Es war der schönste Gestank der Welt. Ein Gestank, der schon vor einer guten Weile begonnen hatte, den Geruch nach Kohl zu verdrängen und nun immer intensiver in die Nase von Fynn Düstergut stieg. Fynn näherte sich Ankh-Morpork an diesem sonnigen Tag im Juli mit gemischten Gefühlen. Da war ein wenig Neugier auf die Veränderungen und auf seine alten Freunde, da war ein gute Portion Nervosität, die sich noch steigerte, als das von einem Stadtwächter bewachte Mittwärtige Tor auftauchte
[1] und die Freude, der Provinz endlich wieder entgangen zu sein.
Fynn passierte das Stadttor mit einigen nervösen Blicken zu dem Wächter, der eine beeindruckende Statur hatte, aber zum Glück genug zu tun, um sich auch noch um den unscheinbaren jungen Mann mit der dunkelblonden Struwwelfrisur und der Kleidung eines Bauern zu kümmern
[2]. Dann wandte er sich nach links, um durch das Gewirr der Gassen um das Drachenlande-Gebiet etwas abzukürzen und den dichten Verkehr auf dem Oberen Breiten Weg zu umgehen.
Ein wohliges Gefühl durchströmte ihn und er blickte sich grinsend um. Wie schön war es, diese schiefen Häuser wiederzusehen, diese dreckigen Straßen, diese...
"Pass doch auf , wo du hin läufst, du Trottel!", rief ihm der Kutscher zu, dessen Gefährt er gerade noch ausweichen konnte, als es mit überhöhtem Tempo an ihm vorbeischoss. Fynn schüttelte die Faust und rief ihm einen Fluch hinterher. Als er seinen Fuß hob, um den nächsten Schritt zu machen, stieß er ein paar weitere unflätige Worte aus, denn er merkte, dass dieser bei dem Ausweichmanöver in einem Haufen Hundescheiße gelandete war. Er klaubte ein Stück Holz auf und begann, seine Schuhsohle notdürftig zu reinigen. Plötzlich spürte er, wie jemand hinter ihm dicht zu ihm aufschloss.
"Aaach ist die Welt nicht ungerecht? Ich hatte so eine gute Arbeit, ich habe nie nich etwas Schlimmes getan und dann? Dann musste ich unter einer Brücke schlafen. Ist das vielleicht gerecht, junger Herr?", jammerte derjenige los.
Fynn drehte sich um und sah einen gebeugt schlurfenden, in einen braun-grauen Mantel und eine bunt geflickte Hose gewickelten, alten Mann, der fordernd die Hand aufhielt. Mit der anderen hielt er ihm eine überraschend sauber wirkende Lizenz der Bettlergilde entgegen. Der junge Mann wusste, er würde den Lauten-Jammerer-der-anderen-Leuten-hinterläuft nicht mehr los werden, ehe er ihm nicht Geld gegeben oder eine Quittung präsentiert hätte. Dummerweise hatte er selbst nicht mehr viel. Er hatte bei einem Kohlbauern gegen Kost und Logis gearbeitet und auch die Kleidung von ihm bekommen. Alles, was er an Bargeld zugesteckt bekommen oder sich hatte abzweigen können, hatte er in die neuen Stiefel investiert, die ihm bereits ein paar Blasen beschert hatten und seit kurzem einen unverwechselbaren Gestank aussonderten. Außerdem nannte er noch ein kleines, scharfes Messer und ein abgegriffenes Kartenspiel sein eigen. Sein ganzes Barvermögen belief sich im Moment auf 50 Cent und er hatte nicht vor, sich so schnell von ihnen zu trennen.
"Und dann treffe ich hier einen jungen Herrn mit schönen Stiefeln und der stellt sich taub gegenüber den Sorgen eines armen, alten Mannes, dem das Leben so übel mitgespielt hat", jammerte der Bettler weiter und hielt ihm seine Hand praktisch unter die Nase.
"Also ich..."
"Ich finde auch, dass das schöne Stiefel sind. Wie wäre es, wenn du sie mir gibst, Junge?", mischte sich eine dritte Stimme ein, die unangenehmerweise von etwas beunruhigend Spitzem unterstützt wurde, das sich in seinen Nacken drückte.
"Hey!", protestierte der Jammerer, "ich habe ihn zuerst gesehen! Das ist unfair!"
"Was wilderst du auch immer in meinem Revier. Such dir doch eine andere Stelle zum Rumjammern!"
"Das hier ist
mein Revier! Königin Molly hat es mir höchstpersönlich zugewiesen!"
"Dann beschwere dich doch bei ihr!"
Abgelenkt von ihrem Streit, hatte der Dieb den Druck auf das Messer vernachlässigt und Fynn konnte einen kleinen Schritt zur Seite machen.
Der Bettler hatte bereits eine ungesund rote Gesichtsfarbe angenommen. "Das werde ich auch! Du bist ein lausiger Dieb! Immer wartest du, bis ich jemanden gefunden habe, und dann nimmst du ihn mir weg!"
