7a kurze Geschichten aus dem langweiligen Alltag von RUM.
Dafür vergebene Note: 11
Da entschied Murphy, dass es Zeit war, den Menschen seine Macht durch ein göttliches Wunder zu zeigen.Mimosa kam in den Keller und steuerte auf Rogis Zellentür
[1] zu. Ein kleines Schild verriet, dass sie gerade eine Behandlung durchführte. Seufzend setzte sie sich auf einen der Wartestühle
[2] hin und drückte weiter den Wattebausch auf die kleine Bisswunde auf ihrer Hand.
"Guten Tag, Mä'äm!", hörte sie dann eine Stimme. Sie betrachtete den Ankömmling und stellte fest, dass es der neue Anwerber der Abteilung war, Reiner Rundumschlag. Er hatte eine dicke Beule auf der Stirn und sein Gang wirkte etwas schwankend.
"Oh, anscheinend bin ich nicht der einzige RUM-Wächter, der heute zu Rogi will", stellte Mimosa fest.
"Ja, ganz offensichtlich", entgegnete Reiner und setzte sich auf den Wartestuhl neben ihr.
Schweigen senkte sich herab. Die beiden Wächter konnten eine leise Unterhaltung aus dem Inneren der Zelle vernehmen, aber die Stimmen waren zu gedämpft, um sie zu verstehen.
Dann näherten sich Schritte, und ein ein weiterer Wächter kam die Treppe hinab. Es war Fynn Düstergut. Er betrachtete seine beiden Kollegen, die sahen ihn und sein dickes Veilchen an und keiner sagte etwas. Der Ermittler in spe setzte sich hin.
"Da kommt noch jemand", stellte er schließlich fest.
Mina hinkte die Kellertreppe hinunter, und als sie die Kollegen sah, lächelte sie gequält. "Ich hatte eigentlich gehofft, dass Rogi mich gleich wieder zusammenflickt."
Sie setzte sich zu den anderen auf einen der Stühle.
Weniger Augenblicke später kletterte eine seltsame warzige Gestalt auf das Sitzmöbel neben ihr, was ihr ein Laut des Erschreckens entlockte: "Iiieh! Was ist das denn?!"
"Septimus Ebel, ich bin ja auch nur seit 4 Jahren Mitglied in der Abteilung", erwiderte der von Quaddeln völlig entstellte Gnom und verschränkte die Arme. Als Mina daraufhin leicht grün im Gesicht wurde, wurde sein Blick noch finsterer: "Es sind nur ein paar winzige Pustelchen! Nichts was sich mit der richtigen Salbe nicht wieder gleich in Ordnung bringen lassen würde!"
Die Vampirin schüttelte den Kopf. Die Quelle ihrer Übelkeit war eine andere. Ein sechster Wächter, Inspäctor Kolumbini, hatte sich auf den letzten freien Stuhl gesetzt, seine eine Hand war in einen notdürftigen und leicht blutgetränkten Verband gewickelt. Er verzichtete auf eine Begrüßung.
Schließlich kam auch noch Jack, der auf einen Stock gestützt humpelte: "Wärst du so nett, mir deinen Stuhl zu überlassen, Ebel? Mein Knie tut höllisch weh!"
Der Gnom kletterte - wobei er nicht sonderlich glücklich wirkte - vom Stuhl und machte Platz für den Püschologen. Mit einem Seufzer der Erleichterung ließ sich Jack nieder und streckte dann sein Bein. Er rieb es ein wenig und ließ dann den Blick über die Runde schweifen: "Was ist eigentlich passiert? Gab es einen Großeinsatz, von dem mir keiner erzählt hat?"
"Nein", erwiderten mehrere der Kollegen synchron.
Und dann lachten sie.
"Okay, wer rückt als erstes mit der Sprache raus, was ihm passierte ist?", fragte Mimosa und wischte sich ein Tränchen aus dem Augenwinkel.
"Der der fragt, natürlich", stellte Jack fest, "Wer ist der gleichen Meinung?" Fünf Wächterhände schossen in die Höhe. "Vorschlag angenommen. Dann erzähl mal, was dir passiert ist."
Mimosa rieb sich mit der unverletzten Hand im Nacken. "Eigentlich ist das eine furchtbar kurze und langweilige Geschichte. Also, ich war im Archiv...
Staubflocken wirbelten durch die Luft des alten Archivs, wo sich Buchrücken an Buchrücken lehnte. Das Archiv unter dem Fundus war irgendwie unheimlich, aber auch spannend, mit Einträgen so alt, das dutzende Ordner miteinander dauerhaft als Buch abgeheftet worden waren.
Mimosa war aus einem ganz bestimmten Grund hier unten. "Schleicher!", rief sie in einem lockenden Tonfall nach ihrer Ratte. "Ich weiß, dass du hier bist, ich habe dir was feines mitgebracht..."
"Von wegen!", quiekte die Ratte zornig aus linker Richtung.
"Komm schon, nur ein winzigkleiner Pieks, dann ist alles wieder gut!"
"Das glaubst du doch selber nicht!" Diesmal kam die Antwort von rechts.
Mimosa seufzte. "Schleicher, das ist langsam nicht mehr lustig! Bist du ein feiges Huhn, oder was? Hör endlich auf mit mir Katz und Maus zu spielen und komm her!"
Diesmal antwortete die Ratte nicht, doch Mimosa meinte aus den Augenwinkeln ein Huschen zu sehen.
"Hab dich!", rief sie triumphierend und stülpte ihre Hand über den huschenden Schemen. Entsetzt ließ sie los, als sie spürte, was sie wirklich gefangen hatte - eine Kakerlake. Das Vieh krabbelte ungerührt dort.
Angewidert wischte sich Mimosa ihre Hände an ihrer Hose ab. Dann sah sie sich wieder um, in der Hoffnung ihren entlaufenen Freund wieder zu finden. Ihr Blick blieb an einem
Buchrücken hängen.
"Nanu, was sucht das denn hier?" Um ganz auf Nummer sicher zu gehen, zog sie das Kochbuch aus dem Regal, pustete etwas Staub vom Deckel fort und las: "Dreihundert Rattenrezepte."
Gepackt von dieser besonderen Neugier, die einen immer befällt, wenn man etwas findet, was garantiert einfach nur furchtbar und abstoßend sein kann, schlug sie das Buch auf und blätterte durch die Rezepte.
"Ratte im Schlafrock... Ratte mit Tomaten-Paprikagemüse... Rattenketchup..." Sie schüttelte den Kopf - wie konnte man nur dermaßen intelligente und treue Tiere überhaupt essen? Mimosa schlug das Buch vorne auf und schaute nach, wer denn der Autor dieses schauderhaften Kochkompendiums war.
"Ein Zwerg. Natürlich, hätte ich mir denken können." Ihr Blick blieb einen Moment lang auf der Seite haften, weil sie eine kleine Notiz entdeckte: "Dieses Buch gehört Stiefel."
Stiefel... irgendwo hatte sie das doch schon mal gehört... aber in diesem Regal waren Stücke von vor über 20 Jahren! Vielleicht sollte sie dieser Sache trotzdem mal nachgeh-
"Hey, blätter wieder zurück!", forderte Schleicher lauthals hinter der Wächterin.
