Felderfahrung oder Der Mumie letztes Abenteuer

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von Oberfeldwebel Rib (FROG)
Online seit 01. 11. 2010
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Aufgrund des Nachwuchsmangels wird das Werben der Abteilungen um die frisch beförderten Gefreiten stärker...

Dafür vergebene Note: 12

PROLOG: Wunsch ist Wunsch.

Hallo. Ich bin also nun Püschologe... was immer genau das sein mag. Irgendwas von wegen Sich-Einfühlen oder so ein weichgespülter Schmuh. Mitheulen und sich heimlich übergeben, das ist die Devise. Es scheint es so, als würde man von mir drei Dinge erwarten, das aber jederzeit: Rede immer über tragische Kindheiten, hab immer eine faltbare Couch bereit und beende jeden Satz lächelnd mit einem Finde-ich-toll-das-wir-darüber-geredet-haben.
Was Nyvanias Fachbücher angeht, sollten sie genau das tun: In Fächern verrotten.
Naja, bis auf dieses Buch über Phrenologie... darüber also, wie die Kopfform, besonders Mund, Augenpartie und Nase einem Experten verraten, was für ein Wesen im Gegenüber steckt. Wer wie ein Arsch aussieht, ist meist auch einer. Damit kann ich leben. Und mit der Erkenntnis, das eine Beule rechts oben an der Stirn Demut lehrt und etwas tiefer und links gegen Schlaflosigkeit hilft, auch. Gut, ich denke, ich rede darüber mal nicht weiter. Immerhin willst du, mein Kommandant und Ausbilder, das Zeug hier lesen, da sollte ich nicht zu ausfällig werden. Also, ich fange noch einmal an:

Dies hier ist das Protokoll der letzten Tage. Alles, was im Vorfeld geschah, bis zu dem Zeitpunkt, an dem mein Dienstbericht beginnt. Ich erzähle es 'Kommt-Bald-in-den-Müll', meinem Diktierdämon, der Wort für Wort niederschreibt, was ich sage. Nettes kleines Ding, was? AU! Das Ding ist bissig. Darüber reden wir noch, kleiner Mann. Bregs, wenn du das liest, Müll bitte nicht streicheln.
Manche mögen es, wenn Berichte
objektiv niedergeschrieben werden, aber ich glaube an den Wert, den es hat, wenn ein Püschologe dies eben so macht. Und nebenbei ist dies mein Bericht, also Basta.

Gut, wo fängt man an? Was würde ich als Anfang bezeichnen? Ah, ich hab's. Also gut, mal sehen... Drei Tage vorher erschien mir der Abend nicht besonders verlockend. Düstere Wolken hatten den Himmel verhangen und wie eine Mauer verweigerte diese Naturgewalt seit Tagen Mensch und Tier das Kraft spendende Licht. Doch, aller Gewöhnlichkeit des Tages zum Trotz, schien das Wetter in diesem Jahr nach neuen, verrückten Regeln zu spielen. Jetzt im Hochsommer, konnte Platzregen auch das trockenste Wetter ablösen... Selbst Bodenfrost kam manchmal vor. Die Welt schien aus den Fugen zu geraten.
Für die innere Welt einer kleinen Feldwebel-Mumie, ich spreche von mir, traf das schon lange zu.
Ich hockte auf dem Fenstersims einer Kneipe namens Eimer und starrte in die dunkle, unheilschwangere Düsternis. Elendig betrachtete ich die schwarzgrauen Formen und versuchte, ihnen einen Sinn zu entreißen. Ich erinner mich, dass, während ein Steinkrug an der Wand dicht neben mir zerschellte, ich in Beinahetränen versank, anstatt mitzumischen, wie es sich gehört.
'Was beim Seelenkuchen, mache ich hier eigentlich?' fragte ich mich also.
Feldwebel Tut'Wee, Untoter wider willen und Meister vollendeten Selbstmitleids.

Im Ernst, Bregs: Sechs Jahre habe ich da gesessen und geheult wie ein kleines Kind, dem die Süßigkeiten weggenommen wurden. Und alles, was ihr, meine Kollegen, fertig gebracht habt, war Mitleid und Rumgetrösterei. Verstehst du nicht? Trolle und Kobolde funktionieren anders als die Menschen. Ein 'Du-das-macht-mich-echt-teilweise-betroffen-du'-Gelaber funktioniert bei uns nicht. Ein einfacher Satz heißer Ohren, verbunden mit einem Da-drüben-ist-der-Feind... DAS hätte es schon eher gebracht. Aber stattdessen haben alle eine halbe Ewigkeit dort gemeinsam gesessen, den Humpen schamvoll erhoben und dabei Ein Prosit auf meine Betrüblichkeit gesungen.
Oh Mann, selbst die 'Tut-Binden-tragen'-Witze waren damals für mich hilfreicher. Was bin ich froh, das meine Kelda mich SO nicht gesehen hat...

Wo wir gerade dabei sind: An deiner Stelle würde ich auch mal die Flasche aus der Schublade nehmen und wegwerfen. Was du machst, Bregs, ist einfach nicht gesund. Und es löst auch nichts.

