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Seit einiger Zeit nimmt die Assassinengilde vermehrt Frauen in die Gilde auf. Doch nicht alle sind davon begeistert.
Dafür vergebene Note: 11
Schwer fielen die dicken Regentropfen zu Boden und hinterließen in der feuchten Erde kleine Ausbuchtungen, die an Miniaturkrater erinnerten. Mehrere Wochen dauerten die sinnflutartigen Regenfälle nun schon an und ganz Ankh-Morpork war durchnässt und klamm geworden unter seiner sonst so schützenden Hülle aus Dreck. In den kleinen Gassen zogen erst dünne Rinnsale ihre Pfade, die später zu größeren und schneller werdenden Bächen mutierten. Zwar spülten sie den Dreck und Gestank der Stadt hinfort, jedoch verliefen sie sich in den tiefer liegenden Stadtteilen, um dort riesige Pfützen aus stinkendem, modrigem Wasser zu bilden. Jeder, der ein festes Dach über dem Kopf hatte, vermied es, einen Fuß vor die Tür zu setzen. Die Landwirte vor den Toren hatten sich bemüht, ihr Vieh rechtzeitig in die schützenden Ställe zu bringen. Dennoch säumten etliche tote und vom Regen aufgedunsene Tierkadaver den Weg durch die Kohlfelder. Kahle Bäume ragten mit ihren dunklen Ästen gen Himmel und boten nur den wenigen Raben Schutz, die sich am sprichwörtlichen kalten Buffet labten und für die das Elend der Stadt zu einem wahren Festmahl wurde.
Anne-Marie Becherkrug war auch auf einem Fest gewesen. Vor ein paar Stunden und sie hatte dort getanzt und gefeiert. Anne-Maries Eltern waren ebenfalls anwesend gewesen. Sie schwankten zwischen Stolz und Abneigung, weil ihre einzige Tochter die Aufnahmeprüfung an der Gilde bestanden und als Jahrgangsbeste in die Reihen der wenigen weiblichen Assassinen nachgerückt war. Die Becherkrugs waren seit jeher konservativ eingestellt und hatten versucht, ihre Tochter mit allen möglichen Bekundungen und Beschwörungen von dieser Idee abzubringen. Ohne Erfolg. Mit der Auszeichnung in der Hand und dem Geldbündel in der Tasche hatten sie es schließlich akzeptiert. Von dem 500 AM$-Stipendium hatte Anne-Marie ihren Eltern zuvor nichts erzählt und nutzte es als letzten Joker, um endlich ihre Freiheit genießen und ihre Ausbildung beginnen zu dürfen. Sie kannte ihre Eltern gut und hatte recht behalten.
Mit Champagner aus schwarzen Flaschen hatte sie angestoßen und sich mit den anwesenden Assassinen angefreundet, sich mit ihnen ausgetauscht und klargemacht, dass sie als Frau keine Sonderbehandlung wünsche und diese auch nicht brauche. Die Regeln der Aufnahmeprüfung waren für alle Geschlechter gleich: Disziplin, Durchhaltevermögen und Köpfchen, die drei wichtigsten Utensilien eines Assassinen. Und die männlichen Kollegen hatten sie akzeptiert. Respektiert. Und honoriert. Sie war glücklich.
Bis zu dem Moment als sie aufwachte. Nackt. Im strömenden Regen an einen Baum gefesselt. Sie zuckte zusammen, als sie das kalte Metal einer Klinge an ihrem Hals spürte und sich ein Gesicht in ihr Blickfeld schob. Seine Haare hingen nass über die Stirn und die Schwärze seiner Augen ließ sie in den Abgrund blicken, in den sie fallen würde. So viel war ihr klar.
Sie sah das höhnische Grinsen, als er seine Hand schnell zur Seite zog, spürte die wohlige Wärme ihres Blutes an ihrem Körper hinabfließen. Benommen vernahm sie noch seine letzten Worte, bevor das dunkle Schwarz sie übermannte.
"Du bist wohl doch nicht so gut, wie du denkst, du Schlampe."
***
"Beide sind zutiefst erschüttert und machen sich Vorwürfe."
