Ein Serienkiller treibt sein Unwesen in Ankh-Morpork - und er hat es ausgerechnet auf Kannichs Schützlinge abgesehen. (Wichtelgeschichte)
Dafür vergebene Note: 13
Der Kommandeur ging zielstrebig durch die Straßen der Stadt, und Bruno folge ihm in einigem Abstand. Er wusste, dass Araghast Breguyar die drittwichtigste Person dieser Truppe war - gleich nach Rogi Feinstich und Bruder Laudes. Er hatte sich freiwillig für die Verfolgund gemeldet - normalerweise war ein solches Verhalten ein Fauxpas, beinahe schon ein Vertrauensbruch; aber es ging nicht anders, sie mussten wissen, wie es weitergehen würde.
Der Wächter mit der Augenklappe - Bruno fand, dass man ihm irgendwann einmal ein steinernes Standbild setzen sollte, das hätte ihm gefallen - war in einem moderaten Schritttempo unterwegs und bog nun in eine Seitengasse ab. Bruno folgte ihm ohne zu zögern. Araghast würde ihn schon nicht bemerken, und selbst wenn doch, nur als bloße Randnotiz im Großstadtdschungel wahrnehmen. Bruno mochte Dschungel, die klungen nach Abenteuer und leckeren Essen. Leckeres Essen mochte er sogar noch mehr.
Der Kommandeur betrat durch die Tür ein Gebäude. Es war einer dieser unsäglichen klappernden Türme. Bruno umkreiste das Terrain mehrmals, beobachtete den Kommandeur ganz genau und stellte dann fest, dass es wohl etwas länger dauern würde. Schließlich entschied er sich, Horchposten auf einem Fensterbrett zu beziehen.
"Hauptgefreiter Zwiebel?", fragte Araghast in einem scharfen Tonfall, woraufhin der Kommunikationsexperte von seinem Arbeitsplatz, eben noch völlig in seine Unterlagen vertieft, aufschreckte. Breguyar ließ seinen Blick in dem Zimmer umherschweifen. Es war schmutzig, seit Monaten schon schien keiner mehr gefegt zu haben und ob der Boden auch nur einmal im letzten Jahrzehnt einen Mopp gesehen hatte, war mehr als fragwürdig. Überall lagen alte Pizzaschachteln herum und ihn beschlichen Zweifel, ob die kleinen schwarzen Stücke, die er darin liegen sah, allesamt nur übriggelassene Oliven und verkohlte Randreste waren.
Das war aber noch gar nichts im Vergleich zu den Bergen an alten Klackermagazinen und den obligatorischen Stapeln an Wacheformularen und Codebüchern, die gefährlich instabil wirkten und wahrscheinlich jeden Statiker kalte Schauer über den Rücken gejagt hätten.
"Öh... ähm... hallo Sir! Womit verdiene ich diesen unangemeldeten Besuch?" Kannich salutierte nervös und schaufelte schnell einen Stuhl frei.
Araghast ließ sich ohne großes Zeremoniell darauf nieder und kam sofort zur Sache: "Wir befinden uns in einer schwierigen Lage, Hauptgefreiter. Dir ist sicher zu Ohren gekommen, dass einige deiner Kollegen tätlich angegriffen wurden."
"Bei mir kommen eigentlich hauptsächlich nur Gerüchte an, Sir", erwiderte Kannich in einen kleinlauten Tonfall. Dann aber straffte er seine Schultern. "Aber so ist das eben, ich arbeite ja gerade an einem Update unseres Klackersystems, das geht nicht, ohne gewisse Prioritäten zu setzen. Ich bin mir sicher, dass ich die Kommunikation der Wache mit einigen kleinen Modifikationen enorm verbessern kann!"
Araghast konnte das strahlende Leuchten in den Augen des jungen Mannes sehen, als der anfing, von Klackern zu erzählen. Kannich wollte eben einen ausführlichen Vortrag mit Hilfe einer Schautafel beginnen, als ihn der Kommandeur unterbrach, bevor er überhaupt richtig anfangen konnte. "Hauptgefreiter in bin hier, weil die betroffenen Wächter die gleiche Spezialisierung haben wie du."
"Wie? Man hat KommExe angegriffen? Aber wie... und wieso? Wir sind doch meistens in unseren Türmen..."
"Du bist meistens in deinem Turm, da gebe ich dir Recht", stellte der Kommandeur fest. "Aber solange du das Minimum an Streifendienst erledigst, ist das noch in Ordnung. Apropos Streifendienst, hiermit bist du für die nächste Zeit offiziell davon befreit."
"Wirklich?!", fragte Kannich und konnte sein Glück kaum fassen. Keine Streife! Konnte der Tag überhaupt noch schöner werden?
"Ich will, dass du Bruder Laudes und Rogi Feinstich vertrittst."
"Mein Klacker und ich sind allzeit bereit, Sir!", erwiderte Kannich nicht ohne Stolz und salutierte zackig.
Der Kommandeur schüttelte den Kopf. "Nein. Du sollst für sie bei den Taubenschlägen einspringen."
"Oh..." Nun war Kannich sichtlich enttäuscht und begann unbewusst auf seine Füße zu starren.
"Du wirst diese Aufgabe zu meiner Zufriedenheit erfüllen", stellte Araghast fest und erhob sich. "Weitere Informationen und Anweisungen wirst du im Hauptwachhaus von den Kollegen erhalten. Bis dahin solltest du noch genügend Zeit haben, alles Notwendige hier aus deinem Müllhaufen zusammen zu suchen. Hier sieht es ja aus wie in der Pathologie, bevor Saugi einzog! Außerdem solltest du mal wieder lüften!
[1]."
"Natürlich, Sir..."
Der Kommunikatonsexperte schlängelte sich durch seine Papiertürme hindurch zum Fenster und öffnete es weit. Aber erst, nachdem er die dicke Taube verscheucht hatte, die sich draußen niedergelassen hatte.
Einige Wochen zuvorSie ließ ihren Blick über die versammelten Personen schweifen und lächelte auf die klassisch unbedrohliche Weise, die man ihr auf der Schule gelehrt hatte.
"Willkommen, meine Herrschaften", begrüßte sie die Anwesenden, "Ich freue mich sehr, dass sie meiner Einladung zu der Präsentation gefolgt sind und möchte Ihnen nun in aller Ausführlichkeit das Geschäft, dass ich Ihnen anbieten möchte, erläutern."
Stille brandete ihr entgegen, doch sie scherte sich nicht darum, denn sie wusste, dass ihre zukünftigen Kunden in den Alabastersesseln nicht von der gesprächigen Sorte waren.
Ruhig ging sie zu dem wuchtigen Schreibtisch ihres Vaters, auf den sie eine kleine Staffelei aufgestellt hatte, zog eine Leinwand unter den Tisch hervor und platzierte sie so, dass die Anwesenden einen guten Blick auf sie hatten. Dann griff sie einen Zeichenstock und räusperte sich vehement. "Dies ist, wie man unschwer erkennen kann, eine gewöhnliche Taube", erklärte sie ruhig und begann dann mit dem Zeichenstab die einzelnen Teile der Darstellung anzutippen.
"Hier ist der Taubenbürzel, berühmt für seine hervorragende Konsistenz, hier die Flügel, die sich durch besondere Fleischigkeit auszeichnen, dort der Schnabel, die Delikatesse unter den Delikatessen."
Zunehmend unruhiger wurde das Publikum, doch sie lächelte nur. Es lief genau nach Plan, sie hatte ihr Klientel genau richtig eingeschätzt.
Sie nahm sich eine zweite Leinwand und tauschte sie gegen die erste aus. "Hier sehen wir die gewöhnliche Ankh-Morpork-Taube. Wie man unschwer erkennen kann, handelt es sich um ein typisches Exemplar, voller Krankheiten und Seuchen, aber dafür ohne jeden Geschmack."
Zustimmendes Gemurmel und genervtes Gebrumme erhob sich im Publikum.
"Wie jeder der Anwesenden weiß, ist es schwierig, in dieser Stadt Tauben zu finden, die den hohen kulinarischen Ansprüchen der heutigen Küche entsprechen. Aber wie wir alle wissen, gibt es selbst hier den einen oder anderen Leckerbissen zu finden, denn nicht jede Taube ist durch die Umstände genötigt, ständig über dem Ankh zu kreisen."
Sie ersetzte die Leinwand erneut. "Hier sehen Sie eine naturgetreue Abbildung einer Brieftaube. Einer echten Arbeitstaube, die tagtäglich ihre Runden zieht. Schauen sie ganz genau hin, meine Herren, wäre dies nicht genau das, wonach sie sich sehnen?"
Sie konnte hingerissenes Gegurgel der Anwesenden vernehmen. Gut so.
"Es ist unbestritten, dass die Stadtwache von Ankh-Morpork die leckersten Tauben der Stadt hat. Es ist auch unbestritten, dass es sich um die klügsten Tauben handelt, schließlich weiß jeder wahre Fan, dass man vor Jahren die Zucht mit einigen bei den
Mobilien heimischen Tauben begann. Das hat für die Wache nicht nur den Vorteil, dass die Tiere ausgesprochen intelligent sind und auf einige Kommandos reagieren können, sondern auch, dass sie sich, im Gegensatz zu anderen schnöden Stadttauben, am thaumischen Feld der Stadt so gut orientieren können, dass sie Personen finden können, und nicht, wie gewöhnliche Brieftauben, nur zurück in den eigenen Schlag finden. Für euch hat es den Nachteil, dass sie euch frühzeitig bemerken, und ihr nicht einfach in einem unbemerkten Moment zuschnappen könnt, weil sie sich einfach nicht in eure Nähe trauen. So ginge es auch jedem Nicht-Wasserspeier-Jäger, denn wenn ihm auch nur eine Taube entkäme, würde das Vieh seinen kompletten Schlag warnen."
Sie ließ den Zeigestock wieder sinken und lächelte charmant.
"Da's 'issen 'ir doch schon längst alle", erhob einer der Wasserspeier die Stimme. "'as soll das denn hier? 'ieso hagen Sie uns hierher eingeladen?"
"Aus einem ganz einfachen Grund", erwiderte sie. "Weil ich eine Möglichkeit habe, Ihnen diese Tauben zu beschaffen. Lebend, versteht sich. Natürlich erwarte ich eine entsprechende monetäre Gegenleistung dafür, aber ich bin mir sicher, dass Sie Mittel und Wege haben um an das nötige Kleingeld zu kommen."
Sie nahm ein Dokument vom Schreibtisch und zeigte es den Wasserspeiern. "Und das schönste ist, dass ich hier völlig legal vorgehe, da ich eine offizielle Genehmigung der Stadtverwaltung und der Assassinengilde dafür habe, Tauben zu fangen und töten, um - ich zitiere - "Der Seuchengefahr und Denkmalbeschmutzung Einhalt zu gebieten". Ich habe mich tagelang durch alle Gesetzestexte gewühlt und sogar einen Anwalt konsultiert - und nirgends steht, dass ich nur wilde Tauben fangen darf. Solange sie nicht in ihrem Schlag oder einem Käfig sind, gelten alle Tauben als vogelfrei."
Mit diesen Worten zog sie einen Stapel Visitenkarten aus ihrer Rocktasche und begann, sie an die Wasserspeier zu verteilen. "Wenn Sie also Interesse an einer Taube haben, die Ihnen das Regenwasser im Maul zusammen laufen lässt, dann finden sie hier Zeit und Ort, an dem ich eine große Auktion zu veranstalten gedenke. Dort können sie die feinsten Tauben nicht nur betrachten und begutachten, sondern auch erwerben."
Sie verneigte sich vor den Wasserspeiern und ging dann zur Tür und öffnete sie; eine wortlose Aufforderung, das Haus nun wieder zu verlassen.
Bruno spreizte seine Federn und setzte zum Landeanflug durch das Fenster zu seinem Heimatschlag an. Er landete mit sichtlicher Eleganz, die man einer Taube seiner Statur gar nicht zugetraut hätte. Dann plusterte er sich wichtigtuerisch auf, um die Aufmerksamkeit seiner Mitvögel zu erregen, nur um dann den Schnabel im Gefieder zu vergraben und der Körperpflege nachzugehen.
"Bruno!", gurrte ihn der Blutige Johnson ungehalten an. "Los, rück schon raus mit der Sprache, was hast du in Erfahrung gebracht?"
Johnson war die älteste Taube im Schlag und jede einzelne der anderen Tauben war in irgendeiner Weise mit ihm verwandt. Er hatte Generationen von Tauben kommen und gehen sehen, aber er war immer geblieben, weil er zäh war wie eine gute Schuhsohle. Es rankten sich Legenden um ihn, obwohl er doch mitten unter ihnen lebte; eine besagte, dass er siegreich aus einer Begegnung mit einer Katze hervorgegangen war. Und wenn man sich all seine Narben betrachtete, dann wusste man, wie diese Legende zustande gekommen war.
Bruno wusste, dass man Johnson besser nicht verärgerte und gurrte eifrig drauf los: "Oh, wir bekommen einen neuen Menschen!"
"Ein neuer Mensch?", fragte Flocke, eine junge schneeweiße Taube, die noch ganz grün hinter dem Schnabel war - zumindest metaphorisch, denn genau genommen war sie ja überall weiß.
"Wie ist er, wie ist er?", fragte Gabi, eine Taube, die eigentlich schon längst erwachsen war, aber sich oft benahm wie ein junges Küken. Aber dass sie kein Küken mehr war, sah man an ihrer Färbung; hätte es einen Standard für Stadttauben gegeben, dann wäre sie als Musterexemplar benutzt worden.
"Er kommt aus einem der klappernden Türme!", gab Bruno gurrend bekannt und eine Welle der Empörung schwappte ihm entgegen.
Am lautesten jammerte dabei Amalie, die pünktlich jeden Tag um sieben Uhr abends das Schimpfen übte, falls sich mal eine gute Gelegenheit zum Zetern ergab. "Die sind doch so laut und dreckig und taubenfeindlich! Ich will keinen Klappermenschen!"
"Ich auch nicht!", pflichtete ihr Bärbel bei. Bärbel war... besonders. Nicht besonders helle im Kopf, aber sie war gut darin, sich Dinge von den anderen Tauben abzuschauen. Und das beherrschte sie in einer derartigen Perfektion, dass alle wichtigen Wachemenschen sie für eine besonders tolle Taube hielten. Bärbel fand das schön.
"Hauptsache, wir werden gefüttert", meinte Hugo, der als Brunos Nestbruder so manche Charaktereigenschaft mit diesem teilte.
Auch die restlichen Tauben des Schlags gurrten laut und viel, um ihren Meinungen zu der Enthüllung Nachdruck zu verleihen.
"Seid still!", übergurrte sie Johnson und fixierte sie mit einem Blick, der sie daran erinnerte, warum er als Beinamen das Wort 'blutig' trug. "Wir müssen uns auf das Wesentliche konzentrieren. Was konntest du noch über den neuen Menschen in Erfahrung bringen, Bruno? Wird er sich gut um unsere Bedürfnisse kümmern?"
"Also, der Kommandeur hat gesagt, dass unser neuer Mensch die gleiche Spezialisierung hat wie Laudes und Rogi."
Erleichtert begannen einige Tauben zu gurren. Spezialisierung hatte etwas mit dem Futter zu tun, dass war altes Taubenwissen, und wenn der Neue die gleiche hatte wie Rogi und Laudes, dann war ihre Versorgung erst einmal gesichert. Besonders, weil es ja aus dem Mund des Kommandeurs gekommen war. Und als drittwichtigste Person der Wache genoss er ein gewisses Vertrauen bei der Taubenstaffel.
"Das klingt lecker-schmecker-fantabulös!", gurrte Gabi munter los, doch Johnson brachte sie mit einem strengen Blick zum Schweigen.
"Was ist mit den Morden? Wird er sich darum auch kümmern?"
Bruno überlegte eine Weile, was er darauf antworten sollte. Er dachte so sehr über diese Sache nach, dass er unbewusst mit den Kopf zu wippen begann, bis er schließlich seine Antwort gefunden hatte. Sie gefiel ihm nicht.
"Nein", gurrte Bruno.
"Oh, wir sind alle verloren!", gurrte Amalie jammervoll los und die anderen Tauben stimmten mit ein.
Aber zumindest die Futterversorgung war gesichert.
Grrglgrrg öffnete die Augen und sah sich um. Der Anblick war der gleiche, wie er ihn schon nach Dutzenden von Beschwörungen gesehen hatte: Unter ihn war ein Oktogramm, sorgfältig gezeichnet, mit den richtigen Worten beschriftet und umgeben von genügend Totenschädeln, dass sich auch sein Sinn für Stil nicht beleidigt fühlte.
Auch der Raum selbst war nicht ungewöhnlich: Es standen hohe dunkle Bücherregale und vielerlei alchimistische Gerätschaften herum. Grünlich leuchtende Nebelschwaden zogen wabernd durch das Büro und tauchten alles in ein unwirkliches Licht. Hier war ein Profi am Werk gewesen, dass erkannte Grrglgrrg sofort. Neugierig schaute er sich um, bis sein Blick auf seinen Beschwörer fiel und ihm ein Ausruf der Verwunderung entfuhr.
"Gisela! Mit dir habe ich nicht gerechnet!" Der Dämon grinste breit.
"Giselle", korrigierte ihn diese. Ihre Miene verfinsterte sich. "Ausgerechnet du", seufzte sie genervt.
"Ich weiß gar nicht was du hast", behauptete Grrglgrrg und faltete lässig einige seiner Tentakel.
"Du bist schuld, dass Mutter mich auf die Schule der Assassinengilde geschickt hat. Aber sei es drum. Du bist schuld, also ist es nur gut, dass du mir jetzt auch aus der Patsche hilfst."
"Was meinst du damit?"
"Weil du damals auf meine Beschwörung reagiert hast, als ich mit drei Jahren einen langweiligen Nachmittag überbrücken wollte, habe ich mächtig Ärger bekommen. Sie hat gesagt, es schickt sich nicht für kleine Mädchen, Dämonen aus der Kerkerdimension zu rufen. 'Dumme Flausen' hat sie das genannt. Und dann hat sie mich zu den Assassinen geschickt, um mir das auszutreiben."
"Das hat ja wunderbar geklappt!", kicherte Grrglgrrg, doch Giselle fuhr unbeirrt fort.
"Nun bin ich schon seit Jahren in der Ausbildung, und ich muss sagen: Sich mit den Möglichkeiten der Entsorgung unerwünschter Mitbürger zu beschäftigen, ist äußerst... 'anregend'. Also habe ich auch vor, meine Ausbildung regulär zu beenden. Leider sieht mein Vater das nicht so. Jetzt, wo meine Mutter tot ist, will er, dass ich ich für ihn die Sekretärin spiele."
"Wie traurig." Der Dämon tat so, als wische er sich mit einem Tentakel eine Träne aus seinem mittleren Auge. "Und wieso soll dass jetzt meine Schuld sein?"
"Das habe ich doch gesagt: Wenn du dich nicht von mir hättest beschwören lassen, dann wäre ich nie auf die Schule gekommen, und hätte nun nicht das Problem, dorthin wieder zurück zu wollen."
