INKREMENTIERT

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von Hauptfeldwebel Rib (FROG)
Online seit 01. 08. 2011
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Rib ist verkorkst... oder so ähnlich.

Dafür vergebene Note: 10

Es war nicht sein Fehler gewesen. Er hatte getan, was immer er tun musste: In dieses Loch hinein und wieder heraus zu schlüpfen, ganz nach Belieben seines Herren. Aber die Stricke, die ihn hielten, waren einfach im Laufe der Zeit mürbe geworden. Und irgendwann gaben sie einfach einem Druck einfach nach. Einen Moment hatte er das Gefühl gehabt zu schweben. Dann schenkte die Schwerkraft ihm ihre Aufmerksamkeit: Der Knopf raste gen Boden, nur milde gebremst durch den Kopf eines blauen Kobolds...
Aber dies ist nicht die Geschichte des Manschettenknopfes, auch nicht des Kobolds, wenn man es genau nimmt. Es ist die Geschichte einer Beule.

***Aus dem Experimental-Tagebuch Rib MacLauts - Auszug 52 ***

Liebes Experimental-Tagebuch. Es wird Zeit, die Eindrücke der letzten Tage niederzulegen, einfach weil sie ein gutes Beispiel für angewandte Phrenologie sind. Auch wenn ich das damals wohl kaum beabsichtigt habe. Ich persönlich ziehe ja Hämmer oder ähnliches vor, um Leuten eine Beule zu verpassen - und keine Knöpfe.
Aber ich greife wiedermal vor. Bregs, damit meine ich den Kommandanten, meint immer, ich sollte die Exbücher so schreiben, das auch einen kompletter Idiot sie versteht. Es könnte ja sein, das man sie zur Ausbildung eines neuen Püschologen benutzt.
Also, Idiot, hier nochmal die Zusammenfassung. Merk's Dir, ich werd' dich abprüfen, sobald du zuende gelesen hast:
Phrenologie ist die Lehre, wie Charakter und Aussehen zusammen hängen. Ein Hirn hat in einem knochigen Schädel nur so und so Platz, sich zu formen. Auch andere Elemente, wie die Füße, Hände, Kinn formen den Charakter. Ich kannte zum Beispiel mal einen Rekruten, einen Wasserspeier ohne Beine, der neigte zur Aufsässigkeit. Da konnte Bregs persönlich befehlen, meint ihr er hätte dem "Stillgestanden"gehorcht?
Angewandte Phrenologie folgt dem Umkehrschluss: Wenn ein Verhalten durch eine Schädelform bestimmt wird, kann man das ausnützen. Ein paar Hiebe mit einem Meißel, und schon steigert sich das Gedächnis eines Trolls um das vielfache. Bei ganz sorgfältiger Arbeit vermag er vielleicht sogar bis VIER zählen.
(Ich persönlich glaube, auch gebrochene und neu verwachsene Arme oder Beine können durchaus positive Auswirkungen auf das Sozialverhalten einiger Straftäter haben. Aber Bregs steht meinem Antrag auf eine Versuchsreihe immer noch sehr konservativ gegenüber.)
Um unser Wissen in dieser Hinsicht zu mehren, sind wir zumeist auf Unfälle angewiesen. (Nochmals, danke Bregs. Auch Rogi erschien sehr unkooperativ, als ich meinte, das Steffan als Leichter Armbrustschütze doch mit der doppelten Anzahl an Armen auch doppelt so effektiv wäre.)
Über einen dieser Unfälle schreibe ich gerade.