"Ach, hör auf zu jammern!"
Die ersten Schaulustigen blieben stehen und begafften das Drama, das ihnen hier ganz umsonst geboten wurde.
"Wahrscheinlich kannst du gar niemanden überfallen, wenn ich nicht schon die Vorarbeit leisten würde!"
Fynn machte noch ein paar Schritte zur Seite und fühlte den Dieb an sich vorbei rennen. Dieser stürzte sich voller Wut auf den Bettler, der das Fass nun anscheinend endgültig zum Überlaufen gebracht hatte. Das gab wiederum Fynn die Gelegenheit zwischen den Gaffern zu verschwinden, ein paar Schritte von der Szene wegzuschlendern und dann Fersengeld zu geben. Er hatte noch nicht mal den gefälschten Passierschein einsetzen müssen, den er für solche Situationen angefertigt hatte.
Er rannte durch einige Gassen, wobei er öfter die Richtung wechselte. An einem Brunnen hielt er erschöpft inne. Ein Lachen stieg langsam in seiner Kehle nach oben und wurde von ihm in einem hysterischen Kichern entlassen. Er war fast überfahren worden, hatte Scheiße am Schuh, wurde überfallen, begafft und angebettelt und der Gestank des Ankh versenkte einem die Nasenhaare. Er holte tief Luft und genoss das Gefühl. Kein Zweifel, er war wieder zu Hause!
Das Hochgefühl wich jedoch bald der Ernüchterung. Er war ohne richtigen Plan zurück gekommen, nur getrieben von Heimweh und dem Eindruck, in der Provinz zu ersticken, wenn er noch länger blieb. Eigentlich wusste er nicht, wohin er sich jetzt wenden sollte, wovon er leben würde und wo er heute Nacht unterkam. Außerdem hatte er Hunger, doch dem war leicht abzuhelfen. Auch in der Stadt gab es Möglichkeiten, sich kostenlos zu ernähren. Eine davon war Stehlen und bei einem Bäckermarktstand stellte er fest, dass er es immer noch konnte. Eine weitere waren die Tiere der Stadt.
Er brauchte eine Stunde, um Feuerholz und ein paar Streichhölzer zu "borgen". Die Sonne begann schon, sich dem Horizont zu nähern und Fynn wusste, dass er sich beeilen musste, als er den ersten Schlupfwinkel, der ihm eingefallen war, als nicht mehr existent fand. Wenn es erst dunkel war, sah er so gut wie nichts mehr. Er war schon immer nachtblind gewesen und auch wenn er Teile der Stadt kannte wie seine Westentasche, war es alles andere als ein Spaß, fast blind durch das nächtliche Ankh-Morpork zu laufen. Zum Glück gab es da noch die alte Brückentroll-Höhle an der Ponsbrücke. Nur wenige wussten davon und so fand er sie leer vor. So nah am Fluss stank es natürlich noch intensiver nach dem Schlamm des städtischen Stromes, aber auch ein Hauch feuchte Abgestandenheit mischte sich in der Höhle darunter. Zufrieden zündete der ehemalige Dieb das Feuer an, streute er etwas von dem Brot aus und legte sich auf die Lauer. Dabei dachte er über seine Lage und seine Pläne nach. Lange konnte er so nicht kampieren, sonst würde die Bettlergilde ihn dran kriegen. Seinen Lebensunterhalt mit Stehlen zu verdienen - das wollte er eigentlich nicht mehr tun, auch wenn seine Notlage dies heute wieder nötig gemacht hatte. Er könnte natürlich zu seinem Adoptivvater zurückkehren, ihn um Verzeihung und Hilfe bitten. Doch dazu konnte er sich noch nicht überwinden. Das würde er erst tun, wenn er keinen anderen Ausweg mehr sah. Deshalb nahm er sich vor, sich morgen früh gleich aufzumachen, um eine Arbeit und eine Unterkunft zu finden. Er hatte da schon eine Idee...
Kurz bevor ihm die Augen zufielen, hörte er ein Scharren und ein Gurren. Vorsichtig steckte er den Kopf aus seinem Versteck. Eine Taube! Perfekt. Um sie nicht zu erschrecken, bewegte er sich langsam an sie heran. Es war nicht der erste Vogel, den er fangen musste und so übernahmen seine alten Jagdreflexe den Rest. Nach einigen Augenblicken hatte er sie fest im Griff. Er spürte das kleine Herz gegen seine Handfläche klopfen, die weichen Federn, das kleine Röhrchen am Bein. Seine Hand wanderte zum Hals hinauf.
Er konnte es nicht. Früher hätte er keine Probleme damit gehabt, doch seit zwei Jahren war alles anders. Seine Finger verweigerten ihm schlicht und einfach den Dienst, dafür sah er wieder dieses Mädchen vor sich, das weiße, unschuldige Gesicht mit den dunklen Augen, hörte das Poltern und das Knacken. Es war vor allem dieses Geräusch, das ihn hinderte, zuzudrücken, das er nicht noch einmal zu hören ertrug.
