Die Statistiker-Gilde feiert Jubiläum. Ist dieses Ereignis dieser unscheinbaren Gilde wirklich eine Aufgabe für die DOG?
Dafür vergebene Note: 11
Es war noch dunkel draußen, als Breda Krulock am frühen Morgen eines kalten Dezembertages ihr Büro in der
Boucherie Rouge betrat. Sie hängte ihren Umhang an einen Haken an der Tür des Drunter und Drübers, entzündete eine Kerze und setzte sich dann an den Schreibtisch, um in der aktuellen Ausgabe der Ankh-Morpork-Times zu blättern.
Nach einer halben Stunde hörte sie schwere Schritte auf der Treppe. Sie ordnete sie sofort zurecht ihrem zwergischen Stellvertreter zu und grüßte ihn, als er an ihrem Büro vorbei ging.
"Hallo Glum. Komm mal eben rein, ich möchte dir etwas zeigen..."
Dicke Schneeflocken fielen vom noch dunklen Himmel über Ankh-Morpork, der Stadt, die auch im tiefsten Winter niemals
Winterschlaf hielt, als sich Hatscha den Weg durch die verschneiten Straßen der Stadt zur Springstraße bahnte. Die Wächterin hielt frierend ihren Umhang mit einer Hand vorne fest geschlossen, in der anderen trug sie ihre Laterne, mit der sie die Straße vor sich spärlich erhellte.
An der Unterkunft der Dienststelle zur Observierung von Gildenangelegenheiten angekommen schlug sie ihre Kapuze zurück und schüttelte sich den Schnee vom Umhang, bevor sie eintrat. Ein schwach beleuchteter leerer Flur lag vor ihr und da die Näherinnen im Erdgeschoss des Nachts ihrer Arbeit nachgegangen waren und dabei weder selbst gern froren noch ihre Arbeitgeber den eisigen Temperaturen aussetzen wollten, denn das wäre ja schlecht für das Geschäft, war das Gebäude hier gut beheizt. Hatscha durchquerte zielstrebig wie schon so oft zuvor das Stück vom Flur, durch das man hindurch muss, um zur Treppe in die oberen Stockwerke zu gelangen, nicht ohne die plötzlich auf sie einströmende Wärme zu genießen. Einige wenige Kerzen erhellten ihr den Weg nach oben. Das Rascheln einer Zeitung war durch die angelehnte Tür des Drunter und Drüber zu hören, als sie den oberen Flur entlang ging in Richtung Außentreppe. Sie schaute kurz in das Büro der Abteilungsleiterin und wünschte ihr einen guten Morgen, dann setzte ihren Weg fort. Sie durchquerte den Gang der ersten Etage, um am anderen Ende die Tür zur Außentreppe zu öffnen. Schon beim Gedanken an die Temperaturen draußen fröstelte es sie. Eigentlich hatte sie kein Problem mit dem Büro im zweiten Stock, nach vielen Jahren, die sie dort verbracht hatte, hatte sie sich auch schon ganz gut eingelebt. Aber an so kalten Wintertagen wie diesem beneidete sie doch die Angestellten, die ihren Arbeitsplatz eine Etage tiefer hatten. Zumal die Wärme aus dem Erdgeschoss nicht wirklich bis ins Dachgeschoss drang und das Dach die Kälte nicht wirklich draußen hielt. Somit war es oben also doch ein paar Grad kälter als unten, was sie bedauerte. Und der einzige Kamin stand im Drunter und Drüber. Immerhin hatte sie ihr Büro direkt über dem der Abteilungsleitung und könnte somit zumindest ein bisschen von der dortigen Heizmöglichkeit profitieren, wenn Breda nur einfach das Bedürfnis nach wärmeren Temperaturen hätte und ihn nicht höchstens der Stimmung wegen entfachte.
In ihrem Büro angekommen entflammte sie zunächst eine Kerze auf ihrem Schreibtisch, legte ihren Umhang ab und nahm sich ihre Teekanne, um sie im Lager, wo es noch eine kleine Küche gab, die Steingesicht vor vielen Jahren mal eingerichtet hatte, mit Tee zu füllen. Sie war damals in ihrer Zeit als verdeckter Ermittler öfter im Lager gewesen, um sich maskieren zu können und jetzt nutzte sie einfach gerne die kleine Kochnische, um sich wärmende Getränke zuzubereiten.
Als das Wasser kochte, goss sie es in ihre Kanne, wo bereits ein kleiner Beutel mit Kräutern drin hing, und nahm alles wieder mit nach oben in ihr Büro.
Harry streckte seine Arme aus, als er durch die allmählich in die Puppenstuhbe dringende Helligkeit geweckt wurde. Der Tag versprach, ordentlich langweilig zu werden, ganz so, wie er sich den perfekten Tag vorstellte.
Er suchte sich etwas zu essen und setzte sich dann mit seinem Lieblingsband von Freddy Frettchentöter auf ein Sofa in dem großen Puppenhaus im Büro. Manchmal war er etwas einsam in dem großen Raum und als der neue Gnom, Zu-arm-für-einen-Namen, neu zur DOG kam, wunderte Harry sich noch, dass er ihm nicht in der Puppenstuhbe Gesellschaft leisten sollte. Heute war er ganz froh, dass er ungestört faulenzen konnte. Vielleicht würde er heute noch einen Bericht schreiben, aber das eilte ja nicht. Solange ihn Breda nicht zu irgendwelchen sinnlosen Observierungen verdonnern würde, stand ihm ein angenehmer Tag bevor.
Gut gelaunt und ein Loblied an Seramis singend betrat Bruder Laudes die
Boucherie und begrüßte die Näherinnen. Er fand ihre Arbeit äußerst löblich, denn ohne ihre Leistungen würde es in der Stadt viele nur leicht bekleideten Menschen geben und dieses Risiko für ein solches Laster konnte er selbstverständlich nicht gutheißen. Leider hatten sie bei der wohl doch recht starken Auftragslage keine freie Zeit mehr, sich um ihre eigene Kleidung zu kümmern, so dass sie selbst nicht viel am Leib trugen.