Egal, weiter im Text. Beim Thema zu bleiben ist schwerer als man meint. Wo war ich stehen geblieben? Eine der schönsten Kneipenschlägerei war am Gange, die ich je gesehen habe. Allein die Trollzähne, die am Ende des Kampfes auf dem Boden lagen, hätten jedem Juwelier gierigen Schaum vor dem Mund bereitet. Und ich saß nun da und streiche mit dem Finger über die Scheibe. Der leichte Ruß umgestoßener Kerzen und brennender Vorhänge hatte einen Film gebildet, in dem ich prima malen konnte. Ich kritzelte einfach herum, ohne eine Vorstellung davon, was ich eigentlich zeichnen wollte. Das passte gut zu meiner Laune und meinen Zielen: Ich hatte nämlich überhaupt keine Vorstellung davon, wohin es gehen sollte. Nur anders sollte es werden. Ich wollte ein Bild von mir zeichnen. Ein neues Bild.
Ich seufzte, tat so, als wäre das nur eine Angewohnheit aus sterblichen Zeiten und nicht eine Aufforderung an meine Umgebung, mit dem Armebrechen aufzuhören und mir eine weitere Runde meinem Selbstmitleid Gesellschaft zu leisten. Dummerweise hörte niemand auf mich, denn alle hatten weiterhin ihren Spaß.
Also senkte ich den Arm und zog damit eine vierfache Linie durch alles, was immer noch zu zeichnen war. Keine Zukunft. Würmer, die man halbiert hatte, wurden nicht wieder ganz, egal, was viele Leute glaubten. Sie starben einfach. Ich, Tut, war ein solcher Wurm und meine Umgebung schien das nach nur sechs Jahren nicht mehr ausreichend zu würdigen.
Nun die Krönung des Laienspiels: Ich lehnte mich mit dem Kopf an das Glas, dessen Berührung sich kühl durch den Stoff anfühlte. Kälte hat etwas Beruhigendes für Untote. Tiefgekühlt hält sich totes Fleisch länger. Plötzlich wurde ich leicht durchgeschüttelt, weil jemand auf den Fenstersims klopfte. Ich hob den Kopf, erfreut. Es war Kanndra. Die FROGs hatten anscheinend dem Spaß hier einen Dämpfer erteilt und jene, die noch genügend Arme oder Beine dafür zur Verfügungung hatten, dazu ermuntert, nach Hause zu kriechen. Wieder wich etwas Frohsinn aus dieser Welt.
Ich weiß nicht mehr, was genau sie ihnen gesagt hat, aber die Kollegen, die nur auf Bereitschaft gewesen waren, luden mich nun ein, ihnen an einem der wenigen noch heilen Tischen Gesellschaft zu leisten. Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps. Manchmal war Wachesolidarität und Masochismus eben doch ein- und dasselbe.
Ich zog was man Augenbrauen unter den Binden erkennen konnte zusammen und schulterte den Ring, auf dem ich gesessen hatte.
Ein kurzer weiterer Seufzer, der die ganze Last meines Unlebens ausdrücken sollte. Immerhin konnte ihnen ja der letzte entgangen sein.
Dann hüpfte ich vom Sims unter Ausnutzung der ganzen Gummischicht in meinen Binden direkt zum Tisch der anderen.
Ich sah durch die Runde. Stefan war da, zumindest vermutete ich irgendein menschliches Wesen unter dem Muskelberg, der auf seinen Namen hörte. Kanndra, die mich eingeladen hatte, hatte noch ein mir kaum bekanntes Gesicht zum bleiben verdonnert: Norti, einen geradezu riesigem Kinn- und Zirbelschnauzbart. Wie nicht anders zu erwarten, sah auch eben dieser Zwerg mich, oder besser gesagt, meine Schulter an.
"Was ist das?" fragte er mich und deutete auf den Ring.
"Weiß noch nicht", antwortete ich. "Er ist verzaubert. Hab ihn erst einmal zur Untersuchung aus der Asservatenkammer mitgenommen."
"Hierher?"
"Naja, vielleicht wär's mir ja in der Anwesenheit von etwas Flüssigem eingefallen."
"Als Untoter?"
'Prima.' dachte ich. 'Erinnere mich noch daran, das ich mich nicht betäuben kann.'
Zugeben wollte ich nicht, dass mir die Regeln langsam egal geworden waren. Stattdessen sprach ich, mehr durch die Zähne zischend: "ICH bin der Experte für Magik, oder?"
Niemand antworte, statt dessen wurde der Ring betrachtet, den ich hoch reichte. Golden leuchtete er zwischen seinen Fingern, als Norti eine noch undeutliche Gravur freiwischte und -kratzte. Irgendetwas stand auf dem Ring, versteckt unter einem Dreckfleck. Ich gab mich rassebedingt und gewohnheitsmäßig keiner Hoffnung hin. Wahrscheinlich zeigte sich die Inschrift erst deutlich im Schein vieler rußiger Kerzen. Und selbst dann höchstwahrscheinlich nur in Elbisch oder irgendeiner anderen verfluchten Dreckssprache.
Stefan fragte: "Ein Ehering? Wie magisch sein?"
Norti putzte weiter, fast schon etwas abwesend. Es war wirklich ein schöner Ring, er wirkte wie ein Versprechen, das sich erfüllen würde. Wahrscheinlich würde etwas draufstehen mit Jemanden-finden oder ewig-zu-binden. Irgend so ein Trauspruch halt.
"Sie wünschen?" Ein Ober schien wie aus dem Nichts plötzlich neben uns Wächtern zu stehen. Eine Spur von oktarinem Glühen, von Magie, umgab ihn.
"Ich will einen Gin." murmelte Kanndra.
Meine Edelsteinaugen wanderten an den anwesenden Menschen entlang, bis sich mein Blick mit dem des Obers kreuzte.
"Sehr wohl." meinte dieser ein Spur zu freundlich. Dann drehte er sich um und ging in Richtung Theke.
Spitzhackenschwinger Norti hatte inzwischen sich einen Stofffetzen besorgt und putzte weiter. Ich begann mich zu fragen, wieviel Gewalt wohl nötig sei würde, einem typischem Zwerg einen Ring aus Gold abzunehmen. Norti legte den Stofffetzen beiseite und riss heimlich einen neuen von seinem Hemd ab.
Aber endlich war die Schrift lesbar.
"ALBRECHT UND SOHN: WÜNSCHE FÜR DEN KLEINEN GELDBEUTEL." las er vor. "Ein Wunschring also. Solche Dinger aktivierte man durch Reibu... "
Er stockte... Und auch ich ging blitzschnell in Gedanken die letzten Sekunden durch. Seit wann gab es im Eimer überhaupt gutgekleidete Ober? Gedanken huschten wie Blitze, bis sie auf ein unliebsames Ziel trafen.
"Oh, verdammt." murmelte Kanndra, die zu einem sehr ähnlichen Ergebnis gekommen war.
Es gab ein puffendes Geräusch um mich herum, etwas grüner, nach Schwefel stinkender Rauch lag in der Luft. Als der Dunst sich verzog, war der Platz, was ich gestanden hatte, gnumienleer. Ich selbst lag aber immer noch da.