Stattdessen drang die Information zu seinem Bewusstsein durch, die ihm seine Hände schon übermittelt hatten: die Taube trug eine Botschaft.
"Da habe ich wohl ein kleines Brieftäubchen erwischt, was?", murmelte er sanft dem erschreckten Tier zu. Gedankenverloren streichelte er das Gefieder, während er sich zu entscheiden versuchte, ob er das Röhrchen öffnen sollte oder nicht. Schließlich siegte die Neugier und er befreite erst den Vogel von seiner Last, dann aus seinem Griff.
Es war nicht ganz einfach, den Zettel aus dem Röhrchen zu fischen. Als er es endlich geschafft hatte, war es zu spät, um die winzige Schrift noch entziffern zu können, ohne sie so nah ans Feuer zu halten, dass er sich die Finger versengte. Fynn steckte den Zettel in seine Hosentasche und wollte es sich auf dem Boden so bequem machen, wie es ging, als er bemerkte, dass die Taube noch immer da war.
"Hey, hau ab, du dummer Vogel", zischte er und wedelte mit den Armen, um sie zu vertreiben. Der geflügelte Bote legte jedoch nur den Kopf schief und gurrte ihn an. Erst als er auf sie zu lief, hopste sie ein paar Schrittchen zur Seite. Doch kaum drehte er ihr den Rücken, kam sie wieder heran. So ging es einige Zeit, bis es ihm zu dumm wurde. Er teilte sein Brot mit der Taube, dann legte er sich schlafen.
Kaum war die Sonne in die Straßen und Gassen der Stadt gekrochen, war Fynn wieder unterwegs. Die Taube hatte sich auf seinem Kopf platziert und ließ sich dort nicht vertreiben. Anscheinend hielt sie seine Frisur für ein besonders gemütliches Nest. Hauptsache, sie legte dort nicht auch noch ein Ei. Obwohl der Magen des jungen Mannes vermutlich nichts dagegen gehabt hätte, ein wenig Füllung zu bekommen.
Doch die Gedanken an Spiegelei, Eibrot oder Rührei wurden abrupt verdrängt, als Fynn merkte, wo er war. Eigentlich hatte er die Straße meiden wollen, doch seine Füße hatten ihn automatisch den kürzesten Weg geführt und nun stand er genau dort, wo es damals passiert war. Pöbelgasse 23. Seine Hände wurden feucht, sein Hals trocken und seine Beine wollten ihn plötzlich nicht weitertragen. So blieb er wie angewurzelt gegenüber dem Haus stehen, in das er an dem schicksalshaften Nachmittag vor zwei Jahren eingebrochen war. Das Haus, in dem er ein Mädchen getötet hatte, weil es ihn entdeckt und er es in einem Reflex die Treppe hinab gestoßen hatte. Es sah gar nicht bedrohlich aus, es wirkte sogar ziemlich normal. Ein Haus wie jedes andere in dieser Straße. Trotzdem hatte der ehemalige Einbrecher das Gefühl, dass es ihn vorwurfsvoll anstarrte mit seinen dunklen Fenstern, hinter denen die Bewohner wahrscheinlich noch schliefen. Die Fenster! Was, wenn jemand schon wach war und ihn hier sah, wie er das Haus anstarrte? Mühsam zwang Fynn den Blick zurück auf die Straße und seine Beine, den nächsten Schritt zu machen. Erst war es, als müsse er sich gegen eine zähe Masse wehren, doch dann wurde er immer schneller. Erst als er um die nächste Ecke gebogen war, gestattete er sich, wieder langsamer zu gehen. Auch sein Herzschlag beruhigte sich wieder und es gelang ihm, genug Speichel zusammenzukratzen, um zu schlucken. Eins stand fest, er würde nie, nie wieder hier her...
"Du hast eine Taube auf dem Kopf!" Er war an ein paar Jungen vorbei gekommen, die auf der Straße Ball spielten und der kleinste von ihnen grinste unverschämt und zeigte mit dem Finger auf ihn.
"Welche Taube?", knurrte er schlechtgelaunt zurück, was die Kinder veranlasste, in schadenfrohes Gelächter auszubrechen.
"Der ist genauso bekloppt wie der Entenmann", quäkte eines von ihnen.
"Taubenmann, Taubenmann", rief darauf hin einer der anderen Jungen und alle fielen in den spöttischen Singsang ein.
Fynn wurde wütend. Das war einfach alles zu viel heute morgen. "Ihr verdammten Gören! Lasst mich und meine Taube verflucht noch eins in Ruhe oder..."
"Oder was?", höhnte ein Dreizehnjähriger in Weste, Knickerbockern und Schlägermütze. Düstergut überragte ihn nur um wenige Zentimeter, als der Junge sich vor ihm aufbaute.
"Oder sie", er zeigte auf den Vogel, "holt ihren ganzen Schlag!"
Das ließ die Kinder vor Verblüffung verstummen. Fynn fragte sich, warum er sich überhaupt mit ihnen abgab und ging weiter seines Weges, ehe die Kinder sich von ihrem Erstaunen erholen konnten.
