Liebesgedicht

Bisher hat keiner bewertet.

von Agent Sebulon, Sohn des Samax (IA)
Online seit 24. 08. 2010
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 Außerdem kommen vor: Braggasch GoldwartReiner Rundumschlag

Zu unserem Zweijährigen habe ich einen kleinen Text geschrieben, der im Kern schon länger in meinem Ideenkästchen ruhte. Es ist kein für sich stehender Fall, sondern mehr eine kurze Episode, die gewissermaßen in einer ganz normalen Nacht spielt. Häppy Wachiläum, Herr Goldwart.

Dafür vergebene Note: 8

Es war Nacht. Der Wind blies um das Wachehaus am Pseudopolisplatz, ließ die Ritzen pfeifen und die Hunde jaulen.
Am Wachetresen saßen drei Rekruten und spielten leg-Herrn-Zwiebel-rein, um miteinander Solidarität zu üben und die Straf-Nachtschicht schneller vorbeigehen zu lassen.
Der Kommandeur war schon länger nicht mehr vor Ort; auch die meisten anderen Büros waren bereits verlassen. Hier und da konnte man Wächter schnarchen hören, die in der Wache ihr Heim gefunden hatten.
Im dritten Stock brannte im sorgfältig abgedunkelten und schallisolierten IA-Raum noch ein Licht.

Sebulon saß am Schreibtisch und starrte auf den Papierbogen, den er beschrieben hatte.
Ursprünglich hatte er vorgehabt, sich die alten Fälle des Knollenbeißers vorzunehmen, um eine Idee davon zu bekommen, was die Arbeit als Agent für Tücken bereithalten konnte. Mit vorangeschrittener Stunde war ihm jedoch das Lesen immer schwerer gefallen; seine Augen übersprangen schon bald relevante Zeilen und schließlich fühlte er sich ganz und gar unfähig, noch mehr aufzunehmen.
Dann hatte er beschlossen, noch eben an dem neuen Mechanik-Artikel für die Rohrpost zu arbeiten, aber als er vor etwa einer Stunde an seinen Freund Goldwart zu denken begonnen hatte, waren seine Gedanken vollends abgedriftet.
Mit vor Schreck geweiteten Augen las er nun den Text, den geschrieben zu haben er sich nicht erinnern konnte. Seine Hände begannen zu zittern, als er diese Zeilen überflog:

"Klirrende Kälte, starrende Sterne,
kein Dach überm Kopf, kein Essen
der Boden vereist, die Familie verreist,
von allen Bekannten vergessen

Dein Magen ist leer, der Geldbeutel auch
Im Feuer verglüht dein Holz
du kannst nicht mehr, dir knurrt der Bauch
Zum Betteln und Stehlen zu stolz

Und wenn alle Welt zusammenfällt
Und du dich fragst: 'Wer kennt mich?'
Wenn einer mit dir die Stellung hält,
Dann bin das vermutlich Ich.

Wahrlich, ich bin nicht der einfachste Zwerg,
Brüderchen, Tg'w'lim'cha
Steh ich auch oft wie der Ochs' vorm Berg
Braggasch, ich bin für dich da.

Scheint dir die Welt völlig entstellt,
Ohne Sinn, ohne Verstand?
Es gibt einen der zu dir hält,
Einer reicht dir die Hand.

Und stündest du vor dem Sensenmann -
Wer würde sich opfern für dich?
Ich hasse, dass ich's so sagen kann:
Das wäre wahrscheinlich ich."[1]

Mit einer raschen Handbewegung nahm der Püschologe die Seite vom Tisch und knüllte sie, unfähig zu mehr Reaktion auf seine eigene Schöpfung. Minutenlang blieb er so sitzen und starrte die Wand an, während die Kerze unregelmäßig flackerte und seinen Schatten mal in diese, bald in jene Richtung warf. Dann entfaltete er das Blatt zärtlich, nur um es ordentlich zusammenzulegen. Er steckte es in die Jackentasche seiner Korporalsuniform und ließ sich dann wieder in den Stuhl sinken. Seine Hand brannte, als hätte er stundenlang ohne Pause geschrieben.
"Ich brauche einen Kakao", entschied er und verließ sein Büro in Richtung Kantine; froh, ein paar Schritte zwischen sich und diese ungewollten Worte bringen zu können.

