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In einem Teil von Morpork müssen in letzter Zeit immer mehr Kneipen schließen. Steckt ein Konkurrent dahinter?
Dafür vergebene Note: 12
Es war früh am morgen und in der Taverne war es, bis auf einige ihren Rausch ausschlafende Trunkenbolde fast leer. Der Wirt wischte gerade mit gelangweiltem Gesichtsausdruck die Theke, wobei er sehr sorgfältig darauf bedacht war, den Schmutz gleichmäßig auf dem Tresen zu verteilen, als eine Frau in Wächteruniform eintrat.
Rea Dubiata nickte ihm grüßend zu, richtete ihre Aufmerksamkeit aber vor allem auf den Mann, der schlafend auf einem der Barhocker saß, den Kopf auf der Theke.
Rea seufzte. Genau wie sie vermutet hatte. Sie ging zielstrebig auf die Bar zu und wandte kurz das Wort an den leicht verdutzt dreinblickenden Wirt.
"Ich nehme an, dieser Mann war die ganze Nacht hier?"
Der Wirt blickte irritiert drein und schien so gar nicht begeistert zu sein, sich so kurz vor Dienstschluss noch mit der Wache auseinandersetzen zu müssen. "Ähm, ja, wie öfters mal."
"Was kannst du mir noch über diesen Gast sagen?"
"Ähm.. Kommt meistens allein, trinkt ein zwei Bier und beobachtet das Treiben hier. Wenns schon wieder morgens wird, trinkt er dann plötzlich wesentlich mehr und endet dann meist hier an der Theke. Nicht ungewöhnlich eigentlich, jetzt ist so ungefähr die Zeit, wo ich langsam zumache und die Gäste die es nicht mehr heimgeschafft haben vor die Tür eskortiere. Ähm, hat der Mann Probleme mit der Wache? Ich kenne ihn wirklich nur ganz flüchtig...", fügte er mit charakteristisch morporkianischer Loyalität hinzu.
"Oh ja, er hat ganz sicher ein Problem", seufte Rea. Sie wandte sich an den Schlafenden. "Damien!"
Mürrisches Gemurmel kam als Antwort, doch der von halblangem schwarzen Haar bedeckte Kopf verharrte auf der Tresenkante.
"Ich halte für solche Fälle immer einen Eimer Wasser parat", bot sich der Wirt hilfsbereit an.
Der Gast gab ein grummelndes Geräusch von sich.
"Ach, ich denke das wird nicht nötig sein", gab Rea mit herzlichem Lächeln zurück. Sie blickte auf Damien, der langsam zu sich zu kommen schien.
Er blickte auf die schmierige Theke auf der er eben noch geruht hattte, dann auf den Wirt und schließlich in das Gesicht der Wächterin.
"Verdammte Schei..."
"Allerdings Damien. Warum gehen du und ich nicht nach draußen, damit wir uns ein wenig unterhalten können?"
Damien murmelte eine unverständliche, wenig enthusiastische Antwort und rutschte vom Barhocker. Es gab sicher bessere Arten, einen Tag zu beginnen...
Sie gingen ein wenig, vornehmlich durch kleinere Seitenstraßen. Der Szenekenner Damien Bleicht war immer ein wenig paranoid, wenn es darum ging, zusammen mit einem uniformierten Mitglied der Stadtwache unterwegs zu sein. Für den Großteil von Morporks Straßenklientel war er einfach ein gewöhnlicher Tagedieb, der die Wache genauso verachtete wie die anderen Kleinkriminellen auch. Angesichts der Tatsache, dass Damien im Verlauf seiner doch nicht mehr so kurzen Dienstzeit mitgeholfen hatte, einen Großteil seiner vermeintlichen Freunde und Bekannten ins Gefängnis zu bringen, wäre es nicht besonders klug gewesen ausgrechnet jetzt mit diesem Image zu brechen. Rea Dubiata war sich dessen durchaus bewusst. Nicht umsonst hatte sie es in der Kneipe so aussehen lassen, als wäre Damien einfach ein armer Teufel, der Ärger mit dem Gesetz hatte.
Die Wahrheit war natürlich um einiges komplexer. Damien war ein armer Teufel,der sich mit der Wache UND der Unterwelt herumärgern musste. Er musste gleichzeitig Polizist und Straßenköter sein. Und Rea befürchtete, dass er langsam seinen Biss verlor.
Der Zustand, in dem er sich befunden hatte, war ein gutes Beispiel für ihren Verdacht. Nicht selten bestand Damiens Aufgabe als Szenekenner darin, sich die Nächte um die Ohren zu schlagen und in der etwas zwielichtigeren Szene Morporks präsent zu sein. Dies äußerte sich in nächtlichen Streifzügen quer durch die Stadt und gipfelte zumeist im sogenannten "Kneipendienst". Die meisten Szenekenner hatten für gewöhnlich ein paar Stammkneipen, wo sie allgemeinem Straßenklatsch lauschten und eventuell Kontakte aufbauten. In dieses Spiel hatte sich Damien inzwischen sehr gut eigearbeitet.
Genau hier lag jedoch auch das Problem. Fernab von spezifischen Einsätzen konnten sich Dienst und Privatleben in dieser Doppelwelt schnell vermischen. Es bestand die Gefahr, dass der Wächter sich irgendwann verlor und nicht mehr wusste in welche dieser beiden Welten er überhaupt hineingehörte. Bei den anderen, neueren Szenekennern schien es diesbezüglich noch keine Probleme zu geben, aber Damien machte diesen Job schon ziemlich lange. Sie befürchtete, dass die ständigen Grauzonen in denen agieren und reagieren musste langsam ihre Spuren hinterließen. Er war so gut wie gar nicht mehr im Wachhaus sondern größtenteils auf der Straße oder in irgendwelchen Spelunken anzutreffen. Während seines Kneipendienstes trank er nur um seine "Tarnung" zu wahren ein paar Bierchen. Wenn die Dienstzeit sich jedoch zu früher Stunde dem Ende zuneigte und er seine Schuldigkeit getan hattte, begann er scheinbar sich wesentlich hemmungsloser zu betrinken, denn meist war er er unter den Gestalten zu sehen, die irgendwann nach Lokalschluss vor die Tür geworfen wurden. Damien schlafend an der Bar war schon kein schöner Anblick gewesen, doch Rea hoffte, nie wieder Damien im Rinnstein erleben zu müssen. Sie befürchtete, dass sie Gefahr lief ihren dienstältesten Szenekenner bald zu verlieren. Lange hatte sie sich mit dem Gedanklen herumgeschlagen. Szenekenner waren wichtig für S.E.A.L.S. und die Wache, und zudem nicht gerade dicht besetzt. Sie konnte es sich nicht leisten dass Damien eventuell seinen Job verlor, deshalb hatte sie letztendlich beschlossen einzugreifen.