"Sie haben aber niemanden gesehen, der mit ihr gemeinsam die Feier verlassen hat?" Humph tippte mit der Spitze seines Bleistiftes an seine Lippen, während sein Blick gen Himmel wanderte, wo noch immer schwarze Wolken vorbeizogen und ihre nasse Last über die Kohlfelder vor Ankh-Morpork ergossen. "Merkwürdig. Man sollte doch annehmen, dass sie ein Auge auf ihr Töchterchen haben."
Glum wartete ab, ob sein ehemaliger Abteilungsleiter weitersprach. Die letzten Monate der Zusammenarbeit hatten ihn gelehrt, dass MeckDwarfs Gedanken oft eine Phase der Meditation durchmachten, bevor Geistesblitze sie durchschossen und die unglaublichsten Schlussfolgerungen zu Tage kamen. Leider war heute keiner dieser Tage.
"Warum hat sie das Fest verlassen?", fragte er stattdessen.
Der Zwerg unterdrückte ein Seufzen und wischte sich durch den nassen Bart. "Laut Zeugenaussagen von Brad Tellerding und Markus Bogen hat sie sich gut mit den anwesenden Assassinen verstanden und war dabei gewesen, wichtige Kontakte zu knüpfen. Es geht das Gerücht um, dass die weiblichen Kandidaten der Aufnahmeprüfung eine Sonderbehandlung erhalten hätten und sozusagen durch die Prüfungen geschleust wurden. Was den männlichen Mitgliedern natürlich sauer aufstösst."
"Sie haben die Frauenquote also tatsächlich durchgesetzt?"
Glum nickte. "Sieht so aus. Anne-Marie galt als Musterschülerin, fühlte sich aber in ihrem Ehrgeiz verletzt, die Herdprämie zu kassieren."
Eine dicke Hautfurche bildete sich auf Humphs Stirn. "Eine selten dämliche Wahl, dieser Name. Kein Wunder, dass es der jungen Dame nicht gepasst hat. So ein Stipendium ist eine tolle Sache. Wenn man aber keinen Hehl daraus macht, dass es eigentlich dafür gedacht ist, die Ausbildung abzubrechen ..." Humph ließ seinen Blick über den Kohl am fernen Horizont schweifen.
Die beiden DOG-Mitglieder standen eine Weile schweigend nebeneinander, während wenige Schritte von ihnen entfernt Magane den Leichnahm mit einer Decke vor neugierigen Blicken schützte. Der Karren für den Abtransport stand bereits am Wegesrand bereit. Die Gerichtsmedizinerin kam kopfschüttelnd auf die beiden zu.
"Ich fass es nicht. Ein so junger Mensch!"
Glum nahm Maganes Notizen entgegen und blätterte durch die eng beschriebenen Seiten. "Selbstmord ist also definitiv auszuschließen?"
"Korrekt. Genaues kann ich zwar erst nach der Obduktion sagen, aber die Einschnitte der Klinge gehen vom Ansatz des linken Ohres bis hin zum rechten. Die Tiefe des Schnittes zeigt, dass durchgehend ein kräftiger Druck ausgeübt wurde." Maganes rechter Daumen vollführte eine schwingende Bewegung an ihrem Hals. "Bei einem Selbstmord hätte der Druck nachgelassen. Eine natürliche Reaktion, wenn einen der Schmerz durchfährt."
Glum Steinstiefel verzog das Gesicht. "Also fassen wir mal zusammen: Anne-Marie entscheidet sich, bei der Assassinengilde anzufangen. Sie wird angenommen, besteht locker die Aufnahmeprüfung, erhält eine Auszeichnung als fleißigstes Bienchen im Stock und feiert ausgelassen ihre neu gewonnene Freiheit. Nach einigen Stunden verlässt sie die Feier, ohne dass jemand sagen kann wohin oder wer mit ihr ging. Stunden später liegt sie gefesselt an einem Baum mit durchschnittener Kehle." Der Zwerg seufzte erneut. "Irgendwo fehlt ein großes Puzzleteil."
"Na dann seht mal zu, dass ihr fertig puzzelt." Magane entnahm Glums mittlerweile steifen Fingern die Unterlagen und klappte ihren Mantelkragen hoch. "Ich für meinen Teil bin hier fertig. Bei diesem Mistwetter hält mich nichts länger draußen als nötig."
