Die Liga der rotbärtigen Zwerge

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von Feldwebel Romulus von Grauhaar (RUM)
Online seit 01. 10. 2011
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 Außerdem kommt vor: Charlie Holm

Durch einen Zufall erfährt Charlie Holm während der Spurensuche zu einem eher unspektakulären Mordfall von einer seltsamen Geschichte rund um einen Zwerg mit knallrotem Bart und einer mysteriösen Vereinigung (Wichtelgeschichte)

Dafür vergebene Note: 11

Ähnlichkeiten zu "The Red-Headed League" ("Die Liga der Rothaarigen") von Sir Arthur Conan Doyle sind natürlich vollkommen beabsichtigt.

"Einen Meter und zweiunddreißig Komma acht Zentimeter von der Leiche entfernt befindet sich eine schwere Standuhr, die neben diverser Beschädigungen an der einen Ecke deutliche Blutspuren aufweist. Auch ohne die Hilfe der Gerichtsmedizin lässt sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sagen, dass es sich dabei um die Mordwaffe handelt. Der Schädel des Opfers..."
"Hallo Charlie, darf ich dich bei deinem Diktat kurz unterbrechen?"
Der Tatortsicherer blickte auf und gab dem Diktierdämonen, den er in der Hand hielt das "Pause"-Zeichen. Die Arbeit war irgendwie nicht mehr die Selbe wie früher, dachte er sich. Immer diese Dämonen überall. Und die ganzen neuen in der Wache schienen zu meinen, diese moderne Technik würde ihren Gehirnen alle Arbeit abnehmen können. Dem Korporal gegenüber stand Feldwebel von Grauhaar. Auch noch einer, der das Wachehandwerk noch von der Pieke auf [1] gelernt hatte, und sich nicht nur auf moderne Wunderwerke der Magie und Alchemie verließ. Auch wenn seine Methoden manchmal etwas umständlich waren. Charlie wunderte sich ein wenig, warum der Abteilungsleiter von RUM nicht einen seiner jungen Ermittler zu diesem Routine-Mordfall geschickt hatte und selbst hinter seinem Schreibtisch Papierkram erledigte. Dabei konnte man doch schon anhand der Beweislage und der Lebensumstände des Opfers den Täter ganz klar identifizieren. Es lag auf der Hand dass Ignazius Knöterich von seinem Neffen umgebracht worden war, der in arger Geldnot steckte und dem der Tod des reichen Erbonkels gerade zu recht gekommen war. Mal ganz von seinem plötzlichen Verschwinden abgesehen. Aber der etwas gehetzte Gesichtsausdruck des Werwolfs gepaart mit der Tatsache, dass von ihm eine Geruchswolke aus Pfeifenrauch, Superbulle und torfigem Zwergenwhisky ausging, wie sie für gewöhnlich in seinem Büro herrschte, deuteten darauf hin, dass er direkt von diesem an den Tatort geeilt war, wahrscheinlich, weil seine gesamte Abteilung wieder mal anderwärtig unterwegs war.
"Hallo Romulus. Was möchtest du wissen? Warte doch meinen Bericht ab, dann brauchst du keine weiteren Schlussfolgerungen mehr zu treffen."
"Nun ja, du weißt ja wie das ist. Routinemäßige Ermittlungsarbeit und so. Ich muss die Nachbarschaft befragen, mir selbst ein Bild vom Tatort machen und so weiter."
"Gibt es denn hier irgendjemanden, der nicht sofort den Neffen von Herrn Knöterich beschuldigt, der offenbar gestern Abend hier gewesen ist und einen lautstarken Streit mit seinem Erbonkel vom Zaun gebrochen hat?"
"Hmmm, da ist die alte Frau Überbein aus dem rechten Nachbarhaus, die genau das aussagt. In der BAMBI[2]-Bank gegenüber war um die fragliche Uhrzeit nur ein Nachtwächter anwesend, der noch befragt werden muss. Außerdem wäre da der Nachbar von links nebenan, ein rotbärtiger Zwerg namens Jabbi Wilsonsson. Er bestätigt die Aussage von Frau Überbein gewissermaßen. Wilsonsson hat abends laute Stimmen gehört und anschließend einen lauten Schrei, gefolgt vom Poltern eines schweren Gegenstandes und dem Geräusch sich hastig entfernender Schritte."

Wenig später verließ Korporal Holm den Tatort am Herzog-von-Duschen-Duschen-Platz, um gedankenverloren und Pfeife rauchend schnellen Schrittes den Rückweg zum Pseudopolisplatz anzutreten. Als er um eine Ecke bog, hätte er beinahe den Zwerg übersehen, der hastig die Straße entlanggelaufen kam. Doch das grelle Leuchten des knallroten Bartes in Charlies Augenwinkel sorgte dafür, dass er gerade noch so aus dem Weg manövrieren konnte.
"Oh, entschuldigen sie." erklang aus dem dichten Haargestrüpp unter einem traditionellen Zwergenhelm eine Stimme. Ich war so sehr in Gedanken, dass ich sie überhaupt nicht bemerkt habe."
"Keine Ursache, ist ja nichts passiert", gab der Tatortwächter zurück.
"Oh, aber ich hätte sie doch beinahe umgelaufen. Gestatten sie, dass ich sie zumindest auf ein Glas Whisky bei mir zu Hause einlade? Ich wohne gleich um die Ecke, am Herzog-von-Duschen-Duschen-Platz."
Charlie kam das Gespräch mit Romulus wieder in den Sinn. Das musste dieser Wilsonsson sein, Nachbar des verstorbenen Ignazius Knöterich. Es könnte jedenfalls nicht schaden, das Angebot anzunehmen. Vielleicht erfuhr er ja etwas mehr, als Romulus von dem Zwerg erfahren hatte. Immerhin wusste Wilsonsson nicht, dass Charlie Wächter war, das könnte man ja ausnutzen um über einen ungezwungenen Plausch an Informationen zu kommen.

