen, hätte sie keinen Rückweg mehr gefunden.
"Wer einmal die Linie überschreitet, gibt sich verloren", hatte ihr Vater einmal gesagt. Wie ein Dogma wiederholte sie den Satz still für sich, während sie äußerlich gelangweilt die letzte Unterschrift unter das Vernehmungsprotokoll von Fritz Sapperlot setzte.
"Sollte immer so einfach sein", brummte sie und schmiss den Federhalter in die Schreibtischecke.
"Na klar", Kathiopeja kicherte in sich hinein, während sie aus ihrer Tasse den letzten Rest Kaffee saugte.
"Bäh! Das Geräusch ist widerlich!"
"Stell dich nicht an", die Ermittlerin knallte ihren Becher auf den Tisch, "erzähl mir lieber, warum du den Mann immer noch sitzen lässt. Der ist doch viel zu blöde, um seine Frau umzubringen."
"Paperlapp! Für einen Mord ist niemand zu blöd. Auch Sapperlot nicht", entgegnete Tussnelda.
"Machst du es dir nicht ein bisschen einfach? Das ist sonst nicht deine Art", Kathis Stimme enthielt die leise Prise Vorwurf, die Tussnelda gerade überhaupt nicht brauchen könnte.
"Hör mal Kathi, was hältst du davon: Du machst deinen Job und ich mach meinen. Der Kerl hat es gemacht. Seine Frau hat ihn drangsaliert, sie hat ihn geschlagen, sie hat ihn zu etwas gemacht, dass man nicht mehr Mann nennen kann. Er musste sich wieder zum Mann machen, der ganz klassische Beziehungsmörder: Töten, um sich zu befreien. Was denkst du wie oft mir solche Leute sagten, sie seien es nicht gewesen?! Die glauben sogar selbst dran! Die Tat selbst ist völlig losgelöst von der persönlichen Wahrnehmung, weil das Schreckliche, das nicht sein kann auch nicht sein darf. So was nennt man Schutzmechanismus, Kathi. Klaro?"
"Klaro. Schutzmechanismus. Kenn ich, Gefreite", Kathi grinste unverschämt.
Die Püschologin presste den Kiefer fest zusammen. Minutenlang herrschte eisiges Schweigen, bis schließlich Kathiopeja nachgab.
"Schon gut, Tussi. Du hast ja recht... jeder hat gesagt, dass er es war."
Immer noch beleidigt nickte die Gefreite.
"Eben. Man hat ihn zur Tatzeit das Haus betreten sehen. U-hund SUSI hat ganz klar nur seine Fingerabdrücke auf der Tatwaffe gefunden."
"Mich hast du überzeugt", Kathi grinste jetzt ganz ungeniert.
Es klopfte, Kanndra betrat den Raum.
Die Gefreite von Grantick sprang auf und salutierte mit Hingabe, Kathi grinste noch einen Moment und tat es dann ihrer Kollegin nach.
"Von Grantick? Du hast doch den Sapperlot vernommen, oder?"
"Ja, Mäm!"
"Dann lauf mal ganz schnell runter zu den SEALS. Cim will was von dir", die Schäffin zögerte kurz, deutete einen Salut an und war wieder aus der Tür.
Tussnelda rutschte das Herz in die Hose.
"Was will der denn von mir?", überlegte sie leise, griff rasch nach der Akte "Sapperlot" und straffte sich, für alles, was nun käme.

***


Tussnelda klopfte verhalten an der Tür des SEALS-Abteilungsleiters. Auf ein kurzes "Herein", versuchte sie die Türe aufzuschieben, jedoch mehr als einen Spaltbreit ließ sich das unwillige Ding nicht bewegen. Ein Karton blockierte jedes Vorwärts-Kommen.
"Moment", brummte Cim Bürstenkinn und erhob sich von seinem Stuhl, hievte die Kiste beiseite und ließ von Grantick eintreten.
"Das ging ja schnell. Gut", meinte er.
Die Püschologin salutierte und musterte fragend den Oberfeldwebel. Bisher hatte sie kaum mit ihm zu tun gehabt, was nicht hieß, dass sie sein fehlendes Haupthaar nicht aus der Ferne bewundert hatte. Die auffälligen Tätowierungen, die den ganzen Kopf überwucherten, kamen ihr bedrohlich vor. Immerhin pflegten für gewöhnlich nur Kriminelle eine solche Art des Körperschmucks zu haben.
"Sie wünschen, Sör?", fragte sie dann hastig, als sie bemerkte, dass sie ihn anstarrte.
"Eine Haushaltshilfe", mit einer umfassenden Geste deutete er auf die Kisten, die überall im Büro herumstanden, auf unaufgeräumte Akten und Erinnerungsstücke.
"Hä?", machte Tussnelda. Bei allem Respekt, aber sie war doch keine Rekrutin mehr...
"Vergiss es. Kanndra hat doch gesagt, um was es geht?", sein Blick fiel auf die Akte, die unter Tussneldas linkem Arm klemmte, "Hat sie. Gib mal her, Gefreite."
Rasch kam die Püschologin seiner Aufforderung nach und beobachtete, wie er schneller als lesen möglich war, durch die Akte blätterte.
"Wie dringend ist der Tatverdacht?", fragte er und warf mit einer sparsamen Bewegung die Akte auf seinen Schreibtisch, um dann dahinter Platz zu nehmen.
Sie versteifte sich. Wollte jetzt auch der Oberfeldwebel ihre Arbeit in Frage stellen? Sie war immer der Meinung gewesen, man wüsste sie hier zu schätzen. Ungehalten verlagerte sie ihr Gewicht auf den anderen Fuß.
"Dringend", erwiderte sie steif und verschränkte die Arme vor der Brust.
"Lies das mal", er wedelte mit einem Zettel.

Verehrte Stadtwache,
das ihr in Vielem ungerecht seid, ist für uns Bürger nichts Neues. Das ihr jedoch eurer Ungerechtigkeit eines unschuldigen Mannes Leben opfern wollt, entsetzt uns. So sehen wir uns gezwungen, selbst Gerechtigkeit walten zu lassen, wo wir sie bei euch vermissen. Gebt Fritz Sapperlot frei, oder diese Menschen werden sterben! Wir erwarten Reaktionen eurerseits bis zum Oktotag. Gezeichnet, die Front zur Befreiung des Fritz Sapperlot


Blass ließ Tussnelda den Brief sinken und sah Cim mit großen Augen an.
"Was soll das...?"
Ohne ein Wort hielt er ihr eine Ikonographie hin. Die Hände der Gefreiten zitterten leicht, als sie die Aufnahme an sich nahm und darauf sieben Menschen sah, junge Leute, alte Leute, sogar ein kleines Mädchen war dabei, und gerade dieses hielt eine Ausgabe des Kuriers in Händen, Datum von Heute.
Der Püschologin wurde schlecht.
"Sör, ich..."
"Gefreite, dir ist klar was das heißt? Da werden Leute festgehalten und mit dem Tod bedroht. Verstehst du? Aufgrund deines Urteils wird der Mann festgehalten - und ich will wissen, wie sicher du dir bist." Der Blick des Oberfeldwebels war hart, eisig und abschätzend. Tussnelda blinzelte und sah aus dem großen Fenster hinaus auf die Straßen Ankh-Morporks.
Ihre Lippen bebten leicht als sie sagte: "Sör, ich bin mir so sicher, wie ein Wächter in seiner Arbeit sein kann. Lesen Sie die Akte, Sie werden sehen, ich habe alles berücksichtigt."
Sie sah ihn wieder an.
Cim verzog leicht die Lippen.
"Nicht das du mich falsch verstehst. Ich will nicht sagen, dass du keinen ordentlichen Tschob gemacht hast. Und selbst wenn es so wäre - diese Leute, diese Front, dass sind Verbrecher. Die halten ein unschuldiges Kind fest, verdammt!"
In einem kurzen Anfall von Wut ließ er seine Faust schwer auf den Schreibtisch sausen.
"Wir werden sie kriegen. Wir kriegen sie immer - irgendwann. Aber von dir verlange ich, dass du", er stützte sich mit den Unterarmen auf dem Tisch ab und rückte mit dem Kopf leicht nach vorn, "noch einmal alles untersuchst. Und ich will erfahren, wer diese Leute sind. Verhör den Kerl. Noch mal. Frag ihn nach seinen Freunden, seinen Verwandten, nach seiner Amme. Frag ihm nach allem, was mir helfen kann, diesen Abschaum aufzuspüren!"
Still nickte Tussnelda und nahm von Cim die Akte "Befreiungsfront" entgegen.
"Ich erwarte bald von dir zu hören."
Die Gefreite salutierte und ging.

