...und ein weichgekochtes Ei!

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von Leutnant Kanndra (FROG)
Online seit 01. 02. 2011
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 Außerdem kommt vor: Braggasch Goldwart

Der Zweck heiligt die Mittel. Oder nicht?

Dafür vergebene Note: 12

Die Atmosphäre im Raum war gespannt, aufgeregt tuschelten die Stimmen der Versammelten und erzeugten eine Art sanftes Rauschen. Die schweren Vorhänge waren zugezogen und die entzündeten Öllampen warfen ein gedämpftes Licht auf die in der Mitte der Bibliothek aufgestellten Stühle, auf das Podest an der Frontseite und die sich im Lichtkegel befindlichen Menschen. Die Regale an den Wänden lagen hingegen im Schatten und nur hier und da blitzten golden Teile von Titeln auf den Buchrücken auf. Ein energisch geschwungenes Glöckchen unterbrach den Redefluss der verteilten Grüppchen und die Stimme der Vorsitzenden mahnte, sich auf die Plätze zu begeben.
"Meine Damen, mein Herr, bitte nehmt Platz. Wir wollen endlich beginnen."
Eine Art raschelndes Gewusel war das Ergebnis, das an einen aufgeschreckten Hühnerhof denken ließ, allerdings an einen, auf dem die Hühner hochgeschlossene Kleider und aufwendig verzierte Hüte trugen. Untermalt wurde das Ganze von dem Scharren von Stuhlbeinen auf Parkett und dem kaum unterbrochenen Geschnatter der Anwesenden. Einige Minuten später hatte dann jede einen bequemen Sitz gefunden und die Gesichter begannen sich erwartungsvoll dem Tisch vor ihnen zuzuwenden.
Mandalene Wollweiss räusperte sich dezent. "Ich freue mich, dass ihr heute so zahlreich erscheinen konntet. Als erstes möchte ich Natalie danken, dass sie uns wieder mal ihre Bibliothek als Versammlungsort zur Verfügung gestellt hat." Ein kurzes, routiniertes Dankesgemurmel erhob sich und die Angesprochene nickte huldvoll.
"Dann die Frage: Fehlt jemand?"
"Klothilde lässt sich leider entschuldigen. Sie klagte über Unwohlsein", ließ sich eine gezierte Stimme aus dem Publikum vernehmen.
"Gut, bitte notiere das fürs Protokoll, Helbert. Wir können, wie einige von euch sicher schon bemerkt haben, außerdem ein neues Mitglied begrüßen. Eva, bitte stelle dich kurz vor."
Ein junges, ausnehmend hübsches Mädchen von vielleicht zwanzig Jahren erhob sich und winkte den Damen zu. Sie schien sich in dem langen Kleid, das sie trug, sichtlich unwohl zu fühlen. Mit unsicherer Stimme sagte sie: "Hallo, äh guten Abend. Ich bin Eva Zutmann und ich habe bis gestern als Plakatmodel für die Werbeagentur gearbeitet, die..."
"Schon gut, Liebes, das reicht", wurde sie von Mandalene unterbrochen. "Damit wären wir auch schon bei dem eigentlichen Zweck unseres Treffens." Wirkte die Vorsitzende bis zu diesem Zeitpunkt noch rein geschäftsmäßig, so war ihr nun die Aufregung anzusehen. Mit glänzenden Augen trompetete sie: "Meine Lieben, es war ein voller Erfolg!"
Sofort erhob sich ein Stimmengewirr, als alle gleichzeitig ihre Befriedigung darüber und ihre Fragen dazu loswerden wollten. Erst ein erneuter Einsatz des Glöckchens konnte die Ruhe so weit wieder herstellen, dass Mandalene fortfahren konnte.
"Gerlinde wird uns nun davon in allen Einzelheiten berichten. Dann klären sich sicher auch eure Fragen. Bitte, Gerlinde."
Die Genannte, eine dicke, ältere Dame, stand nun auf und stolzierte zum Podium, wo sie eine gewichtige Mine aufsetzte. Sie fixierte ihr Publikum, während sie sprach.
"Wir sind wie besprochen morgens um sieben rein in die Werbeagentur Sags & Laut. Bis auf Eva, die ihr ja schon kennen gelernt habt und dem Plakatmaler..."
"Ein unangenehmer Mensch", mischte sich ihre Sitznachbarin in der ersten Reihe ein. "Durch und durch verkommen, der Mann."
"Da stimme ich dir zu, Luise. Jedenfalls waren die beiden allein. Sonst war noch niemand da. Wir erklärten ihnen, dass die Agentur nun offiziell von der Vereinigung gegen den Sittenverfall junger Mädchen besetzt sei, daraufhin fluchte dieser Maler etwas, was ich hier nicht wiederholen möchte und stürmte aus dem Raum."
"Unangenehmer Mensch. Völlig verroht."
"Wir waren alle ziemlich schockiert, das muss ich euch nicht sagen. Nur Eva hier hat nicht einmal gezuckt, was uns zeigte, dass das arme Mädchen so etwas gewohnt sein musste."
Ein mitleidiges Stöhnen ging durch die Reihen.
Gerlinde musste sich einen Moment sammeln, ehe sie mit belegter Stimme weitererzählte.
"Natürlich haben wir uns ihrer sofort angenommen. Renate hat ihr von unserer Vereinigung erzählt und welche Ziele wir uns auf die Fahnen geschrieben haben. Wie wir es nicht anders erwartet haben, hat sich herausgestellt, dass Eva eine verständige junge Dame ist. Sie hat sich gleich davon überzeugen lassen, dass die... nun, Kleidung kann man es kaum nennen, mit der sie dem Maler für das nächste Plakat posiert hat, gegen jede Anstand und Moral verstößt und auch andere junge Mädchen animieren würde, genauso schamlos durch die Gegend zu laufen."
Die Damen applaudierten und ließen zustimmende Bemerkungen fallen.
"Nun, wir schlossen die Tür mit dem Nachschlüssel ab und ließen das Banner mit dem Schriftzug 'Kampf der unanständigen Werbung' aus dem Fenster hängen, das Tatjana so liebevoll gestaltet hat."
"Die Blümchen stammten von mir!"
"Entschuldigung, ... das Tatjana und Anneliese so liebevoll gestaltet haben. Dann haben wir uns eingerichtet und gewartet. Dein Kuchen war übrigens sehr lecker, Natalie. Kann ich das Rezept haben?" Sie unterbrach sich kurz, wobei ihr Blick schon zu dem Buffet wanderte, das im hinteren Teil des Raumes wartete.