Das Wohnzimmer des Zwerges sah ungefähr so aus, wie sich Charlie das vorgestellt hatte. Alles sehr grau gehalten, die meisten Dinge aus Stein oder zumindest in Fels-Optik, die Fenster von innen mit einem steinfarbenen Vorhang verhangen. Dazu brannten Fackeln an Halterungen in der Wand. Ein schwerer Eichentisch und einige für menschliche Verhältnisse viel zu niedrige Schemel waren die einzigen nennenswerten Möbel. An den Wänden hingen Spitzhacken, Äxte und ein Schild. Auf dem Tisch stand eine vor sich hin glimmende Laterne. Man merkte deutlich, dass das Haus einmal für Menschen erbaut wurde, aber von einem für oberirdische Verhältnisse ziemlich traditionellen Zwerg bewohnt wurde.
Nachdem beide auf den Schemeln Platz genommen hatten - Charlie mehr schlecht als recht - begann Wilsonsson nun auch das Gespräch, während er zwei Tonbecher mit stark nach Torf riechendem zwergischen Whisky füllte: "Wissen sie, dass ich so ohne Vorsicht herumgelaufen bin, liegt daran, dass ich sehr in Gedanken war. Mir ist da etwas Seltsames passiert, welches mich so sehr beschäftigt, dass ich nur noch mit einem halben Auge auf meine Umgebung geachtet habe."
"Hatte das Seltsame etwas mit viel Schreibarbeit zu tun?" wollte Charlie wissen.
"Potz Donner, wie sind sie dann darauf gekommen? Sie haben recht!"
"Ist eigentlich ganz einfach, ihr linker Kettenhemdärmel ist deutlich schmutziger als der rechte, man sieht sogar einen kleinen Tintenklecks, der offenbar noch recht frisch ist. Was könnte das also sonst bedeuten, als dass sie viel geschrieben haben. Denn der Ärmel, der beim Schreiben auf dem Tisch lag, ist sauber."
Der Korporal hätte noch einiges mehr über Jabbi Wilsonsson sagen können, beispielsweise, dass er vor noch nicht allzu langer Zeit in Überwald gewesen sein musste, dass er Mitglied der Kampagne "Gleiche Höhe für Zwerge" war, dass er es beim Klonk-Spielen mit den Regeln nicht ganz so genau nahm, vor allem wenn er die Troll-Seite spielte und dass er die ungewöhnliche Angewohnheit hatte, sich vor dem Besuch des Aborts dreimal um sich selbst zu drehen und dabei die Melodie von "Des Zauberers Stab hat 'nen Knauf am Ende" zu summen, aber er wollte den Zwerg nicht unnötig misstrauisch machen. Stattdessen ermunterte Holm ihn, zu erzählen, was ihn so sehr beschäftigt hatte, dass er versehentlich fremde Leute auf der Straße anrempelte.
"Aber erzählen sie mir doch bitte, was sie so bewegt."
"Wenn sie darauf bestehen - ich muss ihnen aber schon vorher sagen, dass es keine sehr befriedigende Erzählung ist, da alles völlig unlogisch erscheint. Nun, es begann vor ein paar Wochen, als mein Gehilfe, ein überaus fleißiger Zwerg namens Vinni Spoldisson, mir einen Artikel aus der Times zeigte. Darin war die Rede von einer so genannten Liga der Rotbärtigen. Aber warten sie, ich habe den Artikel noch irgendwo."
Wilsonsson rief nach seinem Gehilfen, der kurz darauf erschien. Dieser war ein eher ungewöhnlicher Zwerg, trug er doch keinen traditionellen langen Bart, nur einen monströs wirkenden, blonden Schnurrbart und war auf dem Haupt ansonsten kahl geschoren. Sein Frack aus Kettengeflecht wirkte auch ein wenig befremdlich, aber in was die aktuelle Kettenmode anging, konnte man bei Zwergen heutzutage ohnehin nicht den Maßstab der Vernunft anlegen. Jabbi ließ sich den Artikel aus der Times bringen, und gab ihn an Charlie weiter. In großen Lettern stand dort folgendes:



AN DIE LIGA DER ROTBÄRTIGEN ZWERGE, - Dem Vermächtnis des verstorbenen Ezekiah Goldhops aus Lebsdorf, Überwald, entsprechend, ist jetzt wieder eine Stelle für ein Mitglied in der Liga frei; das Gehalt beträgt zwanzig Dollar pro Woche bei nur leichtem Dienst. Alle rotbärtigen Zwerge, die an Leib und Seele gesund und über hunderteinundzwanzig Jahre alt sind, können sich bewerben. Erscheinen Sie persönlich am Montag um elf Uhr bei Rossi Duncansson im Büro der Liga, im Hohepriester-Hof, Flottengasse 7."