"Oh, hallo Reiner", sagte Sebulon und zwang sich zu einem überraschten Lächeln, als er den jungen Neu-Anwerber allein im Raum sitzen sah.
"-tachsör", kam die Antwort undeutlich von Rundumschlag. Seine Brille funkelte in der schwachen Kantinenbeleuchtung kurz auf, als er seinem ehemaligen Ausbilder zunickte und sich dann wieder Bier und Bericht zuwandte.
"Bist du im Dienst, Gefreiter?", fragte der frisch gebackene Agent pflichtbewusst mit Blick auf das Getränk.
"Was denkst du, Sör: Bin ich im Dienst? Um diese Uhrzeit?", entgegnete Reiner mürrisch.
Die Logik leuchtete ihm ein, deshalb ließ Samax' Sohn seinen Kollegen in Ruhe und ging zu den Schränken an der randwärtigen Wand. Verhalten klopfte er an.
"Lass mich in Ruhe, hier wird jeschlafen, Drecknochmal und Kreuzgeheul!", hallte es heraus.
"Ich möchte nur einen Kakao, bitte", versuchte Sebulon den ungehaltenen Kaffee-Dämon zu beschwichtigen.
Die Antwort kam prompt: "Dann koch dir doch einen, Klugscheißer!"
"Hab ich schon versucht", brummte Rainer und blickte von seinen Aufzeichnungen auf. "Im Schrank links von dir steht noch ein Kasten lauwarmes Sternschlosser. Falls du gerade nicht 'im Dienst' sein solltest, Sör."
Dankbar, wenn auch etwas frustriert, holte sich Sebulon die Flasche mit dem trüben Getränk, warf einen Dollar in die nebenstehende Kiste des Vertrauens[2] und setzte sich zu dem anderen Zwerg. Jetzt erst fiel ihm der leichte Luftzug in Nackenhöhe auf. Er zog den Kopf ein wenig ein und machte sich am Bier zu schaffen.
"Tatsächlich lauwarm", kommentierte Sebulon, als er die Flasche öffnete.
"Mhm", machte Reiner.
Er nahm einen Schluck. "Schmeckt auch nicht sonderlich."
"Sternschlosser Export eben."
"Und das soll Bier sein?", versuchte der Korporal ein Gespräch anzustoßen. "Mein Großvater Sorbalan war Braumeister; er würde sich im Grabe ..."
"'s is' etwas klumpig, hat aber genug Alkohol um als Bier durchzugehen", schnitt ihm der Gefreite das Wort ab. "Für mich reicht's."
Schweigend schlabberten die Zwerge ihr Bier.
Er hatte Rundumschlag während dessen überdurchschnittlich kurzer GRUND-Zeit interessiert beobachtet und zuweilen gefördert; diese drückende Stille beizubehalten erschien ihm unangemessen. Der Püschologe räuperte sich also, setzte ein neugieriges Lächeln auf und fragte: "Sag mal, wie gefällt es dir in der neuen Abteilung?"
"Gut."
"Und die Kollegen?"
"Mhm."
"Kommst du mit Romulus klar? Manchmal kann er ja etwas eigenwillig sein ..."
Misstrauisch hob Reiner die Augenbraue. "Ich weiß nicht, was du meinst, Sör."
"Na, ich meine, ob du nicht auch findest, dass er manchmal ein klein wenig sonderbar ..."
"Falls eine Anzeige gegen meinen Abteilungsleiter vorliegt, Sör, so lautet meine offizielle Aussage, dass mir keine Abnormalitäten im Verhalten aufgefallen sind und ich ihn auch sonst für einen tadellosen Wächter halte", schnappte Reiner. "Wenn du mich jetzt entschuldigen würdest!", knurrte er, griff seine mit Bier bekleckerten Unterlagen und stapfte aus der Kantine.
Ungläubig blinzelte Sebulon. Dass es nach dem Wechsel zu IA schwierig werden würde, ein gutes Arbeitsklima aufrecht zu erhalten, das hatte er ja ahnen können - aber so etwas ...?
Der kühle Luftzug schien stärker geworden zu sein. 'Das kommt mir nur so vor', dachte er fröstelnd.
Schweigend schlürfte er sein Bier.
"Äh ... Gürtel?", wisperte kurz darauf eine ihm wohl bekannte Stimme und ein blondgelockter Kopf schaute durch die Tür.
Zu jeder anderen Tageszeit und beinahe zu jeder Gelegenheit hätte ihn die Ankunft von Braggasch Goldwart gefreut und beruhigt, doch stattdessen brach ihm der kalte Schweiß aus.
"Äh, ist alles in Ordnung mit dir, Gürtel?", fragte sein alter Freund und setzte sich zu ihm an den Tisch. "Du siehst etwas, äh, blass aus."
Unfähig etwas zu antworten, tat Sebulon das Einzige, was ihm in diesem Augenblick instinkiv richtig erschien: Er nickte, lächelte müde und nahm einen großen Schluck aus der Flasche. Tatsächlich erwies sich das als eine gute Entscheidung, denn es schien seinen Freund zufrieden zu stellen.
Als könnte er Gedanken lesen, begann Braggasch drauflos zu reden: "Ich konnte nicht schlafen, weißt du, äh, und dann bin ich durch das Wachhaus gelaufen und habe, äh, Türklinken geölt. Außer der von Rogi; sie mag ihre Tür lieber etwas, äh, geräuschintensiver. Wegen der Tradition und so. Äh. Tja und dann hab ich den neuen RUM'ler getroffen, den du wohl, äh, ganz schön sauer gemacht hast. Ist noch ein Bier da?"
Schweigend deutete Samax' Sohn auf den entsprechenden Wandschrank. Als Braggasch mit dem Bier in der Hand zurückkehrte, hatte Sebulon seine Sprache wiedergefunden.
"Weißt du", sagte er und sah seinem Gegenüber in die wässrig grünen Augen, "wir waren schon lange nicht mehr gemeinsam etwas trinken." Er suchte nach neutral klingenden Worten. "Ich habe das vermisst."
Burkhards Sohn nickte und machte sich daran, die Flasche zu öffnen. Als Sebulons Hand sich auf seine legte, blickte er verwundert auf.
"Was hältst du davon, wenn wir das jetzt nachholen, Tg'w'lim'cha? Das Bier ist nicht wirklich gut."
"Aber, äh, ich habe schon bezahlt ..."
"Du kannst dir das Bier für später aufheben, wenn du mir nicht glaubst", meinte Sebulon und zum ersten Mal an diesem Abend schlich sich ein ehrliches Grinsen auf seine Lippen.
"Gut, äh, ich gehe nur eben meine Jacke holen. Wir treffen uns vor der Wache, ja?"