Mimosa rührte sich keinen Millimeter. Das war die Chance! Sie musste ihn nur in Sicherheit wiegen und noch näher an sich heran locken...
"Wohin denn?"
"Na, zu Ratte in Erdbeermantel!", forderte Schleicher herrisch. "Ich will. dass du mir einen machst! Ich steht nämlich auf Erdbeeren!"
Sich einen korrigierenden Kommentar verkneifend, blätterte sie langsam die Seiten im Buch um. Dann spürte sie, wie die Ratte mit einem geschickten Satz auf ihre Schulter sprang: "Mach mal ein bisschen schneller!"
Mina grinste innerlich, weil ich Plan aufzugehen schien und blätterte nun schneller.
"Halt!", quiekte Schleicher, als sie das entsprechende Rezept erreicht hatten und kletterte von ihrer Schulter auf das Buch und betrachtete aufmerksam die Seite. Dann dämmerte ihn die grausame Wahrheit: "Hey, das ist ja kein Kochbuch für Ratten, das ist ein Kochbuch für die
Zubereitung von -"
"Hab dich!", stieß Mimosa triumphierend aus, ergriff blitzschnell Schleicher mit der einen Hand und ließ das Buch einfach zu Boden fallen. In Panik wand er sich wie verrückt und biss dann mit einem Male zu!
Mimosa zog scharf die Luft ein: "Schleicher, das tat weh!" Die Ratte ließ wieder los, aber wand sich immer noch wie ein Aal. Die Wächterin zog ungerührt mit der freien Hand eine kleine Spritze aus der Hosentasche, zog mit den Zähnen die Schutztülle ab setzte sie an einen Hinterlauf der Ratte an, und injizierte schließlich den Inhalt. Dann setzte sie die Ratte auf einem Bücherregal ab und besah sich die Bisswunde.
"Musste das sein?"
Schleicher schaute etwas zerknirscht drein: "Das war Notwehr! Du wolltest mich pieksen!"
"Ich
habe dich gepiekst."
"Wirklich?", erkundigte sich Schleicher misstrauisch, "davon habe ich aber gar nichts gemerkt..."
"Du bist einfach nur unmöglich... Wenn du dich ohne Gegenwehr hättest impfen lassen, dann müsste ich jetzt nicht zu Rogi und mir auch eine Spritze geben lassen."
"Selber schuld!", entschied Schleicher, sprang auf ihre Schulter und verschwand dann in seinem üblichen Versteck, ihrer Kapuze.
... wo ich nach einer alten Fallakte gesucht habe. Womit ich dabei nicht rechnete, war diese dicke Ratte, die dort anscheinend auf mich gelauert hat und mich bei erster Gelegenheit biss!"
"Ratte?", fragte Reiner und sein Blick wurde träumerisch. "Wenn du so vom Essen redest, dann werde ich hungrig..."
Mimosa schnaubte. "Statt vom Thema abzuweichen, könntest du ja mal erzählen, wie du zu deinem Horn gekommen bist!"
Reiner errötete leicht. "Nun.. ich... war gerade bei einer Anwerbung...
Der dreckige Eber. Eine der schäbigsten, düstersten und billigsten Tavernen von ganz Ankh-Morpork. Außerdem sah sie von außen wesentlich kleiner aus, als sie im Inneren war.
Reiner hatte schon seit einigen Tagen immer hier herein geschaut, denn hier trieb sich hauptsächlich ein ganz bestimmtes Klientel herum, welches mit Sicherheit ausgezeichnete Informanten abgeben würde. Er musste er nur schaffen, einen von Ihnen anzuwerben. Also hatte er sich die letzten Tage immer mal wieder hier herein gesetzt, still an einem Ecktisch gesessen, rosa Himbeerbrause getrunken und beobachtet. Ihm war dabei eine Person aufgefallen, die sich durch ihre Art sich irgendwie von den anderen abhob. Deswegen nutzte er die erste Gelegenheit die sich ergab...
"Mist", fluchte Maximus der Große. "Ich habe nicht genug Kleingeld. Kannste mir nicht den Drink auf meinen Deckel schreiben?"
"Nein. Ich kenne Typen wie dich, schließlich trinkt ihr hier jeden Tag. Flüssiges gibt es nur im Austausch gegen Bares."
"Ich... könnte dir ein Autogramm von mir geben, das hat den Gegenwert eines ganzen Dollars!"
Der Wirt lachte schallend: "Das war der beste Witz, den ich seit Tagen gehört habe!"
Maximus seufzte: "Aber ich habe Durst!"
Da schaltete sich Reiner dazwischen: "Erlauben Sie mir, Ihnen einen auszugeben!"
Der Wirt und Maximus starrten Reiner verwundert an. "Bitte was?!"
"Einen ausgeben... ist das so schwer zu verstehen?"
"Aber
warum?!", hakte Maximus misstrauisch nach.
Reiner erinnerte sich an eine Weisheit, die ihm Amok während seiner Ausbildung einmal gegeben hatte: Ein Witz an der richtigen Stelle kann die Stimmung gewaltig auflockern. Bisher hatte er diese immer geflissentlich ignoriert, weil ihm das Witze erzählen nicht sonderlich lag... Aber er hatte nichts zu verlieren. "Weil das ein ganz narr-türliches Verhalten für mich ist!"
Der Zwerg spürte, wie ihn auf einmal die Blicke von drei Dutzend Clowns durchbohrten. "Ähm... ihr wisst schon narr-türlich... weil wir hier alle Narren sind und so...", versuchte er sich aus der Affäre zu ziehen, während der erste Angstschweiß seine Schminke verlaufen lies.
Plötzlich lachte Maximus schallend auf: "Das.. ist doch nicht etwa wirklich dein Ernst?"
"Doch?", fragte Reiner verzweifelt und von der Situation irgendwie überrumpelt.
Schallendes Gelächter brauste ihm entgegen und er konnte einzelne Satzfragmente wie "schlechtester Witz aller Zeiten" "macht der alten Schule Ehre" "der gehört auf die offizielle Liste" heraushören. Schließlich klopfte ihm Maximus der Große auf die Schulter und meinte: "Das war das jämmerlichste Wortspiel auf Narr, das ich seit langer Zeit gehört habe. Es ist mir eine Ehre, mich von dir einladen zu lassen. Zumal wir eh in die selbe Größenkategorie gehören."
Der kleinwüchsige Clown bestellte ein paar Getränke und einen Sahnekuchen im Blech und setzte sich dann mit Reiner zusammen an einen Tisch. "Lass uns zusammen einen trinken! Erzähl mir von dir, wie hast du diese tolle Knubbelnase fabriziert?"
"Die ist echt", erklärte Reiner und schaute den Kuchen an. "Was hast du eigentlich mit dem vor?"
"Na was wohl?", konterte Maximus mit einer Gegenfrage und grinste so breit, das man meinen könnte, dass er mit einer Banane geübt hatte.
Der Wächter zählte ihn Gedanken eins und eins zusammen. Kuchen und Clown, da gab es nur eine Sache. Er griff nach dem Blech und pfefferte Maximus das Sahneding ins Gesicht, ehe der es tun konnte!