Es war vor drei Tagen, ich machte mir gerade meinem Unmut Luft. Wieder einmal war ein Fall verloren gegangen. Verfahrensfehler, hieß es. So ein Blödsinn.
"Verfahrensfehler?" fragte ich also Kanndra, meine Abteilungsleiterin. "Wie kann es ein Verfahrensfehler sein? Wir haben alles, Beweise, Zeugen... sogar ein Geständnis."
Ich stand, wie üblich, auf ihrem Schreibtisch die Hände in die Seiten gestemmt. Da die Augen der sogenannten 'Großen' nicht so besonders gut sind, muss man ihnen durch Körpersprache helfen, in einem Gnomengesicht zu lesen.
Kanndra blickte nur kurz von ihren Unterlagen auf. Deutlich war zu sehen, dass sie unzufrieden war.
"Genau um dies Geständnis geht es." meinte sie. "Ich sage es mal mit Vetinaris Worten: Normalerweise ist es nicht üblich, FÜR die Verdächtige ein Geständnis zu schreiben. Und zu unterschreiben."
Ich zuckte kurz zusammen, wie von ihr beabsichtigt, wie ich annehme. Die Idee, offiziell für den Lord zu arbeiten, hat mir noch nie geschmeckt. Für Recht ja. Für Gesetz, was immer das auch ist, auch. Aber für den Lord? Mein Stamm hatte sich einen mühsamen Weg aus den Feenreichen freikämpfen müssen und wollte sich nie wieder unter die Fuchtel eines Lords, einer Lady oder eines Meisters geben. Was durchaus erklärt, warum so wenige von uns einen handwerklichen Beruf ergreifen.
Und wieder einmal hatte dieser Lord komisch entschieden und es lag an mir, es zurecht zurücken:
"Komm schon, Kanndra. Die Dame hatte doch gesagt: Schreib, was du willst. Und das hab ich getan. Und darunter steht doch. I.A. also ."
"So handhaben wir das nicht. Havelock sagt, ich muss diese Gefangene freilassen. Du weißt das."
"OH, MANN!" wütend trat ich gegen die Wand, einer der Steine schob sich dadurch mehrere Zentimeter nach hinten. Ich hasse diesen Verwaltungskram.
"Rib..." meinte sie. Doch ich war schon dabei zu explodieren.
"Sag nichts, Bregs." polterte ich los. "Ich hab mit I.A. unterschrieben und mit I.A. wirst du mir nun drohen. Weißt du was? Ich verpiss' mich jetzt. Schick mir einen Agenten vorbei, wann du willst."
Dann ging ich. (Den letzten Satz sollte ich bei der Abschrift streichen. Sonst kommt Kanndra noch auf dumme Ideen. Auch sollte ich Ausdrücke wie 'verpissen' vielleicht sein lassen. Wer weiß, wer das liest. ) Und zwar zur Toilette.
Entschuldige, wer immer das liest. Aber leider muss ich das erwähnen. Seit Tagen inkrementierte ich. Das hat das mit Exkrementen zu tun, nur das sie eben drinne blieben.
Verstopfungen nennt der Laie das. Ich musste ja auch unbedingt ein zweites Schnapperwürstchen essen. Und nun? Blähte ich auf. Inkrementation mochte ja für einen Menschen relativ ungefährlich sein, für einen Kobold gab es Anlass zur Sorge. Hab ihr eine Vorstellung davon, was zwei ausgewachsene Würstchen für ein 10 Zentimeter großes Wesen bedeuten? Oder die anschließende Pflaume, zu der Niv mir geraten hat? Ich sah aus wie eine Zwergmelone mit Arm- und Beinstummeln.
Vielleicht hatte ich deshalb so schlechte Laune und versuchte meine Fälle so schnell wie möglich abzuschließen. Es könnte meine neue Körperform sein. Aber vielleicht ist es auch einfacher: Es drückt auf Gemüt, wenn man sterben wird. Wie auch immer, falls ein Phrenologe dies liest: Ich empfehle weitere Tests. Aber ohne Bregs vorher zu fragen.