***
Brad Tellerding war seit ziemlich genau drei Jahren aktives Mitglied der Assassinengilde und am Abend der Feier zusammen mit Markus Bogen für die Saalaufsicht verantwortlich gewesen. Zu ihren Aufgaben hatte gehört, die Einladungen am Empfang zu prüfen, mitgeführte Messer und Gifte sicherzustellen und den Anwesenden allgemein als Ansprechpartner mit Rat und Tat und vor Allem Getränken zur Verfügung zu stehen. Es kam oft vor, dass die begleitenden Eltern sich eingeschüchtert fühlten, von dem Ambiente und dem, was die Gilde so tat. Da wirkte ein Glas Rotwein oder Krug Bier wahre Wunder. Besonders häufig nahmen die Eltern weiblicher Mitglieder den Service der Saalaufsicht in Anspruch. Im Allgemeinen gab es sehr gegensätzliche Meinungen zu der frisch eingeführten Frauenquote der Gilde. Prinzipiell schien sie eine gute Idee zu sein, denn weibliche Mitglieder brachten außer neuen Ideen auch frischen Wind in die angestaubte Hirarchie der Gilde. Ein Gegenargument, das auch vor dem Ausschuss nie ganz ausgeräumt werden konnte, war die Ablenkung, die mit der Anwesenheit einer Frau einherging und somit bei den männlichen Mitgliedern Verärgerung heraufbeschwor, zumindest bei manchen. Dass das eigentliche Problem darin bestand, dass die neuen Mitglieder teilweise besser abschnitten als ihre männlichen Kollegen, verschwieg man rigoros. Die Tatsache, dass erfahrene Assassinen in Zugzwang gerieten, versteckte man hinter dem fadenscheinigen Argument, dass es die weiblichen Rundungen waren, die Männer dazu brachte, an ganz andere Dinge zu denken als an den Auftrag. Was die Einführung der Frauenquote ad absurdum führte, da es ja im Grunde darum ging, neue Dinge auszuprobieren um 'mit der Zeit zu gehen'.
So zumindest hatte es Brad in seiner Aussage zu Papier gebracht und auch heute zeigte er sich sehr kooperativ.
"Was halten Sie persönlich davon, Herr Tellerding?", fragte Hatscha al Nasa, als sie die Beine überschlug und es sich auf der hölzernen Gartenbank gemütlich machte. Die Gilde verfügte über eine überdachte Gartenterrasse, die mit Fackeln, Decken und heißem Tee ausgestattet war. Man bekam beinahe den Eindruck, dass Besucher hier willkommen waren.
"Von der Frauenquote, meine ich. Es muss für Sie doch eine ziemliche Schmach gewesen sein, dass plötzlich Frauen in diese Männerdomäne hereinmaschieren und nach kürzester Zeit besser sind, als Sie selbst?"
Der junge Assassine bedachte die Wächterin mit einem skeptischen Blick, antwortet jedoch.
"Was ich persönlich davon halte ist irrelevant. Fakt ist, dass es bei einigen Mitgliedern nicht gut aufgenommen wurde. Das ist aber eine Minderheit. Die meisten von uns standen der Sache aufgeschlossen gegenüber. Immerhin sind in den letzten vier Jahren mehr junge Schüler nachgerückt, als in den oberen Rängen Platz haben. Es war von einer Umstrukturierung die Rede. Ein vorgesetztes Ziel war, die Quote der Frauen stetig zu inkrementieren, damit niemand der Gilde vorwerfen konnte, ein bestimmtes Geschlecht zu bevorzgen."
"Und weiter?"
"Soweit hat das auch gut geklappt. Doch der Druck von außen wurde größer. Zum Beispiel wenn wir einige Damen nicht aufnehmen konnten, weil ihnen einfach das nötige Geschick fehlte. Sie können sich gar nicht vorstellen, wie viele Eltern denken, nur wenn ihr Kind bei den Assassinen aufgenommen wird, es zu einer Sportskanone mutiert und nicht bei jedem Gang die Treppe hoch beinahe zusammenbricht. Oder plötzlich den nötigen Eifer aufbringt, etwas aus seinem Leben zu machen. Selbstverständlich gab es solche Kandidaten früher auch schon, aber bei Frauen unterstellte man der Gilde gleich Sexismus. Daher die Eignungstest und die Quote, die wir transparent halten."