Etwa zwölf Stunden zuvor

"Meine Werbeagentur ist überfallen worden."
Kanndra musterte den attraktiven Mann in den dreißigern, der vor ihr stand und dessen Blick sich in den ihren bohrte. Er zeigte keinerlei Anzeichen von Nervosität, schien aber leicht verärgert zu sein.
"Was genau ist passiert?"
Er verschränkte die Arme vor dem Körper, als wollte er sich davon abhalten, die Wächterin durchzuschütteln, damit sie endlich etwas unternahm. "Einer meiner Mitarbeiter kam zu mir und berichtete, Leute wären in die Agentur gestürmt, hätten ihn beschimpft und dann rausgeschmissen. Mein Model, die übrigens auch meine Verlobte ist, hätten sie da behalten."
"Wo ist dieser Mitarbeiter jetzt? Haben Sie ihn mitgebracht?"
"Nein, ich habe ihn nach Hause geschickt. Er...", Herr Sags zögerte kurz. "Er ist nicht immer ganz nüchtern bei der Arbeit."
"Dann hat er sich das vielleicht nur ausgedacht?"
"Ganz bestimmt nicht. Helfen Sie mir nun? Ich habe Angst um Eva."
Die Abteilungsleiterin nickte. "Ich kann Ihnen leider nur ein kleines Team mitgeben. Aber keine Sorge, wir tun unser Bestes, um ihre Verlobte zu befreien."


"Wo war ich? Ach ja, nach einer Weile kamen Angestellte, die sich ratlos vor dem Fenster herum drückten und schließlich erschien dann der Inhaber, dieser Werner Sags."
"Ein unangenehmer Mensch."
"Was uns ein wenig überrascht hat, war, dass er gleich Wächter im Schlepptau hatte. Und dann auch noch diese Radaubrüder, ihr wisst schon, die in grün."
Abfällige Bemerkungen über die Wache allgemein und über die FROGs im Besonderen wurden ausgetauscht, bis Gerlind sich räusperte und alle sich ihr wieder zuwendeten, begierig zu hören, wie es weiter gegangen war.