"Sehen sie, Herr Holm, Spoldisson brachte mir diesen Artikel und riet mir, mich um diese Position zu bewerben. Immerhin ist mein Bart roter als so ziemlich alle anderen Bärte, die mir in meinem Leben bisher über den Weg gelaufen sind. Und das Zusatzeinkommen kam mir gerade recht. Ich betreibe eine kleine Schmiede in den Nebenräumen meiner Wohnung, aber diese wirft nicht gerade viel ab, und zwanzig Dollar wöchentlich sind ein stolzes Gehalt, welches mir gerade recht gekommen wäre. Früher konnte ich mir neben Spoldisson noch einen weiteren Gehilfen leisten, aber heute überschwemmen Burlich und Starkimarm mit ihren Massenproduktionen den Markt, und für einen kleinen Schmied wie mich bleibt kaum mehr etwas von dem großen Steinkuchen übrig. Ich kann Spoldisson nicht mal das volle Gehalt zahlen, gerade, weil er auch die Aufgaben eines Butlers übernimmt, aber er akzeptiert das halbe Gehalt, weil er das Schmiedehandwerk erlernen möchte ohne zurück nach Überwald zu müssen. Wahrscheinlich könnte er für die Arbeit, die er hier macht, anderswo locker das Doppelte verdienen, aber warum sollte ich ihm Flöhe in den Kopf setzen?"
"Sie haben ausgesprochen Recht, Herr Wilsonsson. Glück für Sie, dass sie einen solch tüchtigen Gehilfen haben. Ist das nicht fast bemerkenswerter als Ihre Zeitungsannonce?"
"Naja, ganz perfekt ist Spoldisson auch nicht. Er hat sich aufs Ikonografieren verlegt, und anstelle sich im Schmieden zu üben, ist er oft Stundenlang in seinem Raum, den er im Keller bekommen hat, um seine Ikonografien zu entwickeln.
Jedenfalls kam er mit der Times in der Hand zu mir mit einer Bemerkung, er beneidet mich darum, dass ich solch einen knallroten Bart habe, und er gäbe einiges darum, sich in dieses 'Gemachte Nest hineinzusetzen'."
"Er bezog sich auf die Annonce?"
"Ja, er erzählte mir von der Liga der Rotbärtigen, und wunderte sich, dass ich mit meinem prachtvollen, feuerroten Bart, noch nie von dieser Vereinigung gehört hätte. Die Stellen sind sehr gut bezahlt, und man könne sie Problemlos neben dem eigentlichen Beruf ausüben um ein ordentliches Zusatzeinkommen zu erhalten.
Ich wandte natürlich ein, dass es wahrscheinlich alleine in Ankh-Morpork tausende Zwerge mit rotem Bart geben würde, ob es sich dann überhaupt lohnen würde, sich zu bewerben. Er entgegnete mir, es müssen schon Zwerge sein, die seit langem in - und nicht unter, da war Goldhops sehr eigen, da er sich mit den Ideen der Drudak'ak [3] nie anfreunden konnte - Ankh-Morpork leben und die nicht irgendwie hellrote, dunkelrote oder gar rotblonde Bärte haben, sondern nur wirkliches Feuerrot hätte eine Chance. Er ermunterte mich, mich doch zu bewerben, denn wenn ein Bart mit hoher Wahrscheinlichkeit die Stelle erhielt, dann doch wohl meiner."
"Und, haben sie sich beworben?" warf Charlie ein, der versuchte, sich jedes Detail der Erzählung von Wilsonsson einzuprägen. Wer weiß, wo das alles hinführte, und ob es nicht irgendwie einen Zusammenhang mit dem Mord an Ignazius Knöterich gab.
"Am nächsten Tag habe ich mich von Spoldisson zum Büro der Liga begleiten lassen, und obwohl eine Unmenge an Zwergen vor dem Eingang Schlange stand, waren - ganz wie er mir gesagt hatte - nur wenige Zwerge mit wirklich feuerrotem Bart anwesend. Ich hätte am liebsten auf dem Absatz kehrt gemacht, um meine Schmiede nicht länger im Stich zu lassen, aber mein Gehilfe überredete mich, dass ich mich dennoch hinten an die Schlange anstellte. Es ging schneller voran als erwartet, und nach nicht mal einer Viertelstunde waren wir bereits in das Gebäude hineingetreten, wo die Schlange eine Treppe hinauf weiterging. In kurzen, regelmäßigen Abständen kamen Zwerge mit niedergeschlagenem Gesichtsausdruck herunter, während wir uns in gleichen Zeitabständen hinaufbewegten. Offenbar hatte dieser Duncansson von der Liga an jedem etwas auszusetzen gehabt. Meine Hoffnung auf die Stelle war mittlerweile auf den Nullpunkt gesunken, als ich schließlich an die Reihe kam. Rossi Duncansson lächelte mich an, als er meinen Bart sah und nahm meine Personalien auf. Dann trat er auf mich zu, murmelte eine kurze Entschuldigung und zog so kräftig an meinem Bart, dass mir vor Schmerz die Tränen kamen. 'Reine Vorsichtsmaßnahme' waren seine Worte. 'Sie sind genau der Richtige für die Stelle'. Er öffnete die Bürotür und rief nach draußen, dass er keine weiteren Bewerbungen mehr bearbeiten würde, weil die Stelle nun besetzt sei. Enttäuscht zogen die noch wartenden Zwerge von Dannen. Nachdem wir weitere Formalitäten erledigt hatten, und mein Gehilfe sich angeboten hatte, die Schmiede während meiner Dienstzeit zu betreuen, war es mir natürlich auch noch ein Anliegen, zu erfahren, was meine Tätigkeit war. Duncansson erklärte mir, ich sollte eine handschriftliche Kopie der Encyclopaedia Morporkia anfertigen und deutete auf einen Schrank, in welchem sich der erste Band dieses Werkes befand. Die einzigen Bedingungen, der meine Arbeit unterworfen sein sollten, waren mein Arbeitsgerät - Tinte, Schreibfeder, Papier - welches ich selbst mitbringen sollte, und die Tatsache, dass ich in der gesamten Arbeitszeit, welche mit den Stunden von zehn bis zwei recht angenehm bemessen war, das Büro unter keinen Umständen verlassen durfte, und auf jeden Fall die Arbeitszeiten einhalten musste, sonst würde mir der Tschob sofort entzogen werden."
"Eine durchaus verbreitete Maßnahme in Ankh-Morpork", warf Charlie ein. "Viele Arbeitgeber haben schon schlechte Erfahrung mit faulen Mitarbeitern gemacht, erst recht, wenn sie quasi ohne besondere Aufsicht arbeiten mussten."
Er dachte an einige Fälle in der Stadtwache, wo Kollegen aus heiterem Himmel oft tagelang nicht zum Dienst erschienen waren, ohne eine Erklärung abzugeben.
Der Zwerg fuhr seine Erzählung fort: "Jedenfalls trat ich am darauffolgenden Tage meinen Dienst für die Liga der rotbärtigen Zwerge an, auch wenn ich ehrlich sein muss, dass ich mir einige Gedanken gemacht hatte, ob es sich nicht um irgendeine Art Betrug handeln konnte. Allerdings sagte ich mir, dass es nicht sehr sinnvoll sei, einen derartigen Aufriss darum zu machen, mich hinters Licht zu führen. Was könnte jemand schon für einen Nutzen ziehen aus dem Abschreiben eines Lexikons, welcher eine derartige Scharade lohnen würde. Nein, es musste doch mit rechten Dingen zugehen. Auch Vinni Spoldisson ermutigte mich, dabei zu bleiben, und besorgte mir am nächsten Morgen sämtliche benötigten Arbeitsmaterialien. So kam ich pünktlich um zehn Uhr im Hohepriester-Hof an, und alles war so, wie man mir gesagt hatte: Ein Schreibtisch mit dem bereits aufgeschlagenen Band eins der Encyclopaedia Morporkia stand bereit und Rossi Duncansson wartete bereits auf mein Eintreffen und wies mich ein, mit dem Buchstaben A zu beginnen. Er ging nach einer Weile davon, aber kam von Zeit zu Zeit wieder vorbei und vergewisserte sich, dass ich auch meiner Arbeit nachging. Und um zwei Uhr überprüfte er dann noch einmal, wie weit ich gekommen war und schloss dann die Tür hinter mir ab, nachdem ich gegangen war. Das ganze lief dann mehrere Tage, auch wenn die Überprüfungsbesuche von Herrn Duncansson immer seltener wurden. Nach einer Woche bekam ich am Ende des Arbeitstages meine zwanzig Dollar in bar ausbezahlt. Auch in de folgenden Wochen ging es immer weiter und so hatte ich nun schon zwei Monate für die Liga der rotbärtigen Zwerge gearbeitet, war mit dem Buchstaben A schon fertig und hatte gerade mit den ersten Begriffen unter 'B' begonnen, als es plötzlich alles vorbei war."
"Es war vorbei? Wieso war es denn vorbei?"
"Das ist es ja, was mich heute so durcheinander gebracht hat, dass ich auf der Straße beinahe mit ihnen zusammengestoßen wäre. Als ich heute Morgen mit einem frisch gekauften Stapel Papier unter dem Arm am Hohepriester-Hof angekommen war, war die Türe verschlossen. Ich rüttelte ein wenig, aber sie ging nicht auf. Auch auf mein Klopfen reagierte niemand. Ich versuchte, von außen in das Bürofenster zu sehen, doch als Zwerg ist das nicht immer so einfach. Jedenfalls brannte dort nicht, wie sonst üblich, das Licht einer kleinen Ölfunzel auf dem Fensterbrett, sondern alles war dunkel. Ich wollte wieder hineingehen und bemerkte etwas, das mir beim ersten Durchschreiten des Eingangstores nicht aufgefallen war. Folgendes hing mit einem Reißnagel befestigt auf der Außenseite des Tores."
Er reichte Holm einen kleinen Notizzettel, auf dem in krakeliger Schrift geschrieben stand