Mit einem Florpf! löste sich die Form wieder von dem Gesicht des Narren, der erst ein paar Momente lang verdutzt aus der Wäsche schaute, dann aber zur Routine zurückfand, mit einem Finger etwas Füllung von seinem Gesicht wischte und dann in seinen Mund steckte. "Mjam, Blaubeere!"
Erst jetzt merkte Reiner, dass es so still geworden war, dass man eine Grille hätte husten hören können.
"Kuchenschlacht!", rief plötzlich einer der Clowns enthusiastisch und sprang auf seinen Stuhl. "Kuchenschlacht!"
"Niemals!", brüllte der Wirt: "Hier herrscht striktes Kuchenschlachtverbot, habt ihr das schon vergessen?! Ich will nicht wieder eine Woche lang die klebrige Pampe von der Decke kratzen!"
Der übermütige Clown ließ enttäuscht die Schultern hängen... doch dann kam ihm eine Idee: "Wer hat alles seinen Handschuh dabei?"
Unisono hoben die Narren ihre Hände. Der gehörte schließlich zur Grundausstattung.
"
Boxkampf!", rief da der Narr aus.
Reiner war schon Momente vorher abgetaucht und kroch vorsichtig unter den Tischen Richtung Ausgang, während sich die Clowns gegenseitig Boxhandschuhe an mechanischen Scherenarmen gegen die Köpfe klatschten.
Schließlich hatte er es geschafft und flüchtete so schnell ihn seine Zwergenbeine trugen. Schließlich bog er in eine Gasse ein und verschnaufte erst einmal. Diese Narren waren alle verrückt!
"Netter Auftritt!", sagte eine Stimme hinter ihm. Voller Schreck fuhr Reiner zusammen und machte einen höchst unglücklichen Satz nach vorn und knallte mit dem Kopf gegen die Kante eines Fensterladens. Nun lag er da im Schmutz, benommen und starrte nach oben, wo sich Maximus sich über ihn beugte. "Also, wenn es nach mir geht, kannst du mich gerne öfters einladen, aber beim nächsten Mal essen wir den Kuchen, ja?"
"Klar", entgegnete Reiner und fragte sich, wann sich der kleinwüchsige Clown eigentlich vervielfacht hatte.
"Oh, und du solltest mal einen Arzt auf diese Beule schauen lassen, ganz schön dickes Ding."
Der Clown half Reiner auf, und der Zwerg verabschiedete sich und wankte dann zum Wachhaus zurück.
... in einer Kneipe, richtig üble Spelunke. Ihr wisst ja, wie das in manchen Etablissements ist, da muss der eine den anderen nur mal schief ansehen, und schon gibt's eine Schlägerei. Ich habe die sofort wieder aufgelöst, wie jeder gute Wächter es getan hätte, aber leider dabei doch eine kleine Beule abbekommen."
"Nun, so was kann ja mal passieren", meinte Mimosa aufmunternd, schließlich war Reiner noch nicht lange als Anwerber tätig.
"Wer erzählt jetzt?", fragte Septimus, und Jack erwiderte: "Wie wäre es, wenn wir der Reihe nach vorgehen, dann müssen wir das nicht jedes mal neu entscheiden."
Da sahen alle Fynn an, der neben Mimosa saß. "Ich?!", fragte der schließlich und als die anderen nickten, seufzte er und begann mit seiner Geschichte: "Eigentlich wollte ich keinem davon erzählen, weil das eine banaler Vorfall war...
Nervös wischte sich Fynn die Hände an seiner Hose ab. Sein erster eigener Fall, und das schon so früh in seiner Ausbildung! Er durfte ganz alleine einen Zeugen verhören, bei ihm zu Hause, weil der Zeuge nicht nur Zeuge, sondern auch ein Informant der Wache war. Die ganze Sache erfüllte ihn mit Stolz und machte ihn zugleich auch etwas nervös. Aber er hatte sich gut auf alle Eventualitäten vorbereitet! Sich rhetorische Fallen zurechtgelegt, falls der Zeuge ihn anlügen wollte, und sich auch einen Dolch unauffällig in seinem Stiefel gesteckt, falls der Zeuge aus irgendeinen Grund handgreiflich werden wollte, man konnte ja nie wissen!
Zaghaft-energisch klopft er also an die Tür.
"Herei~hein!", flötete eine rauchige Frauenstimme.
Fynn öffnete die Tür und betrat die Wohnung. "Frau Margot Schnitzel? Ich bin Ermittler Düstergut." Der Wächter musste lächeln, als er feststellte, wie gut das klang. "Ich möchte Ihnen ein paar Fragen zu dem Mordfall Hügermann stellen!"
"Sehr schön, sehr schön! Einfach die erste Tür re~hechts!"
Der Gefreite folgte der Anweisung und betrat das Zimmer. Auf den ersten Blick erkannte er, dass es sich wohl um die gute Stube handeln musste, denn es waren Polstermöbel vorhanden und überall lagen kleine weiße Häkeldeckchen. Eine enorme
Standuhr fiel ihm sogleich auf. Wie ein Mahnmal thronte sie im Zimmer, wuchtig und stolz. Einige Zettel waren in den Türspalt geklemmt worden; anscheinend wurde sie als eine Art Notizbrett zweckentfremdet.
Dann erst wurde der Wächter der Zeugin gewahr, und für einen Moment setzte sein Herz aus. Er hat mit vielem gerechnet... aber nicht mit so etwas! Frau Schnitzel war... opulent, wenn man es höflich ausdrücken wollte und trug ein schwarzes Kleid, dass für seinen Geschmack viel zu viel Spitze beinhaltete und außerdem gewisse Stellen viel zu sehr betonte. Als ob da noch was nötig gewesen wäre... Wie ein Walross räkelte sie sich auf einen Divan und sah ihn lasziv an: "Hm, wir sind aber ein großer Wächter!"
"Ähm...", konnte Fynn nur herausbringen. Er hatte normalerweise keine Probleme damit Frauen anzusprechen, aber die war eine Nummer zu groß für ihn.
"Nun, dann wollen wir mal anfangen, du Schä~hätzen, du!"
Fynn schluckte und räusperte sich dann entschieden: "Ich bin ein professioneller Ermittler der Stadtwache und bitte deshalb um ein ebenso professionelles Verhalten von Ihnen!"
Frau Schnitzel lachte auf: "Soso. Nun, dann befrage mich mal, ehe ich es mir anders überlege." Keck blinzelte sie ihm zu.
"Ähm... der Fall Hügermann, nun, ich ermittle da gerade drin. Sie wurden als Zeuge genannt. In welcher Beziehung standen sie denn zu dem Opfer?" Er zückte seinen Notizblock um mitzuschreiben.
"Ach... Der war ein Nachbar. Ich kannte ihn vom Sehen her."
"Und wie genau sind sie Zeuge seines Todes geworden?"
"Oh, das bin ich nicht; aber ich habe die Leiche gefunden, so gegen acht Uhr morgens, als ich ein paar Entsorgungen erledigen wollte. Ich habe mich erstmal um meine Sachen gekümmert, mir dann noch einen kleinen Snack gegönnt und danach sofort die Wache verständigt."