Sie waren zunächst ein Stück gegangen. Rea hatte geschwiegen, um dem benommenen Szenekenner Gelegenheit zu geben, ein wenig zu sich zu kommen. Nun aber wollte sie das Problem endlich ansprechen. Keine Kompromisse mehr.
"So kann das nicht weitergehen, Damien."
Damien zeigte einen gequälten Gesichtsausdruck. In diesem Moment wirkte sein ausgehöhltes bleiches Gesicht wie ein besonders groteskes Beispiel moderner Kunst, eingerahmt von den verstrubbelten langen Haaren und dem schon länger nicht mehr gestutzten Bart. Er schien genau zu wissen, was sie meinte.
"Ich weiß absolut nicht, was du meinst."
Reas Miene verfinsterte sich. Sie hatte nicht erwartet, dass das hier einfach werden würde. Trotzdem ärgerte sie sich jetzt schon über Damiens Sturheit.
"Du weißt genau was ich meine. Du lässt dich gehen in letzter zeit."
"Blödsinn, Mä'äm."
"Ach ja? Und was war das vorhin in der Spelunke da hinten?"
"Dienstschluss, Mä'äm."
"Dienstschluss? Trunkenheit am Arbeitsplatz würde ich das nennen!"
"Trunkenheit ja, Arbeitsplatz nein. Meine Schicht war zu Ende und somit wurde aus meinem Arbeitsplatz ein Ort, an dem ich lediglich meine Freizeit verbringe. Ich habe einen Haufen Notizen, die belegen, dass ich die Nacht äußerst produktiv gewesen bin, Mä'äm."
Rea ärgerte sich maßlos über die Art in der er die respektvolle Anrede Mä'äm benutzte. Sie kannte nur wenige Leute die so respektvoll respektlos sein konnten wie Damien.
"Schluss damit, Lance-Korporal! Ich mache mir ernsthaft Sorgen! Sowohl um dich als auch um die Zukunft des Szenekenner-Segments bei S.E.A.L.S.. Der dienstälteste und ranghöchste Szenekenner sollte ein Vorbild für seine Kollegen sein, kein wandelndes Beispiel dafür, wie einen dieser beruf zu Grunde richten kann!"
"Ich bei der Wache, nicht bei irgendeiner Werbeagentur."
Rea ließ sich nicht beirren. "nein, wir werden das nicht zulassen! Wir werden dir endlich wieder etwas zu tun geben."
Nun sah Damien trotz seines Katers ehrlich verdutzt aus. "Zu tun, Mä'äm? Ich habe jeden Tag zu tun. Streifendienst, Gegenden sondieren, Informationen sammeln, Kneipendienst..."
Rea winkte ab. "Routine ist gut und schön, aber in diesem Fall kontraproduktiv. Du wurdest einfach zu lange nicht mehr gezielt eingesetzt. Es wird Zeit, dich aus deinem Winterschlaf aufzuwecken. Du brauchst etwas, das dir dein Feuer zurück gibt. Es macht dir Freude, Leute auszutricksen und ins Gefängnis zu bringen. Es hat keinen Sinn das abzustreiten, wenn du deine gefühle erforschst, weißt du, dass es wahr ist." Rea befürchtete, dass sie langsam zu dick auftrug, deshalb fuhr sie rasch fort:"Ich gedenke, dir das zurück zu geben, Damien. Es gibt da einen Fall, der gut dafür geeignet scheint. Und wir werden das gemeinsam tun. S.E.A.L.S. ist immer noch ein Tiehm."
Damien seufste und seine Stimme war gezeichnet von Alkohol und Schlaflosigkeit. "Na gut. Wen bringen wir ins Gefängnis?"
Inzwischen waren sie im Wachhaus angekommen und hatten das Gespräch in Reas Büro verlagert. Die Abteilungsleiterin saß an ihrem Schreibtisch, während damien ihr gegenüber auf einem Stuhl herumlungerte.
Damiens neuen Auftrag hatte sie ihm schnell auseinandergesetzt:
In letzter zeit hatten in West Morpork immer mehr Kneipen zu gemacht. Gerüchte gingen um, dass das alles nicht ganz freiwillig passiert war. Von Erpressung, Bedrohung und Sachbeschädigung war die Rede. Ettark war einigen Hinweisen gefolgt, die darauf hindeuteten, dass der Kneipier Karlheinz Gröbel dahinter steckte. Gröbel gehörte zu den dienstältesten Keipenbesitzern im Viertel und allgemeiner Straßenklatsch ließ verlauten, dass er Konkurrenz nicht besonders gern sah. Weitere Gerüchte ließen sich zutage fördern wenn man richtig suchte, allerdings mochte das nicht viel heißen. Etwas Handfestes wie kriminelle Aktivitäten oder Verbindungen hatte man aber bisher nicht zutage fördern können. Rea wollte versuchen, Damien als Laufburschen in die Kneipe zu schleusen, um von innen heraus mehr zu erfahren.
Der Szenekenner schien wie Rea erwartet hatte nicht besonders enthusiastisch. "Sicher, dass du mich dafür brauchst? Das kann doch auch sicher einer der anderen..."