*** Frog- Besprechungsraum ***

Die Frogs hatten sich im Bereitschaftsraum versammelt. Nur Kanndra und der Kobold fehlten.
"Wie lange hat er noch?" fragte Valdimir, kurz Vald genannt, grinsend. Das ganze konnte nur ein Scherz sein. Gut, Schnapper würde nie eine Herdprämie gewinnen. Dennoch: Was sollte das sein, eine gnomische Form der Verpuffung?
"Ein paar Ftunden, mehr oder weniger." meinte Rogi.
"Dann knallt's?"
Rogi hielt ihre sechsbefingerte Hand auf den Tisch: "Daf ift NICHT witfig. Er ftirbt, wenn wir nicht etwaf dagegen tun. Wirklich. Und er ift verflucht nochmal zu ftolz etwaf davon fu fagen."
"Du meinst das Ernst, oder?"
Rogi nickte.
"Ja, aber was können wir denn tun? Ich wring' ihn wohl kaum aus. Also was? Abführmittel hineinstopfen?"
Nyvania schüttelte den Kopf: "Hab ich schon probiert. Pflaume half nicht."
"Rizinus?" fragte Tyros. Als Alchemiker war es seine Aufgabe, sich mit Alchemien und Medikamenten auszukennen.
Rogi schüttelte den Kopf: "Auch daf würde daf Problem, fagen wir mal... die Füllmenge nur erhöhen."
"Erschrecken?" meinte Vald. "Bei machen Leuten hilft's."
Norti schüttelte den Kopf. Sein Auge begann glücklicherweise etwas abzuschwellen.
"Und nun?" fragte Vald.
"Fwarzkümmel." meinte die Igorina. "Ein Tee darauf."
"Aber erhöht der nicht auch den... naja... Füllstand?"
Rogi beugte sich vor und flüsterte Vald etwas ins Ohr.
"Wie? Nicht trinken...? Was sonst? Oh. OH!" Vald grinste. "Verzeih mir das Wortspiel. Das wird ihm bestimmt nicht schmecken."
Rogi grinste ebenfalls.
"Gut," warf Norti ein, "wie kommen wir jetzt an den Kümmel? Der wächst ja nicht auf Bäumen."
Er überlegte kurz: "Wächst er doch nicht, oder? Jedenfalls nicht hier."

*** Eine Stunde später, 20 Meter unter dem Pseudopolisplatz ***

Ron gab Valdimir ein Handzeichen. Er konnte nur hoffen, das der leichte Armbrustschütze das auch sehen würde. Rogi war oben geblieben, so dass ihnen kein KommEx zu Verfügung stand.
Es gab nur ihn, Vald und Steffan, was Feuerkraft anging. Zu dumm, das der Beruf des MuT-Schützen im Moment aus der Mode gekommen war. So eine Mega-unhandliche-Trümmerwaffe hatte ihre eigene Art, Personen zu überzeugen, bevor sie benutzt werden musste.
So blieb es mehr oder minder leichten Armbrüsten, Respekt zu erzeugen. Denn niemand wollte einen Schusswechsel, die Gauner nicht und die Wächter erst recht nicht. Dabei konnte jemand verletzt werden, schlimmstenfalls man selbst. Es war immer besser, wenn der Sieger schon vorher feststand.
Aber heute lag die Sache nun mal etwas anders. Heute würde es die Alchemie sein, die den Ausschlag geben würde.
Dafür waren sie Stunden lag durch die ehemalige Kanalisation gewandert, ohne Licht und sich rein auf den Tastsinn verlassend. Das war notwendig gewesen, um nicht gesehen zu werden.
Denn das hier war der wirklich schwarze Schwarzmarkt. Er war so schwarz, das man sich nicht traute, Lichtquellen zu benutzen. Waren, die hier verkauft wurden, wurden ertastet.
Und das konnte vieles sein: Von schwarzem Reis über Lakritz bis schwarzem Pulver Nummer 1 war alles hier, sofern es nur schwarz und illegal ins Land gebracht worden war.
Hier und nur hier würden die Frogs mit Sicherheit Schwarzkümmel finden. Selbst Sklaven konnten man hier erstehen, jedenfalls wenn sie für ihre Zukunft schwarz sahen. Allerdings - und das war das Problem - war dies auch ein beliebter, wenngleich illegaler Einkaufsplatz für Assassinen.
Kurz blitzte ein Feuerstein auf. Das war das Zeichen! Es ging los. Ron kniff die Augen zu, wartete einen Moment und öffnete sie ganz langsam wieder, damit sich seine Augen an das Licht hier gewöhnen konnten. Licht! Hier auf dem schwarzen Schwarzmarkt. Für die Unterwelt musste es wie Blasphemie wirken.
Doch in den Augen der Wächter wurde es Zeit, aufzuräumen mit der Finsternis.
Ron hörte Tyros brüllen: "Stadtwache! Ihr seid alle verhaftet!"
Tyros und sein Auszubildener Norti hatten die Magnesiumfackeln geschmissen, die jetzt knapp ein dutzend Personen blendeten. Er erhob sich auch aus seiner Deckung und schrie: "Waffe fallen lassen und hinlegen, die Arme weit von sich gestreckt!"
Ähnliche Rufe kamen von den anderen Ausgängen und nachdem einige Unbelehrbare geräuschvoll, aber blind gegen Wände gelaufen waren, gaben auch sie auf. Die Wächter zündeten nun die normalen Fackeln an. Nach und nach gingen die Alchemisten die Liegenden ab und legten ihnen Handschellen an.