"Wie, nicht sofort nachdem Sie die Leiche entdeckt hatten?"
"Nein", entgegnete Frau Schnitzel und wedelte abwehrend mit der Hand: "Aber wieso auch, viel toter als mit dem Messer in der Brust konnte er eh nicht mehr werden. Außerdem war mir sofort ersichtlich, dass hier ein Profi am Werk gewesen war."
"Nun, jemanden ein Messer in die Brust rammen kann auch ein Laie, Frau Schnitzel! Sie sollten nicht kategorisch einen großen Kreis potentieller Täter ausgrenzen!"
"Ach, ich bin mir ziemlich sicher", meinte sie und lächelte charmant, "die Assassinenquittung war eindeutig echt."
"Warum haben Sie das nicht gleich gesagt?!"
"Ach... ich bekomme so selten Besuch, mit dem ich reden kann. Da wäre es doch unklug die Gelegenheit verstreichen zu lassen, indem ich sofort den entscheidenden Beweis herausgebe."
"Argh! Wo ist sie?!"
"Sie steckt in der Uhr, zwischen meinen Notizen."
"Großartig!", rief Fynn aus und suchte dann systematisch die eingeklemmten Zettel nach dem Gildensirgel ab. Triumphierend zog er die Quittung aus dem Spalt, doch dann seufzte er. Das war ja nur das Emblem der Kerzenmachergilde! So was Blödes...
Schließlich schüttelte er den Kopf, weil er die Quittung nicht entdecken konnte. Dermaßen schnell wollte er aber nicht aufgeben, also spähte er durch das Glas in das Innere der Standuhr, und tatsächlich lagen da einige weitere Zettel, es wahr also gar nicht so unwahrscheinlich, dass das gesuchte Beweismittel dazwischen lag. Er wollte die Tür öffnen, doch die bot mehr Widerstand, als er erwartet hätte. Aber als Ziehsohn eines Uhrmachers ließ er sich nicht gleich abschrecken und suchte stattdessen nach einen Öffnungsmechanismus.
"Vorsicht!", warnte ihn Frau Schnitzel , doch mit einem Mal öffnete sich die Tür mit unvorhersehbarer Schnellkraft und knallte ihren Knauf gegen Fynns Auge.
Uhren vielfacher Sorten schwirrten um ihn herum und lachten ihn tickend aus. Tick-tack! Tick-tack! Tick-Tack! Energisch schüttelte der Gefreite den Kopf um die wirren Gedanken zu vertreiben. Deshalb brauchte er erst einmal ein paar Momente um das Gesehene zu verarbeiten und fischte dann die Quittung aus der Zettelsammlung am Boden der Standuhr.
"Ist es sehr schlimm?", fragte Frau Schnitzel, doch Fynn schüttelte den Kopf.
"Es geht schon... ich habe was ich brauche, also gehe ich jetzt ins Wachhaus zurück und lass mich verarzten."
"Warten Sie!", rief sie, erhob sich mit der Eleganz tektonischer Plattenbewegungen, lief erstaunlich flink in die Küche und kehrte mit einem panierten Steak zurück. "Hier. Tun sie das aufs Auge, dann wird es nicht so schlimm! Aber achten sie auf die Panade."
... ich wollte den Zeugen eines Mordes befragen. Der wurde leider handgreiflich, und bei dem Gerangel habe ich mir dieses Auge eingefangen. Natürlich konnte ich ihn trotzdem überwältigen und dann verhören. Reine Routine also."
"Schon schlimm, dass hier in der Stadt immer gleich alle gewalttätig werden müssen!", schimpfte Reiner.
Septimus nickte zustimmend. "Ja, das ist schon ein Problem hier. Deswegen setzt ich mich ja auch für den Schutz von Froschwesen ein, weil die ein Vorbild an Pazifismus und Nächstenliebe bieten!"
"Ebel, musst du ständig über Naturschutz dozieren?", fragte Kolumbini und rollte mit den Augen.
Mina wurde wieder etwas grünlicher, da sie sich wieder des Blutes an der Hand des Ermittlers bewusst wurde und entschied, sich lieber mit ihrer Geschichte zu beeilen. "Zurück zum Thema. Meine Geschichte ist ähnlich trivial, ich war auf einem Einsatz...
Die
Werbeagentur Sonnenschein residierte in einem opulent aussehenden Gebäude, was sie in dem aktuellen Fall jedoch nicht weniger verdächtig machte. Also ging Mina mit ihrer üblichen Ernsthaftigkeit an die Untersuchung. Ein Informant hatte den Tipp gegeben, dass heute offensichtlich ein Großputz angesetzt war, so dass sie in ihrer Tarnung als Putzfrau einfach behaupten konnte, zur Verstärkung zu gehören.
Die Vampirin schulterte ihren Schrubber und begab sich dann durch den Personaleingang des Gebäudes. Drinnen kam ihr ein Werbetyp entgegen.
"Hallo", begrüßte ihn Mina sogleich, um ihn durch diese offensive Art gar nicht auf die Idee kommen zu lassen, genauer über sie nachzudenken: "Ich bin wegen diesem Job hier. Wo muss ich hin?"
"Aah", entgegnete der Werbemensch und nickte wissend: "Ich weiß, was Sie meinen, ich bringe Sie direkt dahin!"
"Oh, das muss doch nicht sein", wiegelte Mina ab: "Erklären sie mir einfach den Weg, dann finde ich ganz alleine hin!" 'Und habe Gelegenheit zu schnüffeln', fügte sie in Gedanken hinzu.
"Nein, besser nicht", erwiderte der Werbemann: "Tuff wird immer furchtbar mäkelig, wenn die Models auf sich warten lassen!"
'Models?!', dachte Mina entsetzt.
"Also bleiben sie mir direkt auf den Fersen, dann kann gar nichts schief gehen!"
Die Wächterin fühlte sich überrumpelt, der Informant würde einiges zu hören bekommen, von wegen Großputz!
Sie folgte der Werbeperson durch einige Gänge, bis sie schließlich in einen großen Raum ankamen. Drinnen standen schon einige andere 'Putzfrauen', die natürlich nicht so authentisch wie sie selbst herüberkamen. Kein Wunder bei all diesen Stilettos. Außerdem entdeckte sie einen ordentlich großen Troll, der ein tischtuchgroßes zitronengelbes Halstuch trug und unzählige Rubinsplitter in seiner Haut hatte, so dass er im Lichte der Beleuchtung glitzerte. Auf dem Kopf balancierte er scheinbar mühelos einen großen Block Eis.
Als er Mina sah, klatschte er in die Hände: "Da ist es ja endlich, unser letztes Modellchen! Hat aber ganz schön lange gedauert!"
"Meine Agentur hat mir eine falsche Zeit genannt", improvisierte die Vampirin.
"Na gut. Wir sollten uns jetzt endlich mal an die Arbeit machen und ein paar Ikonographiechen schießen!", meinte Tuff etwas besänftigt und klatschte in die mühlsteingroßen Hände.