***


Vor Cims Büro endlich, atmete die Püschologin schwer aus. Sollte das jetzt ihre Schuld sein? Musste sie sich verantwortlich fühlen, wenn ein paar Gestörte zu solchen Mitteln griffen? Sie tat es. Gemächlich ging sie die Treppe hinauf und griff dabei nach dem hölzernen Geländer, um sich nach oben zu ziehen. In der Bewegung hielt sie inne und machte auf dem Absatz kehrt. Nun hastig führte sie ihren Schritt zum Keller, zu Zelle 4, wo Fritz Sapperlot einsaß.
"Wer darfsn sein?", nuschelte der Wächter, der die Aufsicht über die Zelle führte.
"Nummer vier. Ist Verhör eins frei?", fragte die Gefreite von Grantick, nachdem sie ihren Kollegen mit knapper Geste begrüßt hatte.
"Jo", der Wächter rasselte mit seinen Schlüsseln.
"Schon wieder Besuch?", tönte hinter der vergitterten Türe der Zelle die Stimme von Fritz Sapperlot.
"Bist halt ne gefragter Type", der diensthabende Wächter grinste und gab der Tür einen Stoss.
Unterstützt durch den Wächter geleitete Tussnelda Herrn Sapperlot in den Verhörraum eins. Der Mann wirkte gelassen, wie eh und je, der Geruch der kernigen Gefängnisseife umschwebte ihn. Anerkennend bemerkte Tussnelda, dass sich der Mann auch in dieser Situation pflegte - die Haare waren ordentlich nach hinten gekämmt und offenbarten Geheimratsecken, das Hemd war sauber zugeknöpft. Andere Insassen ließen sich schon nach kürzester Zeit gehen und verwehrten sich jeglichen Kontakt zu ihren Wächtern. Aber Fritz Sapperlot ließ sich widerstandslos in den Verhörraum bringen, wie schon unzählige Male zuvor.
Dort angekommen, bedeutete die Püschologin ihrem Kollegen, die Türe hinter ihnen zu verschließen und nahm Platz auf einem wackligen Stuhl. Sie achtete darauf, nicht durch den grellen Lichtstrahl, der durch den Fensterschacht fiel geblendet zu werden.
"Setzen Sie sich", meinte sie dann und deutete mit der Hand auf einen Stuhl, der durch das einfallende Licht gleißend hell erschien.
"Sind wir noch nicht fertig miteinander?"
"Wenn Sie gestanden haben, sind wir fertig", Tussnelda wedelte müde mit der Hand.
"Nur leider wollen Sie ja nicht."
"Warum? Ich wars nicht. Stimmt schon, ich bin nicht unglücklich über Elviras Tod. Ja", Fritz setzte sich auf den Stuhl und kniff leicht die Augen, "vielleicht macht mich das zu einem schlechten Mensch. Immerhin ist sie die Mutter meines Kindes. Aber wenn sie hinter sich hätten, was ich erlebte, wären sie auch nicht unglücklich." Fritz kratzte sich an seinem Drei-Tage-Bart, dem einzigen Zugeständnis an seine Haft. Ein Rasiermesser gehörte nun mal nicht zur Grundausstattung eines Insassen.
"Das Einzige, was ich traurig finde, ist das Sie mich nicht freilassen wollen. Nach so vielen Jahren, könnte ich endlich...", er schwieg und es gelang ihm, Tussnelda mit einem Blick zu fixieren, "leben. In Ruhe. Ich könnte jetzt glücklich sein. Warum wollen Sie mich nicht glücklich sein lassen?"
Die Gefreite stieß den Stuhl nach hinten. Glücklich sein wollte er? Und dafür war ihm sogar ein Mord recht gewesen! Es gab immer eine andere Möglichkeit als die, bis zum Letzten zu gehen. Und nun? Nun waren unschuldige Menschen vom Tode bedroht!
"Um ihre Freiheit kümmern sich derweil ganz andere", presste sie hervor und begann im Raum herumzutigern. "Verflixt noch mal, Sapperlot! Verstehen Sie, was ich sage?"
Sie hielt inne und ergründete seine Züge, die durch das grelle Licht gänzlich bloß gestellt waren. Doch sie sah nichts darin - außer der Verwunderung des Ahnungslosen.
"Sie wissen es also nicht? Sie wissen nicht, was ihretwegen vorgeht?"
Sapperlot zog die Stirn kraus und musterte die Gefreite fragend.
"Von was reden Sie?"
"Die Front zur Befreiung Fritz Sapperlots! Ha!", trocken lachte die Püschologin auf, "Von Ungerechtigkeit sprechen sie. Und haben selbst sieben Geiseln genommen, um Sie", ihr Zeigefinger ruckte nach vorne, "freizupressen! Also! Wer ist es? Wer ist diese Front?"
"Ich weiß es nicht. Nie gehört", Fritz Stimme hatte einen rauen Ton angenommen, Betroffenheit tropfte von jeder Silbe. "Ich weiß es wirklich nicht."
"Gestehen sie dann wenigstens?"
"ICH BIN UNSCHULDIG! Wie oft soll ich es noch sagen?!", begehrte der Mann auf und hob und senkte dabei seine Arme kraftlos.
"Ich habe sie tot im Schlafzimmer gefunden. Der Dolch steckte noch - blöde wie ich war, habe ich ihn raus gezogen. Ich weiß selbst nicht warum. Vielleicht habe ich gedacht, ich könnte noch was dran ändern... ", er wischte sich mit der Hand seufzend über den Mund, "Als ich dann endlich kapiert hab: Fritz, deine Frau ist tot! Da spürte ich plötzlich so ein Gefühl... so ein unbändiges Gefühl, das Blut hämmerte in meinen Ohren, so sehr pochte mein Herz. Ich wusste, jetzt war ich frei. Endlich hatte all das ein Ende! Ich wollte wirklich zur Wache. Wirklich", bekräftigte er noch einmal, "Aber dann dachte ich - jetzt ist sie tot. Sie bleibt genauso lange tot, wenn du erst mal ein Bierchen trinkst. Elvira mochte es nie, wenn ich Bier trank. Nie."
"Wer war es dann? Wer hatte einen Grund dazu?" Schon oft hatte Tussnelda ihm diese Frage gestellt. Jedes Mal hatte er mit dem Kopf geschüttelt. So auch dieses Mal.
"Ich war es nicht", sagte er und knetete sich die Hände, "Ich war es nicht. Ich weiß nicht, wer es getan haben sollte. Eigentlich hatte doch niemand einen Grund dazu", Fritz lachte ein schauriges Lachen, "Außer mir. Aber ich war es nicht."
"Herr Sapperlot, das hab ich schon oft gehört. Meistens war es gelogen. Und meistens dann, wenn alle Indizien gegen jemanden sprachen. Wie in Ihrem Fall. Auf dem Messer sind Ihre Fingerabdrücke. Niemand außer Ihnen hatte Zugang zu dem Haus."
Die Gefreite setzte sich wieder. Das alles hatte keinen Zweck - auf die Art kamen sie nicht weiter. Abgesehen davon würde die geklärte Schuldfrage die Entführer wohl auch nicht davon überzeugen, ihre Geiseln freizulassen.
"Haben Sie Verwandte?"
Fritz ignorierte den Themenwechsel und gab beflissen Antwort: "Meinen Sohn natürlich. Emanuel. Dann meine Geschwister. Meine tote Frau hat keine Verwandtschaft hinterlassen - niemand, den wir weiter kennen."
"Wie sind die Namen ihrer Geschwister?"
Fritz nannte sie ihr.
"Irgendwelche Freunde? Nachbarn?"
"Na ja. Elvira hatte einen Kaffeeklatsch. Ich... ", er schüttelte müde den Kopf.
"Kann ich wieder in meine Zelle? Ich bin erschöpft."
"In Ordnung. Nur noch eine Frage", Tussnelda hatte sich eben schon die Namen von Fritz Geschwistern notiert und ließ nun ihren Stift ruhen, "wenn Sie jemanden verstecken wollten - wo wäre das?"
Fritz zuckte mit den Schultern. "Keine Ahnung. Ich hatte nie das Bedürfnis jemanden zu verstecken. Außer mich selbst vielleicht."

***


Müde schüttelte Tussnelda den Kopf. Sapperlot blieb so fest in seiner Aussage, das war ihr ein Dorn im Auge. So unverschämt, so offensichtlich zu lügen! Die eigene Frau erstechen, sie tot im Bett liegen lassen und dann erstmal ein Bier trinken gehen. Ohne sich nur die Hände abzuwaschen.
"Ich hatte da noch so einen Gutschein", äffte sie ihn nach.
Unruhig fuhr sie mit den Fingern über das Holz ihres Schreibtisches und fingerte dann vier Lakritzschnecken aus dem Glas in der Mitte. Abermals schüttelte sie den Kopf. Dieser Tschob ging ihr allmählich gehörig auf die Nerven. Aber wenigstens konnte sie Bürstenkinn nun einige Namen bringen und die Sache damit für sich endlich erledigen. Sie notierte rasch die letzte Aussage von Sapperlot in seiner Akte und zog sich dann die daneben liegende Akte "Befreiungsfront" herbei, versah diese mit einem Querverweis auf die "Sapperlot"-Akte und notierte fein säuberlich die genannten Namen auf einem frischen Blatt. Schwungvoll warf sie dann das unselige Stück in die Rohrpost. Mit einem grimmigen Lächeln kehrte sie zurück an ihren Schreibtisch und knallte den "Abgeschlossen-Stempel auf das andere Stück. Einem Impuls folgend kritzelte sie darunter: "Verdammt noch mal!"

***


"Tach."
"Auch mal wieder da?"
"Jo. Hab hier den Überführungsbefehl. Soll den Kerl gleich mitbringen."
"Ging aber schnell. Ist euch irgendwie langweilig?" Der diensthabende Rekrut nahm den Überführungsbefehl entgegen. "Ich muss erstmal nach der Akte gucken, warte mal."
Rasch hatte er die notwendige Akte gefunden, sie lag obenauf. Routinemäßig prüfte er, ob der Fall abgeschlossen war und ob es noch offene Querverweise gab.
"So bitte sehr. Kennst ja den Weg, Zelle 4."
Besonders akkurat heftete der junge Rekrut den gezeichneten Überführungsbefehl ab und widmete sich wieder seinen wichtigen Aufgaben (beschäftigt aussehen, Kaffee trinken).
Der andere entfernte sich mit vergnügtem Pfeifen: "Häng am Kopf, Strauchbube, Häng am Kopf und heul."

***


Erst spät am Abend erst kehrte Tussnelda regennass nach Hause zurück. Den Fabrikarbeitern, die immer noch an den neusten Falltüren werkelten, schenkte sie keinerlei Blick und ging bedächtig die Wendeltreppe zu ihrem komfortablen Appartement hinauf.
Ein Nachteil aus ihrer neuen Wohnsituation ergab sich nur durch den Besitzer, Michael Hochrost. Dieser weilte zwar immer noch in Quirm, aber sein schlechter Geschmack und die süßlich herbe Mischung seines Sandelholz-Aftershaves lag trotzdem immer in der Luft. Mit Plüsch und Plunder hatte er jeden seiner privaten Räume ausgestattet, kaum einem Tischlein hatte er Porzellanfigürchen erspart.
Auch das Gästezimmer, welches Tussnelda bewohnte, war planlos arrangiert und voll gestellt bis in den letzten Winkel. Ein übergroßes Himmelbett, mit feudal wirkenden Schnitzereien nahm eine Wand fast vollständig ein. Darum gruppiert, mit wenig Platz für Bewegungen standen ein Sekretär aus Rosenholz, ein gepolsterter Lehnstuhl, eine kleine blau lackierte Kommode und ein widerlich grünes Sofa im Landhausstil.
Die Gefreite schnalzte mit der Zunge und bedachte das Himmelbett mit zweifelndem Blick. Sie würde keinen Schlaf finden. Und wenn, würde sie unter wirren Träumen leiden, die jede Nacht bedenklichere Ausmaße annahmen. Bitter lächelnd fragte sie sich, wie es ihr gelang, ihren Zustand vor den Kollegen zu verbergen. Tatsache war allerdings - es gelang.
Sie war auch froh darum, vor allem was Herold, Frän oder Doris betraf - dumme Nachfragen von Kollegen, die diesen Tschob nicht halb so lange machten wie sie, hätte sie nicht ertragen. Schon jetzt trieb sie der hämische Blick Kathis, wenn sie wieder mal mit einem Zeugen zu zänkisch umgesprungen war, schier in den Wahnsinn. Aber Kathi verstand einfach nicht, was in ihr vorging. Vielleicht, weil die Kollegin zu sehr mit sich selbst beschäftigt war. Vielleicht weil der Übermut der Gefreiten jugendlich war, jugendlicher als der, den sie selbst zur Schau stellte.
Nachdenklich schritt sie an das große, bunt verglaste Fenster und blickte auf die nächtliche Straße. Kurz schloss sie die Augen und beschwor das vertraute Bild, die gletscherblauen Augen, das spritzende Blut, die besudelte Uniform, ihren eigenen unnatürlich klingenden, lang gezogenen Schrei, den Duft des Schnees, das Knirschen von Eis, das Geräusch von Metall in Fleisch...
Eine über das Pflaster klappernde Kutsche lenkte sie von ihren Gedanken ab. Zwei teuer aussehende Pferde zogen sie, oben auf saß ein Kutscher, angetan mit Mantel und Zylinder erinnerte er sie an Frederick. Schnaubend kamen nun die Tiere zum Stehen und der Kutscher winkte.
"Kutsche für von Grantick!"
Irritiert öffnete sie das Fenster. "Hä?"
"Sind sie das Fräulein von Grantick? Würden sie bitte hinab kommen? Ich bin heute leider etwas eng mit Zeit."
Er gestikulierte in ihre Richtung. Tussi setzte sich wie automatisch in Bewegung, um nur wenige Augenblicke später draußen zu stehen. Nebel war aufgezogen und mischte sich mit feinstem Sprühregen.
"Wenn Sie bitte Platz nehmen würden", sagte der Kutscher, seiner Stimme war die Ungeduld deutlich anzuhören.
"Ich habe keine Kutsche bestellt", sagte von Grantick lahm.
"Fräulein, diese Kutsche ist auf ihren Namen bestellt und bezahlt. Ich bitte sie höflichst einzusteigen, ich habe wenig Zeit", die Stimme klang zwar vage vertraut, aber das musste an typisch quirmianischen Tonfall liegen.
"Kommen Sie etwa aus Quirm?", fragte sie, und griff nach der Tür.
"Wie tausend andere hier auch", murmelte der Kutscher und griff nach den Zügeln. "Jetzt steigen Sie bitte ein."
Die Hauptgefreite öffnete die Türe und zog sich in das Kutscheninnere. Sofort setzte sich die Kutsche in Bewegung.
Merkwürdig, dachte die junge Frau und lehnte sich in den weichen Polstern zurück. Erst da erblickte sie ein kleines Kästchen, aus einfachem Holz, offenbar von Kinderhand bemalt mit Schwertern und Armbrüsten.
"Das darf doch nicht!", rief sie aus und verstummte im Satz. Dieses Kästchen kannte sie sehr genau - jahrelang hatte es in ihrem Zimmer gestanden, zu Hause in Quirm! Sie erhob sich, auf wackligen Beinen und hämmerte gegen den Innenraum der Kutsche. "He, Sie! Halten Sie sofort an!"
Doch der Kutscher reagierte gar nicht auf ihre Forderung, sie hörte nur, wie er die Peitsche knallen liess und die Pferde zu schnellerem Tempo über das holprige Pflaster von Ankh-Morpork antrieb. Tussi verlor das Gleichgewicht und stolperte zurück in das Sitzpolster. Ihre Stirn umwölkte sich - was sollte dies für ein merkwürdiger Streich sein? Sie nahm die Schachtel an sich, öffnete sie. Eine vertraute Sammlung von Steinen war darin und noch etwas, ein kleiner Papierzettel, ein Fetzen. Ein Getränkegutschein. Genau solche waren vor kurzem in der Wache verteilt worden, eine Werbeaktion für Wächter! Sie drehte den Schein. 4 - nur diese Ziffer war auf den Schein gekritzelt. Wieder erhob sie sich und hämmerte nun gegen das Dach der Kutsche.
"Halten Sie sofort an!"
Der Kutscher öffnete eine kleine Klappe, die Tussi bisher noch nicht bemerkt hatte. Offenbar diente sie dazu, mit den Fahrgästen sprechen zu können.
"Fräulein, ich muss Sie dringend bitten, sich ein wenig zu entspannen", sagte er und warf etwas durch die Klappe. Ehe Tussi reagieren konnte, entströmte einem kleinen Fläschchen rose-farbener Dampf. Der Püschologin wurde schwindelig, ihre Hände zuckten zur Tür und versuchten kraftlos, den Riegel nach unten zu drücken. Es wurde dunkel.

