Der borograwische Maler Alexanda Seligova

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von Hauptgefreiter Glum Steinstiefel (DOG)
Online seit 01. 08. 2010
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 Außerdem kommen vor: Patrick NichtsHumph MeckDwarfDaemon Llanddcairfyn

In einer dunklen Nacht ist am Haufen etwas Ungewöhnliches geschehen. Könnt ihr den Fall lösen? - - Humph Meck Dwarf trat ins Freie, erkannte gewisse Umstände und sprach: "Das hat wohl eine tiefgründigere Bedeutung." - -

Dafür vergebene Note: 12

Alles begann in einer sturmumpeitschten Nacht. Der Wind heulte wie ein vergessener Schlosshund und die klammende Nässe des prasselnden Regens schien nicht nur die Kleidung durchdringen zu wollen. Dennoch war die feuchte Hitze Ankh-Morporks derzeit kaum auszuhalten. Eine Böe fuhr in der Düsternis über die dunklen Dächer der Stadt hinweg, passierte den Kurweg um sich anschließend dem Bachlosen Weg zuzuwenden. Dort kollidierte sie mit einem Windstoß aus dem Mondteichweg und trudelte desorientiert hinüber zur Ruinenanlage inmitten des Haufens. Ein kleines Stück hinter ihr wurde im jähen Zucken eines Blitzes ein flügelspannender Umriss sichtbar, der ihrem Verlauf folgte.
"Ustreliti!"
Donner grollte wie der Sturz eines Riesen und zunehmend verstärkte sich der Regen mit der Motivation eines Verzweifelnden, als Nyvania ihren linken Flügel etwas abknickte und die Flugrichtung änderte.
"Takoj!"
Der Wasserspeieranteil in ihr erlaubte es, dass sie trotz der Dunkelheit Bewegungen am Boden ausmachen konnte. Inzwischen wurde der Sturm immer gnadenloser und das Fliegen reichlich gefährlich, daher hielt sie sich so dicht wie möglich an den Hauswänden sowie dazwischen, damit sie nicht abzudriften drohte. Angestrengt suchte sie nach etwas.
"Ze chy-"
Irgendetwas eben.
Nach einer Weile fand sie es.
Und es war tot.

"Äh... das Opfer hat eine zlobenische Uniform getragen...merkwürdig, weil da ja gar kein Loch war und so..."
Breda seufzte und betrachtete Bruder Laudes einen Augenblick lang. Dabei stemmte sie beide Fäuste in ihre Wangen und legte den Kopf ein wenig nach links. Der Mann im schwarzen Unterrock klammerte sich an ein Papier. Dabei stand er leicht gebeugt; seine Augen huschten zwischen den Zeilen umher.
"Und...doch, ja, das ist sehr interessant!"
"Bruder Laudes?"
"Mhm?", machte dieser und blinzelte die Abteilungsleiterin der Dienststelle zur Observation von Gildenangelegenheiten an, die ihre Hände nun vor sich faltete und den frommen Gefreiten mit einem kurzen Kopfschütteln bedachte.
"Es würde mich freuen, wenn außer dir und Seramis auch ich weniger mit stenographischen Satzteilen als mit dem gesamten Sachverhalt beglückt würde!"
"Oh."
"Würdest du...?"
Laudes blinzelte kurz verständnislos, bevor er der verlangenden Hand des Feldwebels gewahr wurde und den Brief der Wachekommandantur hineinlegte. Verlegen lächelnd schlich er um den Krulockschen Schreibtisch herum, um ihr beim Lesen über die Schulter zu sehen. Da er mit einer Taube im Boucherie Rouge angekommen war, hielten sich die Informationen in Grenzen.
z.Hd. Fw. Breda Krulock, DOG-AL
von: Lt. Kanndra Mambosamba, FROG-AL

Leiche am Haufen entdeckt. 2 Pfeile in Wade und Hals, zlobenische Uniform jedoch unbeschädigt. Wahrs. Angehöriger der zlob. Botsch. Quittung vorhanden. Pers. unbekannt, bitte recherchieren. Akte (u. Ikonographie) folgen, da in der Ger.med.

01.08. J.d.r.Z.
"Viel ist das ja nicht..."
"Seramis wird Licht ins Dunkel bringen."
Der Feldwebel sah ihren zuversichtlichen Untergebenen schief an.