Mina verzog innerlich das Gesicht. Oje, Ikonographien... Wenn die mit Salamandern schossen, konnte sie das glatt einäschern! Aber auf der anderen Seite... sie kannte ihr eigenes Spiegelbild nicht. Mina war eigentlich nicht eitel, aber mal zu sehen, wie sie selbst aussah... das war schon irgendwie verlockend!
"Momentchen mal!", riss Tuff sie aus ihren Gedankengängen: "Diese Schühchen gehen aber mal so gar nicht überhaupt nicht! Da müssen ein paar ordentliche her! Unsere Kunden erwarten professionelle Bilderchen!"
Der Werbeheini reichte Mina ein paar knallrote Schuhe mit mörderisch hohen Absätzen
[3] und die Wächterin zog sie mit mulmigen Gefühl an. Vielleicht wäre es besser, sich aus dem Staub zu machen und die Ermittlung in der Nacht fortzusetzen, auch wenn das hieß, illegal ins Gebäude einzudringen. Aber die Arbeit eines verdeckten Ermittlers befand sich ja grundsätzlich schon in einer gewissen Grauzone...
Tuff wartete bis sie die Schuhe an beiden Füßen hatte und sich wieder aufgerichtet hatte und klatschte dann erneut in die Hände: "Dann kann es ja schon losgehen! Ihr läuft euch erst einmal ein bisschen ein, um ein Gespür für das Drama zu kriegen, das ihr braucht um überzeugende Putzfrauchen zu mimen, und dann schießen wir die Bildchen!"
Mina stöckelte den anderen Modells schwankend hinterher und verfluchte den Werbeknilch, der ihr offensichtlich zu kleine Schuhe angedreht hatte. Nach ein paar Augenblicken hatte sie aber das Gefühl, den Bogen heraus zu haben, und straffte selbstbewusst ihre Gestalt. Ha! Mit diesen Schönchen konnte sie mit Leichtigkeit mithalten! Sie -
...trat auf eine Teppichfalte und ihr Fuß knickte brutal um und raubte ihr das Gleichgewicht.
'Verdammt', dachte Mina.
"Was für ein unglückliches Unglück!", rief Tuff aus und half ihr wieder auf die Beine.
Die Wächterin biss vor Schmerz die Zähne zusammen.
"Nene, so geht das aber gar nicht!", stellte der Troll fest. "Wenn du nicht normal stehen kannst, wird das aber nichts aus den Ikonographien! Du wirst wohl wieder nach Hause müssen! Erst zu spät zu kommen, und sich dann auch noch zu verletzen ist einfach viel zu viel zu viel zu unprofessionell!"
"Lässt sich nicht ändern", erwiderte Mina zerknirscht.
"Ja, dann mach's mal gut, Tschüssili!", verabschiedete sie Tuff und wandte sich dann wieder den anderen Models zu. Die Vampirin konnte deren gehässige Blicke im Rücken spüren. Deshalb gab sie sich besondere Mühe mit dem zur Krücke erklärten Schrubber möglichst anmutig aus dem Raum zu humpeln.
... bei dem ich eine Werbeagentur untersucht habe. Ich arbeite ja schon seit ein paar Tagen an diesen Raubüberfall bei diesen zwei Zwergen, da bot es sich an, mal die Konkurrenz abzuchecken. Ich wollte das von außen machen und beschloss daher erst einmal durch ein Fenster zu observieren. Leider war das einen Tick zu hoch, deswegen habe ich mich auf zwei Kisten gestellt. Die eine war leider nicht so stabil wie gedacht, deswegen alsoich ein und dabei habe ich mir dann wohl den Fuß verstaucht."
"Wenn du auch nicht besser aufpassen kannst", meinte Jack in einem genervten Tonfall. "Aber nun bin ich dran, mit meiner Geschichte, wieso mein Knie ausgerenkt ist. Also -"
"Hey!", beschwerte sich Septimus Ebel: "Ich war vor dir da! Du sitzt bloß an dem Platz, weil ich ihn dir in meiner unendlichen Großzügigkeit überlassen habe! Ich bin jetzt also an der Reihe und nicht du!"
"Was auch immer", meinte Jack und zuckte mit den Schultern.
Septimus plusterte sich etwas auf: "Im Gegensatz zu euch bin ich nicht irgendwelchen profanen Tätigkeiten nachgegangen, sondern habe mich um das Wohl von Ankh-Morpork bemüht...
Der Hide Park lag im
Winterschlaf. Es fehlte zwar momentan der Schnee, aber die Temperaturen waren frostig genug, alles mit einer weißen Reifschicht zu schmücken und Blumen an Fenster zu malen.
Septimus war eben von einer Ermittlung zurückgekommen und noch halb in Gedanken an spurlos verschwindende Trolle, als er eines Schildes gewahr wurde: "Zum Gedenken an die ausgestorbene Tierart entsteht hier entsteht in Kürze der
Gelbauchunken-Pavillon, der den Bürgern der Stadt eine einmalige Gelegenheit bieten wird, sich über die hiesige Flora und Fauna zu informieren." Direkt daneben befand sich eine weitere Stange, der offensichtlich die Tafel noch fehlte.
Der Gnom lächelte. Endlich begann man sich in dieser Stadt auch einmal mit den wirklich wichtigen Dingen zu beschäftigen.
Zufrieden ließ er den Blick über die zukünftige Baustelle schweifen und bemerkte da etwas seltsames. War da ein Loch im Boden?
Mühelos schlüpfte der Gnom unter der Absperrung hindurch und kroch dann neugierig in das Loch, dass sich als Krötentunnel entpuppte. Verwundert rieb er sich die Augen, denn alles war durch fluoreszierende Pilze in einem sanften grünen Lichtschimmer erhellt. Und inmitten aller Pracht saß - oh, Lunk, konnte es wirklich sein? - eine große, dicke Gelbbauchunke. Der Gnom konnte sein Glück gar nicht fassen!
"Du bist ja gar nicht ausgestorben!", rief er aus, und umarmte die dicke Unke in einem Anfall überschwänglicher Freude. Das Tier bewegte sich keinen Millimeter.
"Oh, Entschuldigung", meinte da der Gnom: "Ich hatte ganz vergessen, dass ihr ja bei den momentanen Temperaturen Winterstarre hält! Weißt du schon, dass man einen Pavillon baut, der nach dir benannt ist, genau an dieser Ste -" Dem Gnom blieb das Wort im Halse stecken.
Das war ja furchtbar! Wenn man direkt über ihrem Winterquartier einen Pavillon baute, dann würde die arme Geldbauchunke jämmerlich und qualvoll umkommen, sobald die Temperaturen sie wieder aus der Winterstarre weckte. Wie schrecklich! Da gab es nur eine Lösung, er musste die Unke an einen sicheren Ort schaffen! Und dazu musste er sie aus ihrem Kälteschlaf wecken!
Kurz entschlossen krempelte Septimus seine Ärmel hoch und begann den schleimig-kalten Rücken der Unke zu reiben. "Keine Sorge, Unkilein, ich werde dich nicht im Stich lassen!"