"Ach, als Dämon ist man nun also Schuld, wenn man sich beschwören lässt? Weißt du, wie schmerzhaft es für unsereins ist, sich einer Beschwörung zu widersetzen? Besonders, wenn sie, wie in deinem Fall, höchst professionell gemacht war. Und wie hätte ich denn ahnen können, dass mich ein kleines Mädchen zu sich ruft?"
"Egal. Hauptsache, du machst das jetzt wieder gut."
"Ich weiß gar nicht, wie du auf die Idee kommst, dass ich dir einfach so helfen würde. Und was schwebt dir überhaupt vor? Dass ich deine Eltern zu deinen willenlosen Marionetten mache, wolltest du ja schon damals nicht. Und wahrscheinlich bist du immer noch derartig unvernünftig."
"Nun, mein Hauptproblem ist, das mein Vater sich weigert, weiterhin Schulgeld zu bezahlen."
"Nichts leichter als das - nur ein Wort von dir und er wird machen, was du sagst. Das wäre eh kein großer Verlust, als Beschwörer ist er ein Witz - ganz im Gegensatz zu dir."
"Nein danke, ich verzichte. Mein Vater mag geizig sein, aber ich hänge an ihm. Dann könnte ich ihm auch gleich eine Tasse Tee mit einem leckeren Schuss Zyankali servieren, und mir die Schule mit seinem Erbe finanzieren. Nein, ich will eine Möglichkeit, die meinem Vater nicht nicht sein Leben oder seinen freien Willen raubt."
"Wie willst du denn dann an sein Geld? Du meintest ja, dass er es freiwillig nicht herausrückt. Und auf eine langwierige Behandlung mit Albträumen habe ich keine Lust. Ich mag zwar ein Nachtmahr sein, aber Folterungen hebe ich mir für besondere Gelegenheiten auf."
"Gar nicht. Das Geld muss nicht von ihm kommen. Ich habe ganz offiziell einen Antrag auf weitere Unterrichtung auch gegen den Willen meines Vaters gestellt. Und er wurde bewilligt! Nichtsdestotrotz muss ich das Schulgeld zahlen. Die haben irgendwas von Charakterprüfung gemurmelt. Wollen wohl wissen, ob ich genug Willensstärke besitze, oder wie weit ich für die Ausbildung gehen würde - oder vielleicht auch nur, ob ich zu dämlich bin, mir das Geld auf eine Weise zu besorgen, die zumindest halbwegs legal aussieht."
"Also, bevor du jetzt auf du auf dumme Ideen kommst: ich scheiße kein Gold. Das ist Brcklbrck, der alte Esel. Aber seitdem er mit diesem selbst-deckenden Tisch und dem Knüppel rumhängt, ist er nicht mehr der selbe. So eine Schande, wenn sich Dämonen dazu bekehren lassen, Gutes zu tun, statt die Menschheit zu unterjochen... Naja, wenigstens hat sich der Knüppel noch ein bisschen Humor bewahrt und reist nur mit Sack."
"Was?"
"Erkennst du nicht die Zweideutigkeit?! Knüppel? Sack? Das ist ein Dämon voller Subtilität! Die Idee hatte er übrigens von einer Ziege, die war ein dreckiges Biest, wie es im Buche steht. Solche liebenswerten Wesen trifft man heutzutage wirklich selten. Tjaja, früher war das Böse einfach besser..."
"Könntest du bitte aufhören, unsinniges Zeug zu reden und dich gefälligst wieder mit auf mein Problem konzentrieren?"
"Wie schon erwähnt, ich scheiße kein Gold. Und komm mir bloß nicht mit Traummanipulation, damit dir jeder einen Dollar schickt. Wenn das wirklich funktionieren würde, denkst du nicht, dass das schon längst jemand gemacht hätte?"
"Nein, mir schwebt nichts dergleichen vor. Stattdessen nutze ich das System dieser desolaten Stadt schamlos aus und werde Tauben, die mir nicht gehören, teuer an Wasserspeier verkaufen."
"Und wovon bezahlen die das? Soweit ich weiß, machen sich die meisten von denen nicht viel aus Geld."
"Gerade weil sie keine Ahnung von Geld haben, kann ich ja so viel verlangen. Und wenn es eine Sache gibt, die Wasserspeier gut können, dann ist es, Wasser zu filtern. Wenn sie sich an die Abwasserrohre eine Goldschmiede setzen, dann können sie sich ihre monetären Mittel wortwörtlich vom Mund absparen. Und wenn sie sich ihr Geld auf andere Weise 'beschaffen', dann beschwere ich mich auch nicht."
"Schön und gut - aber was habe ich mit Tauben am Hut?"
"Du wirst sie töten. Und wenn ich es dir sage, wirst du sie fangen."
"Wie soll ich das denn machen? Falls es dir noch nicht aufgefallen ist: Ich bin ein körperloser Alptraumdämon. Ich kann nichts anfassen. Der Nachtmahr wackelte demonstrativ mit einigen seiner durchscheinenden grauen Rauchtentakel.
"Du nimmst dafür den Körper, den ich dir besorgt habe. Er wird dir gefallen - er gehört Schnurri, der Katze meiner Mutter. Er ist wirklich gut in Schuss. Du glaubst nicht, was für Aufwand sie mit ihm getrieben hat. Er hatte ein halbes Dutzend eigene Bedienstete."
"Du willst, dass ich den Körper der geliebten Katze deiner toten Mutter übernehme?!"
"Natürlich. Ich finde es albern, dass mein Vater immer noch Geld für das Vieh hinauswirft. Er hat sogar einen Friseur engagiert!"
"Er scheint die Katze wohl ebenfalls gerne zu haben."
"Aber nicht so gerne wie mich!", entgegnete Giselle patzig und verschränkte die Arme.
"Wenn du das sagst..."
"Was gäbe es denn an mir nicht zu lieben und zu vergöttern?!", fragte Giselle schnippisch und Grrglgrrg konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen: "Nichts, Gisela, nichts."
"Giselle! Hast du eine Ahnung, wie lange ich gebraucht habe, die Leute dazu zu bringen, die elegante Namensvariante zu benutzen?"
"Ich tippe mal, die Antwort lautet 'zu lang'."
"Du bist klüger als du aussiehst, Dämon."
"Und du ein durchtriebenes Miststück."
Nun grinste sie. "Tja, deswegen bin ich auch in allem so gut, was ich mache."
Der Taubenschlag war auf seltsam verquere Weise beengend und luftig, lichtdurchflutet und dunkel. Die Tauben saßen in Reih und Glied auf Stangen, welche in mehreren Reihen übereinander angebracht worden waren. Hinter ihnen befanden sich Einzelboxen, in denen auch gerade ein paar Tauben nisteten. Andere Boxen waren leer, allerdings vermutete Kannich, dass diese zu den männlichen Tauben gehörten, denn über jeder einzelnen Box war ein Schildchen mit einem Namen angebracht und es erschien ihm irgendwie unangebracht, eine weibliche Taube "Blutiger Johnson" zu nennen.
Der Kommunikationsexperte merkte, dass ihn eine der Tauben anstarrte. Das Tier war über und über mit Narben übersät. Instinktiv wollte er einen Schritt rückwärts durch die Tür nach draußen zurückweichen. Dann straffte er sich bewusst, machte zwei Schritte in den Taubenschlag hinein und zog die Tür hinter sich zu.
"Das wäre doch albern, wenn ich mich von ein paar dummen Tauben einschüchtern lasse", grummelte er und krempelte sich die Ärmel hoch, während der versammelte Schwarm ihn nun anstarrte und kein noch so kleines Gurren von sich gab.
"Ich bin bereit zu tun, was getan werden muss!", erklärte Kannich den Vögeln und kam sich unheimlich albern dabei vor. Dann kratzte er sich am Kopf. WAS hatte er eigentlich hier zu tun?
Die Tauben begannen ihn wieder zu ignorieren und wandten sich ihren eigenen Geschäften zu, von denen einige auf den Boden landeten.
Hier muss dringend mal sauber gemacht werden, ging es ihm durch den Kopf und er seufzte. Das war keine schöne Arbeit. Der Geruch war zwar nicht allzu schlimm
[2], aber trotzdem war es unendlich ekelerregend. Aber was gemacht werden musste, musste gemacht werden - bestimmt war es nicht gut, wenn die ständig in ihrem eigenen Dreck saßen.
Sein Körper war schwarz und geschmeidig. Er fühlte sich an wie eine Todesmaschine, jeden Augenblick dazu in der Lage, seine Opfer zu überrumpeln und ihnen das Leben zu stehlen. Jeder Muskel war gespannt, als er sich über die Dächer des nächtlichen Ankh-Morpork schlich und seinen Blick schweifen ließ. Es war unglaublich wie viel er in der Nacht erkennen konnte. So ein Katzenkörper war in der Tat äußerst angenehm.
Er konnte das Schlagen von Flügeln hören. Und er grinste...
"Ausgezeichnet, Rekrut!", lobte Kannich den jungen Wächter und klopfte ihm anerkennend, aber auch vorsichtig auf die Schulter: "Du hast eindrucksvoll bewiesen, dass du das Zeug für einen Kommunikationsexperten hast. Wenn du immer noch Interesse an einen Job bei den SEALS hast, dann schreibe ich dir gerne ein Empfehlungsschreiben."
Der Rekrut sah nur säuerlich aus der Wäsche und roch dank der ganzen Taubenkotflecken auf seiner Uniform auch so. Er hatte einen Eimer in der Hand und hielt diesen dem Hauptgefreiten entgegen: "Was soll ich damit tun?"
Kannich bemühte sich, nicht durch die Nase zu atmen, während er erwiderte: "Schütt es einfach weg. Am besten in den Abort unten im Keller. Und damit will ich dich für heute entlassen. Wenn du noch einmal Interesse hast, dich über den Tschob eines Kommunikationsexperten zu informieren, dann gib Bescheid, ich gebe dir gerne noch weitere Lektionen."
"Das heute war schon eine äußerst
aufschlussreiche Lehrstunde, Sör", stellte der Rekrut miesepetrig fest, wandte sich ab und ging zur Tür.
Kannich konnte noch hören wie er etwas von einer "bescheidenen Aufgabe" vor sich hin brummelte. Er verkniff sich aber einen Kommentar und wandte sich nun wieder dem Schlag zu, der nach der ausgiebigen Reinigung durch den Rekruten nun fast förmlich blitzte. Wie gut, dass die Ausbilder immer dankbar waren, wenn man einem ihrer Schützlinge eine kleine Privatstunde gab.
Der Hauptgefreite spürte den Stolz in seiner Brust anschwellen. Bisher hatte er sich doch ganz gut geschlagen. Der Tschob war zwar nicht gerade spannend, aber anscheinend um vieles einfacher als gedacht. Die einzigen, die seine bisherigen Bemühungen nicht zu schätzen wusste, waren die Tauben, die immer noch auf ihren Stangen saßen, ihr Gefieder putzten und nickend gurrten. Bis auf die eine Narbentaube, die ihn weiterhin unverhohlen anstarrte.
Kannich kniff die Augen zusammen und starrte zurück. Nun begann sich die Taube förmlich aufzuplustern - war das etwa eine Herausforderung? So ein Unsinn, als ob diese dummen, einfältigen Viecher ihm das Wasser reichen könnten. Er griff nach seinem Klackerjournal, das er in seine Hosentasche gesteckt hatte, zog es heraus, setzte sich auf den kleinen, blitzsauberen, nach Mamsell Piepenstengels selbstgemachter Seife riechenden Schemel und begann einen äußerst interessanten Artikel über die Vorzüge der Normierung von Klappenscharniersystemen zu lesen.
Kannich hatte gerade den Artikel über Kompressionsalgorithmen angefangen, als es an der Tür hinter ihm klopfte. Verwundert schlug er das Klackerjournal zu und sah zur Tür hinüber. "Ja, bitte?"
Die Tür schwang auf und herein kam ein junger Mann voller Pickel und in einfacher brauner Kleidung, die wohl oft gewaschen wurde. In der Hand hielt er einen Eimer, aus dem einige Spachtel und Beutel heraus guckten, und auf dem ein Werbespruch gemalt worden war: 'Paul König - Wir kümmern uns um den Scheiß.'
"Tagchen", begrüßte er den Wächter. "Ich bin nur hier wegen der üblich... Was ist denn hier passiert?!" Der Mann fing an wild zu gestikulieren. "Was soll denn der Mist? Ich mache diesen Tschob schon seit Jahren, aber so was ist mir noch nie untergekommen!"
"Wie.. was?", fragte Kannich irritiert.
Der Mann schüttelte nur den Kopf. "So eine Sauerei!" Er machte weit ausladende Gesten, die den blitzblanken Taubenschlag umfassten.
"Was meinen Sie? Was wollen Sie hier überhaupt?", fragte der Hauptgefreite.
"Was ich hier will?!", herrschte ihn der Mann an, "Was ich hier will?! Meiner Arbeit nachgehen, nichts mehr will ich! Seit drei Jahren komme ich einmal die Woche hierher und hole die Taubenscheiße ab und nun ist keine da! Wie soll ich denn da an Geld kommen? Wieso mache ich überhaupt Abmachungen, wenn sich keine Sau dran hält?! Als ob ich zu meinem Vergnügen Kacke sammeln würde!"
"Oh", erwiderte Kannich und räusperte sich. "Ich glaube, ich habe eben einen von diesen nichtsnutzigen Rekruten mit Ihren Exkrementen in den Keller huschen sehen. Er hat sie bestimmt in den Abort entsorgt."
Der Mann blieb sichtlich verärgert. "Na großartig. Dann ist das Guano mit der richtigen Scheiße vermischt. Das wird dem Chef sicher nicht gefallen, wie sollen wir das noch als Wache-Guano verscherbeln? Heute geht aber auch alles schief!" Genervt wandte sich der Mann von Kannich ab und stampfte wieder durch die Tür nach draußen.
Der Wächter schaute ihm eine Weile hinterher und seufzte dann. Anscheinend war der Tschob nicht so einfach wie er dachte. Woher sollte er auch wissen, dass so was nicht in seinen Aufgabenbereich fiel? Er hatte ja auch nie eine tiefer gehende Einführung in Sachen Tauben erhalten und durfte sich von Anfang an seinem Fachgebiet widmen.
[3] [4] Am Besten holte er sich Rat von einem seiner Kollegen.
Raum 007, das Lazarett der Wache, war ein ungemütlicher Ort. Das Licht war gedämpft und eine Atmosphäre der Verzweiflung lag in der Luft. Dabei war nur Platz für vier Betten und auch nur eines davon derzeit besetzt.
In dem Bett lag Bruder Laudes und wand sich im Schlaf, seine Hände fest in seine Bettdecke gekrallt, Schweißperlen auf der Stirn. Wenn man genau hinhörte, konnte man hören, wie er "Seramis, nein..." murmelte, mit einer Stimme voller Angst.
Kannich zögerte, sich Bruder Laudes zu nähern, doch schüttelte dann den Kopf. Er war schließlich vom Kommandeur selbst zur Taubenbetreuung eingeteilt worden, da würde der Kollege sicherlich vollstes Verständnis dafür haben, wenn er ihm ein paar Fragen stellte.
Möglichst darauf bedacht, keinen unnötigen Lärm zu verursachen, ging er zum Bett des DOG-Kollegen hinüber, legte ihm sachte die Hand auf die Schulter und rüttelte sanft an ihr. "Gefreiter? Ich hätte da ein paar Fragen an dich..."
Bruder Laudes stöhnte nur gequält.
Nun doch sichtlich besorgt, rüttelte Kannich stärker an der Schulter der Bulldogge: "Gefreiter, wach auf!"
"Daf hat keinen Fweck", stellte eine weibliche Stimme in der Tür fest.
Der Kommunikationsexperte lief rot an und drehte sich um: "Ich ähm... ich..."
"Er wird nicht aufwachen", ergänzte Rogi und ging zu den beiden Männern hinüber. Natürlich hatte Kannich die Igorina schon viele Male gesehen, aber niemals hatte sie so erschöpft gewirkt wie heute. Tiefe Augenringen lagen unter ihren ungleichen Augen und ein Verband am linken Arm verriet ihm, dass sie verletzt worden war. Man konnte an den Flecken sehen, dass Blut bis nach außen durchgesickert war. Sie trug eine Wasserschüssel bei sich, über den Rand lag ein Tuch.
Die Igorina griff nach einem Stuhl, stellte ihn neben Bruder Laudes' Bett und setzte sich darauf. Dann nahm sie das Tuch tauchte es in die Schüssel, wrang es im Anschluss wieder aus und legte es dem schlafenden Wächter auf die Stirn. Dann seufzte sie schwer: "Waf willft du überhaupt von ihm? Haft du nichtf fu tun?"
Kannich fühlte sich zunehmend unbehaglicher. "Ich wollte ihn eigentlich nur was fragen, und man sagte mir, dass er hier in der Krankenstation sei..."
Rogi wandte ihren Blick von ihrem Patienten ab und sah den Hauptgefreiten direkt an. "Du follteft öfter deinen Klapperturm verlassen, dann wüffteft du, waf hier eigentlich vor fich geht."
"Ich... arbeite ja auch an wichtigen Sachen, die die Kommunikation auf lange Sicht verbessern sollen..."
Rogi rollte mit den Augen. "Du weift genaufo gut wie ich, daff die eigentliche Grundlage für die Kommunikation unsere Taubenftaffel ift."
"Aber Klacker sind doch viel schneller und zuverlässiger!"
Rogi schüttelte den Kopf. "Klacker find nur leblofe Gebilde. Unfere Tauben können mit dem entfprechenden Training direkt die Wächter finden, an die die Nachrichten adreffiert sind. Beim Klacker mag die Übertragungfgeschwindigkeit vielleicht fneller sein, aber du bift auf das Vorhandenfein einef Turmef angewiefen. Unfere Tauben kommen auch an die entlegenen Gebiete und ef ift nicht notwendig jede einfelne Nachricht vor der Übertragung erft einmal zu kodieren. Auferdem kann man Tauben mitnehmen um im Bedarfffall fofort daf Wachhauf fu kontaktieren - einen Turm kannft du dir nicht eben mal in die Tafe ftecken."
"Deswegen werden ja derzeit auch mobile Klackereinheiten entwickelt, mit denen man kinderleicht Nachrichten an den nächsten Turm schicken kann, solange man nur eine Sichtverbindung hergestellt hat. Das Klackersystem wird kontinuierlich immer weiter ausgebaut, da wäre es doch fatal, nicht auf die neue und bessere Technik zu setzen."
"Kinderleicht für jeden oder nur für dich? Du darfft nicht vergeffen, daff nicht jeder fo profiliert ift in diefem Thema wie du, Kannichgut."
Der Hauptgefreite seufzte. Wieso konnten nur so wenige Leute verstehen, was das Faszinierende und Spannende an Klackern war? Das Klacker mehr waren, also nur das Zusammenspiel der Mechanik und von Codes? Er konnte seinem Klacker Dinge von
wahrer Schönheit entlocken, wie ein Pianist seinem Flügel.
"Waf wollteft du denn von Bruder Laudef wiffen?", fragte die Igorina dann und befeuchtete wieder das Tuch.