Er machte sich direkt auf den Weg hinauf zur Dachterrasse und wünschte allen Wächtern, denen er über den Weg lief, einen gesegneten guten Morgen. Oben angekommen, öffnete er als erstes den Taubenschlag und schaute nach, ob eine Nachricht eingetroffen war. Anschließend fütterte er die Vögel und kratzte den schlimmsten Schmutz vom Boden. Um ein paar Flecken Taubendreck auf der Schulter reicher
[1] verließ er die Tauben und ging zur Taubenkommunikationsanlage hinüber, um sie zu überprüfen. Er ölte die Gelenke und schickte im Anschluss eine Testnachricht an das Hauptwachhaus.
Zufrieden blickte er der panisch kreischenden Taube hinterher, die ihren Weg über die Dächer der Stadt nahm, und wartete auf die Antwort.
Glum hatte widerwillig den Zeitungsausschnitt, den Breda ihm hingehalten hatte, angenommen. Er war stellvertretender Abteilungsleiter, da hatte er doch weit besseres zu tun, als Zeitung zu lesen! Und außerdem hatte die Vampirin ihn doch schon selbst gelesen, warum sollte er also noch?
Da er im Moment aber tatsächlich doch nichts anderes zu tun hatte, beugte er sich schließlich dem Willen seiner Vorgesetzten und nahm sich den Artikel vor.
Ankh-Morpork - Anlässlich des zehnjährigen Jubiläums in der Gilde der Statistiker hat sich der Gildenleiter A. Nova etwas ganz besonderes einfallen lassen. Auf seine Einladung hin werden am kommenden Samstag im Rahmen des Tags der offenen Tür der Gilde die Top-Boxer Median aus Gennua und Quartil aus Quirm sich einen Kampf der Giganten in der Levene-Halle des Gildengebäudes liefern. Quartil, ursprünglich Bewohner einer Gefängniszelle, hat sich nach seinem Freikommen als Profiboxer etabliert und diverse Kämpfe gegen bekannte Größen des Business' geführt und auch gewonnen. Auf den Gennuaner ist er dabei bisher erst zweimal getroffen, einmal gewann er, einmal Median. Da die beiden keine große Freundschaft verbindet, kann man auf einen gewaltigen Wettstreit gespannt sein, denn auch Median ist kein unbeschriebenes Blatt in der Boxerszene. Genauso wie sein Gegner hat er ebenfalls schon einige Favoriten überraschend geschlagen, obwohl er, aufgewachsen in den Armenvierteln seiner Heimatstadt, sehr lange brauchte, um sich einen Namen im Boxsport zu machen.
"Wir haben hier zwei Giganten aus der Branche gefunden, zwischen denen es vergangenheitsbedingt einige Differenzen gibt. Das Publikum kann sich auf einen großartigen, gewaltigen und sicherlich auch für die Teilnehmer schmerzhaften Kampf freuen", erzählte der Gildenleiter A. Nova unserem Blatt.
Der Eintritt ist kostenlos, für eine kleine Spende bietet die Gilde Getränke und kleinere Snacks. Treibe-mich-selbst-in-den-Ruin Schnapper hat uns auch mitgeteilt, dass er sich um die Wetten bezüglich des Kampfes kümmern wird. Hierzu kann man sich ab heute auf dem Hier-gibts-alles-Platz bei dem bekanntesten Würstchenverkäufer der Stadt mit seinem Gebot auf der Wettliste eintragen lassen. Die Teilnahme kostet 1 AM-Dollar und kommt zum Teil Schnapper, zum Großteil der Gilde zur Finanzierung der Kämpfer zu Gute.
Das Gildengelände befindet sich im Clusterweg 17. Kampfbeginn ist am kommenden Samstag, den 18. Dezember, um 3 Uhr nachmittags. Einlass und Beginn des Tags der offenen Tür ist um 10 Uhr.Glum hatte sich während des Lesens einige Notizen gemacht. "Freikommen", "vergangenheitsbedingte Differenzen" stand da dick unterstrichen. Darüber würde noch etwas nachgeforscht werden müssen, beschloss er. Heute war Mittwoch. Sie hatten also noch drei Tage Zeit bis zum Kampf, um zu sehen, ob alles mit rechten Dingen zuging.
Er betrachtete die Ikonographien, die im Artikel noch abgebildet waren. Sie zeigten die beiden Boxer. Median sah nach typischen Ankh-Morpork-Standard gar nicht so schlecht aus. Ein kantiges, aber ebenmäßiges Gesicht, kurze Frisur mit dunklen Haaren, ein nackter, muskulöser Oberkörper. Alles in allem schien er einen Körperbau vom Typ "Kleiderschrank" zu haben. Bei Aeki gab es vermutlich tatsächlich einen Schrank, der seinen Namen trug, überlegte der Zwerg. Quartil hingegen sah eher wie ein Metzger aus. Sein Gesicht wirkte irgendwie aufgequollen und war von Narben übersät. Eine Schönheit war er wahrlich nicht. Es war klar, welcher der beiden die Sympathien der Bürger bekommen würde. Es würde kein Kampf unter Gleichen werden, auch wenn der Artikel das vermuten ließ.
Er sammelte seine Notizen ein und machte sich auf den Weg zurück zu Breda, um ihr von seinen Überlegungen zu erzählen.
"Hm, ja. Diese Sachen mit dem Freikommen und der Vergangenheit sind mir auch übel aufgestoßen. Danke, dass du meinen Verdacht bestätigt hast. Ich denke, dann sollten wir doch mal nachforschen, was damals vorgefallen ist."
"Aber hat das irgendwas mit der Gilde zu tun?", fragte Glum.
"Nicht direkt. Aber der Gildenleiter weiß davon und scheint Wert darauf zu legen, sonst hätte er das nicht so betont", erwiderte Breda nachdenklich. "Ich denke, wir trommeln mal die anderen zusammen, die mittlerweile auch eingetroffen sein sollten und versuchen das gemeinsam zu lösen. Ich will nicht, dass es bei dem
Boxkampf zu unfairem Verhalten von einer der Seiten kommt und wer weiß, vielleicht hat die Gilde noch weitere Interessen. Immerhin wird sie an den Wetten ganz gut verdienen."
"Ach, denkst du?"
"Ja, tatsächlich." Breda rollte mit den Augen.
"Na gut. Ich hole mal die anderen." Mit diesen Worten drehte sich der Moloss um und verließ das Drunter und drüber, um ihre Kollegen aus deren Büros zu holen.