Die Liga der rotbärtigen Zwerge isset aufgelösigt

9. Sektober im Jahr des komplizierten Affen



Charlie betrachtete die Notiz, sah daraufhin dem Zwerg in sein zu einer jämmerlichen Miene verzogenes Gesicht und musste ein schallendes Lachen unterdrücken, denn diese Geschichte klang so ungewöhnlich, dass sie etwas geradezu absurd Komisches hatte. Er schluckte das Lachen herunter, schließlich konnte er es sich nicht leisten, seinen Gastgeber zu erzürnen, wenn er noch mehr Informationen bekommen wollte. Er beschloss, noch ein wenig nachzubohren. Es könnte immerhin alles mit dem Fall zu tun haben, auch wenn das derzeit noch ziemlich abwegig klang.
"Aber das müsste war doch heute Morgen gegen zehn gewesen sein. Was haben sie denn in der Zwischenzeit gemacht?"
"Ich habe natürlich versucht, Erkundigungen einzuziehen. Nachdem ich nicht wusste, was ich tun sollte, habe ich einfach bei den anderen Bewohnern des Hohepriester-Hofs herumgefragt. Keiner kannte einen Rossi Duncansson, auch der Besitzer des Anwesens teilte mir mit, dass er weder diesen Namen, noch von der Liga der rotbärtigen Zwerge jemals gehört hatte. Nachdem ich Duncansson und die Lage des Liga-Büros im Gebäude beschrieben hatte, gab er mir die Auskunft, dass es sich dabei um ein ehrenwertes Mitglied der Anwaltsgilde namens Willi Lackiluk handelte, der diesen Raum als zeitweiliges Kanzleibüro genutzt hatte, da seine eigentliche Kanzlei sich derzeit in Renovierung befand. Er ist gestern Abend ausgezogen, die Renovierungsarbeiten waren wohl beendet.
Natürlich habe ich sofort die Anwaltsgilde aufgesucht, doch dort wollte mir niemand eine Auskunft geben. Also bin ich in meine Schmiede gegangen, um meinen Gehilfen Spoldisson um Rat zu fragen. Aber auch der konnte mir nicht weiterhelfen, meinte nur, bestimmt würde sich die Liga per Post oder Klacker bei mir melden. Aber trotzdem war ich beunruhigt, schließlich war die Stelle sehr gut und so überlegte ich auf dem Heimweg, wie ich nähere Informationen von der Anwaltsgilde erhalten könnte. Ja, und dann bin ich beinahe mit ihnen zusammengestoßen, Herr Holm."
"Hmmm, das Ganze wirkt auf jeden Fall äußerst mysteriös. Vielleicht sind sie damit in eine gewichtigere Sache geraten, als sie annehmen."
"Natürlich ist die Sache gewichtig. 20 Dollar die Woche sind ganz klar gewichtig. Außerdem war dieser Duncansson oder Lackiluk oder wie auch immer er nun heißen mag nicht gerade ein Leichtgewicht."
"Vielleicht sollten sie diese Angelegenheit der Stadtwache melden. Die Abteilung für Gildenangelegenheiten könnte sicher etwas aus der Anwaltsgilde herausbekommen."
"Kommen sie mir bloß nicht mit der Wache. Es reicht schon, dass dieser Haufen gesellschaftlichen Abschaums nebenan bei dem alten Knöterich herumlungert und alle unbescholtenen Bürger in der Nähe aufs Unverfrorenste aushorcht. Mit denen möchte ich nichts weiter zu tun haben!"
Gut, dass der Tatortwächter seinen Beruf bisher verschwiegen hatte, sonst hätte er wohl gar nichts erfahren. Er musste also versuchen, auf eine weniger auffällige Art und Weise Hinweise zu bekommen, wenn er nicht alles verderben wollte. Glücklicherweise schien der Whisky den Zwerg äußerst in eine äußerst gesprächige Laune versetzt zu haben.
"Oder sie schicken ihren Gehilfen Spoldisson. Wenn er so tüchtig ist, wie sie sagen, dann wird er vielleicht etwas herausbringen können. Arbeitet er eigentlich schon lang bei ihnen?"
"Vor der Sache mit der Liga war er etwas mehr als einen Monat bei mir. Ich hatte in der Times inseriert, weil meine alten Gehilfen aufgrund der schlechten Bezahlung gekündigt hatten. Die beiden haben jetzt bei Burlich und Starkimarm angefangen, wie ich durch einen Zufall erfahren habe. Aber Spoldisson war der einzige von den Bewerbern auf die Stelle, der für diesen geringen Lohn arbeiten wollte. Mehr zu zahlen konnte ich mir einfach nicht leisten."