Als Sebulon recht früh am nächsten Morgen erwachte, schien die Sonne bereits durch sein offen stehendes Fenster und der vertraute Duft des Ankh schwappte ins Zimmer. Er stellte fest, dass er noch angezogen war; mit schmerzendem Nacken und verträumtem Blick lag er auf dem Boden neben seinem Bett. Er hörte seinen Hund Jado in der Ecke gleichmäßig atmen und gelegentlich ertönte über ihm ein durch Kissen gedämpftes leises Schnarchen.
Dankbar lächelnd blickte er über die Bettkante. Braggasch war in seinem Bettzeug versunken, nur die blonde Mähne lugte ein wenig hervor. Sie hatten die Kneipentour in ihrer alten Stammbar, dem Gesprungenen Auge begonnen und glücklich beendet. Dann hatte Sebulon seinen schwer betrunkenen Freund schwankend in die eigene Wohnung begleitet, wo er selbst in Ermangelung einer Couch auf dem Boden eingeschlafen war.
Einen Moment lang dachte er darüber nach, was in so einer Situation angebracht war. Dann fasste er einen Entschluss, griff seine Geldbörse und lief zum Bäcker, um Brötchen und Kakao zu besorgen.
Das Gedicht, das gefaltet in seiner Jackentasche ruhte, hatte er bereits erneut vergessen.
[1] Wem dieser Text bekannt vorkommt, der findet das Original-Lied zu dieser Übertragung bei Sting unter dem Titel "it's probably me".

[2] Die Kiste des Vertrauens ist eine mit mehreren Verschlussmechanismen ausgestattete metallene Truhe, die in Abwesenheit eines Verkäufers das jeweilige Zahlungsmittel aufbewahrt. Als die Kiste des Vertrauens in der Wache versuchsweise eingeführt wurde, warnten die Abteilungsleiter recht ausführlich, dass bei deutlichen Diskrepanzen zwischen entnommener Ware und eingeworfenem Gegenwert, eine generelle Soldkürzung anstehen würde.




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Feedback:

Von Jargon Schneidgut

31.08.2010 22:00

Die Bewertung solcher Geschichten fällt mir immer schwer, weil es ja eigentlich keine Krimistorys sind. Hier entscheide ich einfach mal mit dem Gefühl des Gesamteindrucks, den die Geschichte bei mir hinterlassen hat. Nämlich einen guten.

Von Huitztli Pochtli

31.08.2010 22:00

Stilistisch hat mir die Geschichte gefallen. Du hast meiner Meinung nach sehr schön die inneren Vorgänge in deinem Char beschrieben.Da es sich, wie du schon geschrieben hast, nicht um eine typische Wachegeschichte handelt, ist es natürlich nicht leicht, eine angemessene Note zu geben. Ich hoffe, dass ich eine solche gewählt habe.