Als Hauptmann Llanddcairfyn später die Quittung unter die Lupe nahm, kam er schnell zu einem Ergebnis. Natürlich musste er sie dafür nicht einmal wirklich unter eine solche nehmen. Sein erfahrenes Auge genügte vollkommen, um sie als eine Fälschung zu erkennen.
"Es ist eigentlich recht auffällig, wenn man weiß, welche Stellen des Wasserzeichens an welche Stellen des Nachdrucks reichen.", erläuterte er und drehte die gefundene sowie eine echte, nebenliegende Quittung um hundertachtzig Grad, damit Breda sie besser vergleichen konnte.
"Bei den echten eckt der Rahmen des Wasserzeichens genau an die Markierung für den Familiennamen. Und überhaupt ist sie beim Druck ein wenig verzogen worden."
"Soweit ich weiß,...", warf Hatscha al Nasa ein: "...wäre es stillos, ja wenn nicht sogar unter der Würde eines Assassinen eine derart schief gedruckte Quittung zu hinterlassen."
Die Abteilungsleiterin sah beide schulterzuckend an.
"Eine Fälschung also. Wie so oft. Man sollte das Prinzip überdenken.", sagte sie und klappte die Aktenmappe auf, mit der die Drucksache ihren Weg ins Boucherie gefunden hatte. Sie entnahm ihr einen bereits geöffneten Umschlag und zog vier Ikonographien daraus hervor, legte sie ebenfalls auf den Tisch. Daemon und Hatscha beugten sich darüber. Zu sehen waren a.) eine Aufnahme der gesamten Leiche, b.) das regennasse, hakennasige Gesicht derselben sowie c.) die Einschusswunde in der Wade und d.) das Äquivalent im Hals. Hatscha hielt d.) hoch.
"Uh, wie fies.", bemerkte sie mit verzogenem Gesicht und schob es zum Hauptmann, der nur mit dem Schultern zuckte.
"Es fällt auf...", setzte Breda an, wurde jedoch jäh von Daemon unterbrochen, der fortfuhr: "..., dass die Uniform zwar blutig, aber unbeschädigt ist. Ein Hinweis darauf, dass sie der Leiche angezogen wurde, nachdem sie von den Pfeilen getroffen wurde. Was macht ein zlobenischer Soldat auch in Ankh-Morpork? Es stellt sich demnach die Frage, ob er überhaupt einer ist. Wie dilettantisch!"
"Die Ehrengarde des Konsuls der zlobenischen Botschaft.", antwortete die sich übergangen fühlende Breda. "Dem sollten wir wohl mal einen Besuch abstatten..."
Sie wandte sich an Hatscha.
"Such dir zwei Leute aus und geh der Sache mal auf den Grund, Chief-Korporal. Hauptmann, ich würde es begrüßen, gingest du derweil noch einmal auf Nummer sicher und erkundigst dich in der Assassinengilde. Es klingt ungewöhnlich...", fügte sie nach kurzem Schweigen hinzu: "...dir etwas befehlen zu müssen, Dae."
"Tja, willkommen bei der Wacheleitung, Feldwebel Krulock."

Die schniefende Hatscha al Nasa hatte sogleich ihren Auftrag wahrgenommen und sich mit Oberstabsspieß Harry und dem Hauptgefreitem Steinstiefel bewaffnet auf den Weg gemacht. Der Bärtige war recht guter Dinge und schlenderte mit hinter dem Rücken verschränkten Armen neben der Klatschianerin her als glaube er an das Gute im Menschen. Hatscha hingegen wirkte nachdenklicher, was auch Harry nicht entging, der auf ihrer rechten Schulter saß und die Beine baumeln ließ.
"Wir versuchen jetzt also herauszufinden, ob der Tote ein Zlobene, vielleicht sogar Soldat beziehungsweise wer er überhaupt ist?", resümierte sie. "Wie machen wir das am besten?"
"Normalerweise zeigen wir das Bild vor und fragen einfach.", entgegnete Harry mit einer gewissen Leichtigkeit in der Stimme.
"Und wenn sie keine Auskunft geben wollen? Zlobenien ist nicht gerade für seine Diplomatie bekannt."
"Diplomatie hat niemand verlangt. Wir wollen nur ein paar Fragen stellen und Antworten bekommen. Ansonsten fragen wir einfach etwas hartnäckiger. Außerdem kann ich mich noch immer in ihrer Kartei umsehen."
"Hm, das könnte gewisse Probleme geben, immerhin genießen Botschaften gewisse Rechte. Sich darüber hinwegzusetzen klingt ein wenig...illegal? Unmoralisch vielleicht?"
"Das wäre es nur, wenn sie davon wüssten.", meinte Glum. "Wir sagen ihnen ja nichts davon."
"Klingt logisch."
Sie näherten sich dem Hier-gibt's-alles-Platz, der gemäß seines Namens überaus gut besucht war. Hier tummelten sich sämtliche Spezies und Nationen herum, die die Zwillingsstadt namentlich kannte und bereit war aufzunehmen. Zwischen den Ständen wurde gelogen, gestohlen, gefeilscht, betrogen - und manchmal sogar etwas verkauft. Man schob Karren durch die Gegend, festigte zittrige Standbauten die noch immer im leicht aggressiven Wind knirschten und bestahl arme, alte Mütterchen um ihr Wechselgeld. Es war ein bunt gemischtes Treiben.
"Fein.", sagte Glum. "Die Botschaft sollte in der Augentroststraße lie-"
"Und! schon! wieder! ein! mysteriöser! Mord! Wird? Ankh-Morpork? jemals? sicher? Erfahren! Sie! alles! aus! der! Times!", rief ein offensichtlich geübter Postjunge laut aus und erregte kurzzeitiges Interesse. "Des weiteren: Sterne! für! Emilia! Sängerin! moderiert! Kochwettbewerb! Neue! Museumsausstellung! Seligovas! Meisterwerke! Lesen! Sie! die! Times!"
"Hm...", machte Harry und hob grübelnd die Hand zum Mund. Nachdenklich maß er den Knaben und gab dem Hauptgefreiten die Anweisung, ihm eine Zeitung zu besorgen. Nach kurzzeitiger Diskussion tat dieser das Gewünschte. Als Glum grummelnd und aufgrund des Geldausgebens deprimiert seinem Vorgesetzten die Times aufschlug und vorhielt, runzelte jener die Stirn und auch Hatscha schien zu verstehen.
"Was? Was steht da?", beschwerte sich der neue stellvertretende Abteilungsleiter.
"Bevor wir zur Botschaft von Zlobenien gehen, Stiefel,..." sagte Hatscha wage: "...sollten wir uns vielleicht zunächst einem anderen Ziel zuwenden."