In der eigenen Kotze aufwachen, ist nie angenehm. Aber für uns Untote ist es schlimmer als für andere Wesen, denn wir wissen, das es nicht unsere eigene Kotze sein kann. Mein Magen liegt in einer Kanope, irgendwo auf der Welt, zusammen hoffentlich mit dem ganzen anderen Rest. Mir wurde jedenfalls übel bei dem Gedanken und ich wischte mir die Lippen ab. Vielleicht sollte ich zumindest die Luft anhalten, dachte ich bei mir, bevor ich anfangen würde, etwas davon zu verschlucken. Blau anlaufen konnte ich ja nicht. Langsam begann ich meine Umgebung besser wahrzunehmen, schwaches oktarines Zischen erfüllt die Luft. Irgendwas stimmte hier nicht. Da, wo früher einmal die Lunge in diesem Mumienkörper sich befunden hatte, fing etwas an, wie Feuer zu brennen. Kleine Lichter brannten vor meinen Augen. Mein Denken fiel mir immer schwerer. Es ging um irgendetwas mit einer Farbe. Und Lippen. Blau. Ich schaute auf meinen Arm. Blau. Dann kam die Schwärze zurück. Und plötzlich sah ich nichts mehr.
Als ich wieder aufwachte, stellte ich fest, das es Schlimmeres gab als in fremder Kotze zu erwachen. Zum Beispiel ein zweites Mal in der gleichen Lache die Besinnung wieder zu erlangen. Was es nicht besser machte, eine Frau fischte mich aus dieser Suppe und schüttelte mich.
"Atme" brüllte Kanndra mich an. "Atme endlich, du Idiot."
Was mir sehr widersinnig vor kam. So als Mumie und Exkobold. Blaue Lippen kicherten über einen eigenen Witz und verschluckten sich an der unappetitlichen Brühe, die immer noch in meinem Mund ihr Stelldichein gab. Ich hustete und spuckte, das mir die Luft wegblieb. Dabei starrte ich entsetzt auf meinen Arm. Er war blau. Richtig blau. Es war Rib's Arm, nicht Tut's. Rib's.
Ich schrie vor Schreck auf und lies meine Augen wandern:. Hände, Arme, Schulter, Brust; Bauch, Unterleib, Beine... Füße: Alles koboldisch blau und bindenlos.
"Ich kann meinen Bauchnabel sehen..." murmelte ich. Und aus irgendeinem seltsamen Grund war ich sehr stolz darauf.
Kanndra war wie erstarrt, aber Norti meldete sich zu Wort: "Äh, ja. Wir auch. Und nicht nur das."
Ich blickte herab. Es stimmte. ALLE Binden waren verschwunden. Auch an den Stellen, an denen ich gerne noch angezogen gewesen wäre.
"Oh..."
Von Magie hatte ich in dem Moment so richtig die Nase voll.

Einige Wochen später saß ich in dem, was ich das "Klassenzimmer" nenne. Wie gesagt, der Magieforschung habe ich den Rücken gekehrt, statt dessen tummle ich ich in der Püschologie herum. Das eine brachte mich um meinen Körper, jetzt scheint mein Verstand an der Reihe zu sein.
'Super.' dachte ich bei mir. 'Da büffle ich wochenlang herum und nun das. Ein Referat halten. Was soll ich denen erzählen? Ein Schlag, drei Finger über der Nasenwurzel getroffen, hilft gegen Schlafstörungen und Eifersucht. Das versteh ich, macht Sinn. Aber das meiste ist dennoch "Ich-hatte-es-als-Kind so schlecht"-Bla-Bla. Wenn man den Püschobüchern glauben mag, verbringt der Großteil der Leute ihre Kindheit damit, sich Sex mit ihrer Kelda vorzustellen oder auf die Geschlechtsteile der jeweils anderen nicht scharf, sondern neidisch zu sein. Widerlich. Wo wir gerade bei widerlich sind...'
Ich kletterte auf das Pult und rief die Rekruten zur Ordnung: "Ruhe mal hier! So, die Pause ist vorbei, wir widmen uns wieder unserem Thema. Nachdem die anderen Abteilungen nun bei euch gewesen sind, nur um euch zu erzählen, warum ausgerechnet sie selbst die Beste sind und warum ihr ausgerechnet zu ihnen kommen soll, bin ich nun also an der Reihe.
Vergesst es. Ich werd's nicht tun. Und das liegt nicht nur daran, dass ich keinen Bock habe. Was zugegebenermaßen stimmt. Sondern einfach, weil es falsch wäre, so zu tun, als wäre das der Fall.
Alle Abteilungen sind wichtig. Ohne SEALS-Patrouillen würden sich die Schatten, Haus um Haus, weiter ausdehnen. Alle Geschäfte würden an Knurblich und ähnliche Kreaturen zahlen... oder abbrennen. Wo auch immer es keine Gilde für gibt, SEALS ist der Wächter an der Grenze.
DOG und RUM markieren die anderen Seite, sie ermitteln dort, wo die Gilden es tun müssten, aber es aus dem einen oder anderen Grund zu uninteressant finden. Und die innere bewacht uns.
Das wars. Mehr Gesetzeshüter haben wir nicht. Und sie alle mögen 'Wir brauchen mehr Leute' schreien, ich werde es nicht tun. Von mir aus könnt ihr wieder gehen."
Die Rekruten fingen an, ihre Sachen einzupacken. Ich wartete ab. Wo war die Hand? Ah...ja. Dort zuckte sie, wie fremdgesteuert empor: "DOG, SEALS, IA und RUM? Warum nehmen Sie SUSI und FROG heraus?"
Die Gruppe stöhnte. Immer gab es jemanden, der einem die frühe Freizeit verdarb. Ich grinste. Auch das zu wissen, war Püschologie.
"Gute Frage", sagte er und meinte damit, dass er sie leicht beantworten konnte. "Wir ermitteln nicht. SUSI zum Beispiel wertet die Beweise aus. War's das?"
Erneutes fröhliches Blätterrascheln.
Aber der Frager war noch nicht fertig: "Und FROG?"
"Wir?" fragte ich rhetorisch, als ob ich mit der Frage nicht gerechnet hätte. Schnell schaute ich über meine Schulter. Seine AL wäre nicht begeistert von meiner Antwort, wie sie jetzt kommen würde, da war ich mir sicher:"Wir ermitteln ebenfalls nicht. Wir sind Krieger, wir suchen nicht nach anderer Leute Schmutz."
Ich lächelte weiter und dachte darüber nach, wie ich es besser formulieren sollte: "Solche Fragen wie 'Kann jemand bezeugen, dass sie auf der Toilette waren' sind nicht unser Stil. Auch irgendwelche 'am-Fenster-hockenden-Klatschbasen' sind nicht unser Ding. Euer etwa? Schaut euch doch mal um! Die halbe Welt geilt sich daran auf dort hinzuschauen, wo die andere Hälfte untergeht. Was glaubt ihr, wie Zeitungen sich verkaufen? Und wenn diese Spanner noch lächelnd dabei erzählen können, was für gute Menschen sie seien, weil es ihn so leid tut, was passiert ist... dann möchten sie, nachdem die Wächter mit ihren Notizblöcken weiter gezogen sind, noch eine Zigarette rauchen und etwas kuscheln. Vergesst es. Solche Dinge mache ich nicht mit, jedenfalls nicht ohne Ganzkörperkondom.
Nein, ebenso wie die Labormäuse sind wir FROGS nur da, wenn man uns braucht. Wir sind das Schwert der Wachen... oder meistens eher eine Art Armbrust. Wir schmeißen uns hinein, wenn es für die anderen Abteilungen zu gefährlich zu sein scheint, egal ob zwischen Politiker und Attentäter, zwischen Bankräuber und Geisel, zwischen Mob und Randgruppe. Wenn ein irgendein Edelstein von irgendeinem adeligen Kissen geklaut werden soll, wer steht wohl da und wartet auf die Klingen der Verbrecher? Es werden FROGS sein, und der Patrizier selbst befiehlt es so.
Klar, meist werden wir nicht so alt wie andere Wächter, aber welcher Krieger will das schon?
Es gibt nur eines was wir wollen, wenn wir Schulter an Schulter das Gefährlichste bekämpfen, was AM's Unterwelt zu bieten hat: Wir wollen wissen, das einmal ein FROG immer ein FROG bedeutet. Wir lassen keinen hängen. Wir lassen keinen zurück."
"Aber..." Der Rekrut schien nicht so überzeugt.
Ich schüttelte den Kopf, um die Frage abzuwürgen. Theorie hatte hier wenig Sinn. Was ein FROG sein bedeutete, würde diese Jungspunde nur in der Praxis verstehen können. Ich nahm die winzige Marke, die ich um den Hals trug ab und hielt sie vor mich.
"Vielleicht sollte ich euch eine Geschichte erzählen: Warum es notwendig ist, seine Marke blitzblank zu halten wie diese. Seht ihr wie sie funkelt?"
Ich hielt sie den Zuhörern entgegen. Sie pendelte leicht durch diese Bewegung und glitzerte. Sie glitzerte. Und machte müde, so müde.