Valdimir und Kanndra saßen zusammen in dem Bereitschaftsraum und besprachen die Ergebnisse, es sah nicht gut aus.
"Es war nicht dabei?" fragte sie.
Ihr Stellvertreter schüttelte den Kopf: "Nur Kreuzkümmel. Rogi ist ziemlich verzweifelt."
"Und Rib?"
"War eh nicht begeistert von der Idee. Er meint, er hätte so viele Einläufe in seinem Leben verpasst bekommen, das er das nicht wörtlich nehmen muss."
"Wir müssen es trotzdem versuchen. Und was macht er jetzt?"

*** Ribs Büro ***

Rib rollte von einem Rand zum andern. Bewegung sollte ja gut tun.
"Oh weh." murmelte er.
Er fragte sich, ob er den Knall selbst noch hören würde. Irgendwie schien zu leben mit Problemen behaftet zu sein. Immerhin hatte er als Mumie dies Problem nicht gehabt. Kunststück, die Binden waren ja im Weg gewesen.
Die Tür öffnete sich. Alle, ausnahmslos ALLE Frogs traten ein.
"Das ist wohl nicht euer Ernst!" rief der Kobold aus.
"Rib, ef muff fein." befahl Rogi. "Halt ftill."
Der Hauptfeldwebel dachte nicht daran. Ein paar Rollen und er würde den Tisch herunter fallen, dann weitere Umdrehungen zur Tür, die Treppe herunter... und dann würde er weitersehen.
Doch Araghasts Hand verhinderte das. Mit einem beherzten Griff nahm er ihn und hielt ihn fest.
Längst war Rib zu schwach geworden, um sich mit Körperkraft allein zu wehren.
Aber ein wildes Gefuchtel bekam er hin.
Er riss einen Knopf ab: "Ich warne dich! Ich werfe."
Bregs zuckte mit den Schultern: "Wir wollen nur, das du lebst."
Rib warf. Einen Wurf, steil nach oben. Vorbei an Bregs ausweichendem Kopf.
Einen Moment schien der Knopf zu schweben. Dann schenkte die Schwerkraft ihm ihre Aufmerksamkeit: Der Knopf raste gen Boden, nur milde gebremst durch den Kopf eines blauen Kobolds... Es klonkte, tief in des Kobolds Magen.
"Ihr solltet mich loslassen." murmelte er. "Und den Weg zur Toilette frei machen."

***Aus dem Experimental-Tagebuch Rib MacLauts - Auszug 53 ***

Liebes Experimental-Tagebuch. Ich habe etwas neues gelernt. Leichte Schläge auf den Hinterkopf erhöhen das Denkvermögen, auf der Stirn stärken sie wiederum die Rückenpartie, die ganz tiefe.
Pfeif auf Sex, Pfeif auf Drogen. Die wahre Lustbeule ist dies.
Ach ja... Entschuldige, das du so dünn geworden bist, Buch. Die restlichen Seiten brauche ich.



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Feedback:

Von Sebulon, Sohn des Samax

16.8.2011

Die Darstellung des vor sich hin inkrementierenden Kobolds hat mich leider so gar nicht angesprochen. Das Highlight der angenehm kurzen Single war für mich das Hochnehmen des Schwarzmarkts.

Von Magane

01.09.2011 17:23

Ich sehe auch den Schwarzmarkt als Highlight.



Das war jetzt deine 10. Pokey, bei einem Anfänger hätt ich vielleicht noch darüber hinweg gesehen, wenn er ein Fremd-(Pokal)wort nicht seiner Bedeutung gemäß verwendet und es dann auch noch als Titel nimmt... Aber davon ganz abgesehen, ich weiß du polarisierst gerne, aber schreib doch mal wieder was was ich auch lesen mag. Verstopfung, gleich welcher Art, ist ein Thema für medizinische Schriften, nicht für Kurzgeschichten. Hier sollte nicht der Grundsatz "Everything comes down to poo" gelten.

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