So ging das nicht weiter. Er musste als erstes die Taube los werden, die die ganze Zeit unbeeindruckt auf seinem Kopf thronte und sich nur ab und zu ein wenig zurecht schuckelte. Die Nachricht, die er von ihrem Bein entfernt hatte fiel ihm ein und er entrollte das winzige Zettelchen erneut. Vielleicht ließ sich darauf ein Hinweis auf ihren Besitzer oder den Empfänger der Nachricht finden.
Stauh Breihten Weg! Erbiten zuz weitere Wächter Eine Wachetaube! Ausgerechnet ein gefiederter Wächter musste sich ihn als Nistplatz, Partner oder als praktischen Doppelpack aus beidem aussuchen. Fynn seufzte und kratzte sich an der Nase. Es half nichts, er musste den Vogel seinem Besitzer zurück bringen, sonst würde er sie bis ans Ende ihrer Tage mit sich rumschleppen müssen. Oder bis ans Ende seiner, das ziemlich nah war, wenn er nicht bald eine Arbeit fand. Und das war ohne ein Nest auf dem Kopf sicher auch einfacher. Also musste er sich wohl oder übel in die Höhle des Löwen begeben. Das Wachhaus in der Kröselstraße war ganz in der Nähe und er lenkte seine Schritte dort hin.
Sein Magen grummelte vor Aufregung
[3] als er sich dem Eingang der Wache näherte, doch er sprach sich selbst Mut zu. Nur jemanden finden, dem er die Taube und ihre Nachricht in die Hand drücken konnte und so schnell wie möglich wieder raus sein aus dem Gebäude, das war sein Plan. Als er vor der Tür stand, kam eine Gruppe Rekruten zielstrebig auf die Wache zu. Fynn atmete auf.
"Hey, ihr! Ich habe hier eine Taube gef..."
Die Wächter beachteten ihn gar nicht, sondern betraten einfach leise vor sich hin schimpfend das Haus. Dem jungen Mann blieb nichts anderes über, als ihnen zu folgen.
"Wartet doch mal! Ich..."
Ein weiblicher Rekrut drehte sich um, musterte Fynn kurz und zeigte dann auf den Tresen. "Anzeigen und Beschwerden da abgeben", dann war sie zusammen mit den anderen verschwunden.
Die Taube vor sich ausgestreckt wie ein Weihegeschenk an eine Gottheit, blickte der ehemalige Kohlbauer sich um. Die schwarzen Wände strahlten eine ganz besondere Art von Trostlosigkeit aus, die auch nicht von den hellen Flecken, hinein geritzten Graffiti und der dicken Staubschicht gebessert wurde. An einer Wand hing ein ebenfalls schwarz gestrichenes Brett, dass mit Zetteln überladen war. Erleichtert stellte Fynn fest, dass darauf keine Zeichnung zu sehen war, die ihm ähnlich gesehen hätte. Hinter dem Tresen, der den größten Platz im Raum einnahm, saß ein Zwerg, der in ein Buch vertieft war.
Das grohse Troll-ABC entzifferte Fynn mühsam.
"Ähem", machte er sich bemerkbar. "Ich habe hier eine Taube äh... gefunden. Also sie ist mir quasi zugeflogen und sie hatte eine Nachricht dabei und deshalb weiß ich, dass sie zur Wache gehört und deshalb wollte ich sie hier abgeben", sprudelte es aus ihm heraus.
Der zwergische Wächter kratzte sich am Kopf. "Tja, also ich weiß nicht, ob die zu uns gehört. Für mich sehen die Viecher alle gleich aus. Aber unsere Ausbildungsleiterin kennt die alle aus dem Eff-eff. Ich frage sie mal. Feldwebel Feinstich?", rief er in einen Gang hinter dem Tresen hinein.
Noch ehe Düstergut reagieren konnte, stand hinter dem Zwerg - der heftig zusammenzuckte - auf einmal ein weiblicher Zombie... nein, es musste eine Igorina sein, wie ihm im nächsten Augenblick aufgrund ihres plötzlichen Auftauchens klar wurde. Dieser Verdacht bestätigte sich, als der Feldwebel sprach.
"Waf ift denn, Kurfarm?", fragte sie mit leichter Ungeduld in der Stimme.
Der Rekrut schilderte die Lage und wieder wurde Fynn von einer Wächterin gemustert. Nur diesmal fühlte er sich unbehaglich dabei. Sie hatte zwei verschiedenfarbige Augen, fiel ihm auf. Nein, nicht nur verschiedenfarbig...
Feinstich nickte. "Ja, fie gehört unf. Genauer gefagt, FEALF. Fie heift Petra, wenn ich mich nicht irre."
"Petra", wiederholte Fynn und starrte auf die Taube. Sie blinzelte ihm zu und gurrte leise. "Äh... SEALS, genau. Von denen war auch die Nachricht, die sie dabei hatte." Er reichte der Igorina den winzigen Zettel, die ihn kurz musterte und dann einsteckte.
"Und wie heift du, junger Mann?"