***


Benommen erwachte Tussnelda. Sie schreckte hoch, als ihr die letzten bewussten Momente durch den Kopf jagten und sogleich schoss ihr scharfer Kopfschmerz durch den Schädel. Sie sackte zusammen, atmete einige Momente vorsichtig ein und aus. Wo war sie? Um sich herum war nur das dunkle Holz der Kutsche, Regen trommelte auf das Dach, sie stand still. Direkt neben ihr auf dem Boden lag der verstreute Inhalt des Kästchens - Dutzende von Kieseln, die sie als Kind gesammelt hatte, weil sie es schön fand und ein kleiner Zettel. Ein Gutschein, mit einer vier darauf. Ein Getränkegutschein für diese Kneipe, wie war noch der Name gewesen? Dort hatte sie Sapperlot getroffen. Sapperlot, der in Zelle vier saß. Grimmig schnaubte sie, nun hatte sie wirklich einige Fragen an den Herren! Sie musste so schnell wie möglich zur Wache gelangen und sich diesen Kerl noch einmal vorknöpfen.
Vorsichtig richtete sie sich auf. Wo war dieser Kutscher? Er musste mit Fritz unter einer Decke stecken, vermutlich gehörte er der Befreiungsfront an. Sie lauschte, aber außer dem trommelnden Regen war nichts zu hören. Immer noch lag der Duft dieses Narkosegases in der Luft.
Ganz langsam tastete sie nach dem Riegel, presste ihn leise hinunter und sprang dann, nicht sonderlich geschickt, aus der Kutsche. Sie torkelte, stolperte und landete in einer stinkenden Pfütze. Blitzschnell rappelte sie sich wieder auf und wandte sich der Kutsche zu.
Der Kutschbock war verlassen.
Ihr Blick sondierte die Gegend, versuchte heraus zu finden, wo sie sich befand. Schnell stellte sie zu ihrer Überraschung fest, dass sie direkt zum Wachhaus gebracht worden war. Fluchend rannte sie hinein.

***


"Jetzt mach mal ganz ruhig! Mensch, bei Nacht-und-Nebel, echt jetzt!"
Maulig machte der diensthabende Wächter die Türe zu Zelle vier auf. Sie war leer.
"Wo ist er?!"
Hastig betrat sie die Zelle, schaute hinter die Tür. Nichts. Da war nichts.
Nichts außer einem Seil, das wie ein Strick von einem Deckenbalken hing. Nichts außer einem paar sehr teuren Lederschuhen, die auf dem Boden standen.
"Mensch, mach nicht so einen Wirbel. Die haben ihn schon am Mittag abgeholt. Hatten wohl zu viel Zeit übrig, wa? Der baumelt bestimmt schon irgendwo."
Langsam ging Tussnelda zu den Schuhen. Geistesgegenwärtig zog sie ein paar Handschuhe aus der Tasche und untersuchte dann die offensichtlich so noblen Treter. Sie brauchte nicht lange, um ein Stück Papier zu finden.

Sehr geehrtes Fräulein von Grantick,
ich hoffe, Sie haben die Fahrt genauso genossen wie ich. Das Vergnügen, Sie mir so nahe zu wissen, hat mich mehr als erfreut. Die delikate kleine Angelegenheit, die uns zusammen führte, trug allerdings wesentlich mehr zu meiner Erheiterung bei. Es war so unterhaltsam, den armen Herrn Sapperlot dazu zu bewegen, seine Frau zu töten. Wussten Sie, dass das Gerücht, man könne jemand mittels Hypnose nicht dazu bewegen, etwas zu tun, welches er solide ablehnt in keiner Weise den Tatsachen entspricht? Allerdings, hochgeschätztes Fräulein von Grantick, tritt hier ein wichtiges moralisches Dilemma auf. Ich denke, Sie ahnen bereits, wovon ich spreche, nicht wahr? Ich schätze es zwar nicht sonderlich, dem Offensichtlichen auf den Füssen herum zu treten, aber dennoch: Ist man eines Verbrechens schuldig, wenn man nicht Herr seines Willens war? Wie würden Sie entscheiden, Madame? Oh, verzeihen Sie, liebste Tussnelda. Sie haben ja bereits entschieden. Dabei war ich so großzügig, Sie auf die Möglichkeit seiner Unschuld hinzuweisen. Ja, sehr richtig, das kleine Schreiben, welches Ihnen über Umwege zuging, adressierte ich. Bedauerlicherweise haben Sie an dieser Stelle meine Erwartungen nicht erfüllt. Nun, vielleicht lernen Sie für das nächste Mal daraus. Ich für meinen Teil lehne mich an dieser Stelle zurück. Es wird interessant sein zu beobachten, wie sich die Dinge weiterentwickeln.

Hochachtungsvoll,

Ein Freund


***


Des Stückes zweiter Teil: Die Armbrust und ich

Ankh-Morpork, im August des Jahres 2006 (Dieser Teil spielt kurz nach Tussis Wechsel zu FROG)

Der alte Meurig auf dem Hier-Gibts-Alles-Platz war eben dabei, seine Auslagen einzuräumen. Viel war nicht los gewesen am heutigen Tag, deswegen würden jede Menge Reste für die Armen abfallen. Seine Agathe war in diesen Dingen recht strikt - sie bestand darauf, nur tagesfrische Waren anzubieten. Willy selbst störte sich nicht daran, wenn seine Äpfel den ganzen Tag von Fruchtfliegen umschwirrt wurden. Nach seiner ganz persönlichen Ansicht waren im Grunde alle Lebewesen gleich - vor allem die aus Fleisch. Niemand konnte behaupten, dass Fruchtfliegen keinen Nährwert hatten. Genau genommen also, übervorteilte Agathe ihre Kunden. Willy nahm sich vor, dass seiner Frau noch einmal zu erklären. Im Augenblick aber blieb nicht viel anderes, als zähneknirschend Paprika, Sellerie und Birnen in eine Holzkiste zu geben. Wenn er ging ließ er die einfach stehen, die Bettler holten sich den Kram selbst.
"Nabend Willy", grüßte ihn eine vertraute Stimme.
"Tach Tussi", sagte er, ohne aufzublicken. Erst als er alles umgeladen hatte, blickte er hoch, wobei er sich seine grüne Schirmmütze in den Nacken schob.
"Wir haben zu", erklärte er und zeigte auf die Kiste.
"Du, ich brauch nur schnell ein bisschen Blumenkohl. Darf ich?"
"Greif reichlich zu", grinste er. Er kannte die junge Hauptgefreite lang genug um zu wissen, wie knauserisch sie war. Irgendwann hatte sie ihm erklärt, dass ein "Von" im Namen noch keine Bedingung für Reichtum war. Und das sie eben jeden Dollar nach Hause schickte, den sie nicht selbst brauchte. Beiläufig hatte sie was von einem Handel erzählt, der ihr wenigstens die Miete ersparte.
Als Tussi sich bückte, klatschte ihr etwas ins Gesicht, etwas Rotes, eine Tomate bestimmt.
Irritiert richtete sich Tussnelda von Grantick auf, solche Frechheiten war sie lange nicht mehr gewöhnt. Mit gerunzelter Stirn schaute sie auf die junge Frau, die vor ihr stand. Die späte Sonne blendete ihre Augen - dann fiel ihr das Fräulein plötzlich entgegen, stumm, leicht. Ein vertrauter Geruch stieg der Armbrustschützin in die Nase, irgendwie rostig, unangenehm. Sie fing die Frau und hätte sie am liebsten im gleichen Moment von sich gestoßen. Es war natürlich keine Tomate gewesen.

***


"Wie geht es dir?", fragte Ophelia mitfühlend und zog sich einen Stuhl heran. Nach dem Vorfall war Tussi zur Wache zurückgekehrt, ohne sich viel um Meurig zu kümmern. Sie hatte kein schlechtes Gewissen deswegen, zusammen mit einem Tatortwächterteam hatte sie auch um einen Püschologen gebeten. Danach war die Hauptgefreite unter die Dusche und von da in die Kantine gegangen, hatte sich einen Kaffee geholt und sich vor ein offenes Fenster gesetzt. Hatte versucht, den Blick weit zu machen.
"Die Schau muss weitergehen", murmelte sie in ihren Becher, ohne dabei die ehemalige Kollegin anzusehen.
"Soll ich dir Doris schicken?"
"Bloß nicht. Hast du vergessen, dass sie bei der schlechtesten Püschologin der Wache gelernt hat?"
Missmutig schüttelte Ophelia den Kopf, wobei sich eine kleine Haarsträhne aus dem Scheitel ihrer sonst tadellosen Frisur löste. Das hatte Tussi schon oft beobachtet - als sträube sich etwas in der eleganten Dame gegen das eigene Selbst.
"Lass dir doch nichts einreden", sagte die Ermittlerin dann, aber in Tussneldas Ohren klang das nur schwach und ungenügend.
"Auf jeden Fall brauch ich keine Hilfe. Ist nicht das erste Mal, dass das passiert", [2] stieß sie harsch hervor, "und das hab ich auch überlebt."
Ophelia atmete tief ein. "Können wir dich dann jetzt vernehmen?"
Steif erhob sich die Armbrustschützin und nahm ihren geliebten "Ich bin ein Quirmer Mädel"-Becher in die Hand. "Wer leitet eigentlich die Ermittlung?"
"Kathiopeja."
Die Tasse zerschellte am Boden.