"Wie war die Stimmung am gestrigen Abend? Wenn ich recht informiert bin, war Anne-Marie die einzige Frau, die in diesem Quartal aufgenommen wurde."
"Das ist wahr!" Brad Tellerdings Rücken straffte sich und er wirkte einen halben Fuß größer. "Sie war die beste gewesen mit großem Potenzial. Selbst Herr Witwenmacher war von ihr überzeugt, das passiert nicht oft."
Hatscha schrieb etwas in ihr Notizbuch. "Wissen Sie, wer sich durch Anne-Marie bedroht gefühlt haben könnte, und sie deshalb aus dem Weg räumte?"
"Nein, tut mir leid." Seine Stimme zitterte. "Sie war ein liebes Mädchen gewesen."
"Gut." Hatscha pausierte kurz. "Eine letzte Frage, dann sind wir fertig."
"Gerne."
"Wusste jemand von Ihrer Beziehung zu Anne-Marie?"
***
Im Hauptwachhaus in der Kröselstraße standen die Kerkerdimensionen offen. Während draußen der Regen wieder zunahm, stieg auch die Lautstärke innerhalb des Wachhauses und es paarten sich klagende Rufe mit erbosten Schreien, warum das hier denn so lange dauerte. An der Kreuzung Breite Straße und Finsterer Ginsterweg hatte es einen großen Unfall gegeben, hervorgerufen durch nasse Pflastersteine und die schlechte Reaktion eines unanchtsamen Kutschers. Der war mit erhöhter Geschwindigkeit über eine gesperrte Kreuzung gefahren und in einer Traube Menschen geendet. Tote gab es keine, aber einige Verletzte und ein extrem verstörtes Pferd.
Stabsspieß Harry hatte große Mühe, sich durch die tummelnden Personen hinduch zu manövrieren um zum Wachetresen zu gelangen. Auch hier hatten sich mehrere Dutzend Menschen versammelt und redeten wild auf die beiden Rekruten ein, die das große Glück hatten, Dienst zu haben.
"Ich suche Fähnrich Harmonie!", versuchte Harry es, doch einer der beiden jungen Wächter führte nur eine Hand an sein Ohr und schüttelte den Kopf.
'Ich kann sie nicht hören, Sir!', formten seine Lippen und er wandte sich wieder dem Mann vor ihm zu, der mit hochrotem Kopf und erhobener Faust wild gestikulierte. Seine Priorisierung schien klar zu sein: ein wütender Bürger, zu allem bereit, schien über dem ranghöheren Wächter zu stehen, was Harry anerkennend zur Kenntnis nahm. Er stieg über den Tresen hinweg und landete zwischen den Beinen der jungen Kollegen. Mit einigen geschickten Sprüngen, gelangte er in das dahinter liegende Büro und fand nach kurzer Suche die gewünschte Akte.
Die SuSis hatten bereits mit der Obduktion begonnen, mussten allerdings wegen des Verkehrsunfalls kurzfristig umdisponieren. Die Eltern hatten ihre Tochter bereits identifiziert. Anne-Marie Becherkrug war siebzehn Jahre alt, als sie starb, 1,68 m groß und wog 56 Kilo. Braune Haare, grüne Augen, am linken Knie eine Narbe von einem Unfall vor über zehn Jahren. In der Akte anbei lagen auch Bilder der jungen Frau. Aufgenommen vor und nach ihrem Tod. Harry empfand es als erschreckend, wie sehr sich das Aussehen änderte, sobald Gevatter Tod seine Sense mit im Spiel hatte. Auf dem Tatortbild konnte der Gnom nichts Unnatürliches entdecken. Der Körper der Frau war mit Blut verwaschen, der Regen hatte das meiste davon fortgespült. Auch im Gesicht war nur ein roter Fleck geblieben, hinter dem linken Ohr am Haaransatz. Er schauderte, als er daran dachte, wie das scharfe Messer wie Butter durch die Haut geglitten sein muss, als der Mörder sie umbrachte. Hinter den Bildern steckte der vorläufige Obduktionsbericht. Er würde Magane dafür danken müssen, dass sie ihm die Akte hier oben bereit gelegt hatte.