"Fynn Düstergut", rutschte es ihm raus, bevor ihm einfiel, dass er sich vielleicht lieber einen anderen Namen hätte ausdenken sollen.
Der Blick des Feldwebels intensivierte sich. "Du fiehft hungrig auf. Haft du eine Arbeit, Düftergut?"
"Nun, ich äh..."
"Weift du, wir brauchen bei der Wache fo verantwortungfbewufte Perfonen wie dich."
Sie wollte ihn anwerben? Er, Fynn Düstergut, ein Wächter? Der Gedanke ließ ihn beinahe auflachen. "Also ich weiß nicht..."
"Wir werden, nun, befahlt. Und du kannft hier wohnen, wenn du willft."
Plötzlich schoss ihm eine andere Idee in den Kopf. Die Wache hatte bestimmt Unterlagen über den Tod des Mädchens. Wenn er sie finden konnte... Und dann waren da natürlich noch die Vorteile, die die Wächterin ihm genannt hatte. Als wollte er sie unterstützen, fing sein Magen an zu knurren.
"Und ef gibt eine Kantine", fügte Feinstich an.
Fast gegen seinen Willen hörte er sich sagen: "Na gut, warum nicht? Was muss ich machen?"
Ab diesem Zeitpunkt war irgendwie alles ganz schnell gegangen. Er hatte - sorgfältig Buchstabe für Buchstabe - ein Formular ausgefüllt, eine Uniform und eine Dienstmarke bekommen, sowie einen Spind und ein Bett zugewiesen.
Die Uniform der Rekruten war eigentlich kaum als solche zu bezeichnen, denn sie bestand im Wesentlichen aus abgelegten Teilen von anderen Wächtern. Fynn hatte sich gerade umgezogen und trug nun eine Hose, dessen ursprüngliches Schwarz schon fast zu grau verblichen war und die einen große Flicken in rot am rechten Knie aufwies, sowie ein etwas dunkleres Hemd. Zusätzlich dazu hatte er noch eine Jacke in dunkelblau, einen verbeulen Helm und einen nicht weniger eingedellten Brustpanzer erhalten, der obendrein noch ein Loch an der Schulter aufwies. Die Sachen fühlten sich noch ungewohnt an, als er seine bescheidenen Besitztümer in den Spind räumte. Die Tür klemmte. Natürlich.
"Mit Gewalt kommst du da nicht weit", informierte ihn eine Stimme hinter seinem Rücken.
Der Zwerg, zu dem sie gehörte, und den er als den vom Wachetresen erkannte, machte einen selbst für diese Spezies sehr kompakten Eindruck. Er hob die Tür ein wenig an, drückte sie mit der anderen Hand zu und ließ sie dann ins Schloss fallen.
"Den Trick hat Irgendo raus gefunden. Ihm hat dein Spind zuletzt gehört."
"Danke. Ich bin übrigens Fynn." Den letzten Satz sagte er etwas lauter, denn es hatten ein paar weitere Rekruten den Schlafsaal betreten.
"Turgrim", stellte der Zwerg sich vor. "Und das sind..."
"Sebastianus!", platzte es aus Düstergut heraus. "Was machst du denn hier?"
"Fynn?", fragte der massig gebaute Mann zurück und blickte seinen Kameraden aus Kindertagen ebenso verblüfft an wie dieser ihn. "Mann, ist das lange her. Hätte nicht gedacht, dich ausgerechnet bei der Wache wieder zu treffen."
"Gleichfalls." Fynn grinste, schlug seinem Kumpel auf die Schulter und wandte sich dann dem Rest der Hinzugekommenen zu. Als alle sich vorgestellt hatten, zwinkerte Sebastianus dem Neuzugang zu. "Und jetzt zeige ich dir erstmal die Kantine."
Diesen Vorschlag fand Fynn großartig, hatte er doch bisher immer noch nichts im Magen.
Die nächsten zwei Wochen verliefen ereignisreich. Die Igorina versuchte ihm und seinen Kollegen den Umgang mit der Armbrust nahezulegen, was mal mehr mal weniger mit Erfolg gekrönt war. Fynn gehörte eher zu der weniger-Fraktion. Das Laden der Waffe, das Zielen, die ruhige Hand - all das war ihm zu langwierig und stellte seine Konzentration auf eine harte Probe. Anders beim Umgang mit dem Schwert. Auch dieser erforderte natürlich die gesamte Aufmerksamkeit des Rekruten, doch die Waffengänge mit seinen Kollegen machten ihm Spaß. Schließlich wurde er von Feldwebel Feinstich sogar gelobt und durfte sein morsches Holzschwert gegen ein schartiges aus undefinierbarem Metall eintauschen. Er nahm sich vor, seine Fertigkeiten zu verbessern, solange er noch in der Wache war und Gelegenheit dazu hatte.
Eines Morgens machte Düstergut dann die Bekanntschaft von Frau Willichnicht. Diese ging ihm zwar gewaltig auf die Nerven, aber er hatte genug Selbstdisziplin, sie das nicht spüren zu lassen. Mit ein wenig Einfallsreichtum gelang es ihm sogar, sie nach nur einer Stunde wieder los zu werden.