***


"Tag Doris", grüßte Tussi ihre alte Auszubildende, als sie das ihr so eng vertraute Büro Nummer fünf betrat. Der Hauptgefreiten Kathiopeja gönnte sie nur ein knappes Nicken.
"Setz dich", sagte Kathiopeja und Tussnelda nahm auf der roten Couch Platz, die nahe ihrem alten Schreibtisch stand. Missbilligend musterte sie unzählige Tassen, die sich auf ihm stapelten - der herbe Geruch von Kaffee verriet die Besitzerin.
"Also, wie war es denn nun, als dir die Innereien von Frau Siehdichfür ins Gesicht klatschten?", fragte die Klatschianerin unvermittelt mit gehässig funkelndem Blick.
Tussnelda musterte die alte Freundin kalt.
"Ich glaube nicht, dass so subjektive Fragen der Ermittlung dienlich sein werden. Und im Übrigen frage ich mich, warum man den größten Stümper der Abteilung damit betraut hat? Denkt die Abteilungsleitung wirklich, deine Kontakte im Milieu wären der Sache förderlich?", Tussnelda hatte blasiert gesprochen und eine Augenbraue gehoben, ganz so, wie sie es so oft bei ihrer Mutter erlebt hatte.
Beleidigt verzog Kathio den Mund, war im Augenblick aber viel zu stolz, um Tussi die Genugtuung zu geben, weiter darauf einzugehen.
"Frau Siehdichfür wurde von einem Bolzen durchbohrt. Der hatte derartige Durchschlagskraft, dass wir annehmen, dass es sich um eine Spezialanfertigung handelt. Wir können von Glück reden", nun hob ihrerseits Kathiopeja hämisch die Augenbrauen, "dass dir nichts passiert ist. Wirklich sch -schön. Das erklärt natürlich, warum sich die Gedärme der Frau in deinem Gesicht verteilten, mein Beileid, stelle ich mir ganz furchtbar unangenehm vor."
Doris, die versuchte beschäftigt auszusehen, schüttelte den Kopf. "Das ihr damit nicht endlich Schluss macht", brummte sie, "Ihr gehört alle beide auf die Couch."
"Die da hin gehört, sitzt schon", äffte die Ermittlerin.
"Hör auf meine Zeit zu verschwenden", die Hauptgefreite von Grantick gähnte betont. "Ich habe wirklich wichtigeres zu tun."
Übergangslos fragte die Obergefreite: "Du hast nichts bemerkt?"
"Gar nichts. Plötzlich war sie tot. Ende der Geschichte", die angehende Armbrustschützin schwieg kurz. "Den Bolzen würde ich Valdimier zeigen. Er kennt sich ziemlich damit aus."

***


Ärgerlich betätigte Tussnelda den Zugmechanismus ihrer Armbrust. Nach dem kurzen Gespräch mit Kathiopeja hoffte sie, dass das Training ihr den Ausgleich geben konnte, den sie brauchte. Abgesehen davon war Valdimier sehr explizit gewesen: "Wir haben genug Auszubildende in der Abteilung. Beendest du deine nicht rechtzeitig, schicke ich dich zu RUM zurück." Ja, es war unüberhörbar - Valdimier sah in der Hauptgefreiten immer noch keine unverzichtbare Ergänzung der Abteilung, viel mehr schien er sie als Klotz am Bein zu empfinden. Und das, obwohl sie traf.
Zack! Auch dieses Mal - der Stroharm der Trainingspuppe hing nur noch in Fetzen vom Torso herab. Zufrieden nickte die angehende Armbrustschützin und notierte sich verschiedene technische Einstellungen, sowie das Ergebnis auf einem losen Blatt Papier. Anschließend beraubte sie die hilflose Strohpuppe noch um Kopf, rechten Fuß und Regenschirm. Erst danach fühlte sie sich etwas besser und bereit, den neu installierten Hindernisparcours zu testen.
Der stand da wie ein martialisches Foltergerät, was er genau genommen ja auch war. Einmal in Gang gesetzt bewegten undurchschaubare Mechanismen knirschend hölzerne Arme, schoben Strohpuppen in die Bahn, versetzten Böden von links nach rechts, von vorne nach hinten, nur um in nächsten Moment vertikal über den Boden zu sausen. Tussnelda hatte keine Ahnung, wer das Ding konzipiert hatte. Sie wusste nur eins - der Erbauer musste verrückt gewesen sein. Was wiederum nahe legte, dass hier eine Erfindung des absolut bekloppten Johnson vor ihr stand. Mit ungutem Gefühl näherte sie sich der ersten diskusförmigen Bodenplatte und zog den langen Hebel, der das Spielzeug startete. Ein Schaben dröhnte durch den Trainingsraum und ein Kratzen wie Fingernägel auf einer Tafel. Die Platte unter ihr begann sich drehend nach vorne zu bewegen. Nur Tussneldas Geistesgegenwart war es zu verdanken, dass sie sich als fixen Orientierungspunkt ein merkwürdiges Holzgestell gesucht hatte, dass sich plötzlich aufklappte und eine Zielscheibe offenbarte. Die Hauptgefreite schoss - und traf. Sofort zog sich das Gestell wieder zusammen, machte ihren Weg frei. Gleichzeitig blieb der Diskus auf dem sie stand mit einem heftigen Ruck stehen. Stolpernd fanden Tussis Füße den Weg zum nächsten Plateau, cirka anderthalb Meter über Bodenniveau. Drei von Seilen gehaltene Strohpuppen fielen über ihr zusammen und die angehende Armbrustschützin konnte nur die Armbrust verwenden, um sich damit einen Weg frei zu schlagen. Und dann stoppte die Anlage. Unvermittelt. Irgendwo kratzte ein Stift über Papier, dann öffnete sich eine Klappe, an der hinteren Seite des Hindernisparcours.
Keuchend kletterte Tussnelda von der Plattform und begab sich zu dem Ausgabekästchen, in dem ein Zettel lag.
Herzlichen Glückwunsch. Du hast die Geiseln getötet.
Fluchend begab sich die FROG unter die Dusche. Erst dort löste sich allmählich die Anspannung in ihrem Körper und die Wut auf die Klatschianerin. Tussi begriff langsam, dass Kathiopeja vermutlich nur ihrer eigenen, inneren Zerwürfnisse auf die ehemalige Freundin projiziert hatte. Und sie begriff, dass sie sich keineswegs weiter auf diese Streitsituation mit ihr einlassen durfte, wenn sie ihre Karriere nicht ernstlich gefährden wollte. Stirnrunzelnd musterte sie ihr Bild in dem dunstbeschlagenem Spiegel. Ja, sie würde Karriere, den Vater stolz und Kathiopeja neidisch machen. Im Augenblick trennte sie nur ein Stüfchen auf der Hierachieleiter der Wache. Eines Tages würde das anders sein - ganz anders. Bis dahin konnte sie ihren Ärger bezähmen. Rache war schließlich ein Gericht, das man kalt servierte...
Unfreiwillig musste die Hauptgefreite lächeln. Solch böse Gedankengänge hätte sie sich selbst bis vor kurzem nicht zugetraut. Aber die Welt war nun mal schlecht, durchtrieben und schlecht. Warum selbst den Moralapostel spielen?

***


Fasziniert betrachtet Tussnelda, wie sich beim Aufklatschen des Regens auf den heißen Asphalt kurzzeitig Blasen bilden, die dann aufspringen und in konzentrischen Kreisen verschwinden. Sie nimmt sogar das Unkraut wahr, dass aus den Ritzen des Pflasters sprießt, darunter auch Schnittlauch. Geistesabwesend bückt sich die junge Frau, pflückt das Kraut und zerreibt es unter ihrer Nase. Es beginnt furchtbar zu stinken und als sie auf ihre Hand blickt, tropft von ihr Blut. Verwundert folgt ihr Blick dem roten Saft, der sämig auf die Straßen fließt und dann, wie von einem Magneten gezogen, die Straße aufwärts schmiert. Eilig verfolgt die Wächterin die Spur. Nebliger Dunst steigt auf, greift mit klammen Fingern nach ihren Kleidern, reißt solange an ihr, bis sie unwillig die Jacke ihrer Uniform abstreift. Kaum hat sie sich befreit, stolpert sie wieder und stürzt zu Boden, ihre Hände schrammt sie sich auf dem rauen Pflaster auf. Dann erst sieht sie neben sich liegen, eine Frau. Eine Frau, deren Leib eine einzige klaffende, schwärende Wunde ist. "Mama",krächzt sie und blickt in die amüsierten Augen ihrer Mutter. DAS ist echte Polizeiarbeit!, säuselt sie und ein dünner Faden Blut rinnt aus ihrem Ohr.

Tussnelda schreckte auf. Ihr erster Blick fiel auf ihre Hand, die sich ein wenig feucht anfühlte. Doch ihre Sorge, dass tatsächlich Blut an ihr klebte, war völlig unbegründet. Lediglich etwas Auswurf hing an ihr und ihre brennenden Wangen erklärten rasch, woher der kam. Tief atmete die Hauptgefreite aus, schob ihre Beine aus dem übergroßen Himmelbett und zog die grünen Taft-Vorhänge beiseite. Wie kann man nur Taft für Bettvorhänge benutzen?.
Erwachte man in diesem Szenario aus einem Alptraum, konnte man sich nicht sicher sein, ob es Realität war, oder lediglich die nächste Stufe des Grauens.
Sie ließ ihre Füße in die weichen Lammfellhausschuhe gleiten, zog sich den Morgenrock über, der auf einem Stuhl neben ihrem Bett lag und schlurfte zu dem großen, zweiflügligen Dachfenster, dass ihr Blick über die Dächer Ankh-Morporks schenkte.
Tatsächlich regnete es. Und tatsächlich bildeten sich konzentrische Kreise um die Tropfen, die in einer Pfütze landeten. Unglaubliche Entdeckung.
Tussnelda verschränkte die Arme vor der Brust um sich selbst zu wärmen. Woher dieser Traum? Hatte er etwas zu bedeuten? Sie als Püschologin sollte damit eine Menge anfangen können. Die Wahrheit aber war, dass sie genau wusste, dass eine Assoziationsübung bei sich selbst so sinnlos war, wie gefaltete Servietten. Sie würde sich unbewußt selbst manipulieren, um den gewünschten Sinn zu erhalten. Also ließ sie es bleiben.

***


"Ungewöhnlich schwer", Valdimier wog nachdenklich den Bolzen und griff zum Vergleich nach einem seiner eigenen, "mindestens 36 Gramm. Und dabei so kurz... da braucht man schon den passenden Lauf, vermutlich auch eine Spezialanfertigung. Eher... Was ist denn?"
Obergefreite Kathiopeja hatte die ganze Zeit mit der Hand gewedelt, als jage sie eine imaginäre, übergroße Fliege.
"Einen Lauf?", fragte sie endlich erlöst, mit dem Ausdruck totaler Verwirrung.
"Hast du in deiner Ausbildung nichts gelernt?", fragte Van Varwald böse, "Wenn du einen kurzen Bolzen verwenden willst, brauchst du natürlich auch einen passend kurzen Armbrustlauf zum Auflegen. Ist der Bolzen nicht ausreichend fixiert und schlackert herum, ist der Abschuss für alle Umstehenden wirklich gefährlich!"
Die Ermittlerin grinste: "Ist das nicht Sinn der Sache?"
"Obergefreite!"
"Schon gut, SÖR", meinte Kathiopeja mit beschwichtigender Geste.
"Auf jeden Fall habe ich gerade gestern schon so ein Ding auf dem Tisch gehabt. Ein Fall von Romulus."
"Ah ja, schönen Dank auch", wieder grinste Kathi ungehörig und war schneller aus dem Büro des Vampirs, als der gefragte Respekt erlaubte.