Rea ließ sich gar nicht erst darauf ein. "Ich will aber dass du es machst Damien. Dies hier ist nicht als Bitte sondern als Befehl zu verstehen. Mal ganz abgesehen davon, dass Nyria noch nicht mal ihre Ausbildung abgeschlossen hat und ein Szenekenner sich in der Regel leichter irgendwo einschleusen lässt als ein Informantenkontakter."
Damien seufzte. Er würde sich hiergegen wohl nicht wehren können.
Rea fragte sich, warum er sich so dagegen streubte. Hatte er etwa Angst davor, wieder richtig aktiv zu werden? Nun, wahrscheinlich nur ein weiteres Zeichen dafür, dass er dringend wieder in die Spur gebracht werden musste.
"Dies sollte nun wirklich keine schwere Aufgabe für dich sein, Damien. Alles was wir machen, ist Gröbel ein bisschen auf den zahn zu fühlen. Du wirst bei dieser Sache nicht einmal alleine agieren. Von Zeit zu Zeit werden ein paar von uns in der Kneipe vorbeikommen, als Gäste quasi und schauen, wie Gröbel auf das Auftauchen der Wache reagiert."
Auch das schien alles andere als beruhigend auf den Szenekenner zu wirken. Zu Reas Überraschung protestierte er aber nicht. Stattdessen gab er ein müde klingendes "Gut. Gibt es sonst noch etwas das ich wissen müsste?", von sich.
"Zunächst nicht. Du hast schließlich immer noch Dienstschluss und wahrscheinlich kaum gerschlafen. Wenn du das hier tust, brauche ich dich in Bestform. Geh dich ausruhen, Damien. Geh nach Hause oder in einen der Schlafräume hier, aber um der Götter willen, nimm dir die nötige Zeit, deine Energie aufzutanken. Alles weitere können wir bei deiner nächsten Schicht besprechen."
Die Taverne "Zum gefüllten Schmerbauch" war zwar nicht gerade ein Nobel-Etablissement, aber durchaus ein imposanter Betrieb. Damien war bisher nicht allzu oft hier gewesen, ein Begriff war ihm der "Schmerbauch" aber schon. An sich handelte es sich auch eher um ein Gasthaus als eine simple Gassenkneipe. Neben einem umfangreichen Sortiment an Bieren und diversen Weinen, gab es auch herzhafte Mahlzeiten und ein paar Zimmer für die Nacht. Der Begriff "rustikal" umschrieb es wohl am besten. Schlecht besucht schien es jedenfalls nicht zu sein. Neben lokalen Gästen kamen hier auch öfters Durchreisende, wie wandernde Helden, Abenteurer oder sonstige Verrückte her. Auch deswegen hatte Damien den Schmerbauch bisher eher gemieden. Ihm schien dies einfach nicht die richtige Anlaufstelle zum Informationen sammeln zu sein.
Es war heller Nachmittag und in der Taverne schien gerade nicht allzu viel los zu sein. Damien war ein wenig um das Gebäude herumgeschlurft, um sich zunächst ein Bild zu machen:
Das Gebäude verfügte über einen Innenhof, wo ein Karren mit Bierfässern stand und einige Laufburschen herumwuselten. Es schien neben dem Haupteingang noch einen Dienstboteneingang zu geben, zudem sah Damien einen Golem, der eines der Fässer von dem Karren gewuchtet hatte, eine Treppe seitlich am Gebäude herunterstampfen, die vermutlich in den Vorratsraum führte.
Normalerweise hätte Damien jetzt Notizen über die Struktur des Ortes in seinen Block gekritzelt, aber er wollte ja nicht gleich am ersten Tag als Spitzel erkannt werden. Zudem wusste er ja nicht einmal, ob Gröbel überhaupt einen Laufburschen gebrauchen konnte. Daher sollte er seine gewöhnliche Herumschleich-Taktik hier wohl gegen eine direktere Vorgehensweise eintauschen.
Er ging auf einen Jungen zu, der gerade mit einer Kiste in beiden Händen auf den Dienstboteneingang zuschlurfte.
"Verzeihung, Junge!"
Der Junge zuckte zusammen und hätte beinahe die Kiste fallen gelassen. Er schien noch keine zwanzig zu sein, hatte hellrotes strubbeliges Haar und war von Sommersprossen übersäht. Mit wackligen Knien stellte der Hänfling die schwere Kiste ab, bevor er sich dem Neuankömmling zuwandte.
"j-ja, Herr?"
"Für diese Anrede, besteht kein Anlass. Mein Name ist Bleicht und ich bin auf der Suche nach Arbeit. Wohin kann ich mich hier wenden. Ist Herr Gröbel zu sprechen?"
Der Junge verlor bei der Erwähnung des Namens das bisschen Farbe das er im Gesicht hatte. "H-Herr Gröbel, Herr? Oh nein, Herr! Der Herr wäre sehr aufgebracht, wenn man ihn deswegen behelligen würde. Dafür ist Herr Röhmer zuständig, s-sein Assistent."
"Der Wirt hat einen Assistenten?"
"N-Naja, ich weiß auch nicht, wie ich ihn nennen soll, seine rechte Hand oder so. Jedenfalls kümmert er sich um einen Großteil von Herrn Gröbels Angelegenheiten. Sorgt dafür, dass der Betrieb rund läuft und so."
"Aha. Nun, wo finde ich Herrn Röhmer?"
"I-Ich sollte ihn besser holen, Herr Bleicht. Die Herren schätzen es gar nicht, wenn Fremde einfach so den Angestellten-Bereich betreten. B-bitte, warte hier."
Er ließ die Kiste stehen, huschte davon und verschwand durch die Tür, die wohl den Dienstboteneingsng darstellte. Zurück kam er mit einem kräftigen Mann mittleren Alters.
Röhmer war groß und hatte eine muskulöse Statur. Auf einen Boxkampf mit ihm hätte Damien sich nicht eingelassen. Das kantige Kinn war glatt rasiert und die hart anmutenden Gesichtszüge wurden von dunklen, stoppeligen Haaren gekrönt.