Bei all dem versuchte er unauffällig heraus zu finden, wo die Akten der ungelösten Fälle aufbewahrt wurden, doch die Antworten, die er bekam, halfen ihm nicht weiter und das stramme Ausbildungsprogramm ließ ihm auch kaum Zeit, darüber nachzudenken.
Er hatte es gerade das erste Mal geschafft, den Waffennarr Sebastianus im Schwertkampf zu besiegen und war dementsprechend guter Laune, als Fynn ein weiteres bekanntes Gesicht sah. Auf dem Weg in den Waschraum überlegte er die ganze Zeit, woher er diesen dürren Mann kannte, der sich gerade bei dem wachhabenden Rekruten nach Feldwebel Feinstich erkundigt hatte. Dann fiel ihm plötzlich ein, wo er das pferdeartige Gesicht sehr oft gesehen hatte und begann zu grinsen. Immer noch übermütig gelaunt von seinem Sieg, beschloss er sofort, an alte Traditionen anzuknüpfen und zu überprüfen, ob Boris Machtnichts noch genauso schreckhaft war wie früher.
Er horchte kurz an der Tür der Ausbildungsleiterin und als er aus dem Raum Stimmen vernahm, rieb er sich voller Vorfreude die Hände. Ein schneller Blick zeigte ihm, wo er sich am besten platzieren konnte. Leider war das Großraumbüro nicht so leer, wie er gehofft hatte. Der Werwolf Ilja Gänseknecht saß an seinem Schreibtisch und sah neugierig auf, als Fynn keinerlei Anstalten machte, zu seinem eigenen Arbeitsplatz zu gehen, sondern an der Tür stehen blieb und hinaus starrte.
"Ist da was Besonderes zu sehen?"
Fynn grinste ihn an. "Noch nicht. Aber gleich."
Ilja gesellte sich zu dem jungen Mann und sah ebenfalls auf den leeren Flur hinaus. Nach einigen Minuten wurde er unruhig. "Also wenn das ein Scherz..."
Der ehemalige Einbrecher hatte die Hand gehoben und flüsterte: "Ja, soll es. Pass auf!", denn die Tür von Feinstichs Büro hatte sich gerade geöffnet und ein leicht verwirrt wirkender Boris trat auf den Flur hinaus. Fynn rief seinen Namen, versteckte sich hinter dem Türrahmen und winkte mit seiner Hand.
Boris Machtnichts war immer noch leicht geschockt von der Erscheinung und den Worten der Igorina, vor allem aber von dem Einmachglas in ihrem Regal. Da hörte er, wie jemand seinen Namen rief und sah eine Hand nach ihm winken. Nur eine Hand, ohne Arm, ohne einen Körper... Panik übernahm die Kontrolle über ihn und er stolperte so schnell es ging auf die Treppe zu, stolperte - und fiel.
Die beiden Rekruten waren inzwischen aus dem Raum gekommen, um die volle Wirkung von Fynns Alberei zu sehen. Die Hochstimmung des Ankh-Morporker schlug jedoch schnell in Entsetzen um, als er sah, was er angerichtet hatte. Sollte etwa schon wieder ein Mensch durch seine Schuld sterben? Und noch dazu auf die gleiche Weise? Seine Reflexe waren zum Glück schneller als seine Gedanken und die Reflexe des Werwolfs hatten wiederum diese überholt. So kam es, dass alle drei in einem Knäuel endeten, das mit lautem Scheppern erst die Treppe hinunter polterte und dann in einer Vitrine landete, in der eine verstaubte Uniform ausgestellt war.
In die darauffolgende erschreckte Stille klang die unheilvolle Stimme des Feldwebels. "Waf ift hier lof?
Ilja hatte sich einen Schnitt an der Schulter zugezogen. Für den Werwolf war das jedoch nicht mehr als ein kleines Ärgernis, und die anderen beiden waren wie durch ein Wunder unverletzt geblieben. Während Boris sich zu freuen schien, dass er einen alten Freund wiedertraf, war Fynn noch immer schreckensbleich und ziemlich kleinlaut, als sie vor Rogis Schreibtisch standen, bemüht, die Ereignisse zu erklären.
Schließlich hatte die Igorina genug von dem Gestammel. Sie war sowieso nicht in bester Laune und einfach am Ende mit ihrer Geduld.
"Fluf jetft!", beendete sie alle Erklärungsversuche. "Egal, waf dafu geführt hat, ihr habt die Vitrine mit Kommandeur Rince Uniform ferftört. Dafür wird euch ein Teil euref Foldf abgefogen. Aufferdem werdet ihr morgen früh um fieben fum Pfeudopolifplatf gehen und Obergefreiten Bergig beim Aufräumen des Archivf fur Feite ftehen. Ihr könnt jetft gehen."
Fynn blickte zerknirscht zu Boden, als sie das Büro leise verlassen und die Tür mit der größtmöglichen Vorsicht geschlossen hatten. "Tut mir echt leid, dass ich euch da mit reingezogen habe. Und dass du dich verletzt hast, Ilja."