***


Romulus saß hinter seinem fast schon schäbig wirkenden Schreibtisch, rauchte Pfeife und sah wie üblich schwer beschäftigt aus. Das störte die Ermittlerin Kathiopeja kein bisschen. "Tag", grüßte sie ihn lapidar und überließ auch das Salutieren seiner Vorstellung.
Brummig sagte er: "Hast du in deiner Ausbildung nicht das Salutieren gelernt?"
"Soll das heute irgendwie ein rennender Witz werden?", murrte sie.
Nickend paffte der Ermittler drei Rauchkringel in die Luft und warf die Akte, die er bis eben studiert hatte, auf den Tisch. "Was hast du heute für Probleme?"
Die Obergefreite ignorierte den drohenden Unterton ihres Schäffs und wedelte stattdessen mit dem kleinen Tütchen, welches den fragwürdigen Bolzen enthielt. "Ich hab gehört, Sie hätten einen Fall, bei dem es auch so ein Puzzlestück gibt?"
Auffordernd streckte sie ihm das Stück entgegen. Er nahm es bedächtig und unterzog es einer eingehenden Betrachtung, ohne ein Zeichen der Hast zu vermitteln. "Kann schon sein", meinte er schließlich und warf ihr den Bolzen zu. "Aber was gehts dich an?"
Enerviert verdrehte die Klatschianerin die Augen. Romulus schien ihr immer noch den kleinen Diebstahl nachzutragen [3]. Vielleicht erwartete er auch eine Entschuldigung. Da kann er lange warten. Ein scheeles Grinsen stahl sich auf ihr Gesicht.
"Eine ganze Menge", meinte sie und griff sich einen der Holzstühle, "Scheinbar bearbeite ich einen deckungsgleichen Fall."
"Tatsächlich?", erwiderte der Werwolf mit gespieltem Erstaunen, "Na, das ist ja eine ganz besondere Ehre für mich. Interessant wäre, zu wissen, wie du zu dieser bemerkenswerten Kenntnis über meine Arbeit kommst?"
"Valdimier van Varwald. Er sagte mir, dass in Ihrem Fall genauso ein Bolzen vorgekommen ist."
"Du bist wirklich zu gut informiert", Romulus lehnte sich zurück und grinste ein Werwolfgrinsen, "Allerdings handelt es sich um zwei Fälle. Die beiden Opfer haben nichts miteinander gemein, außer der Tatsache, dass sie vom gleichen Bolzen umgenietet worden sind."
"Ich will die Akte haben."
"Gute Idee", das Grinsen gewann an Intensität. Mit plötzlicher Eile suchte von Grauhaar verschiedene Mappen zusammen und schichtete sie zu einem ansehnlichen Haufen. "Dir erfülle ich ganz besonders gerne alle Wünsche. Da dir ja langweilig zu sein scheint, habe ich für weitere Unterhaltung reichlich gesorgt", sagte er dann zuckersüß und erhob sich, um der Obergefreiten den Stapel zu reichen. "Hättest du freundlich bitte gesagt, hätte ich dir sogar noch ein paar mehr gegeben."
Kathiopeja stöhnte.

***


Ein neuer Morgen senkte sich über Ankh-Morpork. Für Kathiopeja war das Erwachen leider nicht sonderlich sanft, sondern eher so, als sei ein übergroßes Piano über ihrem Kopf explodiert. Nachdem sie sich lange im Bett herumgewälzt hatte, war sie erst in den frühen Morgenstunden in Schlaf gefallen. Ihr spuckte einfach so viel im Kopf rum: Die Auseinandersetzung mit Araghast Breguyar, die mit dem Kommandör, der unselige Diebstahl von Romulus Geldbörse. Was war ihr dabei nur in den Sinn gekommen? Hatte sich der Rest der Welt gegen sie verschworen? Inklusive ihr selbst? Ratlos schüttelte sie den Kopf. Sie wusste einfach nicht, was mit ihr los war. Sie wusste nur, dass wenn sie ihre Probleme nicht in den Griff kriegen würde, ihre Karriere vorbei war. Bevor sie überhaupt angefangen hatte.
Hatte Tussi wirklich Recht? Lag alles am Kaffee? Nein, dachte sie entschieden. Sie war nicht süchtig, nur passioniert. Tussi hatte doch selbst ihre unsägliche Lakritze. Und überhaupt: Dafür, dass sie solche Abscheu gegen Vampire empfand, nahm sie selbst reichlich Hengstblut zu sich. Die hatte doch selber Probleme!
Warum nur hat sie die Anzeige gegen mich fallen gelassen? Kathi wusste genau, dass Tussi beim Kommandör gewesen war. Sie hatte ihr die kleinen Ausraster zu übel genommen, um es nicht zu tun. Und Rascaals triumphierender Blick, mit den Worten: "Wir sehen uns auch noch", war recht aussagekräftig gewesen.
Später hatte er ihr gesagt, sie habe Glück gehabt. Ein letztes Mal.
Unwillig zuckte die Obergefreite mit den Schultern. Sie würde wohl nie dahinter kommen. Aber es wurde Zeit, etwas zu ändern. Sie gähnte.
Heute würde sie hoch zu den FROG tapsen, um den Fall Kanndra zu übergeben. Frän und Herold hatten gestern lange über den drei Akten gesessen, spekuliert und notiert, bis sie schließlich zu dem Schluss gekommen waren, dass nur eine Möglichkeit in Frage kam. Sie hatten es mit einem Heckenschützen zu tun, der absolut unmotiviert handelte. Töten, um des Tötens willen. Pah! Damit sollten sich ruhig die FROG rumschlagen. Romulus und Humph waren damit sehr einverstanden gewesen, denn auf dem Schreibtisch der RUMler stapelte sich die Arbeit.
Müde zog sich die Obergefreite etwas über und schlurfte dann zu ihrem privaten Kaffeedämon. Die einzige Chance, den Tag erträglich zu gestalten. Als Kathio daran dachte, dass nun auch Tussi wieder mit dem Fall zu tun haben würde, umwölkte sich ihre Stirn besorgt.

***


Der Wind pfiff durch das einen Spalt breit geöffnete Fenster des Bereitschaftsraums, als Tussnelda von Grantick eintrat. Wie immer roch es trotzdem leicht nach kaltem Schweiß und Kaffee. Auf dem Tisch vergammelte eine Portion klatschianischer Curry in einem Papptütchen, vereinzelt flogen Notizzettel herum, eine Kaffeekanne glänzte in der kalten Novembersonne. "Du bist die erste", Kanndra saß auf einem wackeligen Stuhl, die Beine lagen bequem auf dem Tisch auf. Auf ihrem Schoß lagen drei Akten, eine davon war mit einem gewaltigen Kaffeefleck bekleckert. Der Quirmianerin schwante Übles...
"Man erkennt Kathis Akten wirklich auf den ersten Blick", grinste die Abteilungsleiterin und hieß Tussi, neben ihr Platz zu nehmen.
"Leider", angespannt ließ sich die Hauptgefreite auf den Stuhl sinken. "Darf ich?"
Kanndra zuckte nur mit den Schultern und reichte ihr die besudelte Mappe. Rasch schlug von Grantick die Akte auf und sah, was sie erwartet hatte. Es ging natürlich um den Fall vom Hier-Gibts-Alles-Platz.
"Die sollte mal was wegen ihrer Kaffeesucht tun", murmelte Tussi spröde und gab Kanndra die Mappe zurück.
"Denkst du?", aufmerksam beobachtete die Gennuanerin die junge Frau. "Sie hat sich bei uns beworben...", sagte sie langsam und registrierte das erstaunte Zwickern der Armbrustschützin in Ausbildung.
"Denkst du, ihr kriegt eure Probleme in den Griff?"
Es klopfte, Cim Bürstenkinn trat ein und rettete die konsternierte Hauptgefreite damit vor einer Antwort.
"Cim! Gut, dass du da bist", Kanndra nahm die Füße vom Tisch und griff nach der Kanne. "Kaffee?"
Der kahle Omnianer winkte ab. "Muss ich wirklich hier sein?", brummte er unleidig und sank auf einen Stuhl. "Hätte das nicht die Hexe machen können?"
Missmutig verzog Kanndra das Gesicht. "Nein", sagte sie kühl, "ich brauche dich. Schließlich bist du Abteilungsleiter."
"Ha!", grinste der Fähnrich böse, "Du willst doch nicht behaupten, meine Vertreterin wäre inkompetent."
"Das habe ich nicht gesagt."
Cim verschränkte die Arme vor der Brust und schloss die Augen leicht, doch unter seinen halbgesenkten Lidern glitzerte es.
Nach und nach trudelten alle Mitglieder von FROG und einige ausgewählte SEALS ein. Die meisten plauderten laut miteinander, gelegentlich ein Auflachen nach einem derben Witz. Es wurde stickig. Tussi riss das Fenster auf, woraufhin sich einige beschwerten, andere demonstrativ die brennend kalte Luft einatmeten.
Kanndra klatschte laut in die Hände. "Nun mal Ruhe, wir haben hier kein Kaffeekränzchen", meinte sie und versuchte dabei, locker zu wirken. Doch mit dem Gedanken an den akuten Fall kehrte auch die Anspannung in ihre Stimme zurück. Tussnelda bemerkte verwundert, dass ihre Schäffin nervös war. Argwöhnisch betrachtete die Quirmianerin Fähnrich Bürstenkinn, der immer noch so tat, als hielte er ein Nickerchen. Konnte er der Grund sein?
"Wir haben es also mit einem Heckenschützen zu tun, der sich vermutlich irgendwo über den Dächern Ankh-Morporks zu verschanzen pflegt ", mit dieser kleinen Eröffnung fand Kanndra wieder in die gewohnte Sicherheit zurück. Nicht nur Tussnelda, auch die anderen Anwesenden lauschten mehr oder weniger teilnahmsvoll.
"Laut den Susen jedenfalls. Der Eintrittswinkel des Bolzens ist jeweils zu steil, als dass der Schuss auf dem gleichen Niveau hätte abgegeben werden können. Abgesehen davon, wäre der Schütze dann auch auf die eine oder andere Art bemerkt worden."
"Und wenn er sich irgendwo versteckt hielt?", murmelte der SEALS-Schäff.
"Schwer möglich. Interessanterweise hat der Schütze stets auf voll belebten Straßen zugeschlagen. Sich da zu verstecken..." Kanndra ließ den Satz unvollendet.
"Das spricht stark gegen ein motiviert gewähltes Opfer", warf Tussnelda ein. Als sie aber Nyvs bösen Blick bemerkte, senkte sie den Blick sofort und biss sich leicht auf die Zunge. Das war wirklich nicht nötig gewesen! Sie war keine Püschologin mehr, sie war Armbrustschützin und brauchte von so was keine Ahnung zu haben!
"Da hat die Hauptgefreite recht", stieg Nyvania, die Püschologin der Abteilung, in das Gespräch mit ein. "Ich könnte wetten, dass die Opfer untereinander keine Verbindung haben. Wo ist es denn passiert?"
Kanndra erhob sich und ging zur Stadtkarte.
"Das erste Opfer", sie unterbrach sich kurz und nahm einen gelben Pin zur Hand, "zumindest, das erste, von dem wir wissen, wurde auf dem Henne und Kükenfeld erwischt. Wenn man den Einschußwinkel nimmt, wurde der Schuss mit großer Sicherheit von diesem Haus", sie tippte auf ein kleines Rechteck", abgegeben. Die Anwohner haben natürlich nichts Ungewöhnliches bemerkt. Das zweite Mal hat er bei der Rennbahn zugeschlagen."
"Piekfeine Gegend", brummte der Zwerg Oldas.
"Das letzte Opfer macht die Ausnahme", Kanndra lächelte schwach, "es wurde auf dem Hier-Gibts-Alles-Platz erwischt."
Tussnelda zog die Mundwinkel herunter.
"Jupp", sagte sie, weil sie sich verpflichtet fühlte, etwas zu äußern.
"Die Namen der Opfer stehen in den Akten. Schaut es euch an", fuhr Kanndra fort, nachdem sie kurz einen prüfenden Blick auf von Grantick geworfen hatte.
"Was genau ist jetzt eigentlich dein Plan?", Cim hatte endlich seine vorgeblich entspannte Haltung aufgegeben und war aufgestanden, "oder hast du noch mehr so extrem interessante Fakten?"
"Ein bisschen Geduld", erwiderte Kanndra knapp, "ich komme gleich dazu." Sie steckte zwei weitere Pins zu den entsprechenden Schauplätzen auf der Karte und kehrte dann zurück zum Tisch. Lässig stellte sie ein Bein auf den Stuhl und verschränkte die Arme auf den Knien.
"Wir wissen, dass wir es mit einem Spezialisten zu tun haben. Er verwendet besondere Bolzen und entsprechend die passende Armbrust. Das heißt, nicht nur Überwachung der Straßen und Dächer von Ankh-Morpork", mit einem Seitenblick auf Cim bemerkte sie grinsend: "Zu der ich gleich kommen werde." Sie veränderte leicht ihre Position um ihre Kaffeetasse zu erreichen und fuhr erst fort, nachdem sie einen bedeutungsschwangeren Schluck genommen hatte.
"Latschenarbeit steht also auf dem Programm. Cim, ich möchte, dass deine Informantenkontakter und Szenekenner sich bei den einschlägigen Kreisen umhören. Waffengeschäfte, Clubs, Magazine... überall dort können wir den Täter vermuten. Zudem müssen wir herausbekommen, wer diese", sie hob ein kleines Tütchen mit Bolzen, "Bolzen herstellt. Es ist laut Valdimier eine Spezialanfertigung. Das heißt, der Hersteller weiß vermutlich sehr genau, wer sie gekauft hat. Hier ist viel Fingerspitzengefühl gefragt, aber das trau ich uns allen zu." Allgemeines Grinsen erhellte die Runde.
"Nehmt einen Püschologen mit, wenn es euch lieber ist."
Kanndras Blick ging durch die Runde.
"Na schön, warum eigentlich nicht? Von Grantick, mach du das."
Die Hauptgefreite traute sich ein verstimmtes Brummen.
Der Fähnrich gähnte und wackelte wieder ein wenig mit dem Stuhl.
"Neben all dem, und ihr merkt schon, der Fall wird sehr arbeitsintensiv, müssen wir die Straßen besonders überwachen. Wir FROGs werden euch auf euren Streifen begleiten - möglichst unsichtbar, versteht sich. Auch werden wir versuchen, die Dächer zu kontrollieren."
Cim kräuselte die Lippen.
"Ich glaube nicht, dass uns das weiter bringt. Auf die Art und Weise können wir verdammt lange nach dem Kerl suchen."
"Bis uns was Besseres einfällt, machen wir es so."