Und der Gnom rieb, was das Zeug hielt, was irgendwie ein ganz kribbeliges Gefühl an seinen Händen erzeugte. Er ließ keinen Zentimeter des Krötenwesens aus und als nach einer Weile sein Schweiß zu strömen begann, achtete er nicht weiter drauf, sondern wischte ihn nur weg, wenn er zu störend wurde. Schließlich begann die Unke leicht zu zucken.
"Jippieh!", rief Septimus aus, und legte sogar noch einen Zacken zu. Da sprang die Gelbbauchunke mit einem Satz nach vorne und kroch aus ihrem Loch. Der Gnom taumelte vor Freude und fiel Platsch! in die Pfütze mit restlichen Krötenmodder. Er wischte das Zeug kurzerhand weg und folgte dann seinem Schutzobjekt nach draußen.
Doch, oh welche Verwunderung! Die Unke hatte sich in eine bildschöne Gnomin verwandelt, die bestechende Ähnlichkeit mit Lady Rattenklein hatte. Verlegen straffte Septimus seine Kleidung etwas: "Oh.. ähm... damit habe ich aber nicht gerechnet... ich kenne zwar die Geschichte vom Froschkönig, aber wusste nicht, dass es auch eine Unkenkönigin gibt!"
"Ribbit", entgegnete die Königin charmant.
"Oh, darf ich Sie küssen?", fragte ein über alle Maßen von dieser Schönheit verliebter Septimus.
"Ribbit", erwiderte die Königin.
Der Gnom schlang seinen Arm um die liebliche Gestalt und gab ihr einen dicken Schmatz. Irgendwie fühlte sich die Königin schleimig an - und was war das? Seine Hand kribbelte, und als er herabsah stellte er fest, dass sich auf ihr winzige rote Beulen bildeten.
"Aah! Ich verwandle mich ja in eine Kröte!", rief er mit einem Anflug des Entsetzens aus und fühlte nach seinem Gesicht, wo er ebenso kleine Beulen spüren konnte. Das war aber gar nicht gut! Er mochte Kröten und Frösche und Unken, na klar, aber er wollte doch deswegen selber keine sein! Wer sollte sich denn sonst außer ihm um diese Wesen kümmern? Oh, er konnte schon spüren, wie der Drang immer größer wurde, zu quaken! Ja, seine Brust schwoll förmlich an, er spürte es ganz deutlich und riss sich voller Verzweiflung die Kutte vom Oberkörper, bevor sie ihm die Luft abschnürte! Seine Glieder verkrümmten sich und zwangen ihn auf alle Viere und dann überfiel ihn ein gewaltiges Bedürfnis zu hüpfen und zu springen. Und das tat er dann auch, obwohl er sich sträubte, damit seine Gnomigkeit nicht verloren ging.
Da entdeckte er, dass versteckt im Gras noch eine kleine Infotafel über Gelbbauchunken lag - anscheinend hatte sie sich von ihrem Pfahl gelöst - in der unter anderem detailliert auf ihren giftigen und halluzinogenen Schleim eingegangen wurde. Huch, hatte er sich etwa das alles nur eingebildet? Wenigstens waren die Quaddeln echt.
Mühsam nahm er sich zusammen und drehte sich wieder dann zur Köni- zur Unke um. "Ihr geht jetzt am besten etwa 200 Meter in diese Richtung, da sind die Winterquartiere der hiesigen Teichfrösche, ich muss nämlich jetzt zu Rogi, okay?"
Das Tier hüpfte zu seiner Freude in die richtige Richtung los, und Septimus machte sich, mühsam den Drang, zu hüpfen, unterdrückend, auf den Weg zurück ins Wachhaus.
... ich habe nämlich eine Baustelle inspiziert, wegen der Sicherheit und so! Dabei habe ich eine potentiell gefährliche Ansammlung von Brennnesseln entdeckt, die ich sofort und radikal entfernt habe, damit sich keine Unschuldigen versehentlich daran verletzen können! Beim Abtransport gab es jedoch eine Unregelmäßigkeit, weswegen ich mich jetzt in diesem völlig verpustelten Zustand befinde."
"Ja, Brennnesseln sind unangenehm", stellte Reiner fest.
Dann wandten sich alle Blick auf den Wächter, der neben Jack saß.
Kolumbini, der sich einen Moment lang erlaubt hatte, seine Gedanken zu einer Tasse Brennsesseltee abschweifen zu lassen, seufzte. "Im Grunde ist mir genau das gleiche passiert, wie Düstergut...
Der Ermittler schaute sich aufmerksam um. Es war schon eine Weile her, seitdem er das letzte Mal in der Kröselstraße gewesen war, aber das Sanduhrendekor war vertraut wie eh und je. Energisch klopfte er an die Tür von Ausbilderbüro Nummer zwei. Er wartete gar nicht erst das "Herein!" ab - wozu auch? - sondern öffnete die Tür und betrat den Raum.
"Guten Tag, Chief-Korporal. Ich denke mal das du meine Nachricht erhalten hast."
Lilli nickte ihm zu und wies ihn mit einer knappen Handbewegung an, sich zu setzen. Kolumbini nahm Platz und sah ein paar Momente zu, wie sie irgendein Dokument schrieb. Dann räusperte er sich: "Mit dem Troll geht alles klar? Er würde mir und Septimus bei den Ermittlungen in dieser Mordserie wirklich weiterhelfen."
Die Wächterin nickte eifrig.
Kolumbini stellte dann eine Handtasche auf den Tisch, die sich durch ein filigranes Blumenmuster auszeichnete, abgesehen von einem Fenster mit aufgedruckten Buchstaben, durch dass ein Dämon sie ansah. "Das ist der eigentliche Grund für mein Kommen. Ich kriege diese
Plaudertasche einfach nicht zum Reden, aber das ist wirklich wichtig, weil der Dämon in ihr höchstwahrscheinlich gesehen hat, wie seine Besitzerin ermordet wurde. Mit einer klaren Aussage von ihm wäre dieser Fall in null Komma nichts abgeschlossen, so dass ich mich wieder voll und ganz auf die Trollsache konzentrieren kann."
Sie nickte ernst, dann zog sie die Tasche an sich heran und tippte probeweise ein paar Worte ein. "Kein autorisierter Zugriff!", quäkte der Taschendämon.
"Na, das habe ich auch hinbekommen", meinte Kolumbini und Lilli warf ihm nur einen eisigen Blick zu. Dann begannen ihre Finger schnell über das Tastenfeld zu huschen und schließlich verkündete der Dämon: "Kamel, Kamel, Dromedar! Auge, nach-rechts-schauender-Pharao, Falke, nach links-schauender-Pharao, Gott-mit-Kuhkopf!"
"Na großartig, jetzt hast du sie endgültig kaputt gemacht! Und ich dachte, dass du Ahnung von der Bedienung von so einem Ding hast."
Wieder huschten ihre Finger kurz über das Tastenfeld. "Noch immel keine Zugliffsautolisation!", behauptete der Dämon.
Kolumbini seufzte. Das war wieder genau der gleiche Zustand wie eben. Nur schlimmer.