Der Angesprochene winkte ab. "Ist nur ein Kratzer, den stecke ich locker weg. Und das Archiv wollte ich schon immer mal sehen."
"Ich würde euch ja den verlorenen Sold ersetzen, aber ich bin leider total... Moment, das Archiv? Heißt das, da werden die alten Fallakten aufgehoben?"
Als der Werwolf nickte, änderte sich die Miene von Fynn plötzlich. Sie wurde ... irgendwie hoffnungsfroh, stellte Ilja fest. Er nahm sich vor, seinen Kollegen morgen im Auge zu behalten. Er witterte ein Geheimnis.
"Du warst plötzlich weg", meldete Boris sich zu Wort.
"Was?", fragten die beiden anderen im Chor.
"Damals. Du warst einfach nicht mehr da."
"Ich... hatte auswärts zu tun."
Soso, dachte Ilja, der die Verlegenheit des ehemaligen Einbrechers spürte.
Das wird ja immer interessanter.Am nächsten Morgen machten sich die drei Rekruten auf den Weg zum Pseudopolisplatz. Ilja versuchte hin und wieder, Fynn in ein Gespräch zu verwickeln, doch der war mit seinen Gedanken woanders. Genauer gesagt, beim Obergefreiten Bergig und seinen Mitrekruten. Boris Machtnichts war ihm schon von Kindheit an bekannt, sie waren zur gleichen Zeit in der gleichen Straße aufgewachsen. Er wusste, dass der andere nicht gerade ein schneller Denker war, sobald er alles durchdacht hatte, jedoch manchmal mit den scharfsinnigsten Bemerkungen überraschte. Sollte er ihn einweihen? Als Kinder hatten sie sich gut verstanden, doch würde er ihm eine Straftat anvertrauen können? Und Ilja? Bisher wusste er wenig über den Werwolf. Fynn beschloss, erst einmal alles für sich zu behalten und zu versuchen, eine eventuelle Akte unauffällig zu entsorgen.
Als erstes brauchte er einen Plan, um diesen Bergig loszuwerden...
Wie sich raus stellte, hätte er sich keine Sorgen machen müssen.
"Was wollt ihr denn?", blaffte der glatzköpfige, vierschrötige Wächter sie an, als sie vorsichtig an die Bürotür geklopft und dann den Raum betreten hatten.
"Wir äh... sollen uns hier melden", begann Ilja.
"Wegen dem Archiv", ergänzte Fynn, während Boris nur mit gefurchter Stirn auf den SEALS schaute.
Ettark erinnerte sich, dass die Hexe ihm irgend so etwas aufs Auge gedrückt hatte. Er wollte die Frischlinge schon vertreiben, als sein Blick auf seinen Schreibtisch fiel. Plötzlich grinste er schadenfroh. Manchmal, natürlich nur ganz, ganz selten, hatte Rea doch ganz gute Ideen, wie es schien. Der Obergefreite drückte jedem der drei Rekruten einen Stapel Akten in die Arme.
"Dann zeige ich euch mal wo es lang geht."
Im Archiv angekommen, zeigte der Informantenkontakter auf einen Tisch, der an einer Wand stand und bereits mit verschiedenfarbigen Aktendeckeln bedeckt war.
"Da könnt ihr das Zeug erstmal abladen." Fast ohne zwischendurch Luft zu holen, erklärte er weiter: "Die Akten haben einen Zettel, auf dem die Personen, Orte und andere wichtige Stichworte stehen, diese müssen auf Karteikarten übertragen und die Karten richtig eingeordnet werden, die Karteikästen findet ihr dort, die Akten werden dann nach Eingangsdatum ins Regal eingeordnet, alles klar, dann viel Spaß, wenn es noch Fragen gibt, ich bin auf Streife." Mit diesen Worten verschwand Ettark und ließ die Rekruten in der staubigen Dämmerung zurück.
Mit einem "Uff" ließ Fynn seinen Aktenstapel auf den Tisch fallen. Erfreut bemerkte er, dass auch zwei Lampen dort standen. "Also ich brauche erstmal Licht."
Nach kurzer Suche fanden sie die besagten Karteikästen in der von dem Obergefreiten bezeichneten Richtung.
Im Licht der Öllampen sahen sie sich an.
"Und nun?", brachte Ilja das Wesentliche auf den Punkt. Ihnen standen nur noch drei leere Karteikarten und ein Füllfederhalter mit etwas Tinte zur Verfügung. Fynn sah seine Chance gekommen, die anderen loszuwerden und schlug etwas vor, dass er unter normalen Umständen nie getan hätte.
"Ich fange schon mal an zu schreiben und ihr sucht nach neuem Schreibmaterial."
Der Werwolf merkte, dass Düstergut sie loswerden wollte. Scheinbar gleichgültig zuckte er mit den Schultern. "Also gut. Kommst du, Boris?"