Der Mann nickte Damien kurz zu, zeigte aber keinen besonder freundlichen Gesichtsausdruck. Zunächst wies er den Laufburschen barsch an, gefälligst wieder an die Arbeit zu gehen und schalt ihn dafür, dass er die Kiste einfach stehen gelassen hatte. Der Junge machte sich rasch daran, die Kiste wieder zu stemmen und wankte wackeligen Knies von dannen.
Röhmer wandte sich dem Neuankömmling zu. "So. Ich bin Bernard Röhmer. Anders dahinten meinte, du suchst nach Arbeit?"
Damien bemühte sich, einen möglichst neutralen Gesichtsausdruck zu wahren. Er hatte nicht gerne mit herrischen Persönlichkeiten wie Röhmer zu tun. "Ja, Herr. Mein Name ist Damien Bleicht und ich könnte zur Zeit eine Beschäftigung gebrauchen."
Röhmer musterte Damien reserviert. Er sah einen dünnen Mann, so Ende zwanzig. Die Haare waren schwarz und nicht ganz schulterlang. Das Gesicht war komplett farblos, aber es schien sich trotz des ersten Eindrucks um einen Menschen, nicht einen Untoten zu handeln. Die markanten Gesichtszüge wurden durch ein Ziegenbärtchen abgerundet. Der Bursche war zwar nicht gerade muskulös, mutete aber immerhin drahtig an.
"Soso", brummte Röhmer. "An welche Art Arbeit hast du denn gedacht?"
"Nun, ich bin nicht wählerisch. Ich brauche Geld, werde deswegen annehmen was angeboten wird. Ich bin durchaus in der Lage zuzupacken, falls das deine Sorge ist, Herr. Zudem bin recht schnell unterwegs und würde mich anbieten, wenn irgendwelche Botengänge zu erledigen sind."
Röhmer schien eine Weile zu überlegen. Er musterte Damien noch einmal gründlich. "Damien Bleicht, hmm? Ich glaube ich kenne den Namen. Bist manchmal mit Laufgut unterwegs, hmm? Schiebst den alten Zombie öfters mal durch die Gegend, hmm?"
Der Beinlose Zombie Lester Laufgut lebte in der gleichen Straße wie Damien und war in diversen Teilen der Stadt kein Unbekannter. Schon vor seinem Beitritt zur Wache hatte Damien ihn oft in seinem Rollstuhl spazieren geschoben. Auch heute noch nahm er ihn manchmal auf seinen Streifzügen mit, da die Gesellschaft eines alten Gauners wie Lester auf der Straße durchaus von vorteil sein konnte.
"Ja, Herr."
"Der Kerl ist ein verdammter Irrer!"
"Ja, Herr. Immer noch der selbe gemeingefähriche Torso." Damien schob die Mundwinkel kurz nach oben. Die Verbindung zu einem Röhmer bekannten Individuum konnte eventuell von Vorteil sein, selbst wenn Röhmer den alten Lester nicht leiden konnte.
Röhmer lachte grimmig. "Har, ja. Und du? Hast ja meistens keinen festen Job, nicht wahr? Treibst dich ja meistens eher in irgendwelchen Kneipen herum."
"Nun, irgendwer muss ja euer Gewerbe am leben halten, Herr Röhmer."
Röhmer lachter erneut. "Das ist wohl wahr. Brauchst also mal wieder Kohle,wie?"
"Wohl wahr, Herr."
"Nun, Laufburschen können wir immer brauchen, aber ein Fürstenlohn ist das nicht. Zudem kann es durchaus sein, dass du den Job nicht lange behältst, der Boss wechselt häufiger mal das personal."
"Damit kann ich leben, Herr."
"Dann komm mal rein, Damien, dann reden wir über alles weitere. Und du kannst Bernie sagen, so förmlich sind wir hier nicht. Gröbel ist hier der Herr, nicht ich."
Die nächsten Tage verliefen recht unspektakulär. Die Arbeit bestand größtenteils aus Kisten schleppen, Fässer durch die Gegend rollen und diverse Botengänge erledigen. Damien erledigte die Arbeiten ohne Murren, um so unauffällig wie möglich Teil des Kneipenalltags zu werden. Er wusste ja nicht, wie lange man hier eine Verwendung für ihn haben würde und Vertrauen ließ sich in einem solch hierarchisch geprägten Betrieb am besten durch Fügsamkeit aufbauen.
Der Junge den er bei seinem ersten Besuch getroffen hatte hieß Anders. Anders war ein schüchterner junge und reagierte gegenüber Röhmer, der nach Gröbel die Nummer Zwei im Betrieb zu sein schien, nahezu unterwürfig. Vor Gröbel schien er sogar regelrecht Angst zu haben, auch wenn dieser sich seit Damiens Anstellung noch nicht einmal hatte blicken lassen. Damien machte eine gedankliche Notiz, dass man eventuell Wege finden konnte dies auszunutzen:
Anders hatte wohl nicht gerade dass leichteste Leben im Betrieb. Er tat wohl sein bestes, aber Röhmer ging ihn immer ziemlich hart an. Wenn seine Ablehnung gegenüber Röhmer und Gröbel groß genug war, konnte man ihn vielleicht als Informationsquelle nutzen. Nun, das blieb abzuwarten.
Röhmer wiederum war eine andere Sache. Wenn Gröbel wirklich mit den Kneipenschließungen im Viertel in Zusammenhang stand, war die Wahrscheinlichkeit groß, dass Röhmer daran beteiligt war. Röhmer organisierte einen Großteil der Taverne, wies die Laufburschen an, regelte Angelegenheiten in der Küche und beobachtete das Treiben im Schankraum. Nichts was hier passierte, schien an ihm vorbeizulaufen. Das bot Möglichkeiten, konnte aber auch ein Hindernis darstellen.