Ein wenig Smalltalk später, in das Charlie noch einige weitere Fragen eingeflochten, aber keine nennenswerten Dinge erfahren hatte, verabschiedete er sich mit überschwänglichem Dank und dem Hinweis, er sei untröstlich, aber er hätte noch eine Verabredung. Tatsächlich aber zog er sich in seine Wohnung in der Bäckerstraße zurück, um über die gehörte Geschichte bei der ein oder anderen Pfeife nachzudenken, und mit Hilfe der Deduktion zu einigen Ergebnissen zu kommen, oder zumindest zu weiteren Schritten, die man in Erwägung ziehen musste. Drei Pfeifen und eine Menge für den außenstehenden Zuhörer ohrenpeinigenden, für Charlie aber das Gehirn stimulierender Geigentakte später schickte er eine Taube an das Wachhaus, um einige Hinweise über den Gehilfen Wilsonssons zu erfragen.

Am nächsten Morgen machte der Korporal einen kleinen Umweg, bevor er zum Dienstbeginn ins Wachhaus ging. Dieser führte ihn direkt zum Herzog-von-Duschen-Duschen-Platz, dem Schauplatz des Mordes an Herrn Knöterich und der Ort, an dem auch Jabbi Wilsonsson lebte und arbeitete. Der Herzog-von-Duschen-Duschen-Platz war einer jener kleiner, verwinkelter Plätze, wie es sie in Ankh-Morpork duzendfach gab. Etwas heruntergekommene Gebäude, die einstmals wahrscheinlich recht prachtvoll gewesen sein dürften [4]. Um diese frühe Zeit des Tages war der Platz wie ausgestorben, wenn man von einigen Tauben absah. Charlie ging auf das Gebäude zu, in welchem sich Wilsonssons Schmiede befand und schritt von da aus den Platz ab. Dann ging er langsam wieder zurück, nahm den Stock, den er extra für diesen Zweck mitgebracht hatte und stieß damit einige Male heftig auf den Boden. Zufrieden nickend schritt er auf die Wilsonssons Tür zu und betätigte einen alten Türklopfer. Die Tür wurde kurz darauf geöffnet, und zwar von Vinni Spoldisson, dem Schmiedegehilfen.
"Entschuldigen sie die frühe Störung. Mein Name ist Holm. Ich war gestern bei Herrn Wilsonsson zu Besuch und wollte nachfragen, ob sie vielleicht meinen Hut gefunden haben, den vermisse ich nämlich seit gestern Abend und meine, ihn eventuell hier vergessen zu haben."
"Ja, ich habe gestern tatsächlich einen überzähligen Hut an der Garderobe gesehen. Moment, ich hole ihn eben."
Nachdem der Zwerg ihm seinen Hut ausgehändigt hatte, begab sich der Tatortwächter frohen Mutes zum Wachhaus am Pseudopolisplatz. Den Hut hatte er am vorherigen Abend absichtlich liegen lassen, um einen Vorwand zu haben, noch einmal zu Wilsonsson zurückzukommen. Und er hatte herausgefunden, was er herausfinden wollte.