Alle konnte er nicht erreichen, aber nach wenigen Minuten waren immerhin neben Breda und Glum noch Harry, Hatscha, Zu-arm-für-einen-Namen und Laudes eingetroffen und begannen, die Matratzen im Abteilungsleiterbüro für eine Besprechung zurechtzurücken.
In der Zwischenzeit hatte Breda sich Gedanken gemacht und sich überlegt, wer welche Aufgabe erfüllen könnte. Nun setzte sie sich zu den anderen, den Notizblock in der Hand, und blickte in die Runde. "Sind alle da, die heute Dienst haben?"
Alle nickten.
"Gut, dann fangen wir mal an. Es geht um die Gilde der Statistiker. Vielleicht hat einer von euch heute schon die Times gelesen. Für die, die den Artikel über den Boxkampf nicht beachtet haben, und die, die noch nicht zum Lesen gekommen sind, eine kurze Zusammenfassung. Die Gilde feiert Jubiläum und hat Boxer aus Gennua und Quirm eingeladen. Der Gennuaner scheint bereits im Gefängnis gewesen zu sein, desweiteren haben die beiden in der Vergangenheit wohl mal Ärger miteinander gehabt, worüber die Gilde sehr wohl Bescheid weiß. Es wird auch Wetten geben. Mir ist die gesamte Sache nicht so ganz geheuer, daher würde ich dem ganzen gerne etwas auf den Grund gehen. Glum und Hatscha, könntet ihr bitte etwas über die Vergangenheit des Boxers Median aus Gennua und Quartil aus Quirm herausfinden, besonders, warum Median im Gefängnis saß und was da diese Differenz von früher war?"
"Wahrscheinlich hat er jemanden verprügelt und ein Kampf zwischen den beiden wurde unfair bewertet oder der eine hat den anderen geschlagen", vermutete Glum sarkastisch. "Aber ist das wirklich eine Aufgabe für uns?"
"Ja Glum. Die Gilde wird an den Wettgewinnen beteiligt und scheint über die Sache von früher informiert zu sein. Wer weiß, was sich dahinter verbirgt, ich habe irgendwie einen Verdacht."
"Nur weil du einen Verdacht hast..."
"Glum, bitte. Keine Diskussionen jetzt." Die Abteilungsleiterin sah den Moloss flehend an.
"Jaja, ist ja gut. Ich mach's ja."
"Gut. Laudes und Zu-arm-für-einen-Namen, ihr geht bitte zu Schnapper. Er verwaltet die Wetten. Ich möchte wissen, wie die Einsätze so sind, von wem und auf wen gesetzt wird."
"Geht klar", erwiderte der Gnom und blickte den Priester an. Dieser zuckte nur mit den Schultern. Für ihn stand außer Frage zu widersprechen. Er war überzeugt, dass Bredas Verdacht richtig sein musste. Und wer traute Schnapper schon über den Weg?
"So, dann noch eine Aufgabe für Harry. Ich möchte, dass du in der Gilde die Vorbereitungen für den Kampf beobachtest. Vielleicht erfährst du dabei Verdächtiges oder Unerwartetes."
"Jawohl. Wie lange soll ich dort bleiben?"
"Bis du denkst, du hast genug gesehen. Spätestens treffen wir uns aber wieder heute Abend gegen sieben Uhr und tragen die Ergebnisse zusammen. Ich werde versuchen, weiteres über die Gilde selbst herauszufinden. Noch Fragen?"
"Und, hast du schon eine Idee, wo wir was finden können?", fragte Hatscha ihren Kollegen, als sie die Versammlung verlassen hatten.
"Natürlich. Ich bin stellvertretender Abteilungsleiter, selbstverständlich habe ich eine Lösung." Glum rollte mit den Augen.
"Ach ja? Und die wäre?" Der Sarkasmus in der Stimme des Moloss ging an dem Dobermann irgendwie vorüber.
"Wir könnten uns per Semaphoren die Akten aus Gennua oder Quirm zuschicken lassen", schlug er vor.
"Aber die wären frühestens morgen dann - HATSCHIE! - hier", wandte sie ein und kramte ein Taschentuch hervor.
"Das war auch nicht wirklich ernst gemeint. Wer sagt denn, dass Median nicht hier verurteilt wurde?", überlegte Glum und zupfte an seinem
Bart.
"Willst du jetzt unsere Archive durchsuchen?"
"Fällt dir was besseres ein?" Er sah sie durchdringend an.
"Woher hat denn die Times ihre Informationen? Vielleicht können wir da mal nachfragen?", schlug die Gildenexpertin vor, froh, dem Blick des Kollegen etwas entgegen zu setzen zu haben.
"Hast du etwa keine Lust auf das schöne staubige Archiv?", erwiderte der Zwerg und grinste.
"Nein, habe ich tatsächlich nicht. Wenn du unbedingt hin willst, können wir uns auch gerne aufteilen, dann frage ich bei der Zeitung nach und du kannst gerne in den Akten auf Tauchkurs gehen."
"Ok, dann hoffen wir erstmal, dass die Times mit ihren Informationen herausrückt."
"Danke. Musst du noch irgendwas aus deinem Büro holen? Ich bräuchte noch meinen Umhang."
Wenig später stand Laudes auf dem verschneiten Hier-gibts-alles-Platz und Zu-arm-für-einen-Namen auf der Schulter des Kollegen, der sich wider aller Vernunft nach Schnapper umsah. Er musste nicht lange suchen. Zielstrebig bahnte sich der Kommunikationsexperte seinen Weg durch die Menschenmenge zu dem Händler, der ausnahmsweise mal keinen Bauchladen trug, sondern einen ganzen Stand aufgebaut hatte, um den sich eine kleine Menschenmasse versammelt hatte. Ein großer Topf mit dampfendem Inhalt stand da neben einer großen Zahl an Tassen und diversen Zetteln, bei denen es sich um die Unterlagen für das Wettgeschäft handeln musste.
"Ah, der werte Herr Wachtmeister möchte auch an der Wette teilnehmen? Oder doch vielleicht lieber eines meiner exzellenten Würstchen? Ich hätte auch noch die Möglichkeit zu einem Tee-Test im Angebot", begrüßte Schnapper den Neuankömmling und kam hinter seinem Tresen hervor. Den Gnom übersah er dabei erstmal. Diesem war das ganz recht, so konnte er schonmal einen Blick auf die Wettunterlagen des stadtbekannten Verkäufers werfen, während Laudes ihn mit Worten ablenkte.