"Oh... ähm... ich wurde vom Kommandeur dazu eingeteilt, mich um den Taubenschlag hier zu kümmern. Ich weiß nicht genau, was man eigentlich von mir erwartet... Ich habe sauber gemacht, aber irgendwie habe ich das Gefühl, dass das nicht so richtig war, wie ich dachte."
"Aha", erwiderte Rogi und Kannich meinte, Schalk in ihren Augen aufblitzen zu sehen. "Dann hat der Kommandeur meinen Vorflag wirklich aufgegriffen."
"Was? Das war deine Idee, dass ich mich um die Tauben kümmere? Aber gerade als Komexkollege weißt du doch, dass ich mit diesem Teil der Spezialisierung nichts am Hut habe!"
"Fieh ef alf kleine Fortbildungfmafnahme. Als Kommunikationfekfperte sind noch andere Fähigkeiten alf Mechanik und Kodierung gefragt. Wenn du eine Weile die Tauben verforgt haft, wirft du wiffen, waf ich meinte."
Kannich seufzte. Er war doch gut in seinem Bereich, viel besser als jeder andere Wächter vor ihm; wieso konnte das nicht einfach ausreichen? Selbst, wenn er den ganzen Taubenkram nun auswendig lernen würde, dieses Wissen würde er dann doch nie wieder brauchen!
"Ich bin mir übrigenf ficher, daff du deine Aufgabe mit Bravour meiftern wirft, Kannichgut, fonft hätte ich nicht dich vorgeflagen für mich einfufpringen, alf der Kommandeur beftimmt hat, daff ich durchgehend Bereitfaft für medifinife Notfälle halten foll."
Kannich bemerkte, dass die Igorina sich den verletzten Arm hielt.
"Du follft auch nicht komplett meine und Laudef' Tätigkeiten übernehmen. Wichtig ift, daff du darauf achteft, daff die Tauben gut verforgt werden und fich möglichft alle fammeln."
Sie hielt einen Augenblick inne und starrte ins Leere, ehe sie schließlich sagte: "Jemand da draufen tötet unfere Tauben."
"Die Situation ist nicht einfach."
"Aber wir können doch nicht einfach tatenlos zusehen."
Romulus griff sich mit der Hand ins Haar, und schüttelte dann den Kopf: "Wir haben schon zu viel mit diesem anderen Fall zu tun."
Ophelia war nicht angetan davon. Wütend starrte sie Romulus an.
Auch er verzog sein Gesicht, dann griff er nach seiner Schreibtischschublade und zog sie. Mit geübten Griff schnappte er sich eine Dose und schnippte den Verschluss auf. Er gönnte sich einen großen Schluck und als er die Dose wieder absetzte, stellte er fest, dass das nicht wirklich etwas gebracht hatte. "Du hast ja recht", gab er zu. "Aber dieser Fall, der hier gerade hereingekommen ist, der ist einfach viel zu wichtig. Wäre es nicht sinnvoller, wenn sich ein Kommunikationsexperte darum kümmern würde?"
"Rogi hat sich darum gekümmert, und ist sie verletzt. Ich sehe es als meine persönliche Pflicht ihr zu helfen, dass ihre Taubenstaffel kein weiterer Schaden zugefügt."
"Willst du Rogi etwa selbst helfen? Du bist nicht in der Form, verdeckt zu ermitteln."
Zerknirscht schaute Ophelia zu Boden. Dann aber sah sie Romulus in die Augen: "Das weiß ich selbst. Deshalb möchte ich auch, dass wir einen verdeckten Ermittler zur Verfügung stellen."
"Ich glaube nicht, dass wir uns das leisten können. Diese Raubserie genießt ziemlich viel öffentliches Interesse. Wen sollten wir denn deiner Meinung nach für diesen Fall einteilen? "
"Ich dachte da an Lilli Baum."
Romulus wirkte sehr skeptisch als er diesen Vorschlag hörte.
"Du darfst nicht vergessen, Chef, sie ist immerhin schon Feldwebel."
"Nun gut, wenn du darauf besteht, dann teile ich sie für diesen Fall ein. Im Gegenzug erwarte ich von dir vollstes Engagement in unseren Fall hier!"
Er hielt ihr die Hand hin und Ophelia schlug ein. "Abgemacht!"
Als Kannich den Taubenschlag betrat, bemerkte er Lilli, die in der Nähe des Fensters stand. Er hob die Hand zum Gruße, doch die verdeckte Ermittlerin achtete nicht auf ihn. Entnervt seufzte der Wächter. Anscheinend hatte sich das ganze Wachhaus gegen ihn verschworen.
Nun, wenn sie ihn ignorierte, dann würde er sie auch ignorieren. So einfach war das.
Auch die Tauben schienen nicht sonderlich interessiert zu sein. Sie gurrten auf ihren Stangen vor sich hin, außer den Narbentaube, die ihn wieder (oder vielleicht immer noch?) immer noch unverhohlen anstarrte. Der Wächter warf ihr einen wütenden Blick zu und widmete sich dann wieder seinem Klackerjournal, während die Tauben angeregt miteinander diskutierten.
"Warum steht da ein Baum?", gurrte Gabi fragend.
"Ich glaube, das ist gar keiner!", mutmaßte Bruno.
"Wenn man genau hinschaut, dann sieht man, dass das nur ein Mensch ist", bestätigte Hugo.
"Das ist Lilli", erklärte der Blutige Johnson. "Ihr kennt sie nicht, weil sie selten Post bekommt. Es ist wahrscheinlicher, dass sie eine Taube verschickt, statt eine empfängt."
"Mich hat sie schon einmal mitgenommen!", erklärte Amalie stolz.
"Und wie war's?", fragte Gabi.
"Es geht so. Nicht anders als bei anderen Wächtern - sie redet nur weniger."
"Schade, dass sie keine Briefe bekommt", stellte Bruno fest. "Sie wäre leicht zu finden, man spürt sie ganz deutlich."
"Apropos finden", mischte sich Flocke in das Gespräch ein. "Hat einer von euch eine Ahnung, wann das Training endlich weitergeht? Ich will auch endlich richtig wie eine voll ausgebildete Brieftaube eingesetzt werden!"
"Immer ruhig mit den jungen Küken", beschwichtigte sie Johnson. "Sei lieber froh, dass du nicht heraus musst, während draußen ein Taubenmörder umgeht."
Der ganze Schlag verfiel in verängstigtes Schweigen, als sie sich ausmalten, das nächste Opfer zu sein. Das war kein schöner Gedanke.
Bruno war es, der nach einer Zeit als erster weitersprach: "Also, ich würde fliegen, wenn es sein müsste. Auf mich ist nämlich Verlass!" Er schaute zu Johnson hinüber, in der Hoffnung ein Lob zu erhaschen.
"Tust du ja doch nicht!", meinte Hugo und streckte sich auf provokante Weise. "Du bist doch feiger als ein Huhn!"
"Bin ich gar nicht!", erwiderte Bruno eingeschnapt.
"Ha! Beweis es! Setz dich auf den Baum!"
"Waren wir uns nicht einig, dass das nur ein Mensch ist?", meckerte Amalie.
"Ach, warum soll ich etwas machen, wenn du selbst dazu zu feige bist?"
Die beiden Nestbrüder schauten sich grimmig an und dann zu dem Baum hinüber. Keiner machte Anstalten, loszufliegen.
"Männchen...", gurrte Flocke genervt und verdrehte die roten Augen
[5]. Dann breitete sie ihre Flügel aus, und flatterte auf den Baum.
"Ähm... Lilli? Da sitzt was auf deiner Schulter..."
Die Wächterin ignorierte seine Worte und Kannich seufzte. Er schloss sein Klackermagazin, verschränkte die Arme und beobachtete sie. Wenn sich die Taube auf ihr erleichtern würde, dann würde er mit dem Finger auf sie zeigen und deutlich darauf hinweisen, dass sie ihn besser nicht ignorieren hätte sollen, denn so wäre diese Sache vermeidbar gewesen. Er stützte sein Kind auf der Hand ab und seufzte erneut. Ach, wem machte er hier was vor, das war doch lächerlich.
"Feiglinge!", stellte Amalie fest und flatterte ebenfalls hinüber zum Baum.
"Warte auf mich!", gurrte Gabi und flog ihr hinterher.
Die beiden Nestbrüder konnten das natürlich auch nicht auf sich sitzen lassen und beeilten sich, ihr zu folgen. Wenige Augenblicke später saß fast der gesamte Schlag auf Lilli, abgesehen von Johnson, der als Anführer Ruhe zu bewahren hatte und Bärbel, die verwirrt zusah und versuchte, aus der Situation schlau zu werden.
Kannich spürte einen Anflug von Neid, als er beobachtete, wie die Tauben alle zu seiner Kollegin flogen. Zum ihm war bisher keine einzige gekommen! Wieso zu ihr und nicht zu ihm? Wirkte er etwa unfreundlicher auf die Vögel als die Kollegin? Er hatte doch eindeutig mehr Zeit mit ihnen verbracht, wieso kamen sie dann nicht zu ihm? Er hatte zwar kein wirkliches Interesse daran, dass diese lauten und unhygienischen Viecher sich auf ihn stürzten, aber gerecht war das nicht. Frustriert beschloss er, den Artikel über den Vergleich von Klackerschmierölen weiter zu lesen.
Lilli schüttelte sich kurz wie Espenlaub, wodurch alle Tauben aufflogen und wieder auf ihren Stangen landeten. Sie tätschelte kurz das erste Exemplar, dass sich auf ihre Schulter gesetzt hatte am Kopf und verließ dann den Taubenschlag.
Bärbel kam eine Erkenntnis: Anscheinend war es gut, sich zu den Menschen im Taubenschlag zu gesellen. Aber der weibliche Mensch war weg. Das war doof.
Die Taube gurrte einmal kurz und frustriert und überlegte dann weiter. Wenn der erste Mensch nicht mehr da war, dann... dann... flog sie eben zu dem anderen Mensch, dem Klackermann. Begeistert von ihrer grandiosen Idee flatterte sie hinüber zu Kannich und landete auf seiner Schulter. Der zuckte erschrocken zusammen, als er plötzlich das Gewicht spürte.
"Äh... brave Taube... komm da wieder runter, bitte!" Vorsichtig griff er mit beiden Händen nach dem Tier und nahm es von seiner Schulter. Sie wehrte sich nicht, sondern schaute ihn nur an. Dann erhob sich der Wächter, ging zur Stange hinüber und setzte sie behutsam am. Die Taube gurrte leise und schmiegte ihren Kopf an seine Hand, bevor er sie wegziehen konnte. Kannich fand das... verwirrend.
Grrglgrrg fühlte sich fantastisch! Voller Übermut stolzierte er einen Dachfirst entlang. Er hatte heute schon zwei Wachetauben erledigt. Jetzt beobachtete er eine Gruppe, die sich um eine alte Dame geschart hatte, die ihnen leckeres Futter hinstreute. Leider trug anscheinend keine der Tauben einen Ring, und Gisela hatte ihm verboten, andere zu töten. Das widersprach ihrem Plan. Er fragte sich zwar, warum er nicht einfach ein allgemeines Gemetzel veranstalten durfte, aber da sie ihn beschworen hatte, musste er sich ihren Befehlen fügen. Zumindest hatte er den kurzen Zeitraum ausnutzen können, an dem sie ihn noch nicht befohlen hatte, die Finger von Wesen zu lassen, die keine Tauben waren. Obwohl er sich schon zurückgehalten und nur zwei Wächter angegriffen hatte. Sie schien auch nicht allzu böse gewesen zu sein, sonst hätte sie ihn bestraft, als sie mitbekam, wie er die Igorina am Arm verletzt hatte. Zumindest wusste sie nicht vom ersten Wächter, denn er mit einem kleinen Albtraum beglückt hatte. Und dieser würde so lange weiter laufen, wie Grrglgrrg sich alle paar Tage ein wenig Zeit nahm, ihn zu erneuern.
Unten bei den Tauben schien etwas aufzublitzen. Grrglgrrg kniff seine Katzenaugen zusammen und spähte noch einmal in die Menge unter sich. Das unten war ja doch eine beringte Taube! Freudig spannte er seinen Körper an und machte sich zum Sprung bereit. Ihm gefiel es, ganze Vogelschwärme aufzuscheuchen.
Er stieß sich vom dem Dach ab und auf die Tauben zu. Voller Angst stob der Schwarm auseinander. Grrglgrrg fixierte sein Opfer mit seinem Blick und schickte ihm einen Albtraum. Die Taube versteinerte vor Angst förmlich in der Luft und klatschte auf den Boden.
Zufrieden spazierte der Dämon auf die Taube zu, als er plötzlich großen Schmerz seines Leihkörpers spürte. Es war, als würde man ihm eine Hellebarde in den Schädel rammen. Augenblicke später wurde ihm klar, dass tatsächlich genau das geschehen war. Der Dämon war baff. Man hatte doch tatsächlich einfach so seinen Körper ermordet!
Die schwarze Gestalt neben ihm holte mit der Sense aus, hielt dann aber irritiert inne.
Hatte ich nicht bereits letzte Woche dein letztes Leben geholt?"Das war der Vorbesitzer", erwiderte Grrglgrrg und glitt wieder in die Ebene der Lebenden zurück.
Der gespaltene Schädel war wirklich unangenehm. Wütend schaute er zu, wie eine Wächterin zu der Taube lief und sie vorsichtig aufhob. So eine Frechheit! Voller Wut zwang er Knochen und Fleisch, sich wieder zusammen zu fügen und erhob sich lautlos auf seine Pfoten. Dann fauchte er laut, woraufhin sich die Wächterin umwandte und sich Entsetzen in ihrem Gesicht abzeichnete. Der Dämon fauchte noch einmal demonstrativ, sprang dann aus den Stand auf das nächste Dach und war schneller aus der Reichweite dieser Person verschwunden, als sie reagieren konnte. Er musste Gisela aufsuchen, denn eine solche Frechheit konnte er nicht unbestraft lassen!
Leise knarzten die Dielen des Bodens, als Reiner Rundumschlag das Arsenal der Wache betrat, welches unter anderem den Fundus der Abteilung RUM beherbergte. Staub und der Geruch von Mottenkugeln kitzelten den Zwerg in der Nase. Hastig nestelte er ein kleines, lila gepunktetes Taschentuch hervor, um sich zu schnäuzen, dann besah er sich die großen Eichenschränke. Sie waren doppelt so hoch wie er, massiv gebaut und die Schlösser so wuchtig und alt, dass eines von ihnen von einem gnomischen Schlossgespenst bespukt wurde.
Angeordnet waren die Schränke ein wenig wie Regale in einer Bibliothek, so dass man möglichst viel Schrank auf kleiner Fläche unterbringen konnte und dennoch noch genug Platz für einige schmale Bänke war, die als Ablage- und Sitzgelegenheiten dienten. Eine kleine Laterne stand auf einer der Bänke und spendete flackerndes Licht. Anscheinend war schon jemand da.
"Hallo? Ist hier jemand?", fragte Reiner in den Raum hinein, doch niemand antwortete. Der Zwerg seufzte. Insgeheim wäre es ihm recht gewesen, etwas Anweisung von einem der erfahreneren Kollegen zu bekommen. Aber er musste das Positive daran sehen - er hatte die herrenlose Laterne entdeckt und nicht Feldwebel Baum, die RUMs Briefablagen dann nur wochenlang mit Memos über rücksichtsvollen Umgang mit dem Fundus vollgepfropft hätte.
Der Zwerg wandte sich dem nächstgelegenen Schrank zu und schloss das Schloss auf. Er hatte sowieso keine große Ahnung, wo hier was genau war, aber so schwer konnte es nicht sein, einen Jugendlichen mit emotionalen Störungen darzustellen.
Voller Tatendrang griff er in die Tiefe eines Kostümstapels und zog auf gut Glück etwas heraus. Sein Fund fühlte sich rau an und war alles andere als schwarz, sondern eher bräunlich. Als er ihn auseinander faltete, schmunzelte der Zwerg und stellte sich vor wie wohl Septimus Ebel auf dieses Stück reagieren würde; als umweltbewusster Gnom würde er sich bestimmt über ein ökologisches Zelt aus guter Baumwolle freuen. Anderseits - wer konnte sagen, wie viele Trollwächter diesen Schlüpfer schon getragen hatten.
Er packte das große Kleidungsstück wieder beiseite und griff erneut in den Schrank, diesmal bewusst nach einem tiefschwarzen Zipfel. Mit etwas Ziehen und Zerren flutschte das Stück schließlich heraus und entpuppte sich als schwarzes, relativ langes Hemd, das über und über mit Rüschen ausstaffiert war. Kein gerade berauschender Fund, aber auf der anderen Seite trugen Jugendliche mit emotionalen Problemen gerne mal etwas femininere Kleidung... Halbwegs zufrieden streifte er sich das Hemd kurzerhand über und setzte sich noch einen schwarzen Hut auf, der verwegen oben auf dem Kleiderstapel gethront hatte.
So gewandet ging der Zwerg zu dem Standspiegel mit den Löwenfüßen hinüber, der netterweise direkt neben der Tür, auf der Seite, zu der sich das Türblatt schwang, platziert worden war. Auf die Weise wurde man als verdeckter Ermittler nicht sofort ausgelacht, falls einer der Kollegen unerwartet den Raum betrat.
Prustendes Gekicher fiel ihn hinterrücks an und erschrocken drehte sich der Zwerg um, wo der Sprechdämon von Feldwebel Baum stand und sich vor Amüsement den Bauch hielt. "Zu dem Outfit fehlt nur noch ein rosa Pudel!"
Verständnislos hob der Zwerg eine Augenbraue. Rosa Pudel, so wie der vom Hauptgefreiten Steinstiefel? Sah er etwa zu männlich-herb aus?
Der amüsierte Gesichtsausdruck von Lilli, die aus dem toten Winkel hinter einem Schrank hervor kam, ließen jedoch berechtigte Zweifel an dieser Theorie aufkommen.
"Ich bin ja auch kein verdeckter Entwickler!", stellte Reiner fest und schaute bedrückt auf den Boden. Lilli zuckte nur mit den Schultern, drückte ihrem Dämon ein kleines Stoffbündel in die Arme und sah ihm dann dabei zu, wie er hinter einem Paravent zum Umziehen verschwand. Dann wandte sie sich einem der Schränke zu, sperrte ihn auf und begann darin zu suchen. Der Zwerg zog sich das Hemd wieder mühsam über den Kopf und legte es auf einer der Sitzbänke ab, den Hut direkt darauf und beobachtete dann den Feldwebel.
Offensichtlich hatte auch sie vor, verdeckt auf Ermittlung zu gehen, denn sie trug einen langen schwarzen Umhang, der ihre eigene Kleidung verbarg. Die Kapuze hatte sie nicht auf, so dass er ohne Probleme sehen konnte, dass sie sich die Haare aufwendig hochgesteckt und mit Schmuckkämmen fixiert hatte. Ein Klacken, wenn sie einen Schritt machte, verriet ihm außerdem, dass sie offensichtlich hohes Schuhwerk statt der üblichen Stiefel trug.
Der Zwerg setzte sich hin und wartete ab, was die ranghöhere Wächterin wohl als nächstes tun würde.
Lilli schloss den Schrank, wandte sich zu Reiner um und drückte ihm dann ein schwarzes Kleidungsstück in die Hand. Dann verschwand sie um die Ecke. Ein Knarzen erklang, als sie einen weiteren Schrank öffnete.