AKT 1: Mitten drin statt nur dabei.

Kanndra stürzte sich in den Raum, was ihr einen wütenden Blick von Rib einbrachte. Er hasste Störungen. Verwirrt betrachtete sie die leeren Augen der Rekruten.
"Was machst du da?" fragte sie.
"Äh..."
"Ist auch egal... Ich brauche die Rekruten. Los geht's! In fünf Minuten vor dem Haus. Hopp-hopp, es eilt. Und nehmt Waffen mit."
Rib schnippte mit dem Fingern und alle Blicke wurden klar. Schade, er hätte sie so gern in Trance gesetzt und ihnen einen Einsatz vorgegaukelt. Es wäre eine gute Möglichkeit gewesen, ihnen das Gefühl ein FROG zu sein zu geben, ohne sie zu gefährden. Egal.
Der Kobold nickte. Endlich durften die Bücher zusammengeklappt werden.

Fünfzehn Minuten sollten alle Rekruten um den Pseudopolisplatz in Stellung gebracht sein.
Kühn, Jeko und Düstergut im Norden. Nuskat, Hayabusa und Roth westlich. Katana, Gräulbart und Ranjan östlich. Apatit, Nasrael und Physalis zogen in den Nachbarstraßen Streife. Der Rest hielt hier die Stellung. Was immer aus diesem Wachehaus herauskommen würde, es musste gestoppt werden.
Des Platz sah aus wie ein Schlachtfeld: Leichen wohin man sah. Frauen, Männer, Kinder... was noch nicht tot war, würde bald folgen. Und die Sanitäter, die sich getraut hatten, lagen längst unter ihnen. Der erste Schuss in die Menge war der Schlimmste gewesen, nicht nur wegen der Panik, die weitere totgetrampelte Opfer gekostet hatte. Kanndra fragte sich immer noch, wer wohl die MUT bedient hatte.