Damien beschloss zunächst, das Spiel mitzuspielen. Er spielte brav die Rolle des Zeitarbeiters, der sich nicht zu schade war, Drecksarbeiten zu übernehmen. Und Röhmer schien tatsächlich nicht unzufrieden. Nach einer Woche nickte er ihm grüßend zu, wenn er zur Arbeit erschien und nahm ihn längst nicht so hart ran, wie Anders. Bald ging es nicht mehr nur darum, schwere Sachen durch die Gegend zu schleppen, sondern wurde Damien auch durchaus mal losgeschickt um kleinere Besorgungen zu machen. Insgesamt sah Damien dies als gutes Zeichen dafür, dass er inzwischen zu einem Teil dieses Betriebs geworden war, wenn auch keinem besonders wichtigen. Für seine Zwecke konnte das für den Moment nur dienlich sein.
Mehrere Male hatte er in seiner "Freizeit" bei Rea einen Statusbericht abgeliefert. Er schilderte ihr die Hierarchie, die er im "Schmerbauch" ausgemacht hatte und beschrieb ihr die Leute die er dort kennengelernt hatte. Er erzählte von seiner Arbeit dort und von dem bisschen, das er vom Barbetrieb mitbekam. Schlecht schien die Taverne jedenfalls nicht zu laufen. Abends war es immer recht gut besucht und Röhmer sah immer recht zufrieden aus. Auch Rea war zufrieden. Dass Gröbel eine Nummer Zwei hatte machte es nicht unwahrscheinlich, dass diese Person das ausführende Organ bei den möglicherweise erzwungenen Schließungen war. Auch Gröbels Zrückgezogenheit sah verdächtig aus. Ein Gastwirt sollte doch eigentlich seinen Betrieb ausreichend repräsentieren, oder?
"Damien, ich denke es ist Zeit, in die nächste Stufe überzugehen", sagte sie.
Damien nickte nachdenklich. Er wusste was das bedeutete. "Ich weiß nicht, wie einfach es wird, tiefer im Betrieb herumzuschnüffeln als durch simples Arbeit ausführen möglich ist. Röhmer ist ganz schön wachsam und Gröbel scheint nicht der öffentlichste Mensch zu sein."
"Dann finde etwas, wo du ansetzen kannst. Auch Kleinigkeiten können uns weiterhelfen. Was ist denn mit diesem Jungen, Anders?"
"Ganz schön armer Tropf. Röhmer schikaniert ihn ständig und auch die anderen Burschen schubsen ihn herum."
"Vielleicht is da unser Ansatzpunkt."
Damien strich sich nachdenklich über den Bart.
Am nächsten Tag nahm Damien Anders beiseite. Der Junge hatte ein gewisses Vetrauen zu ihm aufgebaut, da er einer der wenigen war, die ihn nicht herumkommandierten. Dennoch redete Anders nicht gerne am Arbeitsplatz. Er schien ohnehin keine Plaudertasche zu sein, aber hier schien es spezifische Gründe zu haben. Ständig blickte er sich über die eigene Schulter, ob nicht Röhmer irgendwo sein Unwesen trieb. Damien wartete die richtige Gelegenheit ab und sprach ihn, an als sie gerade im Weinkeller Flaschen in ein Regal sortierten.
"Warum lässt du dir das eigentlich gefallen, Anders?"
"W-wie bitte?" Der Junge ging sofort in seine geduckte Abwehrhaltung über.
"Naja, so wie Röhmer dich behandelt. Ich meine er ist der Schäff und so, aber ich bin keine zwei Wochen hier und habe es längst nicht so schwer mit ihm. Ist da irgendwas vorgefallen?"
Anders blickte zu Boden. "N-Naja, er ist halt der Herr. Und als Laufbursche tauge ich nicht viel."
"Ist das so? Oder sagt das Röhmer?"
"N-Naja, Röhmer und auch die A-anderen."
"Ah."
Sie schwiegen eine Weile. "Warum bekommt man eigentlich Gröbel nie zu Gesicht?"
Anders hätte beinahe die Flasche fallen lassen. "W-w-was??"
"Nja, Gröbel. Diese Taverne läuft doch recht gut, wieso lässt sich der Gastwirt denn nie bei den Gästen blicken? Ich meine nicht jeder Wirt bedient seine Gäste selbst, wenn er es sich leisten kann, andere dafür anzustellen, aber der Mann hat noch nicht einmal sein Büro im Obergeschoss verlassen, seit ich hier beschäftigt bin."
Anders' Stottern wurde stärker, als es ohnehin schon war. "N-n-naja, er i-i-ist der Sch-Sch-Sch-Schäff, e-er h-hat viel zu tun, und so. E-Es g-gibt n-nunmal m-mehr zu t-tun, als früher, j-jetzt wo e-es so gut l-läuft, und so." Die Stimme des Jungen überschlug sich fast. Damien hatte einen Nerv getroffen.
"Ah. Es läuft also besser, als früher?"
"J-Ja. N-noch vor einem halben Jahr, hat Gröbel ü-übers Schließen nachgedacht, d-die konkurrenz w-wurde einfach z-zu g-groß..." Der Junge verstummte. Er schien zu bereuen, etwas über die geschäftliche Situation des Betriebs preisgegeben zu haben.
"W-wir sollten uns lieber auf die Arbeit konzentrieren, D-Damien", stammelte er. "Wer weiß ob R-Röhmer nicht plötzlich reinkommt."
"In Ordnung", sagte Damien. "Ich möchte nicht, dass du Schwierigkeiten bekommst."
Der Junge lächelte dankbar. Den Rest der Arbeit erledigten sie schweigend, doch gedanklich war Damien dabei, sich wie wild Notizen zu machen.
"Anders weiß irgendwas."
"Bist du sicher?"
"Ja. Als ich ihn nach Gröbel gefragt habe, war er fast panisch. Als er sich dann auch noch verplappert hat, dass Gröbel letztes Jahr beinahe hätte schließen müssen, wäre er beinahe in Tränen ausgebrochen. Sein Blick hat mich nahezu angefleht, das Thema zu wechseln."