***


"Die Bullen sind gleich da."
Gregor Zack hielt sich nicht lange mit einer Begrüßung auf. Franz Frettchen war die letzte Nummer auf Strohmanns Liste und brauchte somit nicht freundlich behandelt zu werden. Abgesehen davon fand er den feisten kleinen Mann widerlich. Schweinegesichtig, fettig glänzend, mit allerlei Kinnen versehen, aus denen eitrige Pickel wuchsen. Der Bauch hing unter dem zu kurzem Hemd hervor, unter dem halbgeöffneten Kragen kringelten sich neben blondem Brusthaar auch dutzende Goldkettchen. Und diese Fistelstimme! Er rümpfte die Nase, ließ dann achtlos seine brennende Kippe auf den blank gewienerten Boden fallen und zertrat ihn mit dem Absatz.
"Muss das sein?", Frettchen zog die Mundwinkel unleidig nach unten.
"Schnauze!"
Ohne ein weiteres Wort latschte Gregor durch den leisen Bindfadenvorhang, der das Ladengeschäft von der Werkstatt trennte. Franz schluckte. Es gefiel ihm nicht sonderlich von Zack überwacht zu werden auch wenn er andererseits froh war, dass ihn der Kerl vorgewarnt hatte. Er verstand zwar nicht recht, warum diese Schau abgezogen wurde, aber letztlich war es nicht seine Aufgabe, die Befehle von Strohmann zu hinterfragen.
Er griff nach einem bunt gemusterten Staubwedel und begann damit, sorgfältig die ausgestellten Waffen abzustauben, als sich wieder die Türe öffnete.

"Guten Tag", sagten die beiden Wächter unisono.
"Oh, so hoher Besuch?", flötete Franz mit lächerlich hoher Stimme, "Guten Tag die Herren Wächter."
Tussnelda von Grantick räusperte sich vernehmlich.
"Und natürlich sind die Damen ebenfalls willkommen", setzte Frettchen hastig hinzu. "Was führt sie denn hierher? Brauchen sie vielleicht neue Ausrüstung?"
Misstrauisch kniff Tussnelda die Augen zusammen. Der Kerl war viel zu freundlich. Das und die absurde Lächerlichkeit des Staubwedels machten ihn für sie sofort zum Verdächtigen Nummer eins. Und er war nicht überrascht, sie zu sehen. Normalerweise, wenn die Wächter einen Laden aufsuchten wurden die Besitzer, egal ob schuldig oder nicht, nervös, abweisend oder zumindest ausweichend.
"Nein", sagte sie schroff, "Ausrüstung benötigen wir derzeit nicht." Sie lächelte in der Art, die dem suspekten Kerl sagen sollte, dass er sich besser darüber freute. Dann griff sie in ihren kleinen Tornister und zog den Bolzen hervor.
"Das hier kommt ihnen bekannt vor?"
Eifrig nickte der Mann, sein Wabbelkinn wackelte dabei.
"Jaja, kenne ich", summte er eilfertig und hatte -ohne Aufforderung!- schon sein Lieferbuch gezückt, ein abgegriffenes Ledermanuskript, dass fettig glänzte.
"Da haben wir es schon! Lady Elasia von und zu Traunstein und Bergig-Kastel! Eine gute Kundin, zahlt immer pünktlich." Er strahlte die beiden Wächter an und sprachlos beobachteten Tyros und Tussnelda wie ihm dabei Tränen kamen.
"Eh ja. Schön. Ähm...", faselte von Grantick. Das war zuviel für das sorgsam einstudierte Image einer knallharten FROG. Wie konnte sie jemand so offensichtlich hinters Licht führen wollen? Hilfesuchend blickte sie zu Tyros, der ärgerlich seine Haarfarbe zu schwarz änderte.
"Adresse?", zischte er durch die Zähne.
"Henne und Kükenfeld 10 a", flötete Franz glücklich und winkte dann denn Wächtern hinterher, die kopfschüttelnd das Geschäft verließen.
Wie war er doch stolz auf sich! Er hatte ihnen genau die Informationen untergejubelt, wie von Strohmann angewiesen! Vielleicht würde er sogar zur Belohnung auf das Fest eingeladen, wo nur Strohmanns wichtigste Verbindungsmänner aufeinander trafen. Vielleicht würde er ihn sogar Siegbert nennen dürfen!
"Her kommen!", bellte es aus der Werkstatt.
Rasch leistete Frettchen der "Bitte" Folge. Als er den Hinterraum betrat, erwartete ihn der finster drein blickende Gregor.

"Biste eigentlich der größte Volldepp der Scheibe, hä?!", fluchte er und zog aus der Tasche seiner fleckigen Weste eine Zigarette. Er steckte sie rasch an, inhalierte tief und erhob sich dann. Unvermittelt holte er aus und schlug Franz hart ins Gesicht. Frettchen schrie überrascht auf.
"Idiot! Heul doch! Meinste Strohmann freut sich über son dummen Depp, hä?"
Entsetzt hielt sich der Waffenhändler die Wange, auf der sich schon deutlich der Abdruck einer Hand abzeichnete.
"Wieso denn? Was habe ich denn falsch gemacht? Ich sollte sie doch zu der Lady schicken", jammerte er, Tränen liefen ihm übers Gesicht.
"Meinste, die sollten merken, dass der Schäf sie da haben will, hä? Meinste? Na schön, das kannste dem Schäff selber verzählen."
Er packte den Mann am Arm und zerrte ihn -unter sichtlicher Anstrengung keuchend- aus dem Hinterausgang.

***


Die lang gezogene Gebäudefront bestand ursprünglich aus drei eng beieinander stehenden Häusern, die vor nur wenigen Monaten durch Putz und Anstrich gewaltsam miteinander verschmolzen worden waren. Tussnelda stand allein vor dem kunstvollen schmiedeeisernen Tor. Tyros war zu einem anderen Einsatz gerufen worden und ganz abgesehen davon, gleichwohl sie seine Gesellschaft zu schätzen gelernt hatte, machte solche Ermittlungsarbeit für einen GiGa keinen Sinn. Zumindest hatte Kanndra das per Taube mitgeteilt und angekündigt, dass RUM jemand schicken würde, um Tussnelda zu unterstützen.
"Werde Armbrustschützin. Nie mehr Ermittlung. Nie mehr püschologischen Mist. Pah!", grummelte Tussnelda und verschränkte die Arme vor der Brust. Für einen Augusttag war es empfindlich kühl, der Wind fegte in bester Frühjahrsmanier über den Platz.
Da erspähte sie Ayu, die sich bedächtig mit wehendem Haar näherte.
"Hallo", sagte sie schlicht.
"Tach", erwiderte Tussi. Ayu war schon immer von der eher ruhigeren Art gewesen und sie war heute dankbar drum. Immerhin hätte auch Kathio kommen können.
Gemeinsam traten sie näher an die vergitterte Einfahrt heran und Tussi zog an dem großen Griff, der an einer Kette hängend, aus der Mauer herausragte. Im Innenhof hörten sie das eilige Schaben scharfer Krallen, die zum Tor gewetzt kamen. Zwei große, schlanke Wachhunde hielten mit gefletschten Kiefern und lang gezogenem Grollen dicht hinter den schwarzen Stäben und ließen die beiden Wächterinnen nicht mehr aus den Augen.
Eine Tür klappte und es erschien ein kräftiger aber nicht besonders groß gebauter Mann hinter dem Tor und betrachtete sie mit einem verächtlichen Blick von Kopf bis Fuß. Sein gebundenes Halstuch war fleckig, die Weste stand ihm offen und aus dem Mundwinkel hing ein glimmender Zigarettenstummel.
"Was wollt ihr, Weiber?"
Tussi vermutete, dass dieser Matscho vielleicht für ihre Kollegin schwer zu handhaben sein könnte und erbarmte sich daher, indem sie selbst dieses Gespräch übernahm.
"Wir wollen zu Lady Elasia von und zu Traunstein und Bergig-Kastel ", erwiderte sie knapp.
Der Kerl stemmte seine Arme in die Hüften, wodurch seine Oberarmmuskeln prächtig zur Geltung kamen.
"Was wollt ihr von der Lady, hä? Könnte ja jeder dahergelaufene Bulle reinkommen!"
"Wir haben einige sehr dringende Fragen an die Lady. Und ich denke, das Aufsehen, dass durch einen etwas", Tussi lächelte ein, wie sie meinte listiges Lächeln, "wäre der Ladyschaft nicht sonderlich angenehm. Bitte melde uns! Umso schneller wir hinein dürfen, desto schneller sind wir auch wieder weg."
Der Laufbursche legte seinen Kopf leicht nach hinten, um einen großen Rauchring in die Luft zu pusten. Dabei breitete sich ein unangenehmes Lächeln auf seinem glatt rasierten Gesicht aus.
"Aha. So so. Lady von und zu und weiter nach Traunstein persönlich also." Er klemmte den Stummel wieder in seinen Mundwinkel und reckte ihnen das Kinn entgegen.
"Die Lady mag ihre Ruhe. Geht es um jemanden vom Personal? Personalfragen gehen ja wohl eher das Personal was an, oder? Also raus damit! Um wen geht's? Ich bin hier so was von zuständig, das glaubst Du gar nicht, Kleine!"
Die jüngere Wächterin hatte den Schlagabtausch stillschweigend beobachtet und wartete nun auf die hoffentlich professionelle Reaktion ihrer Kollegin.
"Nein, wir möchten mit Lady Elasia persönlich..."
"Tja, das nenn ich Pech." Mit einem höhnischen Grinsen drehte er sich um und ging zur Innenhoftür zurück.
"Die ist nicht daheim." Das über die Schulter geworfene Zwinkern konnte man nur als dreckig bezeichnen. "Und für euch Süßen wird sie es wohl auch nie sein."