Er überflog den Bericht und stoppte an der Stelle, wo der Inhalt des Magens beschrieben wurde. Harry versuchte nicht, an sein eingenommenes Frühstück zudenken, als er las, was in den Innereien alles gefunden wurde. In großer Schrift hatte die Gerichtsmedizinerin eine Passage hervorgehoben:
Im Magen des Opfers befanden sich neben einer wässrigen Flüssigkeit (Laborbericht folgt) unverdaute Kümmelkerne. Die Unversehrtheit des Kümmels lässt darauf schließen, dass die Mahlzeit kurz vor dem Eintreten des Todes eingenommen wurde. Im weiteren Verlauf der Untersuchung fanden sich verdaute Reste von Brot, Kartoffeln ...
"Kümmel!", rief Harry leise, als er sich das Probentütchen in die Tasche schob und sich auf den Weg zurück ins Boucherie machte.
***
Lässig lehnte Patrick Nichts am Türrahmen des Klatschianischen Restaurants und wartete darauf, dass sich die Menschenansammlung auflöste. Es war Mittagszeit und alle umliegenden Geschäfte schickten ihre Burschen zu Özdemals Klatschianischen Spezialitäten, um das Mittagessen zu besorgen.
Der ehemalige DOG Husky hatte sich nicht lange bitten lassen müssen, als ihn die Abteilungsleitung bat, Informationen einzuholen. Es hatte nicht viel Zeit in Anspruch genommen, die Restaurants herauszufiltern, die Kümmel in ihrem Essen verarbeiteten. Der Fakt, dass der Todeszeitpunkt von Anne-Marie auf vier Uhr in der Früh festgelegt wurde und man sie gegen Mitternacht noch auf der Feier gesehen hatte, erleichterte die Eingrenzung der Lokalitäten. Einziger Nachteil an Özdemals Restaurant war, dass es auf der anderen Seite der Stadt lag. Also hätte der Täter mit Anne-Marie zweimal quer durch die ganze Stadt fahren müssen, was dem Ex-Wächter nicht so schlüssig erschien.
Er löste sich von der Tür und trat auf den Geschäftsinhaber zu, zu erkennen an der roten Haube auf dem Kopf, auf der in schiefen Lettern das Wort "Chäf" geschrieben stand.
"Timo Löffel, Gesundheitsbehörde. Ich hatte mich angekündigt!"
Özdemal sah zu dem ganz in weiß gekleideten Mann hinüber und nickte einfrig. "Jaja, allerdings. Sie wollen unsere Küche sehen. Bitte, kommen Sie mit!"
Sie traten in die kleine Kammer hinter den Verkaufsraum und was Patrick dort sah, erschütterte ihn. Der ganze Raum, sogar die Decken und Fußböden, war sauber und glänzte, nirgends war ein Funken Dreck zusehen. Patrick kamen Zweifel auf, dass die Speisen, die hier in den letzten zwei Stunden den Besitzer gewechselt hatten, tatsächlich hier hergestellt worden waren.
"Mir ist zu Ohren gekommen, dass Sie so etwas in Ihr Essen rühren, ohne es auf der Speisekarte auszuschildern!", lenkte er das Thema direkt auf das Tütchen mit dem Kümmel und sah, wie sich die Augen des Inhabers weiteten.
"Sowas? Nein, nein! So etwas benutzen wir nicht! Ehrlich nicht! Ich schwöre! Sehen Sie sich meine Küche an, alles sauber!"
"Lügen Sie mich nicht an. Einer Ihrer Gäste hatte so etwas zu sich genommen und erheblichen Schaden davon getragen! Wir wissen, dass dies von hier stammt."
Verwundert über die Reaktion des Besitzers bohrte Patrick weiter. "Sie kochen hier doch gar nicht! Sie lassen sich das Essen liefern und verkaufen es hier!"
"Das ... das ist wahr", gab Özdemal zu. "Aber das da, das ist Kreuzkümmel, seit Jahren verboten, da es haluzinierend wirkt!"