"Nein, vielen Dank, Herr Schnapper. Im Moment ist Fastenzeit für die Anhänger des Seramis." Er blickte kurz zum Himmel auf wie bei einem Stoßgebet.
"Was kann ich denn dann für dich tun? Bitte beeil dich mit deiner Wahl, wie du siehst, wollen noch viele weitere Bürger der Stadt ihre Wetten abgeben."
Laudes blickte auf die Menge, die sich um ihn herum verdichtete. Viele hielten dampfende Tassen in den Händen. "Wie stehen denn so die Wetten bisher?"
"Also, der kundige Bürger setzt selbstverständlich auf den Favoriten Median, jedoch sind da natürlich die Quoten nicht so gut. Im Moment sieht es wohl nach drei zu dreihundertsiebenundachtzig aus. Mit wie viel darf ich nun dich notieren?"
"Wetten ist eine Form des Glücksspiels?"
"Im Allgemeinen natürlich schon, aber hier liegt die Sache anders. Es ist doch ganz eindeutig, wer gewinnen wird...", half Schnapper.
"Nein, tut mir Leid. Aber Glücksspiel heißt Seramis gar nicht gut", lehnte er ab, als er gemerkt hatte, dass der Gnom fertig mit der Begutachtung der Unterlagen war und nun an seinem Hosenbein zupfte.
"Kann ich dem Hüter des Gesetzes denn gar nichts anbieten? Würstchen? Garantiert aus den besten Teilen eines Tieres? Oder ein heißes Getränk? Bei diesem Wetter garantiert wohltuend!" Der Verkäufer sah den Wächter verzweifelt an.
"Aus dir spricht die Gier nach Geld. Seramis kann das nicht gutheißen! Und somit kann ich das nicht unterstützen." Mit diesen Worten wimmelte Laudes die
Plaudertasche ab und machte kehrt. Nach ein paar Schritten bückte er sich und hob den Gnom hoch, der gerade seine Notizen sortierte und verstaute.
"Na, alles wichtige herausgefunden?"
"Ja, war gar nicht schwer. Ich konnte unbemerkt auf dem Tisch hinter Schnapper steigen, nachdem der vorgekommen ist, um mit dir zu reden. Von dort hatte ich freien Zugang zu den Unterlagen. Bisher hat noch niemand auf Quartil gesetzt."
Laudes setzte sich wieder in Bewegung und ging zurück Richtung
Boucherie Rouge. "Könnte das bedeuten, dass jemand, der auf den Außenseiter setzt, viel Geld gewinnt?"
"Ich glaube, so funktionieren die Wetten, ja."
"Interessant."
"Außerdem hatte Schnapper ein paar interessante Statistiken da liegen. Ich bin mir nicht sicher, aber es sah ein wenig wie Jahresabrechnungen aus. Und der Tee-Test kam mir auch etwas seltsam vor, schließlich gab es nur eine Sorte."
"Aha", machte der Kommunikationsexperte nur und setzte seinen Weg fort.
Währenddessen hatte die Abteilungsleiterin sich die Akten der Gilde vorgenommen. Sie waren recht leer. Einzig ein paar Jahresberichte voller Statistiken lagen ihr vor. Desinteressiert blätterte Breda darin herum. Sie sah einige Diagramme zur finanziellen Entwicklung der Gilde, diverse Tabellen, wo die Arten der Aufträge aufgeschlüsselt waren. Alles in allem wirkte die gesamte Akte sehr unauffällig. Gerade das machte die Vampirin stutzig. So harmlos konnte keine Gilde sein, die in Ankh-Morpork angesiedelt war!
Breda überlegte, ob irgendein Weg daran vorbeiführen würde, die Statistiken der Berichte auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Ihr fiel keiner ein. Das würde bedeuten, dass sie erst einmal etwas über Statistik lernen musste. Sie seufzte. Dann umspielte ein Lächeln ihre blassen Lippen. Wo konnte man besser etwas über den Umgang mit umfangreichen Datensätzen lernen, als gerade in der Statistiker-Gilde? Sie beschloss, die Gilde aufzusuchen und um Hilfe zu bitten.
Harry haderte einmal mehr mit seinem Schicksal. Wieso nahm auch nie jemand darauf Rücksicht, dass er es als Gnom einfach schwieriger hatte, von A nach B zu kommen? Und dann auch noch bei diesem Mistwetter. Nachts war der Schnee ja noch schön. Aber tagsüber begann er zu tauen und mutierte binnen weniger Stunden zu einem hässlichen, nassen Matsch.
Vor sich hin schimpfend bahnte sich der Gnom seinen Weg durch die Straßen. Seine Schuhe und seine Hose boten natürlich schon längst keinen Widerstand mehr gegen die Feuchtigkeit und Kälte und so fühlten sich seine kleinen Füße wie gewaltige Eisklumpen an seinen Beinen an. Und dann durfte er gleich in zugigen Verstecken schauen, wie sich die Gilde so machte. Wenn da mal nicht eine Erkältung vorprogrammiert war. Das war das Los eines Observierers. Freddy Frettchentöter hatte sicher nie solche Probleme.
Etwa eine Stunde, nachdem er aufgebrochen war, kam er schließlich an der Gilde an. Er blickte an der Fassade des Gebäudes empor. Efeu rankte an den Wänden empor und zum ersten Mal an diesem Tag war mal nicht alles gegen ihn. Im ersten Stockwerk stand ein Fenster offen und so kletterte Harry mit Hilfe des Gewächses dorthin
[2], in der Hoffnung, sich unbemerkt ins Haus schleichen zu können.
Und wieder war ihm das Glück hold. Der Raum war leer. Vom Fenstersims sah sich der Gnom erst einmal um. Es schien ein einfaches Büro zu sein. In der Mitte stand ein großer Schreibtisch, bedeckt von viel Papier. An der Wand hing eine Tafel, worauf ein paar Formeln gekritzelt waren. Da Harry jedoch nicht viel von Statistik verstand, betrachtete er sie nicht näher. Das einzig ungewöhnliche in dem Zimmer war die große
Standuhr in der Ecke rechts neben der Tür. Sie ging sogar einigermaßen richtig, soweit der Wächter das einschätzen konnte. Ein mit goldenen Zahlen versehenes Ziffernblatt bot den Untergrund für das Rundherum der verschnörkelten Zeiger. Das Pendel war durch eine mit Schnitzereien verzierte Tür verdeckt, die jedoch leicht angelehnt war.