Auf dem Dach westlich Gebäudes wurde bei einer Blendlaterne ein kleiner Schlitz geöffnet, ein Punkt aus Licht leuchtete die nasse Straße entlang, den versteckten Wächtern entgegen.
"Vollzug! Sie sind alle an ihren Posten." rief Weon, der als provisorischer KommEx funktionierte, vom Dach eines anderen Hauses herunter. Er hatte sich zusätzlich versichert, dass alle in guter Deckung sich befanden. Was ihnen als 'Gegner' gegenüberstand, war mehr als gefährlich.
Weon mochte kein so guter Kämpfer sein, aber denken konnte er. Im Moment dachte er daran, ob Om wohl mit ihnen war... oder ob er sie verlassen hatte.
Kanndra nickte, ihr war bewusst, das nur ihre Erreichbarkeit hier vor Ort eine Panik unter den Rekruten verhinderte.
Also würden diese Fünf den schwersten Job haben.
"Ilja, Aaron, Turgrimm, Ron und Ragnar... Ragnar?" Sie betrachtete den letztgenannten Zwerg genauer. Er war blass um die Nase, weil man gleich das Haus wohl stürmen würde. Kämpfe machten ihm nichts aus... aber das verfluchte Ding hatte mehrere Stockwerke. Hohe Stockwerke.
Kanndra fragte sich, ob ihre Wahl wirklich so klug war, wie sie dachte. Immerhin mussten diese Rekruten allein zurechtkommen... oder fast allein. Kanndra seufzte.
"Rib?"
Salutierend stand der Kobold vor ihr. Salutieren kann nie falsch sein.
"Ich wünsche, dass du mit den Rekruten hier das Haus stürmst. Ich weiss, das es nicht einfach ist, aber jemand muss da rein."
Rib zuckte zusammen. Es war ihr WUNSCH. Nun endlich begriff er, warum der Ring ihn wieder sterblich gemacht hatte. Und wie er es getan hatte. Leider nur ein klein wenig zu spät.
"Wie viel Verlust ist akzeptabel?" fragte er monoton.
Kanndra sah ihn an: "Am liebsten wäre es mir, wenn alle durchkommen. Hör mal, Rib, ich weiß, als Püschologe bist du der einzige Nichtkämpfer bei FROG, aber wir brauchen jetzt jeden Ma..."
Der Kobold hatte seine Ausbilderin verwirrt angestarrt, dann zuckte er mit den Schultern und rannte mitten in ihrem Satz los. Warum einen WUNSCH erklären?
Kanndra beobachtete, wie das kleine Wesen über den Marktplatz schlich, indem es kleinere Müllhaufen und Löcher, die durch fehlendes Pflasterstein entstanden waren, als Sichtschutz nutzte.
"Hört selten zu und stürmt gleich los." murmelte die Abteilungsleiterin. "Kein Zweifel... Rib ist zurück."
Der Kobold hielt an einem Gewürzstand, der eher explodiert als zerschossen aussah. Er durchsuchte die Waren bis er zwei Töpfe entdeckte, die er zerschlug und ihr weißes Pulver mischte und in einen Beutel füllte, in den er noch ein kleines Loch schnitt. An das, was herausrieselte, hielt er eins der glimmenden Holzstückchen die hier überall herumlagen.
'Stimmt ja", dachte sich die AL, 'er war mal GiGa.'
Es geht los." übersetzte Kanndra. Sie nickte ihrem Quasi-Kommunikationsexperten zu. Weon ließ die Taube fliegen, die hoch in den Lüften einen Kreis um das Gebäude ziehen würde. Zufällige Beobachter würden darin nur eine der unzähligen Flugratten Ankh-Morporks sehen, aber die Rekruten hätten mehr als eine Ahnung, was nun zu tun sein würde. Hoffentlich nur sie.
Ragnar stand neben der Abteilungsleiterin, zog seinen Hammer und lächelte ausnahmsweise.
Turgrim schüttelte den Kopf: "Das ist sowieso nur Getue. Rekruten ein Gebäude stürmen lassen?"
Trotzdem packte er seine Axt fester. Rib rannte los, eine brennende, stark rauchende Spur hinter sich lassend. Ilja knurrte angespannt. Innerlich stimmte er Turgrim zu. Das hier war eindeutig zu groß. Dennoch roch der Werwolf frisches Blut auf diesem Platz. Viel frisches Blut.
"Los jetzt." rief Kanndra.
Die fünf rannten los.
Auch Rib rannte weiter, Nebel und Rauch hinter sich her ziehend. Das Geräusch von sich plötzlich entspannenden Bogensehnen lag plötzlich in der Luft. Er ließ sich zur Seite fallen. Einem Pfeil entkam er. Dem zweiten nicht. Ein menschlicher Pfeil, bemerkte er, durchbohrte einen Gnomenoberkörper nicht nur... Er ersetzte ihn zum großen Teil.
Mit letzter Kraft warf der Kobold die Tasche an die Wand. Die Rauchlinie musste beendet werden. Es war ihr WUNSCH gewesen, welche Wahl hatte er gehabt? Er betrachtete seine blauen Hände an denen das Blut nur so herunterlief. Die Person da oben, sie war immer schon eine gute Schützin gewesen.
"Blöder, schwerhöriger Ring." murmelte er als letztes. "Sie sagte Gin, nicht Dschinn."
Dann starb er.
"Nur Getue, was?" rief Ilja im Rennen. "Verdammt."
QUIEK. machte eine verhüllte Gestalt in Rib Nähe. Es klang wie eine zuschnappende Mausefalle.
"Was soll das heißen, du bist für mich zuständig?"
QUIEEK.
"Wie, ich bin kleine feige Ratte? Komm du nur näher..."
Und die Stimmen verschwanden langsam im Nichts.