"Sind das Blümchen?" Nyvania kniff die Augen zusammen, um besser erkennen zu können, was den Schriftzug auf dem alten Bettlaken, das aus dem Fenster der Agentur hing, zierte. Ja, eindeutig Blumenranken. Sofort meldete sich ihre püschologische Neugier. Welche Art Geiselnehmer malte Blümchen auf seine Forderung?
"Ok. Wir gehen so vor: Du versuchst zu verhandeln, Nyv, und sie ein wenig hinzuhalten, während Braggasch rein geht und sich ein Bild der Lage macht. Wir brauchen vor allem erst einmal Informationen", befahl Valdimier.


"Nun, jedenfalls versuchte eine der Wächterinnen uns zum Aufgeben zu bewegen. Mit irgendwelchen Drohungen, die sie uns mit einer Flüstertüte entgegenbrüllte, anstatt wie ein gesitteter Mensch an die Tür zu klopfen und Einlass zu begehren, damit man Auge in Auge darüber reden kann. Und dabei hat sie auch noch die ganze Zeit auf irgendetwas herumgekaut, das habe ich genau gesehen. Keinerlei Manieren hatte die junge Frau! Aber das ist ja auch kein Wunder bei dem Umfeld!"
Diesmal hielten sich die Mitleidsbekundungen und die scharfen Bemerkungen die Waage.
"Natürlich haben wir uns geweigert, auf diese ungesittete Art zu kommunizieren. Wir haben auch kaum hingehört, was sie eigentlich dort schrie. Bis Elsbetta auffiel, dass die Wächterin immer von einer Geisel redete."
Schockiertes Schweigen folgte.

Werner Sags starrte hinauf auf das Fenster im ersten Stock, hinter dem seine Agentur lag. Scheinbar hatten sie es mit einer Art fanatischen Werbegegnern zu tun. Er hoffte, dass sie nicht allzuviel Schaden hinterlassen würden, aber vor allem sorgte er sich um Eva.
"Sie ist ein wenig naiv. Egal, was man ihr erzählt, sie glaubt es sofort. Ich muss sie immer ein wenig davor beschützen." Er wollte es nicht, doch eine Träne rollte ihm aus dem Augenwinkel. Wütend wischte er sie weg, als er die Hand der Wache-Püschologin auf seinem Arm fühlte. Aufmunternd nickte sie ihm zu. "Unser Späher ist längst in der Agentur angekommen. Sie werden sehen, bald wissen wir mehr."


"Zuerst konnten wir uns überhaupt keinen Reim darauf machen, doch dann dämmerte es mir, dass die Rede von Eva war. Anscheinend nahmen die Angestellten und die Wache an, sie würde gegen ihren Willen von uns festgehalten, was natürlich keineswegs der Fall war, nicht wahr, mein Mädchen?"
Eva wurde rot und schüttelte den Kopf. "Ich wusste schon immer, dass das was ich tat, nicht gut war. Aber ich brauchte das Geld. Aber ich hatte nie gedacht, dass es auch anderen schadet. Außerdem war der Kuchen wirklich lecker."
Gerlind nickte, doch Mandalene war schneller. "Sehr schön gesagt, Eva. Versuche jedoch, dich das nächste Mal etwas gewählter auszudrücken und nicht zwei Sätze hintereinander mit 'aber' zu beginnen." Sie verdiente ihren Lebensunterhalt als Gouvernante und konnte das nicht immer verhehlen.
Die Damen hatten solcherlei Belehrungen schon öfter über sich ergehen lassen und begannen unruhig zu werden, was sich in Stoffgeraschel, Stuhlgerücke und Tuscheln äußerte.
"Wie ging es weiter?"
Seltsamerweise schien Gerlind etwas verlegen zu werden. "Wir nun... Amalie hat uns ja zum Glück auf den Umgang mit Wächtern vorbereitet und so wussten wir, dass sie manchmal auch einfach ihren Willen bekommen müssen... also, wir beschlossen, sie in dem Glauben zu lassen."
"Ihr habt was?", fragte Mandalene entsetzt und wieder mal redeten alle durcheinander.
"Aber das hat uns schließlich zum Erfolg geführt!" Die Berichterstattende musste jetzt fast schreien.
"Lasst sie zu Ende erzählen!", forderte endlich jemand laut genug, dass sich alle beruhigten.
"Wie ich schon sagte, das hat uns zum Erfolg geführt. Nachdem wir uns beraten hatten, ließen wir den Picknickkorb an unseren zusammen geknoteten Halstüchern aus dem Fenster. Darin hatten wir die Liste mit unseren Forderungen deponiert. Wir haben die zweihundert Dollar Sofortspende für unsere Vereinigung und die Unterzeichnung des Vertrages gegen sittenwidrige Werbung seitens des Inhabers verlangt, wie wir abgesprochen hatten. Darüber hinaus bestand allerdings Renate auf einem weichgekochten Ei, warum auch immer..."
"Das hatte ich euch doch lang und breit erklärt", meldete Renate sich. "Ich mache gerade die Eierdiät, zu jeder Mahlzeit ein Ei. Und ich hatte nun mal Angst, dass es bis zum Mittagessen dauern würde."
"Jaja, schon gut. Weiter." Jetzt wurde auch die Vorsitzende ungeduldig.
"Nun, wir müssen wohl etwas unaufmerksam gewesen sein bei der ganzen Aktion, trotzdem kann ich mir nicht erklären, wie er es geschafft hat... Auf jeden Fall hörten wir auf einmal einen Schmerzensschrei aus der großen Standuhr, die in einer Ecke stand. Als wir sie öffneten war darin ein Zwerg in Wächteruniform, dessen spärlicher Bart sich in einem der Gewichte verfangen hatte."
"Ich mag keine Zwerge. Unangenehme Wichte", meinte Luise beitragen zu müssen.
"Dieser hier war aber ganz nett", widersprach Eva.
"Wie auch immer, wir befreiten ihn natürlich umgehend aus seiner misslichen Lage und boten ihm ein Stück Kuchen an, wie es sich gehört. Zuerst hat er unter viel Gestotter abgelehnt und gemeint, er müsse umgehend zu seinen Kollegen zurück. Wir haben darauf bestanden, dass er zumindest probiert, wie man es als gute Gastgeberin tut und er lehnte erneut ab, könnt ihr euch das vorstellen!
Dann ging Nadja ans Fenster und rief den Wächtern unten so etwas zu wie: 'Eurem Kollegen geht es gut!' oder so...
"Es war: 'Eurem Kollegen ist nichts passiert, er ist unser Gast!'", soufflierte Nadja. "Das schien sie ziemlich in Aufregung zu versetzen."