Neugierig besah sich der Zwerg, was ihm die Frau Feldwebel da gegeben hatte und verzog das Gesicht. Es war eine Hose aus Leder, und so wie es aussah, würde er sich da nur mit Mühe hinein quetschen können. Natürlich blieb auch die Option, ein paar seiner Kleidungsschichten vorher abzulegen, aber welcher Zwerg, der etwas auf sich hielt, würde sich dermaßen
entblößt in die Öffentlichkeit trauen?
Offensichtlich ein Jugendlicher mit emotionalen Problemen. Ergeben erhob sich der Zwerg und trottete zum zweiten Paravent, der hier unten stand, um in die Hose zu schlüpfen.
Es kniff und ziepte ein bisschen, als er endlich drinnen war und ihm begann allmählich zu dämmern, wieso Jugendliche mit emotionalen Problemen immer so schlecht drauf waren. Als er wieder hinter dem Sichtschirm hervor trat, stand da schon Lilli, die ihm einen weiteren Stapel mit Kleidungsstücken hinhielt. Der Zwerg nahm sie entgegen, machte auf der Stelle kehrt und bekleidete nun auch den oberen Teil von sich. Er zögerte einen Moment um auszutüfteln, ob das kaputte schwarze Kettenhemd über oder unter die anderen Kleidungsstücke gehörte, aber ging dann nach Größe. Das Teil war das einzige, was nicht zu eng saß, also gehörte es wohl außen hin. Schließlich war er fertig und trat wieder hervor.
Lilli reichte ihm noch einen schwarzen ledernen Mantel, der für einen Menschen wohl nur bis an Knie gereicht hätte, bei ihm aber bodenlang war. Er schlüpfte hinein und sie signalisierte ihm dann mit einem Winken ihr zu folgen. War seine Verkleidung immer noch nicht fertig?
Sie blieben vor einem weiteren Schrank stehen, schloss ihn auf und zog dann eine Box mit allerlei Schminkutensilien heraus. Sie griff nach etwas Puder und stäubte das Gesicht des Zwergs damit großzügig ein, ehe sie noch nach einem Tiegel mit Ruß und einem Pinsel griff, um damit seine Augen zu betonen. Schließlich zog sie noch aus einer Schachtel eine Kette mit einem Anhänger in Form eines Schädels heraus und hängte sie ihm um. Zufrieden nickte der Feldwebel.
"Oh diese Jugend von heute!", quäkte Günther, der soeben von seinem Paravent zurückgekommen war und nun in dem kleinen Smoking wie aus dem Ei gepellt aussah: "Du solltest echt mal überlegen, 'nen Püschologen aufzusuchen."
"Oh, danke für das Kompliment!" Reiner freute sich und wollte nun den Fundus schon verlassen, doch ein entschiedenes Räuspern vom Feldwebel ließ ihn inne halten. Er drehte sich um und konnte einen guten Blick auf das lindgrüne bestickte Seidenkleid unter dem Umhang erhaschen, da sie zur Seite auf den kleinen Tisch mit dem Buch zeigte, in dem die Ausleihungen einzutragen waren.
"Ähm, ja, ich war nur schon in Gedanken bei meinem Auftrag, ich schreibe gleich alles auf!", entgegnete der Zwerg und lief rot an. Lilli nickte ihm nur gnädig zu, setzte dann Günther in einen Kasten und ging. Es war nicht ihr normaler Sprechkasten.
Kannich war im Taubenschlag, wo er ein Buch las. Rogi hatte es ihm gegeben, und es handelte sich um ein auf seltsam verquere Weise faszinierendes Exemplar. Es war handschriftlich von seinen Kollegen geschrieben und teilweise mit kleinen Anekdoten ausgeschmückt. Nach einer Weile schwirrte Kannich gewaltig der Kopf und er legte das Kompendium kurz beiseite. Unglaublich, nie hätte er gedacht, dass das Training einer Brieftaube so viel Aufwand und Zeit verschlang. Die Prozedur war geradezu lächerlich überkompliziert, und er fragte sich, warum man sich die Mühe machte, wenn doch Klacker viel einfacher und komfortabler zu bedienen waren. Die musste er nicht auf Abteilungsleiter, Wachhäuser und weitere Wächter eichen. Denen musste er auch keine Kommandos beibringen, damit sie zu ihnen kamen und machten was er wollte. Aber es war schon irgendwie interessant, dass sie anhand des Wächternamens, den man auf das Adressfeld einer Taubennachricht notierte, den dazugehörigen Wächter finden konnten, sofern der ihnen ein paar Male gezeigt worden war. Es war ja nicht so, als ob sie den lesen würden. Da steckte Magie dahinter, aber verwunderlich war das nicht wirklich, schließlich stammten die ursprünglichen Zuchttiere allesamt von den Mobilien in unmittelbarer Nachbarschaft der Unsichtbaren Universität, und nach dem, was hier stand, tauschte man hin und wieder die eine oder andere Taube mit der Unsichtbaren Universität, um das Blut aufzufrischen. Bisher hatte er gar nicht gewusst, dass die dort ihre eigenen Tauben hatten
[6].
Schließlich klappte er das Buch wieder auf und begann im Taubenverzeichnis zu lesen. Viele Tauben schienen nach realen oder historischen Personen benannt worden zu sein, allerdings waren bei den Namenspaten etliche dabei, von denen er noch nie gehört hatte.
Die Tauben schauten ihm gebannt beim Lesen zu.
"Ich glaube unser neuer Mensch wird endlich vernünftig!", mutmaßte Hugo und Bruno stimmte ihm eifrig nickend zu: "Ja, eindeutig, er liest das Kompendium!"
"Das Kompendium, das Kompendium!", gurrte Bärbel fröhlich. Sie mochte das Buch, den es handelte von ihnen.
Der Wächter schaute von seiner Lektüre auf und zu den Tauben hin. Es reizte ihn, einige Dinge auszuprobieren. "Amalie!", sagte er in einem klaren und deutlichen Tonfall.
Amalie plusterte sich auf, breitete die Flügel aus und streckte den Kopf in die Höhe. "Bei meinem Glück musste er natürlich mich erwischen!", gurrte sie leicht verärgert in Richtung ihrer Schlaggenossen.
"Gabi!", las er die nächste Taube vor.
Gabi präsentierte sich wie Amalie in ihrer ganzen Pracht, während die andere Taube sich wieder entspannte und anfing ihr Gefieder zu putzen. Das dämliche Posieren brachte ihr schönes Federkleid immer so durcheinander! Wenigstens hatte sie damit ein passendes Thema für ihre allabendliche Schimpftirade.
"Johnson!", fuhr Kannich fort.
Alle Geräusche der anderen Tauben erstarben und respektvoll rückten alle von ihm ab, während sie sich möglichst klein machten. Johnson machte keinerlei Anstalten, auch nur das kleinste bisschen zu posieren, aber ließ sich, weil der Mensch ja neu war, zu einem tiefen Gurren herab; damit kein Zweifel herrschte, wer er war.
Der Kommunikationsexperte erschauerte. Ausgerechnet die Narbentaube... Schnell wandte er seinen Blick ab und las den ausführlichen Eintrag. Verstehend hob er eine Augenbraue. Dieses spezielle Exemplar Taube schien schon einige Jahre unter dem Gefieder zu haben. Johnson war schon seit einer Weile nicht mehr im aktiven Dienst und konnte hier sein Gnadenkorn picken. Kannich überflog die anderen Seiten mit Einträgen über die anderen Tauben, lebende wie verstorbene - letztere durchgestrichen - und stellte fest, dass "Blutiger Johnson" das einzige Exemplar war, dass den Dienst bei der Wache lange genug überlebt hatte, um in diesen Genuss zu kommen. Ein Gefühl von Respekt begann in Kannich aufzusteigen, aber er vertrieb es schnell, indem er sich wieder ablenkte. Johnson mochte zwar so was wie ein Veteran sein, aber trotzdem war und blieb er nur eine Taube.
Wahllos las er den Namen der nächsten nicht-durchgestrichenen Taube vor: "Frederick!"
Keine Taube plusterte sich auf.Stattdessen begannen alle auf den Boden zu starren, als wären sie sehr traurig.
"Oh... ähm... Havelocki?"
Es schien immer leiser im Taubenschlag zu werden.
"Stinkstiefel?"
Nicht der geringste Laut, nur stille Tauben.
Kannich nahm sich die Zeit, noch einmal alle Einträge der Tauben durchzublättern und zählte die unmarkierten Einträge. Dann zählte er die Vögel, die hier trübselig auf ihren Stangen hockten. Die Diskrepanz war gewaltig. "Oh, Mann...", murmelte er und schüttelte den Kopf. Bisher war ihm gar nicht klar gewesen, wie viele Tauben hier fehlten. Nun wurde ihm unangenehm bewusst, was für eine Tragödie sich hier eigentlich abspielte... Die Tragweite von Rogis Aussage über die Taubenmorde.
Schnell blätterte Kannich weiter und blieb an einem Namen hängen. "Knoblauch?", fragte er mit leicht zitternder Stimme in den Raum hinein, doch keiner der Vögel zeigte sich mit stolzgeschwellter Brust. Der Kommunikationsexperte fühlte sich zunehmend betroffen; wenn sogar die
nach ihm benannte Taube nicht mehr im Schlag war, was dann?
Wahllos begann er Namen heraus zu picken, um zu sehen, ob er nicht doch noch mal eine Taube erwischte, die noch lebte.
"Härri? Lauta? Kegelhant?"
Hastig blätterte er weiter.
"Sextimus? Romi von Graufeder? N-m-d-K? Zu-süß-für-keinen-Namen? ..."
Keine Antwort.
Der Wächter erschauerte. Aus Taubenperspektive war die halbe Wache tot. Er versuchte es mit nicht-Wächter-bezogenen Namen, sonst war das ganze auf Dauer zu deprimierend.
"Kompass? Oder Trudi?... Dörte?"
Seine Worte verhallten. Es konnte doch nicht so schwer sein, eine noch lebende Taube zu finden! Vorhin hatte es doch auf Anhieb geklappt!
"Bärbel?"
Voller Freude hob das Täubchen ihren Kopf in die Höhe und gurrte fröhlich drauf los. Endlich wurde dieses doofe Spiel wieder lustiger! Das machte keinen Spaß, wenn er laute Namen von den Abwesenden vorlas!
[7]Kannich bekam unbewusst einen ganz milden Gesichtsausdruck, ging zu Bärbel und kraulte sie am Kopf. "Ja,
du lebst noch..." Und ganz im Stillen, nur für sich, fasste er den Entschluss, seine Tauben vor weiteren Unheil zu bewahren.
Eifrig schmiegte sich Bärbel an seine Hand. Sie begann Kannich sehr zu mögen, sie fand ihn sogar noch netter als Rogi und Laudes, dabei waren das doch schon die nettesten Menschen, die es gab.
Rüdigers Büro war ziemlich klein, aber dafür um so gemütlicher. Als Leiter und einziger Mitarbeiter der Abteilung für Geringwertige Kontrakte hatte er seinen eigenen Sessel, einen ausladenden Schreibtisch und davor einen Stuhl mit schnörkeligen Schnitzereien. Alles war aus edlem Ebenholz, sogar der Teppich aus dem Fußboden, wobei er sich immer noch fragte, wie die Alchemisten es geschafft hatten, einen massiven Holzklotz zu einem großen Stück Stoff umzuwandeln. Alles in allem war sein Büro eine Zierde und entsprach allen Anforderungen einer eigenständigen Abteilung seiner Gilde. Das einzige, was ihn störte, war nur die ständige Abwesenheit von Kundschaft, denn seit der Sache mit dem Clown musste jeder potentielle Kunde erst einmal einen Antrag bei Lord Witwenmacher stellen und bekam dann erst eine Erlaubnis, mit ihm einen Geringwertigen Kontrakt abzuschließen. Wenn es diese dämlichen Tötungsquoten vom Patrizier nicht gegeben hätte, die nur eine bestimmt Anzahl von lizenzierten Morden im Quartal erlaubten, würde er bestimmt auch ab und an einmal einen Auftrag bekommen...
Seufzend nahm er einen Dartpfeil in die Hand und zielte auf das Wurfbrett, das er neben der Tür angebracht hatte. Er ließ den Pfeil fliegen, der mit einem geräuschvollen "Thumph!" in der Tür stecken blieb. Rüdiger rollte mit den Augen und starrte das Brett wütend an, welches noch völlig unberührt war, obwohl er es schon vor Monaten aufgehängt hatte. Dafür war alles, was sich neben dem Brett befand, voller kleiner Scharten von den unzähligen Pfeilen, die er schon geworfen hatte. Er war einfach viel zu ungeschickt.
Ein lautes, energisches Klopfen riss ihn aus den Gedankengängen. Er richtete sich schnell in eine würdevollere Position auf, verschränkte die Hände und sprach in einem seiner Meinung nach sehr passenden Tonfall: "Herein!"
Die Tür schwang auf und Lord Witwenmacher kam herein, hinter ihm eine junge Aristokratin, was Rüdiger sofort an der üppig bestickten Kleidung und dem hochnäsigen Blick erkannte.
Der Gildenvorsteher lächelte und meinte: "Diese junge Dame würde gerne einen Kontrakt abschließen. Ich habe den Fall ausgiebig geprüft und mich dafür entschieden, dass deine Abteilung dafür zuständig ist."
"Wirklich?", fragte Rüdiger und begann über das ganze Gesicht zu strahlen.
"In der Tat. Am besten du klärst die übrigen Details direkt mit ihr, ich muss mich wieder den Gildengeschäften zuwenden." Und damit verließ er mit wehenden Mantel wieder das Zimmer.
Rüdiger griff nach der Schublade seines Schreibtisches, rüttelte sie mühsam auf und nahm ein Formular, ein Tintenfässchen und eine Feder heraus.
Dann strahlte er seine zukünftige Auftraggeberin an: "Womit kann ich Ihnen helfen, Fräulein?"
Sie antwortete ihm nicht, sondern hob einen Kasten auf den Tisch. Es war einer dieser neumodischen Sprech-Kästen, mit denen junge, adlige Damen, die selbst nicht sprechen konnten oder wollten, sich dennoch unterhalten konnten. Ihre Finger huschten über die gläserne Scheibe, verweilten hier und dort etwas länger und schließlich sagte der Dämon in dem Kasten: " Wir möchten gerne einen Kontrakt abschließen. "
"Das habe ich mir fast gedacht", meinte Rüdiger grinsend.
"Wie clever!", erwiderte der Dämon ohne auch nur die geringste Spur von Hohn in der Stimme. Er schien wirklich gut ausgebildet sein.
"Nun, dann wollen wir uns doch den Formalitäten zuwenden! Ich habe hier ein praktisches Formulare dafür!"
Die junge Dame nickte ihm huldvoll zu, und bedeutete ihm dann mit einer Geste fortzufahren.
"Nun, als erstes benötige ich den Namen und die Spezies des zu inhumierenden."
"Der Name ist mir unbekannt ", erwiderte der Dämon, nachdem sie es eingetippt hatte und fügte hinzu: "Aber die Spezies kenne ich. Es ist eine Katze."
"Eine Katze? Ich wusste gar nicht, dass wir darauf überhaupt Kontrakte annehmen dürfen... Aber wenn Lord Witwenmacher Sie hierher geschickt hat, dann wird schon alles in Ordnung sein, schließlich achte er penibel darauf, sämtliche gültigen Verordnungen einzuhalten."
"Diese Katze ist gemeingefährlich, sie hat viele meiner wertvollen Tauben gefressen. Nun darf sie sterben."
"Sehr schön", stellte Rüdiger fest. "Dann hätten wir den Punkt Motiv auch schon abgehakt, ich kreuze einfach das Kästchen bei Rache an."
Wieder ließ sie ihre Finger huschen und ihr Sprech-Dämon erwiderte: "Ich weiß auch nicht, wo sich die Katze im Augenblick befindet, aber ich habe einen Köder, womit ich sie anlocken kann. Wir treffen uns heute Abend um sechs vor der Oper."
"Das ist in Ordnung. Gehe ich recht in der Annahme, dass Sie alle - eventuell bis zu neun - Leben der Katze terminiert wollen? "
Grimmig nickt Lilli.
Als die Formalitäten erledigt waren, führte Rüdiger sie aus dem Büro und setzte sich wieder an seinen Schreibtisch, um sich ein paar Notizen zu machen. Er war noch nicht lang dabei, da hörte er eine Fliege durch sein Zimmer brummen, die sich provokativ genau in der Mitte seines Wurfbretts niederließ. Stoisch griff er nach seinem Pfeil und warf ihn ohne groß zu zielen ab. Er durchbohrte die Fliege millimetergenau, mitten ins schwarze. Zufrieden lächelte Rüdiger, lehnte sich zurück und kippte prompt mit seinem Stuhl um.
Der Kommunikationsexperte sah sich neugierig um und hielt den Griff des Transportkäfigs mit eisernen Griff, als sei dieser das einzige, was ihn in einer stürmischen und grausamen Sturmnacht auf See vor dem Abtreiben bewahren würde. Im Käfig saß Bärbel und knabberte ein paar Körnchen Körnerfutter.
Mit einem gewissen Interesse, dass er bestimmt allen Kollegen gegenüber geleugnet hätte, schaute er sich um. Er war in 'Dr. Columbas Privatzoo', einer kleinen Institution, die sich alleine der Taube widmete. Der Taubenexperte würde ihm mit Sicherheit ein paar wertvolle Tipps geben können. Bis der Doktor herauskam, würde er sich die Zeit mit etwas allgemeineren Taubendingen beschäftigen. Wie Tauben zum Beispiel.
Kannich betrachtete die ersten drei Käfige nur flüchtig, enttäuschenderweise enthielten sie nur Stadt-, Brief- und Haustauben und als klackerkluger Mensch wusste er natürlich, dass alles drei im Grunde so ziemlich das gleiche war, mit ein paar kleinen, nicht wirklich erwähnenswerten Unterschieden. Vor dem vierten Käfig blieb er erstaunt stehen. Das waren Tauben? Vom Körperbau her passte es schon, aber die Farbe, dieses Blau! Und dazu noch die auffälligen Kopffedern! Der Kommunikationsexperte war baff, bis jetzt hatte er immer gedacht, Tauben gäbe es nur in grau, weiß und braun.
"Hallo", gurrte Bärbel den hübschen Fremden entgegen: "Ich bin Bärbel!"
"Ich bin Hieronymus von und zu Quirm!", gurrte die Kopftaube.
"Und ich Margolotta de Fantastico de Bleau!", fügte die Fächertaube hinzu.
"Ich mache heute mit meinem neuen Menschen einen Ausflug!", erzählte die Brieftaube stolz.
"Ein minderwertiges Exemplar, findest du nicht, Hieronymus?"
"In der Tat, Margolotta!
Unser Mensch ist wenigstens ein echter Doktor!"
Bärbel plusterte sich energisch auf: "Pah! Mein Mensch hat dafür eine Spezialisierung!"
"Eine Spezialisierung? Was soll das sein?"
"Bestimmt nur so eine Pseudoauszeichnung, damit sie sich wichtig machen kann!"