Die Ausbilderin achtete nicht auf ihn, sondern begann in ihrer Schublade herum zu wühlen. Gelangweilt ließ er seinen Blick schweifen und blieb an den Dokument hängen, an dem sie soeben geschrieben hatte. Er brauchte ein paar Momente, stellte dann aber fest, dass Lilli anscheinend für eine Weile Urlaub einreichen wollte. Na, wenn sie sich das finanziell leisten konnte...
Triumphierend knallte sie ein kleines Papierheft auf den Tisch. Es war die Gebrauchsanweisung für ihren S.P.R.E.C.H.-Kasten.
"Na also, damit kann ich schon eher was anfangen!", stellte Kolumbini fest. Lilli deutete nur einen Salut mit einer knappen Handbewegung an und verließ dann ihr Büro, anscheinend um den Urlaubsantrag abzugeben.
Der Ermittler ließ sich nicht beirren, sondern schlug die Anleitung auf .
"Hezlicen Gluckwuns zu den Erwerb von dies Product", stand groß direkt auf der ersten Seite. Kolumbini rieb sich leidgeplagt die Schläfen und boxte sich dann durch das Inhaltsverzeichnis durch, bis er eine Stelle fand, die vielversprechend schien.
Vorsichtig und langsam begann er die angegebene Kombination auf die Buchstabenfläche zu tippen, wobei er deduktisch die Übersetzungsfehler ausmerzte. Schließlich quäkte der Dämon: "Sie sind nicht autolisielt, also kein Zugang!"
"Aber das ist der Aktivierungscode für freies Sprechen!", widersprach Kolumbini.
"Ach wirklich?", fragte der Dämon, öffnete eine Klappe in der Seite der Plaudertasche, lief die kurze Strecke zu Kolumbini und entriss ihm mit einen kräftigen Ruck die Anleitung.
"Aua! Verdammt!", fluchte der Wächter und betrachtete seine Hand, wo aus einem langen Papierschnitt Blut zu quellen begann.
"Hey, der ist überhaupt nicht für mein Modell!", widersprach der Dämon und sah Kolumbini an. Der Ausdruck in dessen Gesicht ließ ihn aber schnell eine Entscheidung fällen: "Ähm... das macht jedoch nichts. Was wollen Sie wissen, verehrtester Sör?"
Kolumbini griff nach einer Verbandsrolle, die in Lillis Regal lag und umwickelte die verletzte Hand notdürftig. Dann zog er seinen Notizblock aus der Tasche und drückte ihn dem Dämon in die Hand: "Schreib auf, was du gesehen hast, jedes kleine Detail, verstanden?!"
"Ja, Sör, es ist mir eine besondere Freude, Sör!"
Inspäctor Kolumbini seufzte schwer.
... ich wollte einen Zeugen befragen, der aber handgreiflich geworden ist. Der einzige Unterschied ist, dass meiner ein Messer hatte. Ich war natürlich unbewaffnet, aber so etwas hält einen Profi wie mich sicher nicht von einem erfolgreichen Verhör ab."
"Du solltest auf jeden Fall als erstes rein!", entschied Mina, der sich der Magen durch den Blutgerucht umdrehte.
"Nun, da ihr alle eure Geschichte erzählt habt, bedeutet das wohl, dass ich jetzt an der Reihe bin", meinte Jack und schnippte mit den Fingern. "Also hört gut zu, ich werde mich nicht wiederholen... und meine Geschichte ist auch viel interessanter als eure.
Der Breite Weg. Als eine der Verkehrsadern von Ankh-Morpork galt seine Überquerung als ziemlich tückische Angelegenheit, so dass schon vor einigen Jahren mal der Kommandeur ein Memo herausgegeben hatte, dass man als Wächter hilflosen Personen helfen sollte.
Jack hatte neulich dieses Memo in seinem Posteingang entdeckt, weshalb er sich mit bester Absicht um die Umsetzung bemühte, als er ein Kind mit einem großen roten Luftballon
[4] entdeckte, dass irgendwie verloren am Straßenrand stand und offensichtlich versuchte, eine Lücke in der endlosen Reihe von rücksichtslos rasenden Karren zu finden.
"Hallo, mein Kleiner", sprach der Wächter ihn in einem väterlichen Tonfall an, der normalerweise für seine Tochter reserviert war."Kann dir der Onkel Jack über die Strafe helfen?"
Das Kind drehte sich langsam zu ihn hin, und starrte ihn an. Dem Wächter fiel auf, wie überaus rosig seine Bäckchen waren, fast schon knuffelig.
"Kleiner?!", fragte es mit einer Stimme, schneidend wie Eis.
"Oh, entschuldige", erwiderte Jack: "Du bist natürlich schon ein großer Junge. Schönen Luftballon hast du da übrigens!"
Der Junge wechselte die Luftballonhand, so dass der möglichst weit weg von dem Wächter war. "Das ist kein ordinärer Luftballon!"
"Natürlich nicht", stimmte ihm Jack kulant zu, "schließlich ist er
rot!"
"Willst du dich lustig über mich machen, oder was?!"
"Nein, nur über die Straße helfen."
"Mir muss niemand über die Straße helfen! Wie kommt man bloß auf eine dermaßen hirnrissige Idee?!"
"Nun, es ist die Pflicht eines Wächters, hilflosen Leuten über die Straße zu helfen. Und kleine Kinder fallen eindeutig in diese Kategorie!"
Der Junge schnappte empört nach Luft: "ICH?!! EIN KIND?!!!"
Da wurde Jack sein Fehler klar: "Oh, ich bitte Sie vielmals um Entschuldigung, ich hatte Sie nicht gleich als Zwerg erkannt. Ohne
Bart und Kettenhemd ist das für Menschen etwas schwierig."
"Soll das bitte heißen, ich bin kein richtiger Zwerg, weil ich keinen Bart habe und gerne mal leichte Kleidung trage?!"
"Nein, ganz und gar nicht! Meiner Meinung nach steht es jedem Zwerg frei, sein Äußeres so zu gestalten, dass er sich wohlfühlt."
"Jetzt unterstellen sie mir auch noch, ich würde absichtlich keinen Bart haben! Das ist ein Geburtsfehler! Ich habe mir das nicht ausgesucht!!"
"Natürlich nicht, kein ordentlicher Zwerg würde freiwillig auf seinen Bart verzichten!", versuchte sich Jack irgendwie aus der Affäre zu ziehen.
"Aha! Sie halten mich tatsächlich nicht für einen richtigen Zwerg, weil mir mein Bart fehlt!" Der Luftballonträger zückte plötzlich eine handliche Handaxt und Jack begann sich zu fragen, wo er die aufbewahrt hatte.
Durch seine püschologische Ausbildung in gewisser Weise auf solches Verhalten gedrillt, versuchte Jack immer noch mit Worten die ganze Sache zu bereinigen: "Nun, es war auch der Luftballon! Sie müssen doch zugeben, dass das sehr nach Kind aussieht!"
Der Zwerg lief langsam puterrot an: "Erst machen sie sich über mich lustig, dann noch über meinen Beruf?! Ich bin Gefahrguttransporteur und hier drin befindet sich zufällig eine Lieferung an gefährlichen explosiven Gas! Korrekt abgefüllt nach Bestimmung der städtischen Knallgasverordung Paragraph sieben Absatz drei!"