"Verdammt", fluchte der Vampir. Er war froh, dass Herr Sags gerade zur Bank unterwegs war, um das geforderte Geld zu holen und nichts von der neuen Entwicklung mitbekam. Auch die Angestellten hatten sie fort geschickt, doch langsam wurde die Situation auch für ihn persönlich unangenehm. Es war zwar ein Wintertag, aber ein recht milder und trotz der doppelten Portion Sonnencreme wurde ihm langsam etwas mulmig an diesem sonnigen Fleck. Und jetzt hatten sie auch noch ihren Späher erwischt.
"Ich glaube nicht, dass wir uns große Sorgen machen müssen", meinte Nyvania, aber ihre Stimme verriet Unsicherheit.
Rib zuckte seine kleinen Schultern. "Wir müssen eben improvisieren."


"Schließlich ließ er sich doch noch ein Stück Kuchen aufdrängen. Allerdings hat er nur ein kleines bisschen gekostet, ehe er dieses Ding entdeckte und völlig aus dem Häuschen geriet."
"Du meinst die Druckmaschine", half Renate.
"Erzähle ich jetzt oder wer? Also er lief immer um diese Drückermaschine herum und entwickelte sich zu einer regelrechten Plaudertasche. Was er uns alles erzählt hat von irgendwelchen.. Dings und... naja, ist ja auch egal. Mittlerweile war es fast zehn Uhr und die Wächter riefen, sie würden die erste Forderung jetzt erfüllen, wenn wir Eva gehen ließen. Selbstverständlich haben wir uns darauf nicht eingelassen. Wir sind ja nicht auf den Kopf gefallen!"
Höfliches Gelächter im Publikum, während Gerlind jetzt ins Stocken geriet und hilfesuchende Blicke zu Luise, Nadja, Elsbetta und Renate schweifen ließ.
"Was habt ihr dann getan?", ermunterte Mandalene ihre Vereinskollegin fortzufahren.
Nadja sprang ein. "Ich rief zurück, bis nicht alle unsere Forderungen erfüllt wären, würde niemand die Werbeagentur verlassen. Jedenfalls nicht lebend", führte sie trotzig aus. Als sie die erschrockenen Minen der anderen Damen sah, stieß sie hervor: "Was denn? Es war keine Lüge, denn wir waren wirklich entschlossen, dort auszuharren, bis uns die Erschöpfung in die Arme des Todes sinken ließ!"
Diese dramatische Aussage rief anerkennendes Gemurmel hervor.
"Wenn sie es als Drohung aufgefasst haben, dann ist das nicht meine Schuld."
Sicherheitshalber übernahm Gerlind nun wieder das Ruder. "Scheinbar hatten die Wächter es so aufgefasst, denn nach kurzer Beratung hingen sie den Korb wieder an das improvisierte Seil und wir konnten ihn hinein ziehen. Alle unsere Forderungen waren erfüllt worden!"
Hier und da war unterdrückter Jubel zu hören, doch niemand wagte mehr, die Ausführungen zu unterbrechen.