Die beiden blauen Tauben gurrten belustigt.
Vor Aufregung tappte Bärbel in ihrem Käfig hin und her, ehe sie schließlich sagte: "Eine Spezialisierung ist eine ganz tolle Futtermischung!"
"Wie lecker ist die denn?"
"Bestimmt nicht besser als unsere, unser Futter wird
importiert!"
"Was heißt 'importiert'?", fragte die Wachetaube, die dieses Wort noch nie gehört hatte.
"Das heißt, dass man unser Futter in Porzellanschüsseln serviert!", trumpfte Hieronymus auf.
"Weil wir so etwas besonderes sind!", fügte Margolotta hinzu.
"Ich brauche kein Porzellan!", stellte Bärbel fest: "So einen Schnickschnack ist doch nur was für Tauben, die zu dumm sind, sich ihr Futter durch ehrliche Arbeit zu verdienen!" Und dann drehte sie sich weg und beendete so das Gespräch mit diesen eingebildeten blauen Tauben. Aus Käfig eins bis drei kam ein zustimmendes Gurren.
"Die sind hübsch, oder?", fragte eine weibliche Stimme neben Kannich. Der Wächter spürte, wie er instinktiv errötete.
"Ähm.. Ja, ich glaube schon, klar." Verlegen ordnete er mit seiner freien Hand die Haare an seinem Hinterkopf und hüstelte: "Sind Sie... Sind Sie Professor Columba?"
Sie schüttelte den Kopf und lachte auf, in einem Tonfall, der ihm wohlig die Nackenhaare zu Berge stehen ließ. "Nein, ich betrachte Tauben nur als mein kleines Steckenpferd."
Sie war hübsch, hatte blondes Haar, war schlank und trug ein elegant-schlichtes Kleid.
"Wie heißt denn das Täubchen in deinem Käfig?"
"Das ist Bärbel", stellte der Wächter den Vogel vor, wischte sich schnell die schweißnasse Hand an der Hose ab und hielt sie ihr hin. "Und ich bin Kannichgut Zwiebel."
"Erfreut, Sie kennen zu lernen, Herr Zwiebel!" Sie ergriff seine Hand und machte einen kleinen Knicks. "Mein Name ist Giselle."
"Und Ihr... ähm... Nachname?"
"Den verrate ich nicht", erwiderte sie und zwinkerte ihm schelmisch zu.
Der Wächter errötete noch ein wenig mehr.
"Was machen Sie hier eigentlich, Herr Zwiebel? Der Uniform nach sind Sie ein Wächter, richtig?"
"Oh ja, ich bin Kommunikationsexperte!" Einen kurzen Augenblick lang stieg in ihm das Bedürfnis auf, ihr von seiner Arbeit mit den Klackern zu erzählen, aber auf der anderen Seite... Tauben waren ihr Hobby! "Ich bin seit kurzem der allein verantwortliche Wächter für die gesamte Taubenstaffel!"
"Oh wirklich?", fragte sie und schaute ihn voller Bewunderung an.
Kannich suhlte sich förmlich in ihr und fuhr dann fort: "Ja, es ist ein anspruchsvoller, aber auch sehr erfüllender Job. Die Arbeit mit Tauben ist wirklich etwas ganz besonderes!"
Bärbel gurrte glücklich. Kannich hatte gesagt, dass sie etwas besonderes waren, das musste sie später unbedingt den anderen erzählen! Und Amalie von den Etepetete-Tauben, dann hatte sie am Abend mal wieder ein neues Thema zum schimpfen.
"Und nun sind Sie hier, um ihr Wissen noch mehr zu erweitern, oder, Herr Zwiebel? Ich finde Männer, die sich aktiv um Weiterbildung bemühen, überaus attraktiv!" Sie neigte sich unmerklich ein kleines Stückchen in seine Richtung.
Geschmeichelt winkte der Wächter ab: "Naja, es geht weniger um Fortbildung, sondern um ein konkretes Problem, bei dem ich hoffe, dass mir der Doktor helfen kann. Unsere Tauben werden im Außendienst in letzter Zeit angegriffen und getötet."
"Oh, wie furchtbar, das ist ja schrecklich!"
"Ja, in der Tat. Vor allem, weil es nur unsere Tauben trifft. Vielleicht gibt es ja irgendeinen Weg, dafür zu sorgen, dass man unsere Tauben nicht mehr gezielt ausfindig machen kann."
"Oh, das heißt also, Sie sind hier, damit Doktor Columba sie Ihnen entringt."
"Entringt?", entgegnete Kannich verdutzt und starrte auf Bärbel hinunter. Am Fuß trug sie einen, wie jede Taube der Wache. Der Kennzeichnungsring war so ein vertrautes Merkmal, dass er sich die Wachetauben gar nicht ohne vorstellen konnte. Die Lösung war die ganze Zeit direkt vor seinen Augen gewesen!
"Das wollen Sie doch, oder? Das sind doch offizielle Columba-Ringe, oder nicht? Fälschungssicher und nur vom Doktor selbst zu entfernen?"
"Ich... äh... ja, genau deswegen bin ich hier. Gute I... äh... natürlich."
"Nun, ich hoffe sie werden Erfolg haben mit ihrem Taubenfall, wirklich!"
Giselle wandte sich ab und ging zum Ausgang des kleinen Hinterhof-Zoos. Dort angekommen drehte sie sich noch einmal um und schenkte dem Wächter das breiteste und zufriedenste Lächeln, dass er je gesehen hatte. Was für eine nette Person!
Die Stadt lag im Dämmerlicht eines neuen Tages da, die ersten Sonnenstrahlen krochen schon durch die Gassen und begannen sie mit sirupigen Schein zu erfüllen. Eine ungewöhnliche Ruhe lag über der Stadt, und verleitete einem zum Innehalten, den Augenblick für einen Moment zu genießen.
Selbst Grrglgrrg nahm sich eine kurze Auszeit, starrte nach oben, wo der letzte Stern zu verblassen begann und beschäftigte sich mit einigen wichtigen existentiellen Problemen.
'Was ist eigentlich der Sinn des Lebens? Ich bin unsterblich, aber nur, solange man mich wahrnimmt. Meine Macht steigt, je mehr die Leute dies tun und dabei ist es egal, ob sie an mich glauben, oder meine Freunde sind, oder mich fürchten, allein entscheidend ist, dass man mich bemerkt. Sind dadurch die sterblichen Wesen genauso wertvoll wie ich? Vielleicht sogar noch wertvoller? Ihre Zeit ist streng begrenzt, während ich potentiell über Jahrtausende bis in die Ewigkeit existieren kann, unter der Prämisse, dass man an mich denkt. Ist es dann richtig, Leid und Zerstörung zu bringen, nur weil das der leichteste Weg ist, um Beachtung zu finden? Auf der anderen Seite, ist es nicht auch meine Pflicht, die potentielle Möglichkeit eines ewigen Lebens voll auszunutzen? Ich existiere nicht ohne Grund, und nicht jeden Augenblick zu erhaschen, den ich ergattern kann, muss einem Wesen, dass nicht selbst Einfluss auf seine Lebensdauer hat, wie blanker Hohn erscheinen, wie eine Vergeudung. Ich bin also moralisch dazu verpflichtet, meine Existenz zu bewahren! Die Frage bleibt nur, ob ich das auf nette oder böse Weise mache. Nur, wenn ich nett bin, nimmt man dies irgendwann als Selbstverständlichkeit hin und vergisst mich deshalb eines Tages völlig. Habe ich dann damit nicht mehr Schaden angerichtet, als es noch so viele schlechte Taten könnten? Das Leiden eines sterblichen Wesens ist nur auf eine kurze Zeitdauer begrenzt, während mein Leiden unendlich lange währen würde...'
Die Taube, die er mit seiner Pfote niederdrückte, hatte mittlerweile wieder etwas an Kräften gesammelt und begann sich wieder heftig hin und her zu winden.
"Hey!", beschwerte sich Grrglgrrg: "Es ist unhöflich andere Leute bei ihren inneren Monologen zu stören!"
Und dann zerfetzte er sie.
Kannich rollte schnell sein Klackermagazin zusammen, als er es an der Tür klopfen hörte, und öffnete dann, nachdem er es sich in die hintere Hosentasche gesteckt hatte.
"Guten Tag, Hauptgefreiter. Wie ich sehe, kümmerst du dich immer noch um die Tauben", begrüßte ihn Romulus, Abteilungsleiter von RUM.
Der Kommex warf einen Seitenblick auf seine Schützlinge und meinte dann: "Ja. Das tue ich."
"Ich bin hier, weil ich eine Taube brauche", eröffnete ihm der Abteilungsleiter ohne Umschweife.
Entschlossen schüttelte Kannich den Kopf: "Das geht leider nicht. Unsere Bestände sind stark dezimiert worden, weshalb die Tauben keine Einsätze mehr fliegen dürfen."
Romulus hob eine Augenbraue und deutete auf die offene Klappe, die als Taubendurchlass diente: "Das klingt nicht sonderlich überzeugend, wenn die einfach so ein und aus fliegen können."
Kannich seufzte: "Genau das habe ich Rogi auch zu erklären versucht. Aber sie hat darauf bestanden, dass auf jeden Fall 24 Stunden am Tag Zugang bestehen muss, damit die Tauben, die jetzt noch unterwegs sind, die Möglichkeit zur Rückkehr haben. Außerdem hat sie behauptet, dass die Tauben sehr wohl wissen, dass da etwas umgeht und nicht einfach so fort fliegen werden."
"Wirklich?", fragte Romulus und betrachtete die Vögel.
Der Kommunikationsexperte schaute skeptisch drein: "Naja, sicher bin ich mir nicht, dass das stimmt." Er deutete auf Bruno, der sich sofort aufplusterte, weil er stolz darauf war, bemerkt worden zu sein. "Ich bin mir sicher, dass dieser dicke Brocken hier ab und an einen Rundflug macht."
"In diesem Fall wird eine Taube mehr oder weniger doch keinen Unterschied machen, oder?"
"Ich...", erwiderte Kannich und merkte, wie ihm sein Journal hinten aus der Hose rutschte. Heftig errötend bückte er sich danach und rollte es wieder fest zusammen. Romulus war schon an der Tür und griff sich einen Käfig, in den er die Taube setzte, die er sich geschnappt hatte. "Die Untersuchung von Septimus wird nicht viel Zeit in Anspruch nehmen, du hast sie in Null Komma nichts zurück. Ich werde einen positiven Vermerk über deine Kooperation in deiner Akte vermerken lassen."
Kannich hob die Hand und wollte noch etwas entgegnen, doch Romulus war schon aus der Tür. Schwer seufzte der Kommunikationsexperte und ließ genervt seinen Blick über die Stangen schweifen um festzustellen, welche er mitgenommen hatte. Dann musste er unbewusst schlucken.
Es hatte Bärbel erwischt.
Phase zwei hatte begonnen und Grrglgrrg kam nicht umhin, festzustellen, dass ihm Phase zwei gefiel. Nicht, dass er etwas dagegen hatte, Tauben umzubringen, das war eine Sache, die ihm viel Freude bereitete; aber sich länger an ihrer Angst laben zu können, war einfach effektiver. Gisela - nein,
Giselle - hatte es ihm erklärt: Tauben mit Ringen durfte er töten, aber die Tauben
ohne Ringe waren zu wertvoll dafür, weil sie nicht als Wachetauben erkennbar waren. Natürlich fanden auch tote, beringte Tauben - oder das, was er von ihnen übrig ließ
[7a] - dankbare Abnehmer unter den Wasserspeiern, aber richtig gute Preise würde sie mit lebenden, unberingten Tauben erzielen.
Er hatte sich in der Nähe des Wachhauses postiert, damit er den Taubenschlag im Auge behalten konnte. Da die Vögel nun nicht mehr beringt waren, konnte er nicht mehr ohne weiteres die richtigen von den falschen Tauben unterscheiden; der einzige Hinweis, den er noch hatte, war ihr Heimatschlag.
Er lag ruhig auf dem Dach da, und als er erspähte, wie eine Taube losflog, stand er auf und schlich ihr hinterher. Er würde sie fangen, er würde sie seinem Willen unterwerfen und dann würde er sie zu Gisela bringen. Natürlich nicht, ohne vorher noch selbst etwas Spaß mit ihr gehabt zu haben. Schließlich war ihm das nicht verboten worden...
Rüdiger zuckte zusammen, als er ein Tippen auf seine Schulter spürte. " Wie, was, wo, warum? "
Hinter ihm stand eine Wächterin, auf deren Schulter an einem schneeweiße Taube saß. Sie lächelte ihn freundlich an, ebenso wie die Wächterin.
Der Assassine kratzte sich einen Moment lang am Kopf und meinte dann nur: " ich bin in einem offiziellen Auftrag unterwegs. "
Die Wächterin nickte nur.
Und stellte Rüdiger fest drehte ihr den Rücken zu und wartete weiter. Doch konnte es sich nicht verkneifen, nach einer Weile einen Blick über seine Schulter zu werfen und zu sehen, ob die Wächterin noch da war. Sie hatte sich keinen Millimeter vom Fleck bewegt.
"Ich fühle mich ein wenig unwohl", stellte Rüdiger fest.
Eifrig nickte da die Wächterin.
"Wären Sie vielleicht so freundlich wieder weg zu gehen?", fragte er in einem äußerst höflichen Tonfall.
Sie schüttelte nur den Kopf.
"Ich habe eine Verabredung mit einer Kundin", fügte er verzweifelt hinzu.
Sie nickte nur um so heftiger.
"Aber..." dann fiel der Groschen "Oooh! So hat mich noch niemand hinter das Licht geführt!"
Er zog eine kleine Armbrust hervor und richtete sie auf sie. "Mit dem Schätzchen hier wird es sicherlich kein Problem sein, die Katze zu erledigen?" Mit einer einzigen fließenden Bewegung ließ er die Armbrust wieder verschwinden. "Du solltest froh sein, dass wir einen Kontrakt erfüllen werden. Wenn ich nicht in einem verwickelt bin, dann passieren mir immer allerlei Missgeschicke. Du hast keine Ahnung, wie nervig das auf Dauer ist..." Es war offensichtlich, dass er es nicht mehr für notwendig hielt, sie zu siezen. Dann deutete er auf die Taube: "Ist das unser Köder?"
Lilli nickte und tätschelte sie beiläufig am Kopf.
Flocke wurde hellhörig. Köder? Damit fing man doch Fische! Zumindest hatte sie das mal gehört als sie mit Rogi zusammen einen Ausflug in den Hafen gemacht hatte. Und mit Fischen konnte man Katzen anlocken. Insofern klang das nach einem logischen Plan. Der Baum hatte anscheinend Ahnung von so etwas.
"Gut, dann brechen wir mal auf. Irgendwelche konkreten Pläne, wo du auf die Katze lauern willst, oder lässt du Köder hier einfach nur fliegen?"
Flocke gurrte kurz protestierend, aber das einzige, was es ihr einbrachte, war ein kurzes Kraulen unter dem Schnabel. Eigentlich nicht schlecht.
Die verdeckte Ermittlerin deutete auf ein Gebäude gegenüber der Oper, in dem sie sich auskannte, und zusammen brachen sie auf.
"... und deshalb bin ich der festen Annahme, das Shaba Naq, der wiewunderländische Gott der albernen Späße, einen Narren an mir gefressen hat. Wie sonst ist es zu erklären, dass ich immer dann ungeschickt werde, wenn ich eine Aufgabe erfolgreich abgeschlossen habe? Ich bin mir sicher, dass er mir heimlich Eimer und Wahoonieschalen
[9] in den Weg teleportiert, während ich durch einen erfolgreichen Kontraktvollzug abgelenkt bin", schloss der Assassine seine Erklärung und schaute zu Lilli hinüber, in der Hoffnung eine positive Reaktion von ihr zu erhalten.
Sie nickte nur und brummte, gänzlich darauf bedacht, Flocke nicht aus den Augen zu verlieren.
Rüdiger ließ sich nicht von derartiger Ignoranz beirren, sondern fuhr einfach fort: "Es war wirklich nett von Lord Witwenmacher, mir trotz dieser peinlichen Macke eine Stelle zu geben, in der ich meine Fähigkeiten gut ausleben kann. Ich bin gerne Assassine, die Arbeit macht mir Spaß."
Lilli hielt inne, drehte sich um und starrte ihn an.
Rüdiger zuckte mit den Schultern: "Ist das verwunderlich? Ich bin gut in dem, was ich tue. Und komm mir nicht mit irgendwelchen Moralpredigten. Jedem Menschen
[10], den
ichumbringe, ist ein schneller und möglichst schmerzloser Tod garantiert. Und würde ich den Job nicht machen, dann ein anderer, der vielleicht nicht so viel Wert auf eine humane Tötung liegt. Wer einen Kontrakt auf sich laufen hat, der wird garantiert ermordet werden - aber indem ich es selbst tue, kann ich auch entscheiden, auf welche Weise das geschieht."
Die Wächterin nickte ihm zu. Auf verquere Weise klang richtig, was er da von sich gab.
"Hey, da vorne!", stieß Rüdiger aus und zeigte auf das gegenüberliegende Dach, wo sich Flocke auf die Regenrinne gesetzt hatte. Hinter ihr kam eine große schwarze Katze angeschlichen, und die Taube machte keinerlei Anstalten, weg zu fliegen.
"Ist dass das Vieh, das ich umlegen soll?", vergewisserte sich Rüdiger, während er den ersten Bolzen in seine Armbrust einlegte.
Lilli nickte, der Assassine schoss.
Wie Feuer fühlte sich Grrglgrrgs Kopf an, als der Schuss eindrang und seinen Schädel splittern ließ. Ihn verließ die Kontrolle über seine Gliedmaßen und platt landete er auf dem Bauch, während sein Opfer die Flügel in die Hand nahm und floh. 'Ich muss mehr auf meine Umgebung achten', dachte Grrglgrrg und sah sich nach dem Angreifer um, der es gewagt hatte, seinen Körper zu ermorden. Er ignorierte Tod, der neben ihm aufgetaucht war und erspähte einen Assassinen auf dem gegenüberliegenden Dach. Neben ihm die Wächterin, die ihn schon einmal belästigt hatte. 'Frechheit', fauchte der Dämon und zwang seinen Leihkörper wieder dazu, zu leben.
"Gut damit, wäre schon mal ein Leben erfolgreich ausgelöscht", stellte Rüdiger fest und lud die Armbrust ein zweites Mal.
Grrglgrrg streckte sich in seinen wiedererstarkten Körper und überlegte, was er als nächstes tun sollte. Sich an dem unverschämten Wächer rächen, die Taube fangen oder erst mal von der Bildfläche verschwinden? Er verwarf die letzte Option als albern und brach einen Moment später schon wieder zusammen, als ihn der nächste Schuss direkt in seinem Hals traf.
"Es ist wichtig,bei so einem Auftrag darauf zu achten, die Katze auf unterschiedliche Weise zu töten. Wenn ich ihr konstant in den Kopf schießen würde, dann könnte es passieren, dass das immer noch als der gleiche Tod gilt. Das Problem besteht natürlich nicht, wenn man entsprechend viel Zeit zwischen den einzelnen Mordakten verstreichen lässt, aber ich nehme an, dass die Katze möglichst schnell erledigt werden soll.