Harry hatte sich genug umgeschaut und nahm nun die Unterlagen auf dem Schreibtisch genauer in Augenschein. Es schien sich um Papierkram bezüglich des Boxkampfes zu handeln. Er fand sogar einen Brief, der von Median kam, gerichtet an einen Alexander Nova. Der Name kam ihm bekannt vor. Klar, in dem Zeitungsartikel stand etwas von einem A. Nova! Er war tatsächlich im Büro des Gildenleiters gelandet. Bevor er jedoch anfangen konnte zu lesen, hörte er Stimmen von draußen, die näher kamen. Schnell faltete er den Brief zusammen, steckte ihn ein und sah sich dann nach einem Versteck um. Wenig später zog er die Tür der Standuhr hinter sich zu, ließ jedoch einen kleinen Spalt offen. Sehr gemütlich war seine Unterkunft allerdings nicht, denn durch das ständige Schwingen des Pendels, dem er sicherheitshalber nicht in den Weg kommen wollte, hatte er nur sehr wenig Platz. Immerhin bekam er von hier alles mit, als sich schließlich tatsächlich die Tür des Raums öffnete und zwei Personen hereinkamen.
"Du kannst mir da wirklich vertrauen! Es ist schließlich nicht mein erster Kampf und diesen Verräter mache ich doch mit Links fertig!" Ein muskelbepackter, gut aussehender Mann redete auf einen kleinen, blassen, schmächtigen Kerl ein. Der größere kam dem Wächter bekannt vor. Klar, es musste der Boxer sein, den er auf dem Bild aus der Times gesehen hatte, das während der Besprechung herum ging. Die Worte belegten seine Vermutung nur. Das war also Median...
"Ich weiß ja nicht. Quartil hat einen erstaunlich fitten Eindruck gemacht! Hast du denn irgendeinen Plan?"
"Alexander, natürlich habe ich einen Plan. KO schlagen werde ich ihn, das ist der Plan! Was erwartest du denn?"
Der schmächtige war also vermutlich der Inhaber des Büros, Alexander Nova.
"Du weißt, dass wir mit der Gilde ein paar Probleme hatten. Insbesondere, seit dieser Quartil uns ausspioniert hat. Fehlt noch, dass die Wache..."
"Die Wache!", unterbrach ihn der Boxer, "Dass ich nicht lache. Du glaubst ernsthaft, dieser Haufen von Stümpern hat irgendeine Idee?"
"Unterschätze sie nicht. Ich bin lieber vorsichtig", erwiderte Nova. "Immerhin geht es hier um viel Geld."
"Wo wir hier von Geld sprechen...", begann Median.
"Keine Sorge, für dich ist gesorgt. Aber pass auf, dass uns niemand auf die Schliche kommt, sonst bin ich meinen Posten als Leiter dieses Irrenhauses los."
"Klingt ja so, als läge dir sowieso nicht viel daran."
"Median!"
"Ja, ist ja gut, ich gebe schon acht. Achso, das hier soll ich dir noch von Pearson geben. Was auch immer es sein soll." Mit diesem Worten überreichte er seinem Gegenüber ein kleines Quadrat und einen Zettel.
"Ah, sehr gut, Chis Quadrat. Danke, das kann ich brauchen."
Langsam und schmerzhaft kehrte das Leben in Harrys Beine zurück. Er unterdrückte ein Stöhnen, als das Blut seine Zehen zurückeroberte. Unruhig bewegte er sein Gewicht von einem Fuß auf den anderen hin und her. Hoffentlich würden die beiden bald fertig sein.
"Gut, gibt es sonst noch etwas?"
"Ähm, ja... einen Moment, ich wollte dir noch etwas geben..." Nova kramte in den Papierbergen auf seinem Schreibtisch herum. Schließlich öffnete er eine Schublade und holte einen Gegenstand heraus, den Harry von seinem Versteck aus allerdings nicht erkennen konnte. "Das ist ein sehr guter Tee. Hat beim letztjährigen Tee-Test gewonnen. Probier ihn mal, am besten vor dem Kampf, er verleiht ungeahnte Kräfte."
Verwundert nahm ihm der Kämpfer das Beutelchen ab. "Gut, dann sehen wir uns am Samstag. Ich muss jetzt noch trainieren." Damit verließ Median das Büro.
"Mach das. Wage bloß nicht, zu gewinnen", murmelte der Statistiker ihm hinterher, der letzter Teil unhörbar für den Adressaten. Dann warf er den Zettel, den er mit Chis Quadrat bekommen hatte, in den Mülleimer unter seinen Schreibtisch und folgte dem Boxer hinaus aus dem Raum.
Als die Luft rein war, verließ Harry sein Versteck und bemerkte dabei erstmal die Folgen seiner unbequemen Körperhaltung der letzten Viertelstunde. Schmerzen durchzogen jede seiner Bewegungen. Innerlich verfluchte er sich wieder für seinen Job. Andererseits war er froh, dass er diesmal sogar halbwegs erfolgreich gewesen war. In der Hoffnung, dass sich seine Qualen noch mehr gelohnt hatten, wühlte er noch den soeben weggeworfenen Zettel aus dem Abfalleimer. Ein kurzer Blick darauf verriet ihm, dass es sich wohl um eine Anleitung zur Anwendung von Chis Quadrat handelte. Er steckte ihn zufrieden ein und machte sich noch ein paar Notizen.
A. Nova: Bezahlt Median, will jedoch nicht, dass er gewinnt.
Was ist Chis Quadrat?
Welcher Tee hat letztes Jahr gewonnen?
Warum ist Quartil Verräter? Was hat er herausgefunden?
Gilde führt irgendwas Zwielichtiges im SchildeZufrieden mit seiner Leistung machte sich der Observierer auf den Weg zurück in die
Boucherie.