Braggasch hatte schnell gemerkt, dass die Lage bei weitem nicht so schlimm war, wie sie angenommen hatten. Es schien sich weniger um eine professionelle Geiselnahme als um ein Kaffeekränzchen zu handeln. Dennoch hatten sie ihn überrumpelt und die Druckmaschine hatte ihn kurzzeitig von seinen Pflichten abgelenkt. Doch nun war der Augenblick zum Handeln gekommen. Die Damen waren mit dem Picknickkorb beschäftigt oder hatten sich in den Nebenraum - durch dessen Fenster er hereingeklettert war - zurückgezogen.
Betont unaufgeregt schlenderte er zur Tür und öffnete sie. Dazu brauchte er noch nicht einmal sein bekanntes Geschick einsetzen, denn der Nachschlüssel hing noch im Schloss.
Rib hatte sich im Picknickkorb in die Agentur ziehen lassen und sich dann hinter einem Blumentopf auf der Fensterbank versteckt. Auch er erfasste die Lage auf einen Blick. Dann sah er, wie Braggasch die Tür aufschloss. In dem Moment schrie jemand. Rib bedeutete Nyvania und Valdimier, schnell zu kommen.


Mittlerweile hatten die versammelten Menschen die Raumtemperatur ansteigen lassen und in den Geruch nach Staub, Leder, Holz und dem angerichteten Buffet mischte sich auch der nach Schweiß. Die Spannung war fast greifbar, alle Damen hatten ihre volle Aufmerksamkeit dem Podium zugewandt. Das heißt, alle bis auf Helga Toppler, die in der dunklen Jahreszeit häufig einnickte. Sie war auch heute Abend eingeschlummert und hatte die Hälfte des Vortrags selig verschlafen. Ihre Freundinnen neckten sie häufig damit, dass unter ihren Vorfahren sicher ein Tier gewesen war, das Winterschlaf halten musste.
"Alles wäre gut gegangen, hätte Luise nicht diese Plakate von dem Boxkampf entdeckt."
"Jetzt bin ich also schuld, ja? Du wolltest sie doch sofort verbrennen! Unangenehme Sache."
"Sie zeigten ein halbnacktes Mädchen, das irgendwelche Nummern hoch hielt! So etwas konnte doch nicht verbreitet werden!"
"Aber musstest du sie dort, wo sie lagen unbedingt anzünden?", mischte sich jetzt auch Nadja ein. "Man hätte sie schließlich auch mitnehmen können..."
"Hätte, müsste, sollte. Was passiert ist, ist passiert! Du hättest ja auch nicht anfangen müssen zu kreischen 'Feuer, Feuer!'"
"Es hat mich eben überrascht, das plötzlich etwas brannte. Hättest du uns vorgewarnt..."
Das Glöckchen kam mal wieder zum Einsatz. "Bitte, beruhigt euch." Die Vorsitzende warf den Streithennen einen strengen Blick zu. "Ihr habt doch von einem vollen Erfolg berichtet. Was ist also dann geschehen?"
Gerlind räusperte sich. "Nun, ein voller Erfolg... das war vielleicht etwas übertrieben. Um ehrlich zu sein, haben wir etwas den Kopf verloren, als Nadja anfing zu schreien. Renate konnte gerade noch davon abgehalten werden, aus dem Fenster zu springen und irgendwer hat die Tür geöffnet. Dann kamen die Wächter hereingestürmt und haben uns mit ihren Waffen bedroht!"
"Unverschämtheit", ließ sich eine im Wachhaus wohl bekannte und gefürchtete Stimme hören. "Darüber werde ich mich morgen gleich beim Kommandeur beschweren!"
"Ich muss sagen, sie haben uns aber dann doch sehr zuvorkommend behandelt, als das Missverständnis mit der Geiselnahme erst einmal ausgeräumt war. Eva hat die Herrschaften darüber aufgeklärt, dass sie freiwillig da geblieben ist. Trotzdem blieb der Vorwurf des Hausfriedensbruchs, der Erpressung und der ähm... Sachbeschädigung, meinten sie und wollten uns festnehmen. Auch hier hat sich Eva für uns eingesetzt und Herr Sags hat schließlich auf eine Anzeige verzichtet. Die Sofortspende hat er allerdings zurückgefordert und äh... die Plakate müssen wir ihm auch ersetzen."
"Aber", triumphierte Nadja, "den Vertrag wollte er nicht zurück und er hat ihn unterschrieben! Das bedeutet, keine unzüchtige Werbung mehr aus dieser Agentur!"
"Und das Ei habe ich auch gegessen", murmelte Renate.
Mandalene brauchte einen Moment, um sich von der Erzählung zu erholen, dann läutete sie das Glöckchen energisch und sagte mit lauter Stimme: "Gut, dann kommen wir jetzt zur Abstimmung darüber, ob wir solche Aktionen in Zukunft wiederholen wollen."