"Und warum sollte ich Ihnen glauben, dass Sie das Zeug nicht selbst untermischen?"
"Weil", begann der Mann, zögerte und deutete Nichts an, ihm zu folgen. Im Verkaufsraum blieben sie stehen und er zeigte auf seine Gäste. "Alles Stammgäste", sagte er nun ruhig und auch ein wenig stolz. "Kommen seit Jahren zu mir und bringen immer wieder neue Kunden. Wenn ich anfange, böse Dinge in mein Essen zu mischen, kommen sie nicht wieder." Er drehte sich zu dem Ex-Wächter und sprach nun mit leiser Stimme. "Ich lasse mein Essen woanders kochen, ja. Und zwar zuhause. Meine Frau kocht besser als ich und die Küche hier ist nicht sehr groß. Sie können das gerne überprüfen. Aber wegen dem da", er deutete auf das Tütchen in Patricks Hand. "Da kann ich Ihnen sagen, wo sie das bekommen. Versuchen Sie Ihr Glück mal auf dem Schwarzmarkt!"
***
"Und ihr habt ihn nirgends gefunden?" Breda verschränkte beide Arme vor der Brust und lehnte sich zurück. "Seitdem er heute morgen befragt wurde, hat ihn niemand mehr gesehen? Auch nicht sein Kumpel, wie hieß er noch gleich?"
"Brad Tellerding. Er und Markus haben zur selben Zeit bei der Gilde angeheuert und waren seither wie Brüder." Hatscha öffnete ihre Notizen und legte diese offen auf den Tisch. "Beide hatten ähnliche Zensuren, gleiche Resultate in den Tests und Vorgehensweisen bei ihren Außeneinsätzen. Sie haben sich angepasst und hingen zusammen wie Pech und Schwefel."
"Bis Markus herausfand, dass Brad und Anne-Marie ein Pärchen waren." Glum roch an dem Tütchen mit dem Kümmel. "Er ist eifersüchtig, unterhält sich mit ihr auf der Feier und flösst ihr anschließend Drogen ein."
"In welcher Form auch immer", fügte Humph hinzu. "Die Flüssigkeit in Anne-Maries Magen stellte sich als Champagner heraus."
"Der an diesem Abend durch Markus und Brad augeschenkt wurde. Der vollständige Bericht der SuSis kam eben rein."
Breda nickte Hatscha zu. "Soweit, so gut. Aber das reicht nicht, um ihn fest zunehmen, sollten wir ihn finden. Patricks Recherche auf dem Schwarzmarkt hat uns einen Namen erbracht. Aber dieser bringt uns nicht weiter. Bam Lustbeule hat vor zwei Tagen circa fünf Gramm Kreuzkümmel gekauft. Er war dem Dealer weder vorher bekannt, noch hat er ihn danach je wieder gesehn. BAM könnte ein Akronym für Brad Anne-Marie sein. Und Lustbeule war seine ganz eigene Art mit der Sache fertig zu werden."
"Wenn sich Frauen zwischen Männerfreundschaften stellen ..." Humph ließ das Ende des Satzes offen.
"Eifersucht als Motiv reicht aber nicht aus."
"Doch, das wird es. Anne-Marie kann es uns bestätigen." Alle Augenpaare wanderten zum Gnom.
"Wie meinst du das, Harry?"
"Nun", begann er und legte eines der Bilder von Anne-Marie auf die Akte. "Seht ihr diesen Fleck hier, unter ihrem linken Ohr? Ich dachte erst, es handelt sich dabei um Blutflecken. Aber ich hab mir das Ganze einmal näher angesehen. Magane war so frei, mir Zugang zu dem Leichnahm zu gewähren. Es ist kein Blut, auch kein Muttermal oder sonstiges. Es ist ein Abdruck."
"Was für ein Abdruck? Und warum steht das nicht in der Akte?" Der Abteilungsleiter legte den Kopf schief. "Wenn du auf illegale Weise was herausgefunden hast, dann will ich es gar nicht hören."
"Nein, sicherlich nicht. Der Bericht durch SuSi war schon fertig, als ich mit meiner These in das Labor platzte. Durch den Verkehrsunfall ist in der Kröselstraße verdammt viel zu tun, daher hab ich mir Anne-Marie alleine angesehn."