Während Harry das Gildenoberhaupt belauschte, kam Breda an der Gilde an. Sie hatte sich die Uniform eines einfachen Gefreiten besorgt. Neben der Eingangstür hing eine Pinnwand, an der diverse Zettel befestigt waren. Die Vampirin überflog die Informationen. An einem Stück Papier blieb ihr Blick schließlich hängen.
Statistick fyr Einstaiger - Einfahche Datenanalühsen für Jederman. Bei Innterese bei Dr. Chi mellden. Kosten: 5 AM-DolarDie Wächterin lächelte. Das war genau das, wonach sie suchte. Sie klopfte an die Tür und wartete. Eine kleine Klappe öffnete sich und zwei Augen wurden sichtbar. "Ja?"
"Äh, ich möchte zu Herrn Chi, ich bin an den Statistik-Kursen interessiert."
Die Tür öffnete sich. Ein kleiner, grau wirkender Mann stand ihr gegenüber. "Raum 314. Einfach da vorne die Treppe hinauf in den dritten Stock und dann rechts."
"Vielen Dank", erwiderte Breda, während sie sich im Eingangsbereich umsah. Viel war da jedoch nicht. Ein recht kleiner Raum stellte das Entre dar, eine Treppe zweigte ab, sowie zwei Büros und zwei Flure, einer nach links, einer nach rechts. Alles war in Holz getäfelt. Sie machte sich auf den Weg zur Treppe, um den dritten Stock zu erklimmen, als der Pförtner sie nochmal ansprach.
"Ich hoffe, Sie haben die Kursgebühren parat."
Sie zog aus ihrer Manteltasche das nötige Geld hervor und zeigte es ihm.
Kurz darauf saß sie im Büro des Statistikers und besah sich das Bücherregal. Chi, eindeutig achatener Herkunft, war gerade nach nebenan verschwunden, um ein paar Unterlagen zu besorgen, wie er selbst gesagt hatte. Die
Buchrücken waren größtenteils mit für Breda seltsam klingenden Titeln versehen.
Schiefe Normalverteilungen war nur einer davon,
Tests und Analysen mit unabhängigen Variablen ein weiterer. Wovon sollte eine Variable abhängig sein? Was war überhaupt eine Variable genau?
Ausreißer und wie man sie finden kann. Dieser Titel machte Breda stutzig. Damit könnte die Wache sicher eine Menge anfangen, aber ein Statistiker? Daneben stand ein Buch mit dem Namen
Wetten, dass sie das noch nicht wussten? Eine Einführung in das Wettgeschäft". Die Wächterin notierte sich die Bücher und beschloss, Chi mal zu fragen, ob er sie eventuell verleihen würde oder ob sie zumindest mal einen Blick hineinwerfen durfte.
Später am Nachmittag betrat die DOG-Abteilungsleiterin mit einem dicken Schädel die
Boucherie. In den letzten Stunden hatte sie so viele Formeln, Auswertungsmöglichkeiten und Diagramme kennen gelernt, dass sie sich sicher war, dass sie in den nächsten Wochen nichts mehr aufnehmen konnte. Ihr gesamter Notizblock war vollgeschrieben. Jetzt galt es nur noch, das erworbene Wissen auf die Jahresberichte der Statistiker anzuwenden. Ihr graute es vor der Aufgabe. Viel Zeit blieb ihr bis zur Besprechung am Abend auch nicht mehr.
Immerhin hatte sie einen Blick in die Bücher werfen können, die ihr so ins Auge gestochen waren. Sonderlich schlau ist sie daraus allerdings nicht geworden. Nur eines hatte sie festgestellt: Unter Ausreißern verstanden Statistiker doch etwas anderes als Wächter.
Glum und Hatscha waren bei dem Redaktionsgebäude der Times in der Schimmerstraße angekommen. Eine lange Schlange hatte sich vor dem Eingang gebildet. Die beiden sahen sich an und zuckten mit den Schultern. Es blieb ihnen nichts anderes übrig, als sich anzustellen.
"Wie kann ich Ihnen helfen?", fragte der Pförtner, als die beiden Wächter an der Reihe waren.
"Wir sind von der Stadtwache, Abteilung für Gildenangelegenheiten. Wir würden gerne mit dem Schreiber des heutigen Artikels über das Jubiläum der Statistiker-Gilde und den zu diesem Anlass veranstalteten Boxkampf sprechen", erwiderte Glum und zeigte seine Dienstmarke.
"Da müssen Sie sich erst an Frau Wallis wenden, die kann Ihnen dann weiterhelfen."
"In Ordnung. Und wo finden wir sie?"
Der Pförtner erklärte den Weg und sie betraten das Gebäude.
Wenig später saßen die Wächter am Schreibtisch einer attraktiven jungen Frau. "Wie kann ich Ihnen helfen?"
"Wir wüssten gerne, woher die Times die Informationen über die Boxer hat. Dass einer im Gefängnis saß, beispielsweise", erklärte diesmal Hatscha das Anliegen.
"Nun, Sie müssen wissen, unsere Quellen sind Ergebnis weitreichender Recherchen...", begann Frau Wallis.
"Jaja, das ist klar", wurde sie von der Gildenexpertin unterbrochen. "Aber es geht um Ermittlungen, wo diese Informationen von Belang sein könnten. Wir wissen es noch nicht genau, aber unter Umständen geht es um Leben und Tod."
"Sehr geehrte Frau..."
"Al Nasa."
"Ja. Wir können Ihnen nicht unsere Quellen mitteilen, da sie so vielfältig sind. Aber vielleicht können Sie ja hiermit etwas anfangen..." Sie überreichte den Wächtern ein Dokument. "Das wurde uns aus Quirm zugeschickt. Eigentlich dürfte ich das ja nicht weitergeben, aber in diesem Fall..."
Glum runzelte die Stirn und zupfte an seinem Bart. Er blätterte in den Unterlagen und nickte schließlich. "Vielen Dank, Frau Wallis. Ich denke, sie haben uns sehr helfen können. Aber könnten Sie uns noch sagen, wer genau das zugeschickt hat?"
"Nein, tut mir Leid. Es wurde uns neulich mit den Klackern zugesandt. Absender stand keiner dabei."
"Und das soll eine Quelle sein?", flüsterte Glum zu seiner Kollegin. "Ist ja sehr sicher."