Kanndra heftete den letzten Bericht in die Akte und runzelte die Stirn. Scheinbar war dieser Einsatz nicht gerade optimal verlaufen. Sie hatten Glück gehabt, dass es sich nur um ein paar harmlose Frauen gehandelt hatte. Auch Herr Sags hatte sie nicht ernst genommen und angekündigt, den "lächerlichen Vertrag", den sie ihm abgepresst hatten, auf keinen Fall einzuhalten. Nun, das würde sich noch heraus stellen, denn seine Verlobte war ja nun Mitglied in dieser obskuren Vereinigung. Ob DOG die wohl im Auge hatte? Die Gennuanerin beschloss, dass sie Breda Krulock noch immer ein Memo schicken konnte, falls sie öfter Ärger machen sollten. Und ganz unrecht hatten sie ja nicht. In der Werbung tauchte immer häufiger nackte Haut auf. Und zwar bevorzugt die von jungen, hübschen Frauen. Unvermeidlich führte ihr Blick zu ihrer Körpermitte. Hatte sie zugenommen, oder bildete sie sich das nur ein? Heute abend gab es nur etwas Salat, entschloss sie sich. Und ein weichgekochtes Ei...
Zählt als Patch-Mission für den Abteilungsleiterin FROG-Patch.



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Feedback:

Von Breda Krulock

01.03.2011 14:53

Eine klasse Geschichte. Hab mich halb totgelacht :O)

Von Nyvania

01.03.2011 14:53

Da ich diese Art "Verwechslungsgeschichten" wahnsinnig gerne lese, hat mir die Single / Pokey hier richtig Spaß gemacht. Ich finde diese Art der Geschichtenerzählung persönlich recht schwierig, deswegen fand ich es umso schöner, dass du sie so gut umgesetzt hast. Hat mir sehr gut gefallen =)

Von Kannichgut Zwiebel

01.03.2011 14:53

Eine gelungene Geschichte, die zeigt, dass gut nicht immer lang sein muss.

Von Lilli Baum

01.03.2011 14:53

Herrliche Geschichte! Aus Sicht der Pokalwertung kam die Abteilung etwas kurz, aber dieses Kaffekränzchen war wirklich grandios! Ich musste an einer gewissen Stelle sogar herzhaft lachen.

Von Braggasch Goldwart

01.03.2011 14:53

Das meiste hatte ich ja schon gesagt: Eine sehr schöne idee, das ganze ebschreiben zu lassen - mit den einwürfen darin wirkt es jetzt noch besser. Ich habe immer noch das gefühl, dass wir FROGs ein wenig unfähig daher kommen, aber auch das ist durch die einwürfe besser geworden. Pokeyworte sind gut eingeflochten und ein großer teil der abteilung treffend dargestellt, wenn auch leider nicht alle.

Von Sebulon, Sohn des Samax

01.03.2011 14:53

Eine schöne kleine Episode. :)Mir fiel es zwar nicht leicht die Charaktäre auseinanderzuhalten (außer der Verlobten, die erstaunlich wenig mit ihrem Liebsten redet, und Renate mit dem Ei), aber das hat meinen Lesegenuss nicht gemildert. Und ich persönlich hätte gern noch mehr über das eine männliche Mitglied dieses sympathischen Kaffeekränzchens erfahren ...Gut geschrieben, gut zu lesen. :)

Von Kanndra

02.03.2011 10:19

Freut mich, dass die kleine Geschichte so gut ankam :)

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