Lilli nickte.
Ich war schon immer ein Katzenfreund, stellte der Schnitter beiläufig fest.
"Jetzt nicht!", fauchte Grrglgrrg und gemahnte die zerfetzten Muskeln sich wieder zusammenzufügen. Allmählich ging ihm diese Sache gehörig auf die Tentakel!
"Ah, sie bewegt sich wieder", stellte der Assassine fest, zielte lässig und feuerte den dritten Schuss ab, diesmal auf das Herz gezielt. Erneut sackte die Katze in sich zusammen.
"Wie du sicher bemerkst, habe ich zuerst mit den leichten Zielen begonnen und mir dann die schwereren vorgenommen. Auf die Weise arbeite ich effizienter, denn wenn weniger Leben übrig sind, habe ich dann auch entsprechend weniger Mühe aufgewandt. Deshalb benutze ich auch erst einmal die Armbrust, ehe ich zu den
lustigen Methoden greife", erklärte Rüdiger und holte eine kleine Tasche hervor.
'Frechheit!', knurrte Grrglgrrg und spannte sich an, so dass der Bolzen wieder aus seinen Körper rutschte.
"Schau an, ich komme tatsächlich dazu, alternative Methoden zu benutzen!", meinte Rüdiger im Plauderton und holte einige schlanke Röhren mit jeweils einem Gewinde an der Seite heraus. Er schraubte die Röhren zu einem langen Rohr zusammen, griff dann vorsichtig in seine Tasche und holte einen befiederten Wurfbrettpfeil heraus, der anscheinend im Inneren mit einer Flüssigkeit gefüllt war.
Rüdiger hielt den Pfeil gegen das Licht, stellte fest, dass er konkret befüllt war, steckte ihn dann in das Rohr und legte dieses dann an seine Lippen und begann zu zielen.
'Was wird denn das für eine Aktion?', fragte Grrglgrrg sich grimmig, während er sich das Blut vom Katzenfell schleckte. Die dauernden Morde zerrten an seiner Kraft, so sehr, dass ihn teilweise animalische Instinkte überfielen.
Einen Augenblick später steckte der Pfeil in seiner Flanke und panisch begann er sich im Kreis zu drehen, um irgendwie an ihn heran zu kommen und ihn zu entfernen. Dann wurde ihm schwarz vor Augen.
'Ich fass es nicht', stellte er fest und blubberte vor Wut. 'Die haben meinen Körper einschlafen lassen!' Die Ironie darin, einen Nachtmahr einzuschläfern, entging ihm nicht.
Genau genommen handelt es sich um eine tödliche Überdosis.'Was treibst du immer noch hier?'
Ich-Grrgrlgrrg hörte sich die Erklärung gar nicht erst weiter an, sondern fuhr Herz und Atmung seines Katzenkörpers wieder hoch. Fauchend machte er einen Buckel.
Dann brach er zusammen, als der nächste Giftpfeil sich in seine Flanke bohrte.
Blausäure. Eines der potentesten Gifte, die es gibt, meinte Tod im Plauderton und wütend richtete Grrglgrrg alle 37 seiner Augen auf die anthropomorphe Personifikation.
"Verschwinde! Du bist hier überflüssig, du hast doch schon längst alle Katzenleben abgeholt!"
Das stimmt."Es gibt keinen Grund mehr für dich, hier zu sein!"
Doch.Grrglgrrg wechselte wieder ins Leben und dann wurde es ihm auf einmal klar. Er machte einen panischen Satz zur Seite, wo sich ein Pfeil neben ihn zitternd ins Dach bohrte. Instinktiv sprintete er in Richtung der von den Wächtern abgewandten Dachkante, er musste weg hier, schnell! Der völlig zerschundene Leihkörper schrie vor Schmerz, aber Grrglgrrg mobilisierte alles, was er noch an Reserven hatte. Er machte den rettenden Satz vom Dach, doch zu spät, denn noch im Fallen spürte er, wie sich ein weiterer Giftpfeil in ihn bohrte. Erneut verstorben klatschte sein Leihkörper auf den Boden der Gasse hinter dem Haus.
'Muss... fliehen', dachte Grrglgrrg, immer mehr an den Rand seiner Kräfte kommend. Er musste verdammt noch mal aufpassen, er konnte diesen Körper in so kurzer Zeit nicht unendlich oft regenerieren, wenn er es übertrieb, dann würde er völlig ausbrennen, unabhängig davon, wer oder was ihn wie viel auch fürchten mochte. Andererseits durfte er ihn auch nicht verlassen - in seiner körperlosen Form war er verwundbarer, und Giselle hatte es ihm auch ausdrücklich verboten.
Sein Körper keuchte als er wieder auf die Beine kam und so schnell weg humpelte, wie er konnte. Er konnte hören, wie seine Mörder auf sein altes Dach folgten, ihre Absicht strahlte für ihn so hell wie Feuer. Und natürlich war die Taube, die er hatte fangen wollen, bei ihnen! Blöde Gisela, das war alles allein ihre Schuld! Er brauchte einen neuen Körper, schnell, egal was seine Beschwörerin sagen würde! Wenn er es geschickt anstellte würde sie es vielleicht nicht mal merken.
Hinter eine Tonne kroch er in Deckung und ließ seinen Geist schweifen, auf der Suche nach einem neuen Wirt.
Kannich hatte es nicht mehr im Schlag ausgehalten. Den Blick von den Tauben, die ihn unentwegt anstarrten, hatte er einfach nicht mehr ertragen können. Nun war er auf der Straße in Zivilkleidung unterwegs, die Hände tief in den Taschen vergraben, und dachte nach.
Es war schon dunkel, der Mond schenkte durch eine lockere Wolkenschicht hindurch nur gedämpftes Licht und seine Schritte klangen seltsam hohl in der leeren Gasse. Der Wächter fröstelte und hüllte sich fester in seinen Mantel. Misstrauisch schaute er sich um, ob er etwas oder jemanden sehen konnte. Nichts. Niemand. Er war allein.
Der Wächter beschleunigte seine Schritte und überlegte einen Moment, ob er wieder ins Wachehaus zurückkehren sollte. Aber wozu? Um sinnlos im Taubenschlag herum zu sitzen und darauf zu warten, das
irgendetwas passierte?
Wieso hatte man ausgerechnet ihm diese Aufgabe gegeben? Jeder Rekrut hätte diese Aufgabe genauso gut erledigen können, wenn nicht sogar besser.
Der Hauptgefreite blieb stehen und lehnte sich gegen eine Häuserwand. Er strich sich eine lose Haarsträhne hinter das Ohr. Ja, warum hatte man keinen Rekruten mit der Aufgabe betreut? Dahinter steckte ein triftiger Grund. Er war ein Wächter mit ziemlich
spezialisierten Fähigkeiten. Und wieso sollte man ihn in einem Fall einsetzen, wenn es nicht auf eben diese Fähigkeiten ankam? Er ging gar nicht darum, dass er sich um die Tauben kümmerte! Es ging darum, dass er seine speziellen Kenntnisse dazu einsetzte um diesen Fall zu lösen, den sinnlosen Vogelmorden ein Einhalt zu gebieten und zu beweisen, was er wirklich drauf hatte. Er war ein Klackermann, also würde er klackern.
Voller Vorfreude machte er sich auf den Weg zum nächstgelegenen Wachhaus.
"Direkt da unten!", rief Rüdiger und richtete sein Blasrohr mit dem letztem Giftpfeil direkt auf sein Opfer. Er wartete noch einen Moment ab, zu seiner Freude gab die Katze ein eindeutiges Lebenszeichen von sich. Pflumph! bohrte sich der nächste Pfeil in den Katzenkörper. Das Tier riss die Augen auf und sauste wie von der Tarantel gestochen davon und in ein umgestürztes Fass hinein.
Lilli sah Rüdiger fragend an.
"Oh, das letzte Gift war ein Aufputschmittel. So hoch dosiert, dass für einen kurzen Moment alle Körperfunktionen auf tausend Prozent. Das ist eine dermaßen große Belastung, dass Blutgefäße platzen und Organe versagen. Dagegen war das klatschianische Froschgift geradezu scherzhaft."
Grrglgrrgs Körper brach zusammen, sein Herz schlug wie ein Presslufthammer und er hatte das Gefühl sich zu verflüssigen. Er hatte keinen neuen Körper... Seine Lebensenergie war fast völlig aufgebraucht!
Eine andere Katze, rot getigert, stupste ihn mit der Nase an, um zu sehen, was los war.
Wow, wie hatte er die nur übersehen können?
Wie ein Hammerschlag kam Grrglgrrgs Geist auf sie nieder und tötete sie, indem er ihr jeden einzelnen Funken Leben absaugte, wie ein parasitärer Blutegel. Tod stand über Ihnen und schwang die Sense, einmal für jedes Leben, dass die Katze noch gehabt hatte. Dann steckte er jede einzelne von ihnen unter seinen Mantel und verschwand.
Wieder erstarkt brachte er seine verflüssigten Organe in Form und verließ die Tonne wieder. Nun hatte er genug Energie um zurückzuschlagen! Er würde -
"Hm, eines der Gifte scheint unterdosiert gewesen zu sein", stellte Rüdiger fest. "Dann eben zu Plan B, dieses Mal sind wir ihn dann garantiert los!" Mit einer einzigen fließenden Bewegung zog er ein langes Messer aus seinem Stiefelschaft und warf es mit tödlicher Präzision.
Mit Grausen sah Grrglgrrg auf den hinteren Teil seines Körpers, der ein paar Zentimeter von ihm entfernt lag und aus denen seine Gedärme quellten. Sie hatten ihn halbiert. Okay, das war's er hatte diese Menschen unterschätzt. Er würde sie sich vorknöpfen! Aber er war zu schwach, um sie seine ganze Macht spüren zu lassen. Für zwei kurze Traumangriffe würde es reichen - das war auf jeden Fall genug, um ihm die Möglichkeit zur Flucht zu geben. Und sobald er seine Kräfte ein bisschen wieder gesammelt hatte, würde er es allen zeigen! Allen Wächtern... und allen Tauben.
"Das nenne ich doch mal einen erfolgreichen Mord!", stellte Rüdiger fest und reichte der leicht grünlich im Gesicht wirkenden Lilli eine Tüte. "Davon erholt sich nicht einmal eine Katze!"
Die Wächterin nickt und wandte ihren Blick von dem blutigen Massaker ab.
"Dann sollten wir langsam mal wieder runter gehen", meinte Rüdiger und machte ein paar Schritte nach hinten um sich dann umzudrehen und fröhlich Richtung eines Dachfensters weiter zu marschieren. Doch...
"... Moment!" Rüdiger hielt entsetzt inne. Es fehlte! Das Ungeschick! Warum war ihm noch kein dämliches Malheur passiert?! Die Situation schrie doch geradezu danach, dass er versehentlich ein paar Dachziegel lostrat, was eine Kettenreaktion auslöste, wodurch sich das halbe Dach selbst abdeckte
[11]...
Plötzlich fühlte er sich wie von einem goldenen Licht umhüllt und die Konturen der Welt verschwammen völlig. Eine wunderschöne Frau erschien direkt vor ihm, sie schwebte, gehüllt in die kostbarsten, schönsten und transparentesten Kleider, die er jemals gesehen hatte.
"Oh, Rüdiger!", hauchte sie mit sirenengleicher Stimme: "Du hast lange genug grundlos gelitten. Tritt vor und empfange meinen göttlichen Segen."
"Oh, ja, bitte!"
Er wollte vortreten, doch ein stechender Schmerz in seiner Schulter ließ ihn erwachen. Er stand genau auf der Dachkante, nur ein Stückchen weiter und er wäre in den Tod gestürzt. Entsetzt wich er zurück.
"Danke", hauchte er der Wächterin zu, deren Hand immer noch fest in seine Schulter gekrallt war. Einen Moment lang hatte er den Eindruck, als wäre ihr Blick vollkommen glasig und ihr Körper steif wie ein Brett, als ob sie ferngesteuert würde. Dann entspannte sie sich mit einem Male wieder, ließ ihn sofort los und schien genauso verwirrt wie er selbst. Rüdiger warf einen Blick nach unten, die Katzenleiche war weg. Wenigstens lag noch sein Messer da.
Er zuckte mit den Schultern: "Ich fürchte, das war's, viel mehr kann ich nicht machen."
Lilli nickte ihm zu und sammelte Flocke ein, die am ganzen Leib zitternd hinter ihnen auf dem Dachfirst saß. Kaum berührte sie die Taube, beruhigte sich sich wieder und erschien irgendwie erleichtert.
Das Wachhaus Kröselstraße war am nächsten gelegen, und das war dem Wächter auch überaus recht. Auf die Weise minimierte er die Chance, dass ihn der Kommandeur bei der 'verbotenen Tätigkeit' erwischte. Er grüßte wortlos ein paar Rekruten, als er die Treppe hinauf zum Dach stieg, wo die GRUNDschen Kommunikationsanlagen standen. Der Taubenschlag war vollkommen leer, was ihn nicht wunderte, denn Rogi hatte, noch bevor sie ihn als Vertretung vorgeschlagen hatte, dafür gesorgt, dass sämtliche Tauben gesammelt zum Schlag am Pseudopolisplatz geschafft worden waren.
Er betrat den Klackerturm, in dem der Rekrut, den er vor kurzen geschult hatte gerade Dienst hatte. Der Rekrut starrte den Kommunikationsexperten an.
Kannich lächelte: "Guten Abend, Rekrut, hast du Dienst? Ich habe einige dringende Nachrichten zu verschicken und zu empfangen, es wäre nett, wenn du mir deshalb Platz machen würdest. Du kannst dir ja eine schöne Tasse Kaffee aus der Kantine holen und dich dann ein bisschen ausruhen. Am besten hier, nicht, dass dein Ausbilder böse wird, weil du deinen Posten verlassen hast, gut?"
"Und was ist, wenn eine Nachricht kommt, während ich mir den Kaffee hole? Ich wurde mit Nachdruck dazu angehalten jede ankommende Nachricht sofort niederzuschreiben und dekodieren!"
"Das mache ich natürlich für dich, meine leichteste Übung. Wenn du willst kann ich dir auch noch ein paar kleine Kniffe hinterher zeigen, mit denen die Arbeit einem doppelt so schnell von der Arbeit geht."
"Oh ja, gerne!", entgegnete der Rekrut, salutierte kurz vor dem Hauptgefreiten und lief dann aus dem Raum.
Kannich wandte sich der Nachrichteneingabekonsole zu und begann zu schreiben, er spielte förmlich auf dem Gerät wie ein Virtuose auf seiner Geige.
Etwa zwei Stunden später verließ er die Klackeranlage wieder, den Arm voller Zettel mit Informationen über alle relevanten Ereignisse, die Ankh-Morporks Tauben betrafen. Wenn er die auswertete, dann würde er mit Bestimmtheit dazu beitragen können, dass der Taubenmörder schnell gefunden werden würde. Außerdem hatte ihn einer seiner Klackerkumpels ein Rezept für eine Futtermischung geklackert, auf die Tauben angeblich total abfuhren. Die würde er bei nächster Gelegenheit ausprobieren.
Großzügig verstreute der Kommunikationsexperte die Körner auf den Boden und gierig stürzte sich die gesamte Taubenstaffel darauf, sogar der sonst so beherrschte Johnson. Mit einer gewissen Freude sah Kannich ihnen beim Picken zu und wünschte sich, dass alle Tauben daran teil haben könnten. Ob er Bärbel wohl jemals wieder sehen würde? Nachdenklich schaute er zu der immer noch offenen Taubenklappe und konnte seinen Augen kaum glauben: Mit einem Affenzahn kam Bärbel angesaust!
Sie flog mit angewinkelten Flügeln durch die Taubenklappe hindurch und prallte frontal gegen einen der stützenden Holzpfeiler. Wie ein nasser Sack klatschte sie direkt auf den Boden darunter.
Aus Kannichs Mund stahl sich ein ziemlich unmännlich hoher Aufschrei, aber er scherte sich nicht darum, sondern hob sie mit allergrößter Vorsicht vom Boden auf. Die kleine Bärbel zitterte am ganzen Leib, die Knochen einer ihrer Flügel schienen durch den Aufprall brutal zertrümmert worden zu sein. Blut ran Kannichs Hände herab, aus einer schrecklichen Fleischwunde auf ihrem Bäuchlein. Sie war nicht durch den Aufprall entstanden. Es grenzte an ein Wunder, dass sie noch in diesem Zustand hatte fliegen können.
Behutsam strich Kannich Bärbel über den Kopf.
"Keine Sorge, alles wird wieder gut, meine Kleine", flüsterte er leise und beruhigend.
Er konnte spüren wie ihr Herzchen immer langsamer schlug, und der Körper immer kälter wurde.
Der Schwarm hatte sich um sie beide gesammelt.
Die Sense schnitt durch die Luft, und Tod trat zu der verdutzten Taubenseele. Er hielt ihr beide Hände hin und brav machte sie einen kleinen Hopser. Der Schnitter trat an die Taubenklappe, Bärbel warf noch einen letzten Blick in Richtung Kannich und Schwarm, plusterte sich dann entschlossen auf. Tod hob die Arme hoch und ließ sie fliegen.
Und Bärbel flog, höher und weiter als jemals zuvor, keine Müdigkeit, kein Schmerz, keine Angst; hoch zu den Sternentauben, wo all die Anderen schon mit Sicherheit auf sie warteten.
Der Wächter presste den kleinen Körper ganz fest an sich und streichelte sachte über ihr besudeltes Federkleid. Er wusste instinktiv, dass sie schon tot war, konnte aber nicht aufhören.
Ein Blick schien sich förmlich in sein Innerstes zu bohren, wie eine fleischfressende Made. Kannich sah zur Taubenklappe, wo eine schwarze Katze saß, die Augen voller Bösartigkeit. Die Taubenschar schaute wie ein Vogel völlig versteinert zu ihr auf. Nie gekanntes Entsetzen stieg in den Wächter hoch.
Alle würden heute sterben.
Und mit einem Male vergeht die Zeit wie in Zeitlupe. Kannich kann jeden einzelnen Muskel der Katze sehen, als sie sich zum Sprung bereit macht, jeden einzelnen Mordgedanken in ihren Pupillen.
Dann, wie ein... Engel breitet plötzlich eine der Tauben ihre Flügel aus, fliegt auf, schießt schnurstracks an der Katze vorbei durch die Taubenklappe nach draußen.
Getrieben von reinen Instinkt, wendet die Katze und springt wieder nach draußen, mit überirdischer Eleganz. Kannich schaltet schnell, stemmt sich mit der Schulter gegen die Taubenklappe und schiebt sie trotz der völlig verrosteten Scharniere in einem Kraftakt zu. Dann sinkt er zu Boden und legt behutsam die kleine, zerbrechliche Taubenleiche ab.
Er hatte die Taube sofort erkannt, die mit ihrem Flug nicht nur ihr eigenes Todesurteil unterschrieben hatte, sondern auch den ganzen Restschwarm rettete. Es war der blutige Johnson gewesen.