***


"Absolute Frechheit", schimpfte von Grantick. Ayu zuckte nur mit den Schultern.
"Wenn die nichts zu verstecken hat, verstehe ich nicht, warum sie so einen Zinnober macht. Warum hat man uns nicht zu ihr vorgelassen?"
Ayu zuckte wieder nur mit den Schultern.
"Vielleicht war es gerade ungünstig für sie?", meinte die Ermittlerin nur. "Ich prüfe mal die Aktenlage, eventuell haben wir schon was über sie."
"Ja, äh mach das. Ich schreib mal den Bericht, dann kann die Schäffin entscheiden, ob sie das Haus observieren lassen will."
Mit einem Nicken ging Ayu ab, Tussi machte sich auf den Weg in ihr Büro. Sie war müde und fühlte sich irgendwie abgekämpft. Die ganze letzte Zeit machte ihr mehr als schwer zu schaffen, ernsthaft zweifelte sie, ob sie überhaupt irgendeine Eignung für das Wacheleben besaß. Der versaute Püschologen-Tschob. Die immer noch nicht beendete Ausbildung zum Armbrustschützen. Die Fälle, die sie versaut hatte. Die Toten, die auf ihr Konto gingen.
Mit dem Fuß kickte sie die Türe auf und ließ sich schwer in ihren Stuhl plumpsen. Der Wunsch, mit dem Kopf auf die Schreibtischplatte zu stoßen, war plötzlich übermächtig. Da erblickte sie einen Umschlag.

Sehr geehrtes Fräulein von Grantick,
wir haben länger nichts voneinander gehört, nicht wahr? Ich bedauere zutiefst, dass Sie so wenig Muße fanden, sich näher mit meiner Person zu befassen. Hatte ich Ihnen doch extra ein paar Gelegenheiten hierfür eingeräumt. Offenbar halten Sie es, wertes Fräulein, neuerdings mehr mit der familiären Tradition als bisher gesehen. Selbstverständlich werden Sie verstehen, dass ich dies nicht tolerieren kann. Deshalb hatte ich einige Arrangements getroffen, die ja zur Genüge Ihre geschätzte Aufmerksamkeit beanspruchten. Es gefiel mir sehr zu sehen, dass die junge Dame direkt in ihre Arme lief - ein Detail, das zu planen so gut wie unmöglich war. Welch Erfolg, Ihr überraschtes Gesicht beobachten zu dürfen!
Oh, verzeihen Sie, liebste Tussnelda. Für Sie war es wohl nicht ganz so angenehm. Und sicherlich wollen Sie vermeiden, dass derlei wiederum geschieht, nicht wahr? Sicherlich erinnern Sie sich noch lebhaft an das hübsche Paar Schuhe, dass ich Ihnen hinterließ? Fanden Sie bereits heraus, wem es gehört? Ich darf Ihnen versichern, der Eigentümer kann es gar nicht erwarten Sie hier bei mir zu sehen. Diskretion ist hier allerdings obere Spielart, daher bitte ich Sie in aller Form, dieses Mal alleine zu erscheinen. Keine charmante Begleitung also, wenn Sie an meine Türe klopfen, einverstanden?
Hochachtungsvoll,

Ein Freund


Tussnelda von Grantick knüllte das Papier zusammen. Das konnte doch nicht wahr sein! Hastig griff sie nach ihrer Armbrust und stürmte aus dem Büro. Das Gefühl, keine Sekunde mehr Zeit zu haben war so stark, so übermächtig, dass sie kaum atmen konnte.

***


Das schmiedeeiserne Tor stand offen. Zwei Hunde lagen davor, es sah aus, als schliefen sie. Das taten sie natürlich nicht. Jemand hatte ihnen die Bäuche aufgeschlitzt, einfach so. Regen setzte ein. Tussi lief schneller. Die Haustüre war offen. Sie rannte rein. Stoppte unwillkürlich in der Empfangshalle.

Das große Entre bot viel Platz für den Stuhlkreis, den jemand gebildet hatte. Insgesamt 12 Stühle standen dort, alle aus feinem Kirschholz geschnitzt mit rotem Plüschpolster versehen. Es roch nach Pfeifenqualm und alten Leuten in dieser Halle, das unvermeidliche Ticken einer Standuhr zerschnitt die Stille in handliche Sekunden. Sieben der Stühle waren besetzt, mit kerzengeradem Rücken saß ein jeder an seinem Platz und tat keinen Mucks. Tussnelda keuchte und holte ihre Armbrust hervor. Vorsichtig, Schritt für Schritt näherte sie sich der Versammlung.
"Stadtwache Ankh-Morpork", sagte sie, "Bitte stehen Sie alle ganz langsam auf. Die Hände nach oben, damit ich sie sehen kann."
Der Wind pfiff immer noch, irgendwo knallte eine Tür.
"Stadtwache Ankh-Morpork", wiederholte sie, wie eine Beschwörung. Nun stand sie direkt am Stuhlkreis, blickte in die Runde, immer wieder sausten ihre Augen hin und her. Da saß ein Dienstmädchen, ein Koch, ein Gärtner, eine ältere Gouvernante, ein junger Mann in feinem Zwirn, ein Mädchen mit der Uniform-Jacke von FROG. Tussnelda sah ganz klar vor sich, mit überdreht scharfer Kontur die Bolzen, die in der Stirn steckte. Ganz deutlich, eine Spezialanfertigung.
"Ich wünschte, ich könnte", flüsterte sie zusammenhanglos. Jeder dieser Leute war tot. Kleine Blutrinnsale hatten sich unter den Stühlen gebildet, sie selbst mittendrin. Die Blicke der sieben kreuzten sich. Sie selbst mittendrin.
Tussi ließ die Armbrust zu Boden poltern und verbarg das Gesicht in den Händen, ihr Herz krampfte sich schmerzhaft zusammen. Langsam, unendlich langsam atmete sie aus und schüttelte den Kopf.
"Von Grantick", las sie, weil es auf dem Schild der FROG-Uniform stand. Ein Zettel war dem Mädchen zwischen die Zähne geschoben worden, so dass es aussah, als strecke sie ihr noch im Tod die Zunge heraus.
Tussi las ihn.

Sehr geehrtes Fräulein von Grantick,
Sie wissen die Zeichen einfach nicht zu deuten. Sie enttäuschen mich außerordentlich mit ihrer Unfähigkeit, auch nur ein einfaches Verbrechen aufzuklären. Zwingen Sie mich nicht, noch weiter zu gehen! Ich erwarte nun endlich eine gebührende Antwort auf all dies.

Hoffnungsvoll,

Ein Freund


Des Stückes dritter Teil: Dein Haus ist Mein.

Ankh-Morpork, im Februar 2007 (dieser Teil spielt direkt nach der Mission "Uhrwerk Grün" von Kathiopeja)

Tussnelda hatte Kanndras Befehl gerne befolgt. Sie war todesmüde. Wieder hatte sie versagt, versagt, als sich ihre Kollegen auf sie verließen. Hätte sie das Werwolfmädchen mit der Armbrust doch nur treffen können. Doch sie hasste die Waffe an ihrer Seite. Sie hasste sie. Es widerte sie an, sie im Dienst zur Hand zu nehmen, auch wenn sie sich alle Mühe gab, niemanden etwas merken zu lassen. Kathio war so verdammt aufmerksam.
Sie hatte aufgehört zu trainieren, sie wollte nicht mehr. Es gab keinen Sinn mehr darin. Nur wieder und wieder spielten die Fragen ein Hasch-Mich-Spielchen in ihrem Kopf. Ja, die Fälle waren für die anderen abgeschlossen. Ja, es hatte Fragen gegeben. Fragen ohne echte Antworten. Irgendwann vergaßen es die Anderen. Nur sie, Tussi, sie konnte nicht vergessen. Sie wollte nicht vergessen. Zuviel, das auf ihr Konto ging. Zuviel, das sie nicht verhindert hatte. Sie hasste sich dafür.

Nun trottete sie langsam in den Schlafsaal. Oft hatte sie in den letzten Monaten hier geschlafen, um nicht "nachhause" gehen zu müssen. Wer hätte sie dort erwartet? Ein Freund?
Es machte sie ganz elend, dass sie nicht mal mit Kathio darüber sprechen konnte. Aber die wieder auferstandene Freundschaft war ihr zu kostbar, um sie mit ihren Problemen zu überladen. Immerhin hatte Kathi auch noch die Beziehung zu Jack. Nein, es kam nicht in Frage.
Matt ließ sie sich auf die Pritsche sinken, ihr Blick ging im Dämmerlicht zur Decke. Träge ließ sie ihre Augen schweifen, als ihr eine Unregelmäßigkeit auffiel.
Sie schreckte auf. Ein vertrauter, inzwischen viel zu vertrauter Anblick. Ein Brief hing unter der Decke und lachte sie aus.

***


Ankh-Morpork, im September 2011

Natürlich war Kathiopeja damals die Erste gewesen, der es auffiel. Tussnelda von Grantick war nicht mehr zum Dienst erschienen. Am Anfang fiel es ihr noch leicht zu glauben, Tussi hätte einfach nur eine Auszeit gebraucht. Irgendwann aber war es nötig geworden, aktiv zu werden. Sie war zur Falltürenfabrik gegangen, um zunächst dort nach ihr zu sehen. Allerdings fand sie dort nicht Tussi - nur die unfreiwillige Feuerwehr von Ankh-Morpork, die bedächtig zusah, wie das gesamte Gebäude verbrannte. Es sei niemand darin, hatte man ihr versichert, trotzdem war sie einer Panik nah gewesen.

Dann hatte sie einen Brief an die Familie geschrieben, um sich nach der Freundin zu erkundigen. Sie hatte keine Antwort erhalten. Erst eine Klacker-Nachricht zur Wache in Quirm hatte ergeben - das Familienanwesen sei abgebrannt, niemand habe das Feuer überlebt.

Kathiopeja seufzte. Diese Nachricht hatte sie heute erreicht, vor genau vier Jahren. Seit vier Jahren holte sie die Akte jedes Jahr hervor. "Tussnelda von Grantick", stand darauf. Es war eine von den guten, aus echtem Leder und nicht aus Pappe, wie die normalen Fälle. Kathiopeja hatte alles rein gepackt, dass sie in einem Zusammenhang mit Tussis Verschwinden brachte. Jedes Jahr versuchte sie, Klarheit in das Faktengewirr zu bringen. Immerhin war sie früher mal Ermittlerin gewesen. Immer wieder staunte sie darüber, wie wenig sie von der ganzen Geschichte damals tatsächlich mitbekommen hatte. Einerseits hatte sie ein schlechtes Gewissen - andererseits, damals hatten sie viel gestritten. Auch heute kam sie nicht wirklich weiter, die wichtigste Aussage fehlte schließlich.
Es klopfte.
"Immer rein", erwiderte sie.
Sillybos trat ein und entgegen seiner sonst so gemütlichen Art, schien er heute fast schon ein wenig aufgeregt.
"Komm mal rüber zum Tresen. Du wirst es nicht glauben, was ich mitbekommen habe."
"Immer mit der Ruhe."
Sillybos winkte ab und verließ ihr Büro wieder.
"Was ist denn in den...?"
Natürlich konnte Kathiopeja ihre ihr angeborene Neugierde nicht überwinden. Rasch stand sie auf und machte sich auf zum Tresen.