Der Angesprochene folgte seinem Kollegen und kaum waren die beiden aus der Tür, als Düstergut sich als Erstes die Personenkartei vornahm. Das Lesen fiel ihm nicht viel leichter als das Schreiben und das Alphabet war ihm ein Rätsel, doch nach einigen Minuten hatte er sich bis zum Buchstaben D durchgeblättert. Weiter Karte für Karte entziffernd, machte er sich auf die Suche nach seinem eigenen Namen.
Ilja schickte Boris jedoch alleine los und schlich sich zurück in das Archiv, wo er seinen Kollegen interessiert bei seinen Aktivitäten beobachtete.
Machtnichts fand als erstes einen Waschraum, der zum Glück gerade unbenutzt war. Als er die nächste Tür öffnete, erstarrte er bei dem grausigen Anblick der sich ihm bot. Ein Zwerg in einer über und über mit Blut bespritzten Schürze drehte sich zu ihm um, ein ebenfalls besudeltes, zierliches Messer in der Hand.
"Kannst du nicht anklopfen? Was ist denn?", blaffte ihn der Zwerg an und Boris Blick fiel auf eine ausgeweidete Leiche auf einem Tisch. Hastig schlug er die Tür wieder zu und unterdrückte den Brechreiz, der sich in seiner Kehle bildete.
"D-z-u-b-e-r... Kein Düstergut, Fynn", murmelte der ehemalige Einbrecher erleichtert. Er war also nicht aktenkundig. Doch was wusste die Wache über den Tod des Mädchens? Fynn zog sich den nächsten Karteikasten mit der Aufschrift "Orte O-P" heran.
Bis er die richtige Karte gefunden hatte, verging ebenfalls eine geraume Zeit und langsam fing sein Nacken an zu schmerzen. Danach wanderte er zwischen den Regalen umher, dessen System auch nicht leicht zu durchschauen war. Als er jedoch feststellte, dass es nach Datum sortiert war, hatte er das richtige Regal bald ausfindig gemacht.
Diesen Tag würde er nicht so schnell vergessen. Mit plötzlich zitternden Fingern zog er einen roten Aktendeckel heraus. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals, als er die Aufschrift entzifferte.
Die restlichen Räume waren weniger interessant. Sie offenbarten nicht mehr als leere Zellen und Verhörräume, sowie ein Büro, dessen Spinnweben an der Tür genauso aussahen wie die der Ausbildungsleiterin in der Kröselstraße. Auch hier schien gerade nichts los zu sein, denn nicht mal der Platz des Wachhabenden war besetzt. Schließlich fiel Machtnichts ein, zum Wachetresen zu gehen und dort zu fragen.
"Na, hast du gefunden, was du gesucht hast?" Gänseknecht stand plötzlich hinter ihm und Fynn versuchte erfolglos, die Akte hinter seinem Rücken zu verstecken.
"Was... wo... ich meine, habt ihr was gefunden?", stotterte er.
"Kann ich mal sehen?" Der Werwolf ignorierte den Einwurf und streckte seine Hand aus.
"Das geht dich gar nichts an!"
"Aber ich bin nun mal neugierig. Außerdem schuldest du mir was."
Lauernd umkreisten die Rekruten sich, bis Ilja blitzschnell zufasste und die Akte eroberte. Fynn erstarrte vor Schreck, als der Andere den Deckel zurückschlug. Überraschung bildete sich auf Gänseknechts Gesicht.
"Was wolltest du denn mit einer leeren Akte?"
"Leer? Das kann nicht..." Düstergut unterbrach sich.
"So, wir können loslegen.", erschallte die Stimme von Boris vom Eingang. "Ich habe jede Menge Karteikarten, neue Tinte und zwei Schreibfedern mitgebracht."
Das nahmen die anderen Beiden zum Anlass, ihr stummes Blickduell zu beenden. Ilja stellte die Akte zurück und sie machten sich an die Arbeit.
Als Bergig zurück kam, um zu kontrollieren, dass die Rekruten nicht mehr Chaos angerichtet hatten, als anzunehmen, waren sie schließlich entlassen.
Auf dem Rückweg flüsterte Ilja Fynn zu: "Was ist passiert am 28. Mai im Jahr der Knolle?"
Als sein Kollege nicht antwortete, bohrte er nach: " Die Akte war von einem Einbruch. Warst du der Einbrecher? Du kannst es mir ruhig sagen."
Doch der Nachwuchs-Wächter schüttelte nur den Kopf. Es gab keine Beweise gegen ihn und er würde jetzt nicht so blöd sein und ein Geständnis ablegen. Doch wo waren die Unterlagen, die in dem leeren Aktendeckel gewesen waren? Fynn würde keine Ruhe haben, eher er sie nicht gefunden hatte.
Es sah so aus, als sollte seine Karriere bei der Wache noch nicht so bald beendet sein.
[1] was an dem Wächter lag, nicht am Tor
[2] Wäre er nicht so nervös gewesen und hätte etwas genauer hingesehen, hätte er vielleicht einen Kumpel aus Kindertagen erkannt
[3] und Hunger...
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