Rea strich sich nachdenklich über das Kinn. Dann lächelte sie. "Ich sagte doch, dieser Fall würde dir gut tun, Damien. Ich glaube du hast unseren Schlüssel zu der ganzen Geschichte gefunden."
Damien nickte, sah aber skeptisch aus. "Mag sein, aber das wird schwierig anzugehen sein. Anders hat so viel Angst, dass er leicht ganz dichtmachen könnte. Oder er gerät zu sehr in Panik. Ich will auf keinen Fall dass Röhmer mitkriegt, dass ich mich mit Anders mehr unterhalte als nötig. Er hat einfach zuviel Einfluss auf ihn. Wer weiß, warum der Junge so viel Angst vor ihm hat und wie weit Röhmer eventuell mit den Kneipenschließungen in verbindung steht? Das ganze ist extrem behutsam anzugehen."
"Hmm. Du hältst es also für keine gute Idee, jetzt schon ein paar uniformierte Wächter als Gäste hinzuschicken? Wenn Röhmer etwas zu verbergen hat, verrät uns seine Reaktion vielleicht etwas mehr..."
Damien wippte unruhig auf dem Stuhl hin und her. Rea freute sich zu sehen, wie involviert er bereits in diese Sache war. "Ich weiß nicht, Mä'äm. Ich hätte gerne noch ein paar Tage Zeit. Vielleicht kann ich noch ein wenig mehr herausfinden, bevor wir den nächsten Schritt gehen."
"In Ordnung Damien. Du hast gute Arbeit geleistet bisher und irgendetwas scheint hier auf jeden Fall faul zu sein. Versuch in den nächsten Tagen noch tiefer zu graben. Sei bitte nur vorsichtig."
Damien nickte.
Es war inzwischen Mitte der zweiten Woche seit Damiens Anstellung. Er kam gerade aus dem Vorratskeller zurück, als Röhmer ihn auf dem Innenhof abpasste.
"Damien! Genau mein Mann gerade!"
"Herr?"
"Du weißt doch, dass du Bernie sagen sollst."
"Bernie?"
"So ist's recht. Du weißt ja, ich bin recht zufrieden mit deinen Botengängen die du bisher für mich erledigt hast. Du bist gut zu Fuß."
"Naja, bin viel in dieser Stadt unterwegs."
"Und das ist lobenswert. Schöne Stadt unser Morpork, würde selbst mehr rausgehen wenn ich die Zeit hätte. Ich hätte hier etwas, was du für mich abliefern kannst. Schlegel Schönberg vom Gasthaus "Regenbogen" hat ein Kleines Fass unseres Selbstgebrauten bestellt. Der Karren ist gerade anderweitig unterwegs, es ist aber wichtig dass er es schnell bekommt, er braucht dringend Nachschub. Mit dem Ziehwagen solltest du es schnell befördern können, es ist nicht besonders weit."
Damien tat verdutzt. "Wir brauen selber Bier?"
"Oh ja, teilweise. Es natürlich zweitaufwendig und wir kaufen auch ein, aber Gröbels Selbstgebrautes verkauft sich recht gut, vor allem bei unseren Stammgästen."
"Und die Konkurrenz kauft bei uns ein?"
"Oh, 'Konkurrenz' ist doch ein unschöner Begriff. Wir helfen uns eben gerne gegenseitig aus, vor allem jetzt, da die wirtschaftliche Lage für unser Gewerbe immer schwieriger wird." Er lächelte.
"Gut, soll ich das Fass aus dem Keller holen?"
"Nicht nötig, der Golem ist schon unterwegs. Liefere es einfach ab, sende Schlegel meine Grüße aus und kehre dann wieder hierher zurück."
"In Ordnung."
Röhmer lächelte zufrieden und gab ihm die Adresse.
Der "Regenbogen" war alles andere als farbenfroh. Die Kneipe war recht heruntergekommen und nicht besonders gut in Schuss. Es war nachmittags und nicht alle Tavernen hatten um diese Zeit schon gveöffnet, doch die Tür der Kaschemme stand offen. Damien trat ein und zog den Karren hinter sich her. Der Gästebereich war leer und nicht besonders sauber. Die Fenster waren schon länger nicht mehr geputzt worden und das Licht drang nur gedämpft durch die Schmutzschicht.
Vom Wirt oder sonstigem Personal war nichts zu sehen.
"Hallo?", rief Damien. Er wartete eine Weile.
Aus dem hinteren Bereich des Gebäudes hörte er Schritte, dann trat ein dünner Mann aus dem Hinterzimmer. Er blickte Damien misstrauisch an. "Ja?"
"Schlegel Schönberg?" Der Mann nichkte. "Ich habe hier eine Lieferung vom 'Schmerbauch', mit besten Grüßen von Bernard Röhmer.
Schönberg lächelte, doch sein linkes Augenlid zuckte kaum merklich.
"Ah, äh, ja, das Bier. Sehr gut, sehr gut, ich brauchte schon dringend, ähm, Nachschub. Du musst neu sein beim 'Schmerbauch?'"
"Ja, ich helfe nur temporär aus. Bleicht ist der Name."
"Ahja, soso. Nun Herr Bleicht, du könntest mir nicht eventuell helfen, das Fass in den Keller zu schaffen? Ich bin hier momentan etwas unterbesetzt und der Rücken ist auch nicht mehr das, was er mal war..."
"Natürlich, Herr."
Gemeinsam trugen sie das Fass den Keller hinunter und verstauten es im Getränkelager. Besonders gut gefüllt war dieses nicht.
Schönberg lächelte schwach. "Uff, danke junger Mann. Sag meinen Dank an Herrn Röhmer und, äh, Herrn Gröbel und dass alles gut gelaufen ist."
"Das werde ich, Herr Schönberg."
"Äh, ja. Und danke auch für deine Hilfe. Nun, wenn du mich entschuldigen würdest, ich , ähm, habe noch hier unten zu tun.
"Natürlich. Auf Wiedersehen."