"Komm zum Punkt!"
Harry nahm das Bild und ging damit zu Hatscha hinüber. "Schau es dir einmal ganz genau an, dort." Er deutete auf den besagten Fleck.
"Sieht aus, wie ein blauer Fleck. Enstanden durch zuviel Druck."
"So ist es. Es ist der Abdruck von einem Manschettenknopf."
Hatscha verengte ihre Augen zu Schlitzen. "Das Muster kommt mir bekannt vor. " Sie sprang auf, als hätte die Erkenntnis sie am Hintern getroffen. "Die Uniform der Saalaufsicht! Brad hat bei unserem Gespräch ebenfalls diese Knöpfe an seinen Ärmeln gehabt."
"Der Täter hat sie mit seinem rechten Arm im Schwitzkasten gehalten. Vielleicht um ihr den Kümmel einzuflößen, oder um sie von der Feier zu schleppen. Oder beides." Harry nickte. "Wie auch immer, dies sollte reichen, um ihn vorerst fest zunehmen."
"Gute Arbeit. Allesamt." Breda stand auf. "Humph und Hatscha, ihr geht in die Kröselstraße und greift euch eine SuSi. Dies muss schnellstmöglich in die Akte aufgenommen werden. Sonst geht uns dieser Mistkerl wegen einem Verfahrensfehler durch die Lappen. Schickt zwei Huskys zur Gilde, ich will wissen, wo sich dieser Mistkerl aufhält."
***
"Wen wollt ihr in die Akte eintragen?" Fassungslos starrte Laiza Harmonie die beiden DOG Wächter an. "Markus Bogen?"
"Allerdings. Wieso? Gibt es dabei ein Problem?" Hatscha schälte sich aus ihrem nassen Umhang. "Wir haben eindeutige Beweise, dass er der Mörder des Mädchens ist. Zumindest hat er ein gutes Motiv."
"Selbst wenn er ein Motiv hatte, nützt es euch jetzt nichts mehr!" Sie forderte die beiden auf, ihr zu folgen und führte sie den Weg hinunter zu den Zellen und zu Rogis Büro. "Wir haben ihn vor zwanzig Minuten gefunden." Laiza öffnete die Tür zur Zelle drei und ging einen Schritt beiseite. "Er war der Fahrer des Unfallkarrens. Er stand unter Drogen und ist mit erhöhter Geschwindigkeit über ein rotes Signal gefahren. Vor einigen Stunden erlag ein älterer Mann seinen Verletzungen. Wir waren uns sicher, ihm alle gefährlichen Dinge abgenommen zu haben, aber wenn er ein Assassine war ..."
Hatscha und Harry traten in die Zelle und sahen einen jungen Mann mit blau angelaufenen Lippen auf dem Boden der Zelle liegen.
"Fiankali. Er muff es in fehr kleinen Ratfionen bei fich gehabt haben. Wir vermuteten, daff er mit dem Tod def älteren Herren nicht klarkam." Rogi Feinstich trat an die drei Wächter heran. "Wenn er allerdingf der Mörder der jungen Affaffinin war, ift dief wahrfeinlich die fmertfreifte Löfung für ihn gewefen."
"Wenn ihn die Gilde in die Finger bekommen hätte ..."
"Hätte er fich gefünft, Fiankali dabei fu haben. Genau."
"Wir werden euch mitteilen, was bei der Obduktion herauskommt. Sobald wir Zeit für ihn haben."
"Geht in Ordnung, Laiza." Hatscha verließ die Zelle wieder. "Wir möchten den Eltern nur mitteilen, wie das passieren konnte und dass sie sich keine Vorwürfe machen brauchen. Niemand konnte damit rechnen, dass es jemand aus den eigenen Reihen war."
"Also eigentlich", begann Humph, doch Hatschas Blick ließ ihn verstummen.
"Nein." sagte sie bestimmend. "Niemand konnte damit rechnen, dass es Menschen gibt, die verrückt spielen, nur wenn eine Frau plötzlich die Spielregeln versteht und besser spielt. Das ist nicht fair."Zählt als Patch-Mission für den Abteilungsleiterin DOG-Patch.
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