Einige Stunden später. Feldwebel von Grauhaar saß Pfeife rauchend über den Details der Spurenauswertungen und Zeugenbefragungen im Fall Knöterich in seinem Büro, in der Hand eine geöffnete Dose Superbulle, als es an der Tür klopfte.
"Herein, wenn's kein Schnapper ist."
Die Tür öffnete sich und Korporal Charlie Holm betrat das Büro.
"Romulus, ich habe gestern zufällig einige erstaunlichen Entdeckungen gemacht, die vielleicht ein ganz neues Licht auf den Mordfall werfen könnten."
Der Werwolf sah von seinem Papierkram auf, froh über die kleine Abwechslung in der üblichen Mordfallroutine.
"Nun, dann nimm doch bitte Platz."
Er deutete auf den Stuhl auf der anderen Schreibtischseite, der für Besucher reserviert war. Charlie tat, wie ihm geheißen und begann, die Ereignisse, des Vorabends zu schildern, während er es dem RUM-Abteilungsleiter gleichtat, und seine Pfeife entzündete. Romulus hörte geduldig zu, unterbrach nur ab und an, um einige weiteren Nachfragen zu machen. Schließlich beendete Holm die Widergabe des Gesprächs mit Wilsonsson und begann mit den Ausführungen seiner Schlussfolgerungen.
"Siehst du, die Geschichte klingt im Großen und Ganzen zwar nicht sonderlich spektakulär, aber mir sind einige Ungereimtheiten aufgefallen. Zum einen ist da die Sache mit der Annonce in der Times. Ich habe in meinem katalogisierten Archiv sämtlicher Ausgaben der Zeitung nachgesehen, am fraglichen Datum gab es keine derartige Annonce."
"Sicher, dass es nicht die Ausgabe des Vortages war?"
"Ich habe - für den Fall, dass sich Wilsonsson im Datum geirrt hat - sämtliche Ausgaben der vorhergehenden und nachfolgenden Tage ebenfalls überprüft. Nirgends findet sich eine Anzeige der 'Liga der rotbärtigen Zwerge', in der sie nach einem Mitarbeiter suchen. Außerdem ist mir noch das Folgende aufgefallen."
Er schob eine Kapsel über den Tisch, wie sie von der Stadtwache bei der Nachrichtenbeförderung per Brieftaube benutzt wurde. Die Kapsel enthielt einen Steckbrief eines gewissen Jo Lehmgrube, einem bekannten, zwergischen Kriminellen, der schon für diverse Vergehen in der Skorpiongrube hätte landen sollen, aber dem man nie etwas nachweisen konnte. Auf seinem Kerbholz standen mehrere Raube, Einbruch, Geldfälschungen und sogar zwei Morde wurden höchstwahrscheinlich von ihm verübt.
"Aha, und was ist mit diesem Lehmgrube?"
"Er arbeitet zurzeit als Schmiedegehilfe in einer Schmiede am Herzog-von-Duschen-Duschen-Platz, sein Arbeitgeber heißt Jabbi Wilsonsson und er selbst nennt sich momentan Vinni Spoldisson."
Romulus pfiff durch die Zähne.
"Daher weht also der Wind! Sehr interessante Geschichte Charlie. Und du meinst, Lehmgrube könnte auch für den Mord an Ignazius Knöterich verantwortlich sein?"
"Nicht zwangsläufig, aber ich bin mir sicher, dass für den Einbruch in die BAMBI-Filiale am Herzog-von-Duschen-Duschen-Platz verantwortlich ist."
"Welchen Einbruch in die BAMBI-Filiale?"
"Oh, keine Angst, noch hat er nicht stattgefunden. Wir könnten ihn also noch verhindern."
"Aber wie kommst du darauf, dass er einen Einbruch plant?"
"Liegt das nicht auf der Hand? Lehmgrube brachte Wilsonsson auf diese Liga-Geschichte. Das heißt, der gefälschte Times-Artikel, der sich auf die Liga bezieht, wurde ihm von Lehmgrube übermittelt. Der dort anwesende Duncansson oder Lackiluk oder wie auch immer sein richtiger Name lauten mag, war ein Komplize von Lehmgrube. Und das ganze Brimborium rund um die Liga und den lukrativen Tschob hatte nur einen einzigen Grund."
"Und der wäre?"
"Wilsonsson aus dem Weg zu bekommen. Lehmgrube arbeitete laut dessen Aussage ja oft in einem Kellerraum, um Ikonografien zu entwickeln. Während der Schmied also im 'Büro der Liga' saß und der unsinnigen Tätigkeit, ein Lexikon abzuschreiben, nachging, werden die beiden in eben diesem Kellerraum tätig geworden sein und einen Tunnel unter dem Herzog-von-Duschen-Duschen-Platz hindurch gegraben haben. Offenbar war der Tunnel nun fertig, sonst hätten sie nicht die Notiz über die Auflösung der Liga an der Tür des Hohepriester-Hofs angebracht. Ich habe das heute Morgen vor Dienstbeginn durch Klopfen mit einem Gehstock überprüft. Auf dem direkten Weg zwischen der Schmiede und der Bank klang es hol, der Platz ist also an dieser Stelle untertunnelt. Es ist also nun ganz leicht möglich, durch diesen Tunnel an die unterirdischen Tresorräume der Bank zu kommen. Zudem sieht man an der ledernen Hose von Lehmgrube, den ich heute unter einem Vorwand besucht habe, deutlich, dass er kürzlich auf den Knien im Erdreich gearbeitet haben muss."
"Moment, das hast du alles überprüft? Ich sehe einen kleinen Fehler in deinen Recherchen: Laut der Erzählung von Wilsonsson befanden sich unzählige rothaarige Zwerge am Hohepriester-Hof. Die müssen doch alle auch diese Anzeige gelesen haben."
"Ja, diese Tatsache habe ich nicht außer Acht gelassen. Das machte mich auch zuerst stutzig. Ich habe in einer Times-Ausgabe, die wenige Tage vor dem Bewerbungstermin erschien, eine Anzeige gefunden, in der zweihundert rothaarige Schauspieler gesucht wurden."
Romulus blies eine Rauchwolke in Richtung des Kaffeedämonen Mälitta-Tschiehbo, welcher demonstrativ hustete.
"Und was soll das Ganze deiner Meinung nach mit dem Mord an Herrn Knöterich zu tun haben?"
"Nun, erst einmal ist es erstaunlich, dass ein Mordfall direkt beim unmittelbaren Nachbarn eines Hauses verübt wird, in dem offensichtlich ein anderes schweres Verbrechen geplant und durchgeführt wird. Zum anderen gäbe es sogar ein entsprechendes Motiv. Wilsonsson war auf mehr oder weniger harmlose und unverdächtige Weise aus dem Weg geschafft, damit niemand die verräterischen Geräusche der voranschreitenden Arbeiten am Tunnel hören konnte. Was aber, wenn der alte Knöterich etwas davon mitbekommen hat? Und unachtsam im Beisein von Lehmgrube darüber geredet hat?"