AKT 2: Leidenschaft ist eine Leidenschaft

Die Fünf hatten es bis zum Wachetresen geschafft. Eine Leiche lag mitten im Raum.
"Mauerblume." flüsterte Ron. "Er hatte Dienst."
Vorsichtig legte er Rib daneben und strich sich über den Bart.
Was für ein Wahnsinn... Und er als werdender Vater mitten darin.
Beide Leichen waren durch Pfeile getötet worden.
'Tötet hier jemand gezielt Wächter?' fragte er sich. 'Und wenn ja, kennt er meinen Beruf?'
Ron blickte Ilja fragend an. Dessen Werwolfsnase nahm immer mehr wahr als andere.
Ilja nickte: "Aus dem Keller strömt noch mehr Todesgeruch."
"Kunststück." meinte Aaron. "Dort ist die Gerichtsmedizin."
Sein gebückter Gang wirkte plötzlich gar nicht so unpassend.
"Nein." Ilja schüttelte den Kopf. "Frischer. Und viele Tote. Sehr viele Tote."
"Sind da unten nicht die Schlafräume?"
Ilja nickte betroffen. Ihm war fast schlecht geworden von all dem Geruch.
Angst, Blut, Schweiß... und irgendetwas anderes, nach Alchemie stinkendes.
Der Werwolf glaubte nicht, das er nochmal die Kraft und den Mut haben würde, sich zu verwandeln, sich diesem Dunst zu stellen. Ein Schrei aus oberen Stockwerken holte Ilja zurück in die Gegenwart.
"Ron, du bleibst hier und deckst den Rückzug. Was immer auch ist, sorge dafür, das wir auch wieder heil herauskommen. Turgrim, Was ist mit dem Gesprächszimmer?"
"Gesichert!"
Ilja übernahm, wie in anderen gefährlichen Situationen auch, fast instinktiv die Leitung seines 'Rudels'.
"Gut, Ron. Wir verlassen uns auf dich. Was immer hier ist und Wächter tötet, es will vielleicht noch mehr. Packt mal mit an!"
Gemeinsam kippten sie den Tresen.
"So", fuhr Ilja fort, "mit dieser Barrikade hast du einen perfekten Schutz. Von Hinten kann keiner kommen, alles was du zu tun hast, ist die Treppe und den Gang sicher zu halten. Sicher. Hast du verstanden?"
Ron nickte.
"Gut, der Rest kommt mit mir. Was immer los ist, wir finden es heraus."
Vorsichtig betraten sie die Stufen. Ilja und Aaron gingen voraus, die Armbrüste immer nach oben gerichtet, Turgrim mit seiner Axt und Ragnar mit seinem Hammer sicherten nach unten. Auch wenn Ron ihnen den Rücken deckte, wollte man lieber kein Risiko eingehen. Und ab hier, dem ersten Stock würde es man sowieso Räume mit potentiellen Feinden im Rücken wissen.
Die Stufen zu dieser Etage waren geschafft. Ilja hatte keine Ahnung, woher der Schrei gekommen war, also hieß es seiner Nase nach zu folgen. Aber genau das hatte der Werwolf vermeiden wollen. Alles schien hier nach Tod zu stinken.
"Wohin jetzt? Rechts oder links?" wisperte Aaron ihm zu.
"Rechts. Was immer hier passiert ist, es hat was mit den Labor zu tun... Denke ich."
Vorsichtig bewegten sie sich die zwei Meter nach rechts.
"Gut." meinte Ilja. "Turgrim macht auf, ich sicher ihn, den Nahkämpfer."
"Hmpf" Turgrim war von der Idee nicht so ganz begeistert.
Vorsichtig drückte er die Klinke herunter.
Wer, fragte der Zwerg sich, hatte Ilja das Kommando übergeben?
'Vermutlich ich selbst.' war eine stille Antwort in ihm.
Vorsichtig blickte er durch den Spalt.
Das FROG-Labor. Und jemand mischte etwas dort, genau in diesem Moment, zusammen. In einem Raum, in dem Gifte lagerten. Es klang nach mehr als einer Stimme.
Turgrim fluchte still.
"Was ist?" fragte Ilja leise.
"Nicht so schüchtern, meine Herren." rief es aus dem Raum heraus. "Kommen Sie doch herein."
'Wer immer da spricht', dachte sich Ilja, 'Ich kenne die Stimme.'
Und er gab Aaron das Zeichen die Tür zu öffnen.

Währenddessen hockte Ron Wanderdüne hinter dem umgekippten Tresen und machte sich Sorgen, wie es wohl den anderen erging. Er kam nicht auf den Gedanken, das er selbst alleine war. Zumindest solange nicht, bis er einen Schatten im Gang sah.
"Hallo?" sagte er, laut genug, das die Gestalt, wer immer es sein mochte, ihn hören würde, aber hoffentlich leise genug, um keine weiteren Personen anzulocken. "Wer ist da?"
Ron duckte sich etwas mehr und legte die Armbrust in Anschlag. Ein allgemeines Codewort wäre nicht schlecht gewesen.
"Reg dich ab." erklang eine vertraute Stimme. "Ich bin es nur."
Ron blinzelte. Das hörte sich nach seinem Namensvetter, Ron Kleinschuh an. Die beiden Rons hatten sich auf einer seiner Touren durch die Kneipen kennen und schätzen gelernt. Eine frische, aber dennoch feste Freundschaft verband Rekrut und FROG-Neuzugang.
Wanderdüne stand auf.
"Runter, verdammt noch mal." zischte Kleinschuh. "Willst du dich zur Zielscheibe machen?"
Etwas ungelenk, fast stolpernd ging der FROG den Gang entlang. Er war verletzt, deutlich war eine tiefe Schwertwunde in seiner rechten Schulter zu sehen. Blut lief den Arm herunter, die Hand entlang, und tropfte kleine Messerklinge entlang, die fast krampfhaft ängstlich gehalten wurde. Als der Rekrut, um seinem Freund zu helfen, erneut aufstehen wollte, zog Kleinschuh seine Augenbrauen zusammen.
'Wenn du dich meinetwegen in Gefahr begibst', sagten diese Augenbrauen, 'haben wir ein echtes Problem.'
Wanderdüne duckte sich wieder tiefer. Sein Freund war ein FROG. Er würde schon wissen, welche Verletzung Hilfe brauchte und welche nicht, beruhigte er sich. Aber es dauerte eine Ewigkeit, bis Kleinschuh sich zu ihm geschleppt hatte. Der Atem des Gefreiten ging schleppend.
"Geht es?" fragte Wanderdüne, nicht sicher, ob er die Antwort hören wollte.
"Es geht." flüsterte es zurück.
"Na klar. Als ob du mir jetzt die Wahrheit sagen würdest."
Der FROG lächelte, zuckte aber kurz vor Schmerz zusammen. Stoßweise kam das Blut aus der Wunde, mehr als Wanderdüne für gesund hielt. Aber es würde keinen Sinn machen, darüber zu reden. Der Rekrut riss einen Ärmel ab, um einen provisorischen Verband zu machen.
Richtig fest sollte er sein, hatte Wanderdüne gehört. Und der Patient durfte angeblich nicht einschlafen.
"Und, weißt du, was hier los ist?" fragte er deshalb Kleinschuh.
Der zuckte mit den Schultern, was eine neue Welle des Schmerzes durch dessen Körper schickte. Der Rekrut sah, das sie beide wussten, das dem FROG kaum Zeit mehr blieb.
"Scheiß auf den Befehl. Ich bring dich hier raus." murmelte er.
"Nein." widersprach der Verletzte. "Du mußt hierbleiben. Bring deine Kollegen nie in Gefahr."
Der FROG deutete über die Tresenbarrikade: "Irgendwelche Irren ziehen hier im Haus umher und bringen alle um. Ihr müsst sie aufhalten."
Wanderdüne wagte einen Blick über den Tresen. Ein paar Minuten hatte er jetzt nicht mehr über das Holz geschaut. Was war, wenn jemand während dessen sich in den Rücken der Anderen geschlichen hatte?
"Weißt du, wo sie sind?" flüsterte er.
"Einer hockt hinter dir."
Und dann spürte der Gefreite das FROG-Messer im Rücken, durch die Rippe direkt in sein Herz. Die Welt wurde schwarz um ihn und er müde. Sehr müde.