Von Laiza Harmonie

31.08.2010 22:00

Sinn und Zweck dieser Single gehen total an mir vorbei. Ich mag eigentlich Singles ohne Fall, die eine Szene aus dem Alltag/Leben/wie-auch-immer des Wächters schildern. Aber deine Single hat mich nicht überzeugt. Den Aspekt, dass die übrigen Wächter Sebulon jetzt auf Abstand halten, weil er IA Agent ist, ist zwar gut, rettet aber den Rest der Geschichte nicht vor dem Absturz. Von Tut'WeeOk, als Opener einer Single, um ihr emotionales Thema zu öffnen, wäre es 14-15.Aber du hast dich dagegen entschieden, ebenso wie gegen ein "Außer Konkurrenz".Hier also die Bewertung als Einzelmission:Gute, aber nicht ungewöhnliche Reime, die erstaunlich wenig holprig klingen.Die Lyrics sind von Eric Clapton übrigens, nicht von Sting, der sie gesungen hat. Genauer recherchieren bitte.Du kannst doch keine Single hinstellen, die zum großten Teil aus einer leicht veränderten Kopie besteht?Ok, weiter: Das du ein zweites Thema (Einsamkeit des Agenten) nur angeschnitten hast, geradezu im Eilverfahren abgefertigt, läßt die Single unsauber wirken. In so kurzen Dingern kann man das nicht machen, Nebenpfade.Tut mir leid, ich war enttäuscht. wie gesagt, als Singleopener war es ein guter Anfang einer 14er oder 15er-Geschichte.

Von Braggasch Goldwart

31.08.2010 22:00

:'(:')

Von Glum Steinstiefel

31.08.2010 22:00

"Als Sebulons Hand sich auf seine legte, blickte er verwundert auf."Und der Titel lautet "Liebesgedicht"... *evilgrin*

Von Sebulon, Sohn des Samax

31.08.2010 23:21

Hui, was für ein durchmischtes Bild.

Vier Rückmeldungen mit dem Versuch, kurz zu bleiben:



[b]@Laiza[/b]: "Sinn und Zweck dieser Single gehen total an mir vorbei." Mir war danach, das zu schreiben. Braggasch und ich hatten Wachiläum. Anders gesagt: Ich hatte einen inneren Drang und einen äußeren Anlass.



[b]@Tut[/b]: "Ok, als Opener einer Single, um ihr emotionales Thema zu öffnen, wäre es 14-15. Aber du hast dich dagegen entschieden, ebenso wie gegen ein "Außer Konkurrenz"." Jaaa ... habe mich dagegen entschieden, weil der Gedanke so sehr für sich stand. Ich meine ... im 'persönlichen Beschützer' ging es ja um Gefühle und Braggasch und Sebu; da haben wir mit viel Aufwand eine Geschichte gesponnen. Das wollte und konnte ich nicht wiederholen. Und wenn ich schon was online stelle, warum soll ich's dann ak stellen? Gerade bei so einem schwierig zu beurteilenden Text ist es ja spannend, was die anderen denken.

"Die Lyrics sind von Eric Clapton übrigens, nicht von Sting, der sie gesungen hat. Genauer recherchieren bitte. Du kannst doch keine Single hinstellen, die zum großten Teil aus einer leicht veränderten Kopie besteht?" Gut, ich habe das nicht recherchiert, weil dieses Lied seit Jahren zu meinen Lieblingssongs gehört. Dass der Text von Clapton ist, fand ich aber hier nicht überdringlich wichtig, weil ich ja nicht zitiert habe, wie man zitiert, sondern versucht habe, aus acht von den lyrics-Gedanken etwas eigenes zu machen. Misslungen? Hmm.

"In so kurzen Dingern kann man das nicht machen." Doch, ich kann und ich habe. Wenn ich euch damit enttäuscht habe - offensichtlich habe ich das ja bei manchem - dann sorry. Hatte gehofft, dass ich mit dem Eingangstext die Erwartungen runterschraube.



Großes Danke nochmal an Septi! Hätte den Text ohne dich nicht online gestellt.

Von Rib

01.09.2010 00:29

Klar kannst du das machen. Ich wollte nur sagen, dass wenn du dich ganz auf diese Zweierbeziehung konzentriert hättest, die Mission reiner, stringenter gewirkt hätte.

Jedenfalls auf mich.

Von Sebulon, Sohn des Samax

01.09.2010 07:36

Ah, danke. Damit kann ich was anfangen. :)

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