Aufgefeichneter Einfatf-Bericht FROG, 11. Fektober im Jahr def komplifierten Affen

Protokollierender Wächter: Fw Feinftich

Beteiligte FROGf: Fw Feinftich, KommEx - Femikolon - G Angelhart, Leichter Armbruftfütfe - Femikolon -G Kleinfuh, Triffinffiel


Wir befogen wie angeordnet am Abend def fehnten Fektoberf Ftellung im unterirdifen Treforraum der BAMBI-Bank-Filiale am Herfog-von-Dufen-Dufen-Platf. Die beiden Gefreiten deckten die Ftelle, an der der erwartete Tunneldurchbruch ftattfinden follte. Ich nahm direkt gegenüber am Fafe Ftellung, um den oder die Täter auf friffer Tat ertappen fu können. Oder nein, beffer gefagt, fie direkt konfrontieren fu können. Diktierdämon, löffe bitte den letften Fatf dafor wieder herauf. Nein, nicht DEN Fatf, den dafor. Ach, weift du waf? Laff die fätfe einfach beide drin. Ferflikfte moderne Technik! Früher haben wir unfere Einfatfberichte noch mit der Hand gefrieben. Alfo wo war ich ftehen geblieben? Jedenfalls hörten wir ungefähr gegen viertel vor fwei fehr verdächtige Geräufe auf der Erwarteten Richtung und wenige Feit fpäter wurde die Wand mit einer Fpitfhacke durchbrochen. Hervor kamen fwei Fwerge, die, nachdem fie fich ihrer Fituafion bewufft geworden waren, nämlich, daff fwei gefpannte Armbrüfte auf fie fielten, anftandflof ergaben und von unf inhaftiert wurden. Bei den Fwergen handelte ef fich um Herrn Jabbi Wilfonffon, der Wache bereitf bekannt, und einen bifher unbekannten Komplifen, der feinen Namen nicht preifgeben wollte. Die beiden Fubjekte wurden vorrübergehend in den wacheeigenen Fellenblock gefperrt.

Gefeichnet Feldwebel Rogi Feinftich. Du kannft die Auffeichnung nun beenden. Ja, genau, auffalten!



"Hallo Charlie", grüßte Romulus von Grauhaar am Abend des 11. Sektobers seinen Kollegen, den er in dessen ein Stockwerk tiefer gelegenen Büro aufgesucht hatte.
"Ich wollte dir nur mitteilen, dass der Fall Knöterich abgeschlossen ist, ebenso wie der Fall Wilsonsson. Wie du richtig vermutet hast, hingen beide zusammen."
"Wunderbar. Es war anhand der Beweislage auch gar nicht anders möglich, als dass der Gehilfe diesen Bankraub geplant hatte und sehr wahrscheinlich, dass dies auch der Grund für den Mord an Knöterich gewesen sein musste. Ist Spoldisson denn gefasst worden?"
"Ja, er wollte sich aus dem Staub machen, als er festgestellt hat, dass sein Arbeitgeber Jabbi Wilsonsson verhaftet wurde. Aber glücklicherweise haben ihn die Wachen am Mittwärtigen Tor erkannt und festgesetzt."
"Wilsonsson? Aber der war doch nur ein Opfer der dunklen Machenschaften seines Gehilfen?"
"Nun ja, das wollte er dich wohl glauben machen. Jedenfalls war er der eigentliche Drahtzieher hinter der Geschichte mit dem Tunnel und dem Bankraub. Seinen Komplizen haben die FROGs auch verhaftet, er weigert sich bislang, seinen Namen Preis zu geben, aber den werden wir schon noch herausbekommen. Die ganze Geschichte mit der Liga der rotbärtigen Zwerge war offenbar erstunken und erlogen, um einerseits ein Alibi zu haben und andererseits den Einbruch seinem Gehilfen in die Schuhe zu schieben. Er hat sogar dafür gesorgt, dass dessen Hosenbeine in Kniehöhe mit Erde beschmiert waren, wie er im Verhör zugab."
"Ja und die Sache mit dem Artikel in der Times? Die rothaarigen Schauspieler?"
"Die hatte überhaupt nichts mit unserem Fall zu tun. Eine Nachfrage bei der Times hat ergeben, dass sie vom Theater 'Die Scheibe' aufgesetzt wurde. Dort wird derzeit eine Llamedos-Version von Hwels Zähmung der Wühlmaus aufgeführt, für die eine Menge rothaariger Statisten benötigt wurden."
"Und warum hat dann Jo Lehmgrube versucht, die Stadt schnellstmöglich zu verlassen, wenn er unschuldig war?"
"Ich habe nicht behauptet, dass Lehmgrube unschuldig war. Wie du ja aus den Informationen, die du mir zugespielt hast, selbst weißt, hatte er ja gehörig Dreck am Stecken, man konnte ihm nur nie etwas nachweisen. Nun waren aber dem alten Ignazius Knöterich vor einigen Jahren zufällig gewisse Informationen in die Hände geraten, die bewiesen, dass Lehmgrube einen schweren Raubüberfall und einen damit verbundenen Mord ausgeführt hatte. Und anstatt, dass er diese Beweise an eine zuständige Stelle, Wache oder Assassinengilde, übermittelt hätte, war er der Meinung, er müsste auf seine alten Tage noch ein wenig Geld verdienen. Und so erpresste er Jo Lehmgrube um einen nicht gerade kleinen Betrag. Kein Wunder, dass der gute Ignazius so viel Geld hatte, den Großteil davon verdankte er wohl der Erpressung des Schwerverbrechers. Doch er hatte nicht damit gerechnet, was eigentlich offensichtlich ist: Wer einmal gemordet hat, schreckt vor einem zweiten Mord sicher nicht zurück. Und Jo Lehmgrube, den Knöterich nie persönlich kennengelernt hatte, und daher nicht wusste, wie er aussieht, hatte wahrscheinlich sogar schon mehrmals gemordet. Er nahm daher die schlecht bezahlte Stellung bei Jabbi Wilsonsson an, weil dieser in der direkten Nachbarschaft seines Erpressers wohnte, und wartete nur noch ab, bis sich eine günstige Gelegenheit ergab. Der von ihm mitgehörte Streit zwischen Knöterich und seinem abgebrannten Neffen war genau diese Gelegenheit, die er sich erhofft hatte. Schlecht nur für Lehmgrube, dass sein Arbeitgeber selbst kriminellen Machenschaften frönte, und ausgerechnet ein Mitglied der Wache als Alibi-Geber auserkoren hatte."