Tyros lächelte ein Stockwerk darüber, im FROG-Labor, die vier Rekruten an. Neben dem Alchemisten stand Nyvania, die aktive Püschologin der FROGS. Beide lächelten sich an. Vor ihnen stand eine Reihe von Reagenzgläsern, von Nummer eins bis vierzehn beschriftet. Nummer dreizehn fehlte.
'Kommt herein.' meinte Nyv.
Tyros nickte: "Es gibt viel zusehen."
Vorsichtig begaben sich die vier hinein. Irgendetwas stimmte nicht, durchzog es Aaron. Wie konnten die beiden nur so fröhlich sein? Sein fast ständiges, gezwungenes Lächeln hatte ihn schon lange verlassen.
"Haltet die Waffen aufrecht." murmelte er zu seinen Mitrekruten.
Ilja nickte.
"Was ist hier los?" fragte der Werwolf.
"Er fragt was los ist." wiederholte Tyros.
"Jaja." bestätigte Nyv. Ihre Stimme klang ungewöhnlich klar, fast singend.
"Sollen wir es ihm sagen?"
"Jaja." Nyvs Aufmerksamkeitsspanne schien erschöpft, sie fing an mit Reagenzglas Sieben-A zu spielen. "Feines Ding, nicht so schön wie Nummer dreizehn, aber auch schön."
Aaron merkte, das seine Hand zu zittern begann. Hoffentlich löste er nicht aus Versehen einen Schuss aus. Er nahm den Finger vom Abzug, ohne jedoch aufzuhören Tyros anzuzielen.
"Bitte." meinte er. Anscheinend schienen die beiden es zu erwarten.
"Tja", meinte Nyv."Eigentlich wollten wir eine neue Alchemikalie zur Beruhigung erfinden, so gemeinsam, wir zwei."
Ihr singender Klang begann an den Nerven der Rekruten zu ziehen. So redeten Wasserspeier nicht.
Sie reichte Tyros die Nummer Sieben-A, der fortfuhr.
"Oh, beruhigend war es." meinte er.
"Unbedingt." meinte sie. "Und das wollten wir mal den anderen zeigen."
Beide nickten unisolo, wie Marionetten an der Schnur.
"Ein FROG nutzt nicht im Einsatz, was er nicht als ungefährlich ausprobiert hat." sprachen beide zusammen.
"Ungefährlich war es." fuhr Tyros.
Nyv grinste: "Für uns."
"Gab nur andere Nebenwirkungen."
"Nebenwirkungen?" fragte Ilja. Ihm war nun klar, was passiert war.
"Lust zu spielen." antworte wieder der zweistimmige Chor.
Und dann ließ Tyros das Reagenzglas fallen. Aaron schoss, wenngleich zu spät.
Turgrim, der mit Ragnar weiter hinten stand riss diesen schnell noch weiter zurück.
Aus den Augenwinkeln bekamen beide mit wie Ilja und Aaron sich an die Kehle griffen und zusammenbrachen, schnell schlossen sie Tür und verriegelten sie. Nun waren sie nur noch zu zweit, der Rest. Mehr war nicht da. Es ging nicht mehr darum, irgendwelche Verbrecher aufzuhalten. Es ging nur ums nackte Überleben, um das Herauskommen aus dieser Todesfalle. Kanndra musste gewarnt werden. Von unten kam ein gurgelnder Schrei.
"Die Rutschstange." murmelte Ragnar.
Turgrim nickte. Es war ihre einzige Chance.
Sie drehten sich um und blickten in gespannte Armbrüste. Valdimier lächelte sein Lächeln über die Armbrust hinweg. Auch Carisa neben ihm schien nicht unerfreut.
"Was machen wir mit ihnen?" fragte Stefan, der die dritte Armbrust hielt.
Erschreckt versuchten Turgrim und Ragnar die drei einzuschätzen. Als sich im Schatten noch eine Person regte.
"Tot sind sie mir am liebsten" kam die Stimme von Bregs auf. "Aber noch nicht sofort."
Das Letzte, was die beiden Rekruten sahen, war jeweils der Kolben einer Armbrust, der ihrer Stirn entgegen gerast kam. Es wurde Nacht um sie.

Sie hatten keine Ahnung, wie viel Zeit vergangen war. Oder welcher Abstellraum dies war. Sie wussten nur, sie waren allein und gefesselt, mit Knoten, wie nur ein Profi sie kann. Und bald würden ihre Mörder zurückkommen und das Werk vollenden. Die beiden sahen sich an. Es war aus, vorbei. Sie waren umzingelt. Und doch war es gut gewesen, sein Leben einzusetzen für seine Mitmenschen. Ron hatte so oft über seinen 'Stammhalter' gesprochen. Ron Junior konnte nur in einer sicheren Welt aufwachsen, wenn es Männer gab, die sie verteidigten. Wächter, die in gefährlichen Einsätzen notfalls auch ihr leben ließen.
'Wir fünf mögen keine FROGs gewesen sein.' zog es durch Ragnar Hirn. 'Aber wir waren so dicht daran, das es keine Rolle mehr spielt.'
Einmal ein FROG, immer ein FROG, so lautete deren Wahlspruch, was immer auch aus diesen Wächtern geworden war. Aaron stockte kurz. Ob es einen ähnlichen Spruch auch für Gefreite gab?
Er betrachtet die Lippen seines Kollegen, voll und rund.
'Was würde ich tun, wenn dies mein letzter Tag wäre?' fragte sich Aaron.
Die Abendsonne hüllte den Raum in ein goldenes Licht und von irgendwoher vermeinte der Zwerg eine romantische Melodie zu hören. Langsam beugte er sich vor, die Lippen gespitzt.