"Explosives Gas?! In einem Luftballon?"
"Natürlich! Warum denken sie, dass er das offiziell normierte Rot der offiziellen Vorgaben der Kennzeichnung gefährlicher Transporte hat?!"
Jack schüttelte den Kopf: "Also bitte, das klingt doch irgendwie ein bisschen unglaubwürdig."
"Jetzt bin ich auch noch unglaubwürdig?! Jetzt platzt mir aber endgültig der Kragen!"
Er holte mit der Axt aus und donnerte sie mit der breiten Seite gegen Jacks Knie, eher der Zeit zum reagieren hatte. Der Wächter verlor das Gleichgewicht und ein scharfes Stechen informierte ihm, dass er offensichtlich verletzt war.
Der Zwerg sah verächtlich auf ihn herab und meinte dann: "Ich hoffe, das war Ihnen eine Lektion!"
Dann kletterte er auf den Karren, der eben neben ihm gehalten hatte, und auf den er auch gewartet hatte und fuhr davon, wie ein König auf dem Kutschbock thronend, sein Luftballon noch lange weithin sichtbar.
... ich war in der breiten Straße und da stand ein Kind. Der Chäff hatte ja ein Memo bezüglich des Verhaltens in einer solchen Situation herausgebracht, also bin ich zu ihm hin und habe gefragt: 'Hallo, mein Kleiner, kann dir der Onkel Jack über die Straße helfen?'"
"Und dann?", fragte Septimus, als der Püschologe keine Anstalten machte, weiter zu erzählen.
"Ich hatte eigentlich gedacht, dass ihr es euch selber denken könnt. Das Kind war kein Kind, sondern ein Zwerg. Wie der reagiert hat, muss ich ja sicher nicht erklären."
Die übrigen Wächter schauten Jack an und schließlich schüttelte Mimosa den Kopf: "Also, irgendwie habe ich das Gefühl, das hast du dir nur ausgedacht."
Und die Kollegen nickten zustimmend.
"Has hreihd ihr henn hier?", fragte eine wohlbekannte, aber irgendwie schwer verständliche Stimme und die Wächter wandten sich ihrem Abteilungsleiter zu, der den Kopf schüttelte: "Eihendlich hill ich har nichd hissen, has ihr anherichded hahd..."
"Ist... was mit Ihrer Zunge passiert, Sör?", fragte Fynn.
Romulus schnaubte und erwiderte: "Nun...
Das Leben war einfach schön! Sein Auszubildender war auf einer Solomission, bei der nichts schief gehen konnte, weil der zu verhörende Zeuge nie jemanden etwas täte, und bei der der Gefreite eine wertvolle Lektion in punkto Ankh-Morporkschen Charme lernen würde; und er selbst würde sich hier in seinem Büro ein wohlverdientes Päuschen vom harten Büroalltag gönnen. Mit sich und der Welt zufrieden, öffnete Romulus seine Schreibtischschublade und entnahm ihr eine Dose Superbulle. Es war keine gewöhnliche Dose, sie hatte einen Samtschoner und war auf Hochglanz poliert worden. Das war die Super-Sonder-Edition, die zum Jubiläum an die treuesten Abnehmer verschenkt worden war. Und er hatte gleich ein ganzes Sechserpack bekommen! Dies war die Erste, und weil heute bisher noch gar nichts schief gegangen war, hatte der Werwolf beschlossen, dass dies der Tag war, an dem er seinen Gaumen mit dieser Köstlichkeit verwöhnen würde.
Er zog sich einen Handschuh an, um auf der Dose keine unschönen Fingerabdrücke zu hinterlassen und knickte dann den Dosenring um und genoss den herrlichen Duft, der sich nun breit machte. Dann setzte er sie an seine Lippen an und nahm einen kräftigen Schluck. Jäh weiteten sich seine Augen, automatisch pfefferte er die Dosevon sich.
"Silher!", stieß er entsetzt aus: "Helcher Ihiod machd Suherhullehosen aus Silher?!"
Er rieb seine Zunge, die auf das Doppelte angeschwollen zu sein schien und machte sich dann auf den Weg in den Keller.
... harüher will ich nichd rehen!"
Betretendes Schweigen machte sich breit, doch zum Glück öffnete sich Rogis Tür und man konnte sogar noch ein paar Abschiedsworte hören: "... benutf die Falbe täglich, dann follte der Aufflag von deiner Fiene keine Daueraufwirkungen haben. Und... vielleicht überlegft du ef dir noch einmal mit der Operation, du kannft dich nicht ewig in deinem Büro verftecken. Denk daran, du bift ein Vorbild für deine Kollegen!"
"Ich... bin noch nicht bereit dafür, Rogi. Aber ich danke dir vielmals für deine Hilfe."
Damit trat Ophelia in den Gang. Sie sah ihre Kollegen, und die schauten sie an. Dann stemmte sich die stellvertretende Abteilungsleiterin einen Arm in die Seite und stellte fest: "Das ist doch wohl nur ein schlechter Scherz!"
"Nein", entgegneten die anderen RUMler unisono. Ophelia seufzte und verließ dann ohne weiteres Wort den Keller.
Rogi wunderte sich nicht minder über diesen ungewöhnlichen Anblick, schüttelte schließlich den Kopf und stellte fest: "Alfo, wenn ihr die ganfe Abteilung verarftet haben wollt, dann wäre ef nett, wenn mir vorher Befeid gebt. Dann hätte ich heute vormittag auch Thafk mit seinen Arm noch warten laffen und allef in einem Aufwaf erledigt. Aber, waf foll's... Wer ift der Erfte?"
Und Murphy sah herab auf sein Werk und stellte fest, dass wie erwartet alles schief gegangen war. Und seine Jünger ärgerten sich frohlockten!
[1] Diese war von innen, genauso wie die Zellengitter, mit einem dicken Stück Stoff bespannt worden, so dass weder Licht noch Geräusche von einer Seite auf die andere dringen konnten. Was Diskretion anging, so war Rogi wie jeder andere Igor sehr auf diese bedacht.
[2] Die Wartestühle waren eigentlich keine Stühle für Wartende; sondern sie warteten selbst darauf, endlich in die Kantine getragen zu werden, nachdem sie von Frau Piepenstengel von einer jahrzehntealten Fettschicht befreit worden waren. Natürlich war in ihrem Kämmerlein nicht genug Platz für die Stühle, also waren sie fein säuberlich nebeneinander temporär im Keller aufgestellt worden.
[3] Models hatten natürlich nach der offiziellen Gildenverordnung einen Waffenschein dafür zu erwerben.
[5][4] Das war der zweite Gegenstand, den findige Gummiproduzenten erfunden hatten, Das war ein geschickter Schachzug gewesen, da ihr erstes Produkt manchmal ebenso zerplatzte, was etwa dann ein paar Jahre und neun Monate später für entsprechend erhöhte Nachfrage sorgte.
[5] Das war auch der Grund, weshalb die bei jedem Auftrag welche trugen: Damit sich der finanzielle und zeitliche Aufwand auch lohnte.
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