Nachdem Romulus das Büro verlassen hatte, war Charlie Holm alleine, da Sillybos, mit dem er sich das Büro teilte, sich auf irgendeiner Tatortuntersuchung befand. Oder vielleicht auch einfach nur in seiner Badewanne, man wusste das nie so genau. In Gedanken versunken saß der Korporal da und rauchte seine Pfeife. Natürlich waren beide Fälle nur aufgrund seiner überragenden Schlussfolgerungen gelöst worden, auch wenn sie sich im Nachhinein als falsch heraus gestellt hatten. Und letzteres wurmte ihn mehr, als er sich selbst gegenüber zugab.
"In einer logischeren Welt," sagte er zu sich selbst während er eine Rauchwolke in Richtung Decke blies, "in einer logischeren Welt hätte ich recht gehabt."

-ENDE-

[1]  Und damit waren nicht die altmodischen Hellebarden gemeint, mit denen Wächter früher auf Streife gegangen sind

[2] Bank von Ankh-Morpork für Bedauernswerte Investoren

[3]  Erzkonservative (Wortspiel nicht beabsichtigt), traditionalistische Zwerge, die nur unter der Erdoberfläche leben

[4]  Zumindest für Ankh-Morporkianische Verhältnisse




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Feedback:

Von Aglaranna

07.10.2011

Sprachlich und stilistisch gefällt mir die Geschichte sehr gut. Die Spannung bleibt bis zuletzt erhalten. Obwohl ich den "Werdegang" dieser Wichtel-Single im Groben mitbekommen habe, kam beim Lesen keine Langeweile auf und die Auflösung des Falles war auch für mich noch relativ überraschend.

Von Cim Bürstenkinn

02.10.2011

Mir war die Geschichte zu sehr ein Bericht und zu wenig Erlebnis. Die Kette an Beweisen, Informationen und Indizien ist aber sehr gut dargestellt.

Von Lilli Baum

08.10.2011

Vom Stilistischen und vom Plot her nichts auszusetzen, beides hast du gut umgesetzt. Trotzdem fehlt mir noch das Tüpfelchen auf dem i, vielleicht ein bisschen mehr Humor. Der Titel gefiel mir übrigens auf den ersten Blick, die dazugehörige Vorlage kenne ich leider nicht. (Wahrscheinlich ist das das mir fehlende Tüpfelchen.)

Von Romulus von Grauhaar

09.10.2011 12:34

@Lilli: Wahrscheinlich ist es das. Lies dir das Original ruhig mal durch, findet sich auch ganz legal [url=http://en.wikisource.org/wiki/The_Red-Headed_League]online bei Wikisource[/url]. Dann verstehst du auch das i-Tüpfelchen, nämlich das Ende der Single ;)



@Cim: Ich dachte mir, dass das wahrscheinlich bei vielen so ankommen wird. Der Hintergrund ist, dass ich versucht habe, möglichst nah am Originalschreibstil von Sir Doyle zu bleiben, der ja allgemein durch die Berichtsform sehr trocken daher kommt. Ich habe ursprünglich auch überlegt, das genau wie im Original als Erzählung aus der Ich-Perspektive zu schreiben, mit Romulus als Erzähler, bin aber davon abgekommen, weil Romulus nicht wirklich als Watson-Ersatz taugt, und es nicht gut in die Story gepasst hätte, wenn er überall mit dabei gewesen wäre.

Von Magane

09.10.2011 17:49

[quote="Romulus"]Ich habe ursprünglich auch überlegt, das genau wie im Original als Erzählung aus der Ich-Perspektive zu schreiben, mit Romulus als Erzähler, bin aber davon abgekommen, weil Romulus nicht wirklich als Watson-Ersatz taugt, und es nicht gut in die Story gepasst hätte, wenn er überall mit dabei gewesen wäre.[/quote]
Das hätte überhaupt nicht gepasst ;)

Ist ewig her, dass ich das Original gelesen habe, aber ich fand es wirklich gut übertragen.

Von Harry

09.10.2011 21:54

Also, vielen Dank erstmal - über Holmes-inspirierte Charlie-Geschichten freue ich mich immer :-)

Anzumerken wäre, dass für meinen Geschmack der Plot etwas zu "dicht" am Original war. Ein bisschen mehr Verscheibenweltlichung / Veränderung wäre vielleicht interessanter gewesen - zumindest, wenn man die Geschichte kennt und nur denkt "Ja, ich weiß ja schon, was es mit dem Rätsel auf sich hat". Auch ein kleines bisschen mehr Humor hätte mich gefreut. Aber nichtsdestotrotz: Schön zu lesen, und eindeutig Charlie :-)

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