***


Und da saß sie. Das Haar viel kürzer als früher, das Gesicht so schmal, das es ausgemergelt wirkte. Die großen grauen Augen sahen sich gelegentlich argwöhnisch um, ansonsten saß die Frau still vor dem jungen Wächter, der vor ihr gestikulierte.
"Lass mal Rekrut, ich kümmer mich da drum", sagte sie und schob den Jungen beiseite.
"Aber sie hat-"
"Sie ist eine von uns, klar?"
Kathiopeja ging vor der Gefangenen in die Hocke.
"Hallo Tussi", sagte sie.
Die Augenbrauen der Anderen schnellten in die Höhe.
"Ich habe nichts gemacht. Es gibt keinen Grund unhöflich zu werden", sagte Tussi.
Kathio schmunzelte.
"Hör mal, das ist natürlich eine ganz schöne Kiste, nach genau vier Jahren hier aufzutauchen und so zu tun, als wäre nichts gewesen. Was hast du mit den Rekruten gemacht, dass die dich festgesetzt haben? Und wo hast du dich die letzten Jahre rum getrieben? Na ja, jetzt komm, trinken wir erst mal einen Kaffee."
"Ich will keinen Kaffee."
"Schon gut. Trink ich eben einen mehr. Kannst ja deine Lakritze essen."
"Ich will keine Lakritze."
"Mensch Tussi, eine Umarmung nach so vielen Jahren wäre schon drin!" Kathiopeja erhob sich mit leicht verstimmter Miene. "Hast du überhaupt eine Ahnung, was für Sorgen ich mir gemacht hab? Wohl kaum! Weißt du, wie sauer Kanndra war, als du einfach so abgezischt bist? Du kannst dich wohl noch auf Verfahren gefasst machen - aber egal. Zum Glück bist du gesund."
"Die kann sich noch wegen ganz anderer Sachen auf was gefasst machen. Wenn die Gilde mitkriegt...", mischte sich da der Rekrut ein, der sich zuvor mit Tussnelda von Grantick befasst hatte.
"Mensch, Rekrut halt den Schnabel", murmelte da Tussnelda und wandte sich dann an Kathio, "Kannst du ihm nicht irgendwas befehlen? Tütensuppe kochen, oder so?"
Kathio winkte den grummelnden Rekruten hinter den Tresen und wandte sich dann wieder an die alte Freundin. Das Wiedersehen hatte sie sich anders vorgestellt, irgendwie herzlicher.
"Kann ich was zu trinken haben? Und ein Bett?"
"Was zu trinken? Ein Bett?"
"Eine Pritsche tut es auch. Und etwas Wasser. Völlig in Ordnung."
"Findest du das alles nicht ein bisschen sehr - naja, wir sollten uns doch in den Armen liegen und heulen, und dann hüpfen und naja, vielleicht sollte auch irgendwas explodieren? Ist das nicht so alles ein bisschen - unspektakulär?"
Tussnelda zuckte die Schultern.
"Hm. Würde es dir helfen, wenn ich dir freundschaftlich auf die Schulter klopfe?"
Kathios Gesicht erhellte sich.
"Klar, das wäre großartig!"
"Dann mach mir doch bitte die Handschellen auf."

[1] siehe Single-Mission: Blutiger Schnee

[2] siehe S-Mission: "Blutiger Schnee"

[3] siehe L-Mission: "Loked Away"




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Feedback:

Von Cim Bürstenkinn

15.10.2011

Hi Tussi,

ich mag Deine Sprache! Die Geschichte ist spannend und der Cliffhanger am Schluss wird hoffentlich bald aufgelöst!
Was ich empfehlen würde: Verwende keinen anonymen Wächter. Du hast ein paar mal "Wächter der Aufsicht hatte" oder der Rekut der dich am Tresen festgehalten hat.
Ich würde da überlegen , wer von der Truppe am besten dazu passt.

Finally: Super, dass Du auch wieder da bist :-D

Von Ophelia Ziegenberger

15.10.2011

Willkommen zurück! ^^ Nach dieser Single kann man das wirklich von Herzen sagen. Sehr schöne Zusammenfassung der Ereignisse, in einer Art und Weise rübergebracht, die viel von Film Noir hat. Tussi war mir beim Lesen sofort wieder präsent, als wenn Du nie gegangen wärest. Selbst ihre veränderte Art passt gut zu dem frühreren Bild, das ist irgendwie folgerichtig von der Entwicklung her.

Das einzige Manko der Single taucht gleich im ersten Abschnitt auf, wenn die Wächterinnen sich mit "Polizei" vorstellen - das geht gar nicht und das dürftest Du auch noch erahnen. ;-)

Nebenbei kam mir die Szene vor dem Anwesen der angeblichen Adligen extreeeeeeem vertraut vor. Kann es sein, dass mir das irgend etwas sagen sollte? Außer, dass Du meine Single zwischenzeitlich gelesen hast. *g*

Ich freue mich auf die nächste Geschichte mit Tussnelda!

Von Ruppert ag LochMoloch

17.10.2011

Ich glaube nicht, dass ich viel verstanden habe ... aber ich freue mich, dass Du zurück bist!

Von Ophelia Ziegenberger

23.10.2011 20:15

Ach, Cim... es geht hier um [i]mein [/i]Feedback. Das ist logischerweise subjektiv, wozu ich auch stehe.



Als Erwiderung darauf eine Zitateaufzählung von jemandem Dritten "um die Ohren geschlagen" zu bekommen, kommt unangemessen belehrend rüber. Nicht schön.



Zudem bin ich davon ausgegangen - und tue es auch noch immer - dass Tussie meinen gutmeinenden Hinweis in der positiven Weise auffasst, in der ich ihn formulierte. Ich habe da genug Vertrauen in unsere gemeinsame Zeit, dass sie meinem ungewöhnlich direkten Tonfall das Augenzwinkern anhören konnte. :wink:

Von Kannichgut Zwiebel

23.10.2011 22:56

[quote="Ophelia Ziegenberger"]eine Zitateaufzählung von jemandem Dritten[/quote]

Da ich in meiner Single in Arbeit auch das Wort "Polizisten" verwende: Es sind ja nicht[i] irgend[/i] jemandes Zitate, sondern welche aus Terrys Büchern. Im Deutschen werden die [i]policemen[/i] auch mit [i]Polizisten[/i] übersetzt. Also geht das in Ordnung. Wäre schade, wenn es wegen "von Terry abgesegneter Sachen" Punktabzug gäbe. ;)

Von Ophelia Ziegenberger

24.10.2011 09:18

Das "jemand Dritten" bezog sich auf Cim. Da sich mein Feedback an Tussie richtete, laufen 'Kommentare zu den Kommentaren' für mich unter dritter Partei. Ich schreibe mein Feedback schließlich für den Autor der Single, nicht für den Rest der Wache. Und natürlich kann dabei auch mal eine persönliche Ebene einfließen, bei der ich eben davon ausgehe, dass der Autor "schon wissen wird, wie ich das meine", weil er oder sie sich dabei dann eben auch meine Mimik vergegenwärtigen wird.



Ich halte niemanden davon ab, den Begriff Polizist zu verwenden. Wie gesagt geht es um mein persönliches Empfinden mit Bezug zu einem eindeutig phantastischem/mittelalterlichem Setting und das wird sich auch dann nicht ändern, wenn Du den Begriff in deiner Single nutzt. ;-) Einen Punkteabzug wegen so einer Winzigkeit in meiner Wertung zu vermuten finde ich überraschend. Hätte ich jetzt nicht wirklich gedacht, dass Du mir so eine Pingelichkeit zutraust. Da kann ich Dich auf jeden Fall beruhigen. :)



Wobei es mir tatsächlich relativ schnuppe ist, was Pratchett hierzu oder dazu sagen würde. Er hat den Rahmen geschrieben aber wir bewegen uns eh längst in anderen Sphären. Für mich ist das Gesamtkonzept, die inhaltliche und athmosphärische Stimmigkeit der vorliegenden, jeweiligen Single ausschlaggebend. Eine Ausnahme mache ich da bis zu einem gewissen Grad nur in Hinblick darauf, ob eine Geschichte noch auf die Scheibenwelt passt - oder ob sie schon völlig außen vor steht bzw. stehen könnte. Nur mal zur Erklärung dessen, was mich zu dem Feedback veranlasste.

Von Tussnelda von Grantick

10.11.2011 20:21

So, wenn auch verspätet, hier mein Kommentar:





Ich muss wirklich lernen, die Geschichte mehr für den Leser als für mich zu schreiben - ist ja nicht im Sinne des Erfinders, Ruppert, wenn der Leser keine Chance hat, dem was ich schreibe, zu folgen. Ist immer gefährlich, wenn ich auf einen Soundtrack schreiben (diesmal war es Inception) - und daher wohl der Noir-Tusch, der mir selbst gar nicht so auffiel.



Ich möchte kurz auf die Entstehungsgeschichte der Geschichte eingehen, Ophelia ist zu recht eine Unregelmässigkeit aufgefallen. Ich kann sie mir technisch nicht weiter erklären, außer einer seeehr dunklen Erinnerung, dass wir mal zusammen etwas entworfen haben - kann das sein? Ich bin nämlich Deine letzten Singles durchgegangen und bin dort auf den Namen Karakost gestoßen und auf Haken! Da klingelt etwas sachte, gaaanz leise vertraut.



Zurück zum Thema*gg*. Schon damals, also vor meinem Ausstieg wollte ich die Rückkehr des Herrn Jedermann schreiben. Es gab einige Fragmente und Teilüberlegungen, die einfliessen sollten. In meiner Datei sind die Seiten 1-5, 7-9 und 12-14 zum ersten Mal vor 3-4 Jahren geschrieben worden. Um und in diesen Seiten herum habe ich dann den Rest der Geschichte geschrieben, hier und da was verändert und fertig. Ich vermute, dass es deswegen zu dieser Kollision kam - was natürlich Schrott ist und mir nicht so bewusst war.



Was lernen wir daraus? Nicht alles aufheben. Nicht zu sehr an den Dingen hängen.

Und unbedingt Ophelias Singles lesen;-)) (Wobei das generell eine gute Idee ist.)



Und jaaaa... der wachhabende Tresenkerl war überhaupt nicht mehr liebevoll ausgesucht. Mir ist später auch aufgefallen, wie flach und unkonzentriert ich die geschrieben habe - voll fixiiert auf dieses finale Ziel. Noch mehr hat mich nur geärgert, dass ich nicht bei meiner Zahlsymbolik blieb, dass ich in einer Szene zwischen August und Februar wechselte und das die Titel in der Perspektive gewechselt haben (nämlich von Tussi zu Jedermann ohne sonstige perspektivische Veränderung oder haltgebenden Dialog zwischen den Szenen, äh, ja...).



Ende...

Von Ophelia Ziegenberger

10.11.2011 21:13

:D Also "zusammen entworfen" hatten wir die Szene nicht. Ich habe sie ganz regulär für meine Karakost-Single geschrieben. Es kann höchstens sein, dass Du sie Dir damals vielleicht in deine Arbeitsdatei kopiert hattest, weil sie Dir gefiel und Du sie parodieren wolltest? Würde ich jetzt einfach mal drauf tippen, denn sie ist wirklich eins zu eins die gleiche Szene, nur mit einer ausgetauschten Figur. Sogar die Gestiken und der Dialog der Beteiligten ist der gleiche. Wie gesagt, ich würde vermuten, dass Du sie damals in ein anderes setting übertragen wolltest und es dann vielleicht vergessen hast - das würde zu unserer albernen Stimmung damals gut gepasst haben. :wink: Ansonsten fand ich das jetzt einfach nur sehr überraschend, weil eben unangekündigt, und amüsant. :D

Von Tussnelda von Grantick

12.11.2011 10:22

Das ist das Problem mit dem Alter - man vergisst irgendwie alles*gg* Neulich im Bewerbungsgespräch hatte ich sogar vergessen, dass ich mir mal mit Maggie ein Büro geteilt hatte.



Als dann Asche über das graue Haupt!;-))

Von Magane

12.11.2011 13:24

Herzchen, ich hätt auch nicht mehr dran gedacht, wenn du nicht in bewusster Single R(a)UM 5 erwähnt hättest. Jetzt überleg ich grad fieberhaft, wer denn neben Kathi, dir und mir die vierte war. Wir werden alle alt, und das ist alles sooo lange her ;)

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