EPILOG: Was nicht ist, kann ja noch werden.

Kanndra stürzte sich in den Raum, was ihr einen wütenden Blick von mir einbrachte. Ich hasse Störungen. Verwirrt betrachtete sie die leeren Augen der Rekruten. Aaron, Ilja und Ron schliefen sogar, teils mit leisem Geschnarche.
"Was machst du da?" fragte sie mich. Als ob das nicht offensichtlich gewesen wäre. Jedenfalls, irgendwie kam mir die Frage bekannt vor. Ich hab in dem Moment nur gehofft, das sie uns jetzt nicht vor das andere Wachehaus befahl. Ich hasse nämlich Armbrustbolzen.
"Äh... ich dachte, das wäre ein tolles Ende und so. Liebesszene, tolle Kulisse etc. Und naja, es waren nur die beiden Zwerge über."
"RIB!"
"Schon gut, sie haben ja nicht. Ich kam ja nicht dazu. Außerdem ist es nur eine Geschichte, keiner hat sich hier auch nur einen Finger weit gerührt."
"Rib, was machst du hier?"
Der Kobold grinste: "Ich hab sie in Trance gesetzt und ihnen einen Einsatz vorgegaukelt. Ich dachte, es wäre eine gute Möglichkeit gewesen, ihnen das Gefühl ein FROG zu sein zu geben, ohne sie zu gefährden."
"Ich wüsche, das das sofort aufhört. Und mit Bregs wirst du auch davon erzählen müssen."
Ein WUNSCH. Rib seufzte und zählte laut bis Zehn und schnippte mit dann mit dem Fingern. Alle Blicke wurden wieder klar.
"Rib", meinte Kanndra, "es gehört sich nicht, Leute ungefragt zu hypnotisieren. Und davon abgesehen, sollte selbst dann es nur ein ausgebildeter Püschologe tun."
Der Kobold hatte wieder nur halb hingehört.
"Die Ausbildung beenden, wie?" fragte Rib MacLaut vom Clan der MacLaut und grinste. "Schätze, das habe ich gerade getan"
Zählt als Patch-Mission für den Püschologe-Patch.



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Feedback:

Von Huitztli Pochtli

01.12.2010 14:01

Eine unterhaltsame Geschichte, die mir auf jeden Fall viel Vergnügen bereitet hat. Allein schon der Satz am Anfang "Mitheulen und sich heimlich übergeben, das ist die Devise.", zeugt von deiner Erzählkunst.

Von Ophelia Ziegenberger

01.12.2010 14:01

Vom Gefühl her tue ich mich immer ein bissel schwer damit, einer Pokey gleichzeitig auch meine Patch-Zustimmung zu geben, denn irgendwie haben Pokeys für mich eine uneigennützige Bedeutung. Ich schenk der eigenen Abteilung den Einsatz an der Geschichte, um eben der Abteilung etwas Gutes zu tun, nicht um selber voran zu kommen. Wenn es dennoch passiert, ist das natürlich prima. ;) Diese Geschichte hier ist aber ein echter Ausnahmefall! Du hast die Vorlage grandios mit der Charakterentwicklung deiner Figur gekoppelt. Außerdem hast Du die Vorlage in einer dermaßen ausgefallenen Weise gelöst, dass es eine Freude war, der Idee zu folgen. Die Geschichte hatte alles, was einer Pokey gut zu Gesicht steht: Umsetzung der Vorlage, Abteilungsbezug, Spannung, Logik, eine fast epische Handlung. Top! Und es war mir eine besondere Freude, Ribs Entwicklung zu lesen, sein back-to-the-roots und sein neues handycap zu erfahren. Bitte gerne weiter so!

Von Sebulon, Sohn des Samax

01.12.2010 14:01

Es ist schön zu lesen, wie du den Rib-Charakter genießt. (Auch wenn ich der Rechtschreibung gern noch eine Korrekturphase gegönnt hätte.)Rib ist jetzt also wieder ganz ein KFM, was ...? Etwas unspektakulär, dass das über einen billig-Wunschring passiert ist.Was allerdings die Rekruten angeht ... tststs ... ^^

Von Valdimier van Varwald

01.12.2010 14:01

Zum Glück musste ich diese Geschichte nicht in der Pokeywertung berücksichtigen ;) Also, deinen Schreibstil finde ich immer noch richtig klasse, doch warum kannst du nicht mal eine "normale" Geschichte schreiben?? ;) Für eine Pokey fand ich aber auch hier den Bezug der Story zu sehr auf Rib gerichtet und ich bin mir nicht sicher, ob ich das alles richtig verstanden habe, was seine Verwandlung angeht. Bitte um Aufklärung ;)Eine super geschriebene, wenn auch mal wieder sehr strange Geschichte.

Von Rib

02.12.2010 00:11

Hallo, erstmal danke.

Ja, die Wandlung hätte eigentlich eine eigene Geschichte sein sollen... drei oder vier Wächter habe ich mit bis zu sechs verschiedenen Versionen gefoltert. Ich war nie ganz zufrieden, verschob gleichzeitig den Grund für die Wandlung und auch die PoV des Erzählers.

Dann sie für die Pokey zu benutzen bot sich an, weil ich mit einem sogenannten "Unzuverlässigen Erzähler" arbeiten wollte... und zwar gleich doppelt. Wo der Leser eine übergeordnete Sichtweise annimmt (die für Wahrheit steht) nimmt er subjektiven, gelogenen Traum wahr - wo er aber durch Ribs Augen blickt, bekommt er echte Tatsachen zu sehen.

Aber die Wandlung zu nehmen hat seinen Preis, sie musste sehr kurz und eher billig werden, um nicht zu viel Raum einzunehmen



Deswegen Vald: Rib ist jetzt wieder Kobold, hat statt Zitateangst Wunschprobleme... und der Rest, soweit die Char-Beschreibung das nicht löst, werden weitere Singles klären. Und ich verspreche Dir, auch wenn mir 'unnormale Singles' mehr Spaß machen... Die nächste wird ein echter Krimi.

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