Damien verließ das Lager und begann die Treppe hochzusteigen. Auf halbem Weg verharrte er jedoch und wartete. Wie erwartet blieb Schönberg im Lager. Langsam machte Damien kehrt und schlich die Treppe wieder hinunter. An der offenen Lagertür drückte er sich an die Wand und linste vorsichtig am Türrahmen vorbei. Schönberg kehrte ihm den Rücken zu und betrachtete nachdenklich das Bierfass. Dann kniete er sich vor dem Fass hin und begann das Etikett mit dem "Schmerbauch"-Logo vom Holz zu lösen. Dahinter kam ein kleiner Umschlag zu Vorschein. Schönberg las die darin befindliche Notiz und starrte eine Weile ins Leere.
Damiens Verstand raste. Sollte er es wagen? Es war riskant, aber so eine Chance ergab sich vielleicht nicht wieder. Er beschloss, es zu riskieren.
"Röhmer erpresst dich."
Schönberg fuhr erschrocken herum. "Was?!"
"Du hast schon verstanden. Es ist doch so, oder? Die anderen Kneipen machen nach und nach zu. Du wirst gezwungen bei Gröbel und Röhmer einzukaufen, ansonsten ergeht es dir ebenso. Letztes Jahr hat es in dieser einen Spelunke doch gebrannt. Wie hieß sie noch gleich? Das 'Wildschwein?'"
"Die 'Wildgans' stammelte Schönberg mit brüchiger Stimme. Der ältere Mann wirkte zu Tode verängstigt.
"Es hieß der Besitzer hätte nachts nach Dienstschluss aus Versehen einen der Kerzenhalter umgeschmissen. Völliger Schwachsinn, wenn du mich fragst."
Schönbergs Mundwinkel zitterten. "Ich, äh...", stammelte er.
"Wieso gab es keine Anzeigen Herr Schönberg? Haben wirklich alle so viel Angst vor Gröbel? Oder Röhmer?"
Schönberg starrte, die Panik flackerte in seinen Augen. Dann ließ er den Kopf sinken.
"Du weißt nicht wie er ist", hauchte er.
"Wer? Gröbel?"
"Röhmer. Der Kerl ist unberechenbar. Einmal kam er mit ein paar seiner Schergen vorbei und hat hier alles kurz und klein gehauen. Ich musste in paar billige neue Stühle und Tische kaufen, damit es hier überhaupt noch ein bisschen nach Kneipe aussieht. Im letzten halben Jahr hat Röhmer das ganze Viertel terrorisiert. Er zwang die Leute, sein verdammtes gepanschtes Bier zu kaufen und die Preise lächerlich hoch anzusetzen. Ansonsten gab es Krawall. Der 'Wildgans' erging es bisher am schlimmsten."
"Und die anderen mussten entweder klein beigeben, oder die Kneipe schließen."
Schönberg blickte hilflos zu Boden und nickte dann.
"Und Gröbel?"
"Von dem hat man in den letzten Monaten nichts mehr gesehen. Ich kann nicht glauben, dass Gröbel das alles zugelassen hat. Er war immer ein ehrbahrer Wirt gewesen. Dass er zu solchen Mitteln greift..."
Damien überlegte. Er tat dies nur ungern, aber er musste Schönbergs Vertrauen gewinnen. Er zog seinen linken Stiefel aus und holte eine Dienstmarke hervor. "Ich arbeite für die Stadtwache, Herr Schönberg. Die letzten zwei Wochen habe ich damit verbracht, im 'Schmerbauch' zu arbeiten und Informationen zu sammeln. Dies ist eine neue Entwicklung. Wenn du Anzeige erstattest und aussagst könnten wir Röhmer und Gröbel drankriegen."
Schönbergs Augen weiteten sich. "Nein! Röhmer bringt mich um...", stammelte er.
"Mit Verlaub, Herr, aber wenn du das weiter so laufen lässt kannst du dich auch gleich selbst umbringen! Was ist das den für ein Leben?"
Schönberg ließ den Kopf hängen. Er zögerte. "Sie haben Großvaters Standuhr zu Kleinholz geschlagen", murmelte er mit glasigem Blick. "Es war das einzige, was ich noch von ihm besaß..."
Rea las den Bericht auf ihrem Schreibtisch. Dann blickte sie mit ernstem Blick den Szenekenner an. "Es war riskant, Schönberg einfach so zu konfrontieren."
"Aber hat sich gelohnt. Er ist bereit, gegen Röhmer auszusagen, wenn die Wache hinter ihm steht."
"Ich bin nicht sicher ob eine einzige Aussage ausreicht, um Röhmer und die Laufburschen, die er für seine Sache eingespannt hat, festzunehemen."
Damien überlegte. "Vielleicht gibt es noch eine weitere Aussage..."
Anders fegte gerade den Getränkekeller aus. Er erledigte gern Arbeiten im Keller. Hier war er zumindest zeitweise vor Röhmer und den anderen Burschen in Sicherheit.
Jemand räusperte sich. Anders zuckte zusammen. Er hob den Blick und sah in Damiens bleiches Gesicht.
"Ich glaube es wird Zeit, dass du und ich uns unterhalten, Anders...", sagte er kalt.
Es war später Nachmittag. Die Hauptgeschäftszeit hatte noch nicht begonnen und Röhmer befand sich gerade im Innenhof und wies ein paar der Burschen ein, als ein weiterer Gehilfe angerannt kam.
"Herr Röhmer!"
"Was ist denn, Tony? Wir haben hier gerade zu tun."
"Öhm, ich glaube du solltest schnell in den Schankraum kommen. Es gibt da ein paar, äh, Probleme."
Röhmer hob die Augenbrauen. Tony war normalerweise nicht gerade zart besaitet, aber jetzt schien er ernsthaft nervös zu sein.
"Na gut, aber dies sollte besser nicht zu viel Zeit in Anspruch nehmen."
Zielstrebigen Schrittes ging er in die Wirtschaft.
Und riss die Augen auf. Mehrere Wächter hatten die Kneipe betreten und waren gerade dabei, ein paar seiner Leute zu vernehmen. Die paar Gäste, die bereits da waren, betrachteten gebannt aber interessiert das Schauspiel.