Einen Moment lang fragte sich Kannich, warum er nicht weinte, doch er merkte, dass - viel mehr als jede Trauer - ein unbändiger Hass in ihn brannte. Auf diese Katze, dieses dicke, fette, wohlgenährte Mistvieh! Es wäre etwas anderes gewesen, wenn ein Mensch hinter den Anschlägen gesteckt hätte, oder ein halbverhungertes Tier, aber nein, so war es nicht. Nein, aus purer Mordgier, aus purer Boshaftigkeit hatte diese Katze sie attackiert, ohne echten Grund! Bärbel war völlig ohne Sinn gestorben.
Der Kommunikationsexperte ballte die Fäuste. Er würde dem ein Ende setzen! Wenn die Wacheleitung den Fall für so unwichtig hielt, dass sie nur einen Wächter - einen einzigen verdammten Wächter! - mit der Lösung des Falls betraute, musste er sich eben über unsinnige Regeln hinwegsetzen und selbst etwas tun. Dieser Fall forderte wesentlich mehr als seine Intelligenz und er würde alles geben!
Kannich riss mit voller Kraft eine der Sitzstangen aus ihrer Verankerung und verkeilte sie so in der Taubenklappe, so dass diese garantiert sich nicht von außen würde öffnen lassen. Im Anschluss wandte er sich noch einmal Bärbel zu, band die Nachricht an ihrem Beinchen ab, steckte sie in eine Transportkapsel und warf sie im Rohrpostsystem ein, damit ihre letzte Botschaft auch wirklich das Ziel erreichen konnte. Dann drehte er sich und stampfte aus dem Raum, Richtung Treppe, Keller, Arsenal. Er brauchte Waffen.
Quiek! sagte eine vorwurfvolle Stimme in dem jetzt menschenleeren Raum.
Nein, zum letzten Mal, ich habe sie dir nicht weggenommen. 'Ratten der Lüfte' ist nur eine Redewendung.Gemeinsam gingen Lilli und Rüdiger zusammen das Stück des Weges, dass zugleich in Richtung Assassinengilde und Wachhaus lag. Beiden schwiegen eine Weile, bis der Assassine schließlich schwer seufzte: "Das ist soo frustrierend, wenn ein Kontrakt misslingt!"
Aufmunternd klopfte ihm die Wächterin auf die Schulter.
"Es gibt übrigens keine Rückerstattung", erklärte Rüdiger. "Das Vieh mag nicht endgültig tot sein, aber ich habe es trotzdem sieben mal erlegt, genau wie im Vertrag festgelegt. Genau genommen sogar achtmal, aber das berechne ich nicht extra, ich..."
Er hielt in seinen Ausführungen inne und blickte in die Seitengasse, an der sie soeben gemeinsam vorbei marschiert waren. Seine Miene hellte sich auf und fröhlich winkend rief er: "Huhu, Gisela! Dich habe ich ja ewig nicht mehr gesehen!"
Eine junge Frau, gekleidet in schwarzer, stilvoller Kleidung, unverkennbar ebenfalls von seiner Profession, zuckte zusammen und schlitterte ein Stück ihr Seil herab, ehe die Sicherung griff und ihren Abstieg bremste. Trotzdem - hätte sie keine Handschuhe angehabt, wäre dieser Vorfall wohl sehr schmerzhaft geendet.
"Oh, hallo, Herr, was machen Sie denn hier?" Sie lief so rot an wie eine Tomate, dann fing sie sich wieder. "Im übrigen heiße ich Giselle."
"Gisela, Giselle... ist doch Dolch wie Armbrust. Aber lass das mit dem Siezen, wir sind doch nur ein paar Jahre auseinander! Was treibst du hier? Ist um die Zeit des Tages an diesem Wochentag nicht immer der Anatomiekurs?", rief Rüdiger zu ihr nach oben.
Giselle schaute, dass Seil an dem sie hing hinauf: "Nun, ich... hänge hier nur so rum. Außerdem bin ich momentan nicht mehr in der Ausbildung."
"Oh wieso das denn? Du hattest doch immer so gute Noten."
"Familiäre Probleme", erklärte Giselle und zuckte mit den Schultern.
Lilli hörte nur mit halben Ohr zu und musterte die Assassinen-Schülerin genauer. Sie hatte ihr langes Haar ordentlich zu einem Pferdeschwanz zusammen gebunden. Ihre Kleidung war sauber und gepflegt; allerdings waren doch einige abgewetzte Stellen zu erkennen; Lilli schätzte, das wohl noch keine Zeit gewesen war, einem entsprechenden Kleidermacher aufzusuchen um die Schäden zu reparieren. Was jedoch das Misstrauen der Wächterin weckte, war eine kleine weiße Flaumfeder, die aus ihrem Stiefelschacht lugte; genau so eine, wie sie auch Tauben hatten...
"... alles in allem ist es nun Zeit für mich, wieder zum Gildenhaus zurück zu kehren. Ich wünsche dir viel Erfolg mit deiner Wiederaufnahme!", schloss Rüdiger das Gespräch.
"Ja, ich sollte mich dann auch mal vom Acker machen, erwiderte Giselle und grinste verlegen, ehe sie sich daran machte, die Fassade des dreistöckigen Gebäudes weiter zu erklimmen und auf das Dach zu klettern. Oben angekommen, spähte sie dem Assassinen für geringwertige Kontrakte und seiner Begleiterin noch hinterher, bis die sich ihres Ermessens nach eindeutig außer Hörweite befanden. Sie ließ ihren Blick über das Dach schweifen: "Grrglgrrg? Wo steckst du? Ich wurde aufgehalten."
"Hier", erwiderte der Dämon im Katzenkörper und kam hinter einer Tonne hervor.
Die Hobbybeschwörerin hob missbilligend eine Augenbraue.
Kaum hatte Lilli sich von Rüdiger bei seiner Gilde verabschiedet, meldete sich ihr anderes Ich, ihr Innerer Baum, in ihrem Kopf zu Wort.
'da steckt deutlich mehr dahinter, als die katze.'
'Ja, dieser Meinung bin ich auch, definitiv', erwiderte Lilli mit ihrer Gedankenstimme, während sie in Richtung Wachhaus weiter marschierte.
'Aber was genau sollen wir jetzt tun? Ich habe das Gefühl, dass die Sache im Augenblick zu groß für uns zu werden scheint.'
'eins nach dem anderen', erwiderte ihr Innerer Baum: 'priorität hat jetzt erst mal die sicherheit der tauben, wir müssen also möglichst schnell das katzen... ding ausschalten.'
'Hey, ich hatte dafür bereits einen Profi engagiert, das hatte ja schon nicht geklappt.'
'nun, mit einem kollegen wäre es wohl auch nicht besser gelaufen.'
'Ich hätte aber einen Haufen Geld gespart. Sieben Dollar hat man mir abgeknöpft, Wucher ist das!'
'besser noch, als sich von den anderen ständig auf die finger klopfen zu lassen.'
'Soll das eine Anspielung auf die Püschositzung neulich sein? Ich sehe nichts falsches daran, mal Klartext geredet zu haben. Außerdem, glaube ich nicht, dass Sebulon irgendetwas tun kann, egal, was ich erzähle.'
'wo bleibt nur deine vorsicht? jedes offenbarte geheimnis ist ein potentieller schwachpunkt!'
'Es kann nichts schaden, ein paar Leute zu haben, die auf unserer Seite stehen.'
'wenn du meinst...'
'Ja, ich meine.'
Schweigend ging Lilli weiter. Sie wollte nachdenken, also wählte sie eine Route mit nur spärlichen Bewuchs, so dass sie die Stimmen in der Umgebung leichter ausblenden konnte.
'Wahrscheinlich wäre es am besten Laiza Harmonie um Hilfe zu bitten.'
'die okkultismusexpertin? bist du von sinnen?'
'Natürlich, wenn soll ich denn sonst fragen? Es eilt, ich kann mir nicht erst wieder eine neue Legende für einen Gildenbesuch zulegen, damit ich dort auch in Zukunft unbehelligt Kontrakte abschließen kann, ohne dass man mich mit der Wache assoziiert.'
'apropos legende - wieso hast du sie beim treffen mit dem assassinen über bord geworfen?'
'Er machte einen vertrauenswürdigen Eindruck auf mich. Zudem erschien es mir als sinnvoll, diesen verdammten Katzenvieh wieder als ich selbst gegenüberzutreten. In diesem Fall ist es auf jeden Fall besser, die Aufmerksamkeit nicht künstlich zu zerstreuen, auf die Weise finden wir es schneller wieder - weil er uns findet.'
'richtig, und deshalb bin ich auch dafür, dass wir es noch einmal alleine versuchen. nur du, ich und die taube.'
'Du glaubst wirklich, wir haben ohne magischen Beistand eine Chance?'
'ich glaube es nicht nur, ich weiß es. wir müssen keine weiteren personen in den fall hinein ziehen, ein bisschen passendes equipment reicht völlig.'
'Du weißt, ich kenne den Inhalt des Fundus auswendig aber'
'ruppert', unterbrach sie ihr Innerer Baum.
'Ruppert?...'
'von himmelfleck.'
'Ach
der Ruppert! Das... klingt eigentlich nach einer ganz guten Idee. Wenn uns jemand sagen kann, was dieses Katzenviech für eine Kreatur ist, dann er. Und er würde mir-uns bestimmt mit ein bisschen Zeug aushelfen. Aber ich habe ihn seit Monaten nicht gesehen, wie soll ich ihn in möglichst kurzer Zeit denn ausfindig machen?'
'willst du mich veräppeln? wenn ja, dann finde ich das alles andere als lustig. wir sind doch so ziemlich der einzige wächter in dieser stadt, der ausreichend weitreichende kontakte hat, um ihn schnell ausfindig zu machen.'
'Kontakte? Ich habe zwar während Ermittlungen den einen oder anderen geknüpft, aber die sind alle eng an meine damalige Tarnidentität gebunden. Das macht es doch ziemlich unmöglich, genügend zu akti-"
'bäume', stellte der Innere Baum in einen monotonen Tonfall fest.
Lilli lachte auf: 'Natürlich. Die einzige Bevölkerungsgruppe, mit der ich ungestört ab und zu ein Pläuschchen halten kann! Das ist wirklich merkwürdig, in letzter Zeit habe ich immer öfter das Gefühl, wieder menschlicher zu werden.'
'
menschlicher?'
'Ja, als ob der Teil von mir, der sich früher um die ganzen floralen Angelegenheiten gekümmert hat, einfach wegwelkt. Ich denke auch nicht mehr in baum, das habe ich früher öfter getan.'
'ach, das ist doch kein grund zur sorge, du hast doch mittlerweile mich.'
'Sicher?'
'jupp, warum sollte ausgerechnet
ich dich anlügen? wenn es jemanden auf dieser welt gibt, dem du völlig vertrauen kannst, dann doch mir-dir selbst. und jetzt lass und in den hide park gehen, von dort aus können wir uns am besten zu ruppert durchfragen.'
'Aye, aye, Sör!', entgegnete Lilli mental, woraufhin der Innere Baum schwieg und sich wieder wie sonst auch, auf das Beobachten beschränkte und sie machen ließ.
Er hatte sich für Pistolenarmbrüste entschieden, die waren klein und handlich und würden mit Sicherheit ihren Dienst erfüllten. Gleich drei trug er in Halftern an seinem Gürtel, dazu noch ein Täschchen mit einigen weiteren Bolzen. Natürlich rannte er nicht blindlings draußen auf die Straße, sondern machte erst wieder einen Abstecher nach oben zur Klackeranlage, ohne der Tür zum Taubenschlag auch nur einen Moment lang Beachtung zu schenken. Der Kommunikationsexperte machte keine großen Anstalten und scheuchte einen verdutzten Rekruten mit einem scharfen "Raus hier, aber zackig!" von dem Platz für die Nachrichteneingabe, ließ kurz seine Knöchel knacken und dann seine Hände über die Tastatur für die manuelle Eingabe huschen. Es klang wie Musik in seinen Ohren, aber er konzentrierte sich nur auf die Botschaft, die er verschicken wollte. Kaum war die fertig und abgeschickt, machte er fliegenden Schrittes kehrt und verließ das Wachhaus.
Der Rekrut traute sich wieder in den Raum, schaute sich einmal um, und zuckte dann mit den Schultern. Das war eine verdammt merkwürdige Aktion gewesen... Einen Augenblick später, begann die Nachrichtenannahme mit einem Höllenlärm loszurattern und schnell schrieb der Rekrut mit.
Kannich stampfte die Straßen entlang und hielt nicht etwas Ausschau nach der Killerkatze, sondern nach den Klackertürmen. Er behielt die Bewegungen der Klappen genau im Auge und nickte dann. Die anderen Klackeroperatoren halfen ihm. Das war ein gutes Gefühl.
Zielstrebig bahnte sich der Wächter seinen Weg durch die Gassen und Straßen, nur geleitet von den Nachrichten, die er direkt an den Türmen ablas, während sie Richtung Wachhaus geschickt wurden. Er war den anderen dankbar, dass sie keine Verschlüsselung benutzten, genau so, wie er sie in der Nachricht gebeten hatte. Das eigentliche Klappenalphabet war für ihn leicht zu verstehen.
Er war unendlich dankbar dafür, dass die Türme so hoch waren, denn auf diese Weise konnte seine Kollegen Ausschau nach der Killerkatze halten. Dieses dreckige Mistvieh hatte sein Todesurteil in dem Augenblick unterschrieben, in der sich an seiner Bärbel vergriffen hatte, niemand legte sich ungestraft mit einem Profi-Klackerer an.
In der Geraden Gasse, welche zu den verwinkelsten der ganzen Stadt gehörte, klopfte er an das Haus von Ernie "Heisse_Numm3r" Eckermann, der wie er einen kleinen Privatklacker hatte. Ernies Mutter öffnete Kannich die Tür: "Was'n los?"
"Guten Morgen, Frau Eckermann, ich muss eben zu Ernie!", begrüßte sie Kannich und drückte sich eilig an der Frau vorbei und sprintete die Treppe nach oben. Im eigentlichen Klackerraum saß Ernie - verblüffenderweise entpuppte er sich als eine sie - und starrte Kannich an. "Hey, du bist doch Kannichgut! Ich dachte du nimmst unsere Nachrichten entgegen..."
"Ich muss aufs Dach", keuchte Kannich außer Atem.
Ernie schob sofort das Fenster auf, Kannich nickte ihr dankbar zu und kletterte nach draußen.
Sie warf einen Blick auf die Klackerkonsole, wo gerade die nächste Nachricht ankam und rief ihn dann hinterher: "Die Katze ist nun Richtung Alter Teigweg unterwegs, außerdem scheint sie mit einem deiner Kollegen eine Konfrontation eingegangen zu sein!"
"Danke!", brüllte Kannich.
"Viel Glück!" Dann wandte sie sich wieder ihrer Klackerapparatur zu und machte sich daran, den anderen ein Update zu klackern.
Der Kommunikationsexperte verlor keinen weiteren Augenblick und eilte über die Dächerlandschaft der Stadt. Er war dankbar, dass die Straßen und Gassen so eng waren. Was sich beim Streife gehen meist als Nachteil herausstellte, machte die Verfolgungsjagd hier oben überhaupt erst möglich.
In der Ferne konnte er eine Silhouette auf einem Dach sehen, und je näher er kam, desto sicherer war er, dass es sich um Feldwebel Baum handelte, und dass sie in einen Kampf mit der Killerkatze verwickelt war. Er beschleunigte seinen Schritt noch mehr, und sah dann, wie Lilli mit einem Mal von der Bildfläche verschwand. War sie vom Dach gefallen? Auch der Katze schien es nicht gut zu legen, den er sah wie sie offensichtlich stürzte und liegen blieb.
'Das ist meine Chance!' dachte Kannich, griff sich die erste Pistolenarmbrust und schoss. Er hatte unglaubliches Glück, denn der Bolzen bohrte sich direkt in ihren Kopf.
Der Dämon beobachtete, wie die Wächterin, die ihn so oft getötet hatte, seelenruhig den Weg entlang spazierte, auf ihrer Schulter die schneeweiße Taube. Wollte sie sich über ihn lustig machen? Wenn ja, dann fand er das überhaupt nicht witzig. Vorsichtig schlich er ihr hinterher, darauf bedacht, sich nicht bemerken zu lassen. Diesmal war der Vorteil auf seiner Seite! Einmal hatte sie ihn erwischt, als er abgelenkt gewesen war, danach waren sie zu zweit gewesen, aber alleine würde sie keine Chance haben!
Er brachte sich in eine günstige Position und setzte zum Sprung an. Er hätte auch direkt einen Angriff auf ihren Geist ausüben können, aber vorher wollte er sie noch körperlich leiden lassen!
Die Taube flatterte erschrocken weg. Der Dämon fiel der Wächterin in den Rücken fiel und zerfetzte ihre Kleidung. Sein Angriff fand ein jähes Ende, als er feststellte, dass sie unter der Kleidung ein Kettenhemd trug, in dem eine seiner Krallen sich auf schmerzhafte Weise verhakte, so dass er gezwungen war, seine Pfote mit einem Gewaltakt zu befreien. Die Kralle blieb in den Kettengliedern zurück.
Die Wächterin floh einige Schritte nach vorne. 'Wenn du schummelst, dann greife ich eben sofort zu den drastischen Methoden!', dachte der Nachtmahr, nahm Anlauf und sprang. Die Wächterin drehte sich um und er sah, dass sie eine Waffe in der Hand hatte. Keine von diesen popeligen Metalldingern, die nur seinem Wirtskörper etwas anhaben konnten, sondern eine echte Waffe. Ein Traumfänger, das schlimmste Verbrechen, dass die Menschheit in seinen Augen jemals begangen hatte. Er drehte sich noch im Flug so, dass er mit den Krallen als allererstes ihn Handgelenk traf; ein Laut des Schmerzes, kein Wort, entglitt ihrer Kehle und er nutzte den Augenblick um den zu Boden gefallenen Träumfänger mit einem kräftigen Krallenhieb vom Dach zu fegen, auch wenn er spürte, wie bei der Berührung einige seiner Tentankel zu schmoren begannen.
Die Wächterin schaute dem Ding dumm wie ein Schaf hinterher, machte dann einen unüberlegten Hechtsprung direkt hinterher und stürzte vom Dach.
Ein viel zu früher Aufprallton verriet ihm, dass hinter der Kannte wohl ein etwas niedrigeres Nachbarhaus und keine Gasse war. Aber das war nicht so schlimm, er wusste, was zu tun war um diese Nervensäge ein für alle Mal zu bestrafen.
Der Dämon entströmte seinem Wirtskörper endgültig, ein Anblick, den man nur im oktarinen Spektrum sehen konnte. Er nahm wirklich jedes einzelne Fitzelchen von sich mit, auch wenn das hieß, dass er nicht mehr in diesen Körper zurückkehren würde können, aber hier würde er volles Risiko eingehen. Als Wächter würde er Gisela sogar noch mehr Tauben besorgen können, also ging das völlig in Ordnung. Grrglgrrg senkte sich wie ein Schleier über sein Opfer.
Augenblicke lang war für alle alles schwarz, auch für ihn, dann schlug er die Augen wieder auf. Er sah nicht die Umgebung, sondern eine Projektion ihres Inneren. Das verwunderte ihn nicht, sein Opfer war schließlich nicht tot. Aber als einem waschechten dämonischen Nachtmahr würde es ihm leicht fallen, das Kommando zu übernehmen.