Hatscha zuckte nur mit den Schultern.
Sie verabschiedeten sich noch und verließen die Redaktion.
"Hey, schau mal da, was ist denn da los?" Glum wies auf eine Menschenansammlung an den Fünf Wegen, wo sie auf ihrem Rückweg vorbeikamen.
"Was machen die da? Gibt's was umsonst?" Hatscha folgte dem Blick ihres Kollegen.
"Genau, ich frage, was los ist, weil ich es weiß...", erwiderte der Zwerg sarkastisch.
"Ist ja gut. Lass es uns einfach rausfinden."
Es stellte sich als eine
Werbeagentur heraus, die für eine Glocke warb.
"Kaufen Sie jetzt die neue Graus-Glocke! Einmal läuten und jeder ungebetene Gast wird in die Flucht geschlagen!", war der Werbeslogan, den ein unscheinbar wirkender Verkäufer über ein Sprachrohr bekannt gab.
Die Wächter sahen sich an. "Hey, das wäre doch mal was, um größere Menschenmengen aufzulösen. Sollten wir mal SuSi vorschlagen", meinte Glum.
"Ich frage mich, wie sich der Läutende schützt", erwiderte Hatscha skeptisch.
"Hey, können Sie mal das Modell vorführen?", rief sie dann dem Verkäufer zu. Der machte den größten Fehler seines Lebens.
"Aber natürlich!" Und läutete. Ein leises Bimmeln war zu hören, nicht anders als jede andere Glocke auch. Sofort wurde er von mehreren Dutzend enttäuschten Augenpaaren angestarrt. "Ähm, also... ich glaube... Vielleicht ist diese Glocke hier... Eventuell geht es mit der nächsten besser?", stammelte er verzweifelt.
"Ich nehme eine!", rief ein Mann aus der Masse.
"Ah, äh, der Mann trifft die richtige Entscheidung! Mein Herr, darf ich Sie herauf zu mir bitten? Wie heißen sie denn?"
"Alexander Nova", erwiderte der Interessent, als er auf der Bühne stand.
"Herr Nova, sehr schön!", wiederholte der Verkäufer den Namen in das Sprachrohr, damit alle ihn hören konnten.
Hatscha stupste den Zwerg an. "Das ist doch der Gildenvorsitzende, oder?"
"Du hast recht. Was will der denn mit so einer Glocke?"
"Vielleicht die Runden im Boxkampf einläuten?"
Nacheinander trafen die DOG-Wächter im Drunter und Drüber ein, jeder mit Unterlagen bepackt, die sich durch die Ermittlungen angesammelt hatten.
"So, sind jetzt alle wieder da?" Breda blickte in die Runde und erntete ein kollektives Nicken. "Dann ist ja gut. Es wäre schön, wenn jeder kurz erklären könnte, was er oder sie herausgefunden hat. Laudes und Zu-arm-für-einen-Namen, fangt mal bitte an."
Der Geistliche und der Gnom legten ihren Bericht ab und erzählten vom einseitigen Wettverhältnis.
"Und dann gab es noch einen Tee-Test, worüber wir uns erst gewundert hatten, da es nur eine Teesorte gab. Also habe ich noch ein wenig nachgeforscht und herausgefunden, dass dort jedesmal neue Sorten geprüft werden. Dieses Jahr gab es aber wohl nur eine Sorte...", erklärte der Kommunikationsexperte.
"Außerdem ist uns aufgefallen, dass derjenige, der auf den Außenseiter setzt, sehr viel Geld bekommt, wenn dieser gewinnt", fügte der verdeckte Ermittler hinzu.
Die Abteilungsleiterin nickte. "Vielen Dank. Hat irgendwer noch etwas dazu zu sagen oder noch eine Frage?"
Harry meldete sich. "Ich konnte bei meiner Observierung den Gildenleiter bei einem Gespräch mit Median belauschen. Dabei hat Nova dem Boxer auch etwas von dem Tee, der letztes Jahr gewonnen hat, mitgegeben. Ich habe mich erkundigt und rausgefunden, dass der letztjährige Sieger wohl drogenähnliche Wirkung hat und den Konsumenten müde und wirr macht. Nova hat ihn jedoch als bekräftigend beworben. Außerdem scheint er nicht zu wollen, dass Median gewinnt."
"Hast du sonst noch etwas erfahren können?"
Der Gnom erzählte noch von der Anleitung von Chis Quadrat.
"Man braucht also eine Graus-Glocke, damit Chis Quadrat funktioniert?", hakte Zu-arm-für-einen-Namen nach. Glum und Hatscha sahen sich an, als der Befragte nickte.
"Nova hat eine solche erworben. Die wurden heute an den Fünf Wegen verkauft, als wir vorbeikamen", fügte der Zwerg hinzu, "aber sie schienen nicht funktionstüchtig zu sein."
"Ich denke, das liegt daran, dass die Graus-Glocke nur funktioniert, wenn sie auf Chis Quadrat angewendet wird", entgegnete Harry.
"Und was genau bewirkt das Quadrat nun?"
Er erklärte es.
"Also kann man mithilfe dieser Vorrichtung eine Sinnestäuschung erreichen? Das ist interessant", fasste Breda die Erläuterung zusammen. "War das alles?"
"Oh nein", erwiderte der Gnom stolz, "diesen Brief von Median konnte ich außerdem mitnehmen!" Er reichte das Schreiben an die Abteilungsleiterin.
"Hier steht:
Lieber Alexander, ich habe die Nachricht losgeschickt, wie abgesprochen. Jetzt musst du sie nur noch der Times zukommen lassen, aber ich bin mir sicher, das wird kein Problem für dich sein. Ich freue mich schon auf den Kampf, mein lieber Freund. Mit Quartil habe ich wegen der Sache damals sowieso noch ein Hühnchen zu rupfen. Einfach so mich verraten... beinahe wäre ICH dafür in den Knast gewandert. Aber dank deiner großzügigen Hilfe blieb mir dieses Schicksal erspart. Wenn nun jeder Quartil für einen Ausreißer hält, steht meinem Erfolg nichts mehr im Wege! Ich bin sehr glücklich über unsere Zusammenarbeit. Viele Grüße auch an deine Familie, dein Freund Median.", las diese anschließend vor. "Hatscha, Glum, habt ihr etwas über die Vergangenheit herausfinden können?"