"Was zum Teufel hat das zu bedeuten?", fragte Röhmer in barschem Tonfall.
Eine Frau in Unform drehte sich zu ihm um und lächelte herzlich.
"Bernard Röhmer, nehme ich an?"
"Ja, verdammt! Was geht hier eigentlich vor?"
Die Frau lächelte noch breiter. "Fähnrich Rea Dubiata, von der Stadtwache. Du bist hiermit verhaftet."
Röhmer funkelte sie zornig an. "Verhaftet? Was wird mir vorgeworfen."
"Nun, wo soll ich anfangen? Bedrohung, Erpressung, Brandstifung, Vandalismus, illegaler Handel..."
"Lächerlich!", rief Röhmer dazwischen
"... und der Mord an Karlheinz Gröbel."
Röhmer verschlug es die Sprache. Wütend blickte er sich im ganzen Raum um, als suche er nach jemandem. Dann fand er seine Stimme wieder. "Wie könnt ihr es wagen!", knurrte er. "Wer verbreitet soche unverzeihlichen Lügen?"
"I-Ich! Und es i-ist keine Lüge!" Anders stand in der Tür, die vom Innenhof in die Kneipe führte. Ob er vor Wut oder vor Angst zitterte ließ sich nicht genau erkennen. aufgebracht war er aber allemal. "Er hat G-Gröbel umgebracht! Ich hab es gesehen."
"Du..." Röhmer ging ein parr Schritte auf Anders zu, doch sofort legte sich ihm links und rechts jeweils eine Wächterhand auf die Schulter. "Du wagst es..."
"Ja, ich w-wage!" rief Anders. "Ich h-habe keine Angst mehr vor dir! Ich bin im Vorratskeller zwischen ein paar Kisten eingeschlafen. Dort verstecke ich mich manchmal, wenn mir die Arbeit zu viel wird. Als ich aufwachte, war das Lokal schon geschlossen und keiner der Burschen mehr da. Oben in Gröbels Stockwerk h-hörte ich Stimmen. Ich wollte verschwinden, aber es waren ja schon alle T-Türen zugesperrt. Also hab ich mich hochgeschlichen u-und gelauscht. Gröbels Bürotür stand offen. Er und Röhmer stritten sich heftig..."
"Halt's Maul!", rief Röhmer dazwischen.
"Nein! Ab h-heute nicht mehr! Gröbel war sehr aufgebracht. Er sagte er wollte das nicht mehr, er bereute wie tief er inzwischen gesunken war. I-ich verstand nicht was er meinte, doch inzwischen ist es mir klar. Er sagte, Röhmer würde zu weit gehen u-und dass er sich stellen wollte, ob es R-röhmer gefiele oder nicht. E-es hat Röhmer nicht gefallen. Er hat in Gröbels Bücherregal gelangt und sich einen der fetten W-Wälzer gegriffen, die Gröbel immer las. D-durch den Türspalt sah ich, wie der Buchrücken immer wieder auf den Schädel des Sch-Schäffs prallte. I-ich wollte verschwinden und b-bin gestolpert. D-da hat Röhmer mich gehört..." Anders stoppte. Er zitterte, holte dann aber tief Luft und fuhr fort: "I-ich musste ihm helfen Gröbels Leiche auf den Karren zu laden und mit einer Plane zu bedecken. Dann sind wir aus der Stadt gefahren und haben G-Gröbel im Wald verscharrt. Es war spät in der N- Nacht, niemand hat uns gesehen. Ich wollte das alles nicht, aber Röhmer hat mir gedroht, er w-würden den beteiligten Burschen erzählen, dass ich Bescheid wüsste und d-die würden bestimmt nicht so vernünftig reagieren wie er selbst." Anders ließ den Kopf hängen. "E-es tut mir leid. Ich hatte einfach nur Angst..."
Rea wandte sie an Röhmer. "Nun, Herr Röhmer? Hast du dazu etwas zu sagen?"
"Das ist doch Blödsinn", knurrte Röhmer, aber seine Stimme klang langsam brüchig. "Der Junge war schon immer geistig verwirrt..."
"Wir haben Gröbels Überreste gefunden, Herr Röhmer. Anders war so nett uns zu der entsprechende Stelle zu führen."
Röhmer starrte den Jungen an. "Das wirst du noch bereuen, du kleine Made..."
"Der einzige der hier irgendwas bereuen wird bist du, Herr Röhmer. Ach ja, und ein paar deiner Angestellten" Rea lächelte wieder. "Wenn die Herren uns nun auf's Revier begleiten würden..."
Rea blickte zufrieden drein. "Das war gute Arbeit, Damien."
"Naja, ich habe verdammt viel Glück gehabt, Mä'äm."
"Unsinn. Du hast die Situation gut zu deinem Vorteil genutzt. Im Vorfeld können wir nie wissen, wie die Umstände sich zu unserem Vorteil entwickeln werden.
Damien nickte nachdenklich. "Was passiert jetzt?"
"Röhmer bestreitet weiterhin alles, doch aus dieser Nummer kommt er nicht mehr raus. Anders und Schönberg sind glaubwürdig. Seine Gehilfen waren im Verhör längst nicht so hart zu knacken wie er. Röhmer wird wohl für eine ganze Weile verschwinden."
"Was ist mit Anders?"
"Höre ich da etwa Besorgnis Damien?"
"Der Junge war ein Opfer der Umstände."
"Das bezweifle ich nicht. Ich habe ihn freigelassen. Röhmers Einfluss hat den Jungen vollkommen paralysiert. Ich hoffe, er findet bald bessere Arbeit."
Damien nickte.
"Was deine Arbeit betrifft, Damien: Geh nach Hause. Du hast Feierabend."
Abermals nickte Damien. "Danke Mä'äm. Ich habe erstmal genug vom Kneipendienst."
Rea lächelte.
Zählt als Patch-Mission für den Szenekenner-Patch.
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