Das Innere dieser impertinenten Wächterin war voller Türen. Die meisten standen, wie es sich gehörte, weit offen, andere waren zu. Er zog mit einer seiner Tentakeln probeweise an den Griffen, aber sie bewegten sich kein Stück. "Immer diese vergrabenen Erinnerungen!" machte sich der Nachtmahr Luft. "Als ob das was nützen würde, ich komme da früher oder später auf jeden Fall ran."
Der Nachtmahr schwebte weiter und konnte aus den Augenwinkel ein Häuschen erkennen. Er teleportierte sich hinter die innere Personifikation der Wächterin, die sich zu ihm umdrehte und ihn ängstlich ansah.
"Schlaf!", befahl Grrglgrrg und sein Opfer sackte in sich zusammen. Der Dämon fühlte sich sehr zufrieden. Ja, das war leicht gewesen, nun konnte er den Körper steuern. Grrglgrrg schloss die Augen erneut und ließ sein Ich sich ausbreiten.
Er hob ihren Arm, doch merkwürdigerweise hob sich ihr Arm nicht.
Er bewegte ihr Bein, doch ihr Bein bewegte sich nicht.
Er ließ sie sprechen, doch kein Wort kam über ihre Lippen.
"das hat keinen zweck", stellte eine lautlose Stimme fest.
Der Dämon riss die Augen wieder auf und fand sich auf einem unbebauten Acker wieder. Die Sonne brannte heiß, doch Wolken am Himmel versprachen baldigen Regen. In der Ferne konnte er die Baumkronen eines Waldes rauschen sehen. Und mitten auf dem Acker stand der Mensch, den er eigentlich ins Reich der Träume geschickt hatte.
Grrglgrrg ließ seine Gestalt auf die doppelte Größe anschwellen und zahlreiche weitere Tentakeln sprießen.
"Warum schläfst du nicht?!", fragte er mit einer Stimme wie Donnerhall. "Schlaf!"
Sie sah ihn an. "das hat keinen zweck. du hast laura-ingrid schon schlafen gelegt."
Der Dämonenkörper wuchs weiter an, wie ein Krebsgeschwür.
"Schlaf!"
"nein", erwiderte sie und verschränkte demonstrativ die arme.
"Wieso willst du nicht schlafen?!", fauchte Grrglgrrg und sein Atem brannte heiß wie Feuer.
"ich kann nicht", erwiderte die Person. "du sitzt hier einer schwerwiegenden verwechslung auf - du denkst, dass du es hier in diesem körper nur mit laura-ingrid zu tun hast, aber das stimmt nicht. ich bin auch noch hier."
"Och nee...", murmelte Grrglgrrg: "Ich hasse Leute mit gespaltener Persönlichkeit. Lass uns das eben mal schnell beenden!" Der Dämon explodierte und die Welt ging in einem flammenden Inferno auf. Die Erde selbst brannzte, der Wald in der Ferne war ein einziges Flammenmeer, das mit schwarzen Rauchsäulen den Himmel zum Glühen brachte.
Zufrieden sammelte sich die Plasmamasse von Grrglgrrg wieder an einem Ort und er klopfte sich selbst mit seinen Tentakeln auf die Stellen, die er als seine Schultern definierte
[12]. "Das habe ich gut gemacht!", lobte er sich selbst.
"was meinst du?", ertönte eine Stimme hinter ihm.
Verärgert schickte der Dämon seine Augen durch den Hinterkopf und starrte die impertinente Person an.
"Warum bist du immer noch da?!! Ich habe dich aus diesen Kopf ausgebrannt! Nichts, was hier nicht reingehört, außer mir, kann das überstehen!"
"oh, das sollte dir sagen, dass ich durchaus berechtigt hier bin. Ich bin der baum."
"Baum?"
"du weißt schon, ein baum. aber deine verwirrung ist mir verständlich, schließlich träumen bäume nicht."
"Pah!", erwiderte Grrglgrrg: "Du bist doch kein Baum! Bäume sind aus Holz! Du bist nicht aus Holz, auch wenn du so tust!"
Und er schloss die Augen in einem erneuten Versuch, die Steuerung über den Körper zu erringen.
"das bringt nichts.
ich kontrolliere diesen körper. außerdem irrst du dich - meine seele ist bereits aus holz und der körper wird es bald irgendwann auch sein."
"Unsinn!", fauchte Grrglgrrg und machte ein Auge auf, nur um festzustellen, dass er immer noch nicht die Steuerung übernommen hatte. "Das
andere du ist eindeutig in Kontrolle! Das habe ich gespürt."
"das liegt nur daran, dass ich ihr
meinen körper großzügig zur verfügung stelle." Sie hatte plötzlich eines dieser neumodischen großen Einmachgläser in der einen Hand und einen Deckel in der anderen. Sie setzte den Deckel auf und begann zu schrauben. "ich beschränke mich die meiste zeit auf das beobachten, ich bin nicht so geschickt darin, etwas so bewegliches zu steuern. außerdem muss ich sie ja von der tatsache ablenken, dass sie mit der zeit immer weniger wird, während ich wachse."
"Wie komme ich in das Glas?!", fragte Grrglgrrg entsetzt und drehte sich wild um die eigene Achse, unfähig seinem Gefängnis zu entkommen.
"ich sagte doch ich bin ein baum, und bäume träumen nicht. deshalb entscheide ich auch, was hier drin geschieht. mich kannst du nicht manipulieren, nachtmahr."
"Nymphen träumen aber!", wandte Grrglgrrg ein: "Das weiß ich genau!"
"wie schon erwähnt, ich bin ein baum. es besteht ein feiner aber gravierender unterschied zwischen der nymphe und den eigentlichen baum. ich mag zwar einer nymphe ähnlicher sehen, weil ich mich selbst körperlich noch als mensch betrachte, aber du kannst mir glauben, ich bin baum durch und durch. deine feststellung nutzt dir also nichts und meinen menschen kannst du auch nicht manipulieren, weil ich der dominante teil bin. auch wenn ich das nicht so schamlos ausnutze wie du. deshalb überlasse ich dich auch ihrer verantwortung. kleiner tipp, du solltest laura-ingrid mit 'lilli' anreden, ich habe sie bisher in den glauben gelassen, der name würde immer noch ihr gehören. warum auch nicht, ich mag es, wenn sie mich mit 'baum' anredet. und jetzt - wach auf!"
Lilli schlug die Augen auf und in ihrem Kopf schien sich alles zu drehen, die letzten Fetzen eines Alptraums schwebten noch vage in ihrem Unterbewusstsein. Schwindelig griff sie sich an die Stirn und stellte zu ihrem eigenen Erstaunen fest, dass Rupperts Einmachglas neben ihr auf dem Boden stand, in dem sich graue Schemen hin und her wanden. Hatte sie das nicht in ihrer Tasche verstaut?
"Was glotzt du so?!", fragte Grrglgrrg. "Du solltest dich lieber mal auf die Socken machen und mich der Beschwörergilde oder einem interessierten Fachzauberer zu übergeben."
Verständnislos schaute ihn die Wächterin an.
"Hey, je eher ich in die Hände von fähigen Menschen komme, desto eher kann ich hier entkommen. Ich wäre dir also dankbar, wenn du deinen Pflichten als verantwortungsbewusster Wächter nachgehst, mich sofort in die richtigen Hände zu geben, damit alles seinem geregelten Ablauf nachgehen kann!"
Grrglgrrg wurde lange und ausdauernd von Lilli betrachtet, schließlich griff sie nach dem Glas und steckte es in die Umhängetasche, die sie immer dabei hatte. Sie hörte den Dämon noch eine Weile wüste Flüche ausstoßen, aber ignorierte das und schaute sich nach Flocke um.
Kannich schoss auch mit der zweiten geliehenen Pistolenarmbrust auf die Killerkatze, dann mit der dritten. Seine Hände zitterten, als er nachlud und nochmal schoss, und wieder und wieder, bis ihm die Munition ausgegangen war. Danach atmete er eine Weile schwer vor sich hin. Das Vieh regte sich nicht und war mit seinen Bolzen gespickt. Der Taubenkiller war tot. Trotzdem folgte Kannich noch dem inneren Drang, dem Kadaver einen Tritt zu verpassen. "Das war für Bärbel!", murmelte er und schaute sich um, wo der Feldwebel abgeblieben war. Als er Lilli dann sah, wie sie von einem niedriger gelegenen Dach zu ihm hinauf stieg, war er zufrieden. Er deutete auf die Leiche: "Es ist vorbei. Nun wird keiner unserer Tauben noch ein Leid zugefügt werden!"
Die verdeckte Ermittlerin nickte ihm zu und zeigte ihm einen Daumen nach oben. Dann folgte sie ihm mit einen Lächeln, während er persönlich die Katzenreste wie eine Trophäe an sich nahm und mit nach unten trug.
Giselle hatte sich in einem Cafe eine schöne Tasse Kaffee bestellt und überschlug nun die Einkünfte aus ihrer Taubenauktion. Was sie ausrechnete, stimmte sie sehr zufrieden, denn es war genug, um ihre weitere Schullaufbahn zu finanzieren. Es war zwar ein wenig schade, dass ihr dämonische Diener anscheinend irgendwie von den Wächtern terminiert oder verbannt worden war, vielleicht auch nur gefangen, da er sich als durchaus brauchbar erwiesen hatte; aber auf der anderen Seite gab es Dämonen wie Feuer in den tiefsten Tiefen der Hölle; sie konnte bei Bedarf sich einfach einen neuen beschwören.
Aber der würde nicht entstehen, sie hatte ja, was sie wollte. Und das ohne groß was anzustellen, niemand war
wirklich ernsthaft zu schaden gekommen. Abgesehen von den Tauben, aber um die war es nicht schade, schließlich waren die ja auch nur fliegendes Ungeziefer.
Kannich hatte ein komisches Gefühl in der Magengrube, als er den Taubenschlag betrat. Er war vom Kommandeur sowohl gescholten worden, weil er einfach seinen Posten verlassen hatte, als auch gelobt, weil er diese Killerkatze erwischt hatte. Was Bruder Laudes zugefahren war, wussten sie immer noch nicht, aber kaum war die Katze tot, war er aus seinem Komaschlaf erwacht und erinnerte sich an überhaupt nichts. Manche Geheimnisse würden wohl für immer Geheimnisse bleiben.
Nachdenklich betrachtete der Kommunikationsexperte die Tauben, die vor ihm auf der Stange saßen und eifrig vor sich hin gurrten. Er war nur noch hier rauf gekommen, um die Sachen zu holen, die er liegen gelassen hatte, wie seinem Klackerjournal. Wenn er den Taubenschlag verließ, würde er wieder zu seiner alten Tätigkeit zurückkehren, den Tag beim Klacker verbringen und ab und an Streifendienst schieben.
Kannich wusste nicht, wie ihm zumute war, eigentlich hätte er doch überglücklich sein sollen, diese lauten, stinkigen und unberechenbaren Biester endlich loszuwerden. Wieso fühlte er sich dann nur so indifferent?
"Kannich geht", stellte Flocke fest, die sich durch die ganzen Geschehnisse gewaltig gemausert hatte.
"Ich will nicht, dass er geht!", maulte Amalie gurrend. "Jetzt, wo wir ihn endlich erfolgreich umerzogen haben, wäre das doch eine fürchterliche Verschwendung!"
"Außerdem war seine Spezialisierung genauso lecker wie Rogis. Ich frage mich, wie er das hinbekommen hat", gurrte Hugo nachdenklich.
"Ich glaube, wir könnten ihn dazu bringen, dass er bei uns bleibt", stellte Flocke fest.
"Ja?", fragten Amalie und Gabi gleichzeitig.
"Aber wir werden das nicht tun."
"Wieso nicht? Wir wollen ihn doch behalten!"
"Wir dürfen aber nicht", erwiderte die schneeweiße Taube: "Die Ereignisse haben mir eines klar gemacht - dass es ein Geschenk ist, die Möglichkeit zu haben, irgendwann in seinen Heimatschlag zurück zu kehren. Das hier ist nicht sein Schlag, Kannich ist ein Klackermensch. Und auch wenn wir ihn lieb gewonnen haben, so wird er uns doch nie denen vorziehen, denn er hat nie wirklich begriffen, was es heißt eine Brieftaube zu sein."
"Was heißt es denn?", erkundigte sie Bruno, nur der Sicherheit halber.
"Leben", stellte Flocke fest und plusterte sich auf: "Und jetzt Flügel ausgebreitet und hoch den Bürzel! Wir werden dafür sorgen, dass Kannich die richtige Entscheidung fällt!"
"Jawohl, Mä'äm!", gurrten die anderen Tauben unisono und machten sich dafür bereit, zu tun, was getan werden musste.
Rogi war froh, dass Bruder Laudes sich wieder ohne weiteres vollständig erholt hatte, und auch ihr Arm würde in ein, zwei Tagen vollständig geheilt sein, ohne unerwünschte Narben zu hinterlassen. Das war ja schließlich nichts, was man als anständige Igorina dem Zufall überließ.
Sie freute sich aber ebenfalls, sich wieder den Tauben widmen zu können, es war deprimierend sich um jemanden zu kümmern, dessen Zustand sich nicht durch den Wechsel der Ersatzteile beheben ließ. Außerdem war es furchtbar gewesen, von den ganzen toten und verschwundenen Tauben zu erfahren, ohne sich selbst ein Bild davon machen zu dürfen. Aber Araghast Breguyars Befehle waren Gesetz, doppelt für sie.
Beschwingt stieg sie also die Treppe hinauf, bei sich ein kleines Körbchen mit ein paar netten Leckereien für die wenigen verbliebenen Tauben. Sie stockte, als ihr ein anderer Wächter entgegenkam.
Es war Kannichgut Zwiebel, über und über mit schwarz-weißen Sprenkeln übersäht.
Rogi lächelte ihn freundlich an, doch Kannich murmelte nur "Verdammt Tauben, wie ich diese dreckigen Biester verabscheue!!" und passierte sie ansonsten vollkommen gruß- und wortlos.
Die Igorina schaute ihm ein paar Augenblicke hinterher und seufzte dann resigniert. Dabei hatte sie doch ernsthaft gehofft, dass er etwas aus der ganzen Sache lernen würde! Aber manchmal klappte es dann doch nicht...
Lilli stellte das Glas mit dem Dämon auf ein kleines Regal in ihrer Wohnung. Viele Wächter hätte es wahrscheinlich verwundert, dass sie überhaupt eine hatte, verbrachte sie doch exorbitant viel Zeit im Wachhaus und bei verdeckten Ermittlungen, aber ein bisschen Unabhängigkeit war nicht schlecht. Der Nachtmahr in den Glas starrte sie nur wütend mit allen 37 seiner Augen an, die Tentakel verschränkt. "Das ist zu 100 Prozent illegal! Wenn dich jemand erwischt, dass du einen so gefährlichen Dämon wie mich nicht an authorisierte Stelle abgibst, dann kriegst du den größten Ärger, den man sich vorstellen kann! Gefängnis! Geldstrafen! Gesellschaftliche Verachtung! Und das wird gerade erst der Anfang! Ich... hey, hey! Lass das!"
Sie ignorierte das Gemecker des Dämons und streifte einen selbstgestrickten Überwurf über das Glas, woraufhin Grrglgrrgs Worte zu einem undeutlichen Murmeln verebbten. Die Wächterin nickte zufrieden und griff sich dann den Zettel, wo sie den Laden aufgeschrieben hatte, wo man solche Gläser kaufen konnte, schließlich schuldete sie Ruppert einen Ersatz. Hoffentlich war das nicht so teuer, sie hatte keine Ahnung wie der Preisbereich von "MacGuffins zauberhafter Manufaktur" lag. Sie warf sich einen bequemen Umhang über und ließ den zeternden Dämonen alleine.
Sie war ganz froh darüber, das der 'Erfolg' mit der toten Katze Kannich in die Schuhe geschoben wurde; auf diese Weise war der Fall für sie noch nicht abgeschlossen und sie konnte noch eine Weile weiter ermitteln. Grrglgrrg war nur die Spitze des Eisbergs gewesen.
Zurück in seinem Turm atmete Kannich erst einmal ein paar Male ein und aus. Endlich wieder in vertrauen Gefilden! Zufrieden mit sich und der Welt stürzte er sich in Codes und Tabellen, technischen Zeichnungen und allerlei anderen Klackerzeug. Nach einer kurzen Weile schon, fand er es zunehmend schwerer, die Texte zu lesen. Hatte ihn dieser blöde Tschob verweichlicht? Ein Blick zur Uhr stimmte ihn wieder versöhnlich, anscheinend war war nur die Zeit an ihm vorbeigerauscht. Draußen dämmerte es bereits. Genüsslich streckte sich der Wächter erst einmal ausgiebig und beschloss dann, ein wenig zu lüften, die Worte vom Kommandeur von damals immer noch im Hinterkopf.
Er stand eine ganze Weile beim offenen Fester und schaute nach oben, wo mit der hereinbrechenden Nacht immer mehr Sterne erschienen. Irgendwie merkwürdig, es kam ihm beinahe so vor, als würden mehr als in der vorhergehenden Nacht am Himmel stehen. Das war astronomisch doch unmöglich, nicht bei dem Tempo der Schildkröte.
Kannich wischte wie nebenbei eine Taubenfeder vom äußeren Brett herunter, so dass sie nach unten trudelte und machte dann sein Fenster wieder zu.
[1] Nicht nur die Optik verhielt sich analog zur Pathologie.
[2] Der Ankh verlieh Ankh-Morporks Einwohnern Nasenflügel aus Stahl.
[3] Die anderen Kommunikationsexperten waren froh, dass sich Kannich um die Klacker kümmerte, schließlich wusste jeder, dass die laut waren, jede Menge Dreck produzierten und sich viel zu oft als unberechenbar erwiesen.
[4] Kannich war froh, dass er sich nicht um die Tauben kümmern musste, weil die laut waren, jede Menge Dreck produzierten und sich viel zu oft als völlig unberechenbar erwiesen.
[5] Bei ihr kein Zeichen von Albinismus. Alle anderen Tauben hatten nämlich auch rote Augen, die normale Irisfarbe für ihre Spezies.
[6] Dabei lag es auf der Hand: Zauberer hatten ein Faible für dekadente Mahlzeiten.
[7] Nur wenn man sicher wusste, dass eine Taube tot war, war sie für den Schlag gestorben. In allen anderen Fällen machte sie nur einen langen Botenflug. So lautete die unausgesprochene Abmachung zwischen allen Brieftauben.
[7a] wenn er GENUG übrig ließ...
[9] Es gab regelmäßig erhitzte Diskussionen der komödiantisch orientierten Götter in Würdentracht darüber, in wessen Zuständigkeitsbereich Bananenschalen fielen.
[10] natürlich bringen Assassinen auch andere Spezies um, aber ihr Hauptklientel waren nun mal Menschen
[11] Wenn einem so etwas schon dreimal passiert war, hatte man eine gewisse Erwartungshaltung.
[12] Davon hatte er genau 7a Stück
Zählt als Patch-Mission für den Verdeckte Ermittlerin-Patch.
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