"Nicht so direkt", erwiderte die Gildenexpertin.
"Aber wir haben die Nachricht an die Times bekommen!", fügte der Zwerg schnell hinzu, um nicht so schlecht dazustehen. Das konnte er sich als Stellvertretender Abteilungsleiter nicht leisten, nicht vor der gesamten Mannschaft.
"Immerhin. Und was hat der Boxer nun verbreitet?"
Hatscha fasste das Schreiben schnell zusammen. "Quartil hat sich angeblich bestechen lassen, damit der andere gewinnt, verbunden mit einem Wettskandal, an dessen Gewinnen er als Ausgleich beteiligt werden sollte. Aufgeflogen ist das dann im Kampf gegen Median, der den Quirmianer ausspoiniert haben will. Median behauptet weiterhin, dass er dafür in das Gefängnis von Quirm gekommen ist, wo er dann ausgerissen ist und sich nach Ankh-Morpork durchgeschlagen hat. Und der Rest, den wir aus dem Zeitungsartikel ja sowieso schon kennen. Hatschie!"
"Gesundheit. Ich gehe mal davon aus, dass Median die Geschichte einfach umgekehrt hat und selbst an den Bestechungen beteiligt war. Hat da irgendwer eine Bestätigung?"
Alle schüttelten den Kopf. "Na gut, dann müssen wir das anders belegen. Ich habe herausgefunden, dass die Gilde vor einigen Jahren, in der Zeit, wo dieser Skandal vorgefallen sein muss, hohe Ausgaben hatte, die aber nicht näher beschrieben werden. Sie erscheinen nur an einer Stelle in der Jahresabrechnung von damals, in anderen Statistiken fehlen sie. Ich habe die Vermutung, dass Nova Median finanziell unterstützt hat, um mittels Wetten anschließend das große Geschäft zu machen."
"Aber das passt nicht mit dem überein, dass er jetzt Median als Verlierer sehen will", gab Harry zu bedenken.
"Vielleicht hat er diesmal die Seiten gewechselt", schlug Laudes vor.
"Ich denke nicht, dass..." Weiter kam die Vampirin nicht, denn sie wurde von dem Kommunikationsexperten unterbrochen.
"...dass Nova so einfach gestrickt ist?", nahm er ihr die schwere Denkarbeit ab.
"Ja." Die Abteilungsleiterin nickte.
"Und wie wollen wir sie nun überführen? Nur mit der Vermutung geht das ja schlecht...", warf Hatscha in die Runde.
"Fassen wir mal zusammen: Nova hat vor etlichen Jahren mit Gildengeldern einen Boxer zu Wettzwecken bestochen. Hier haben wir auf jeden Fall den Tatbestand der Statistik-Fälschung im Jahresbericht, was nicht erlaubt ist. Außerdem haben wir einen Boxer, der sich hat bestechen lassen. Des Weiteren plant Nova mittels Chis Quadrat und der Graus-Glocke, den kommenden Kampf zu beeinflussen, vermutlich zum Nachteil von Median. Außerdem hat er ihm einen drogenähnlichen Tee gegeben. Median selbst hält Nova für einen Freund, dem er vertraut. Außerdem hat er der Times falsche Informationen zukommen lassen. Unter Umständen war er ebenfalls an den damaligen Wettskandal beteiligt, wurde jedoch nie dafür bestraft, weil Nova ihm geholfen hat. Das ist allerdings Sache von Quirm und nicht unsere Angelegenheit. Wir können ihn also maximal ausliefern." Breda blickte nach diesem Bericht in die Runde. "Ich schlage vor, dass wir einfach sowohl Nova als auch Median mit diesem Verdacht konfrontieren. Nova kriegen wir auf alle Fälle wegen der Fälschung und der Rest kann warten. Hauptsache, wir kriegen den Kampf verhindert."
Alle nickten. Die Abteilungsleiterin verteilte schnell noch ein paar Aufgaben.
"Dann an die Arbeit, ich denke, ihr wisst, was zu tun ist. Weggetreten."
Breda saß an ihrem Schreibtisch und blickte auf das Chaos vor ihr. Sie seufzte. Der Fall war abgeschlossen, aber der Papierkrieg lag noch vor ihr. Immerhin, ihr Plan hatte funktioniert. Ihre vage Ahnung bezüglich des Zeitungsartikels hatte sich bestätigt und die gemeinsame Auflösung des Falls ebenso.
Sie hatten Alexander Nova aufgesucht und festgenommen, die Fälschungen hatte er recht bald zugegeben. Mit den Wetten hatte er sich etwas geschickter angestellt, doch die quirmianische Wache hatte die DOG unterstützt und die nötigen Informationen zugesandt, woraus sich ergab, dass Median tatsächlich einfach seine Geschichte auf Quartil umgemünzt hat. Die Wächterin schüttelte den Kopf. Eigentlich war dieses Vorgehen schon dumm gewesen.
Nachdem der Gildenvorsitzende der Statistiker sich mit den Fakten aus Quirm und den Ermittlungsergebnisse der Dienststelle konfrontiert sah, hatte er sofort gestanden. Er war leicht zu knacken gewesen. Nur die Gilde selbst stand nun vor der Pleite, doch das war nicht ihre Angelegenheit.
Schwieriger war es, Median dingfest zu machen. Er widersetzte sich zunächst der Festnahme, doch schließlich saß auch er in einer Zelle des Wachhauses und wartete auf seine Auslieferung nach Quirm, wo er dann seine Strafe endlich absitzen würde.
Schnapper wurde verpflichtet, die Wetteinsätze der Bürger zurückzuzahlen, doch die Liste war urplötzlich verschollen. Diverse Stammkunden
[3] bei dem Würstchenverkäufer erfreuten sich in den nächsten Wochen an aus unerfindlichen Gründen günstigeren Preisen.
Die Abteilungsleiterin schob die Akten zusammen und begann, den Bericht zu schreiben.
[1] Die jedoch nicht ausreichten, um ihn zu befördern
[2] was ihm trotz seiner zu Eisklumpen erstarrten Füße erstaunlich gut gelang
[3] Zugegeben, die Zahl hielt sich in Grenzen
Zählt als Patch-Mission für den Dobermann/div.-Patch.
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