Seiner Verpflichtung nachgehend, sah man Hauptmann Llanddcairfyn, der unter rangesgleichen bekanntlich der unmusikalischste ist, pfeifend über den unteren breiten Weg in Richtung der Messingbrücke flanieren. Das dennoch leicht unscheinbare Gehabe, das er sich absichtlich als seine Lebensform gewählt hatte, forderte von ihm, dass er dem Befehl des Feldwebels nachkam, sich in der Assassinengilde zu erkunden. Sie würde ihn bestimmt nicht begleiten, und würde auch nicht, selbst wenn er darum bäte, allzu geduldig auf seine Rückkehr warten. Schnelle Ergebnisse mit geringem Mitteleinsatz, lautete Bredas neues Vorhaben und derzeit versuchte sie sich mit strategischem Geschick in dieser Sache. Das Wesen ihrer Arbeitsbeziehung zueinander war die Verschiedenheit von Rasse, Umwelt und Zukunftsaussichten. Die Ereignisse der letzten Besprechung hatten an den maßgeblichen Verhältnissen ihrer beider Leben nichts geändert. Daher blieb es bei seinem Auftrag und er musste den Weg zur Assassinengilde pfeifend und allein antreten.

Die bedachte Abteilungsleiterin mit Feldwebelrang saß sinnend an ihre Tischkante gelehnt und stierte aus leeren Augen auf die vier Ikonographien. Zwischenzeitlich hatte sie wiederholt die Akte untersucht und dabei einiges über die mutmaßliche Entfernung des abgegebenen Schusses, die Sturzweite der Leiche sowie deren Geschwindigkeit herausgefunden. Sie hatte einige Stellen rot unterstrichen. Danach ein paar neuere Berichte korrigiert. Einen Kaffee kommen lassen. Aus dem Fenster gestarrt. Die Abbildungen auf den Kopf gedreht. Einen weiteren Bericht gelesen. Die Akte zerblättert. Eine Berichtstelle rot unterstrichen. Sich über den Kaffee beschwert.
Gerade, als sie die Bilder wieder erkennbar drehen wollte, klopfte es und ein schlaksiger Jüngling mit schwarzer Samtbekleidung betrat ihr Allerheiligstes. Seine Mütze war viel zu groß und rutschte ihm über die Stirn als er abrupt vor ihr stehen blieb.
"Krulock, Breda?", erkundigte er sich mit einem Blick in die Höh, der ihm streng genommen durch seine Kopfbedeckung verwehrt blieb.
"Eben jene."
"Ich darf Sie an den Termin beim Patrizier erinnern, den Sie in fünf Minuten haben!"
"Ich habe keinen Termin bei seiner Lordschaft."
"Das haben Kommandeur Breguyar und Leutnant Mambosamba ebenfalls behauptet."

Veleposlanistvo do Drzava Borogvia.
stand auf dem Schild. Botschaft des Staates Borograwien schlecht lesbar auf die Mauer darunter gepinselt. Hatscha, Glum und Harry befanden sich derzeit im Vorraum des in beige und grau gehaltenen Gebäudes und ließen ihre Blicke über das von einer Flagge verzierte Bild der Herzogin und seit jeher obersten Instanz des Staates streichen. Eine zusammengerollte Zeitung klemmte unter dem zwergischen Arm und die Ikonographie eines regennassen Gesichtes in Hatschas Brusttasche. Ein paar Momente später, kurz bevor der Gnom der Versuchung erlag dem Porträt einen Schnurrbart anzumalen, erschien ein drahtiger Major in voller Montur zu seiner Rechten, entschuldigte sich für das Ausbleiben knallender Hacken, er hätte Knieschmerzen, und ließ die Wachedelegation in das Büro des Konsuls eintreten.
Der Konsul, so stellten die drei Gesandten fest, schien auf alle Widrigkeiten des Lebens eingestellt zu sein. Er war von rundlicher Statur, welchselbige von einem schwarzen Frack und einer roten Schärpe eher mühevoll verborgen wurde. Auf seiner Nase ruhte eine schlichte Brille, durch die ein unverstellbar scheinender Blick fiel. Dies sowie seine akkurat gescheitelten Haare, die ihn als eine Beamtennatur kennzeichneten, ließen ihn als einen Menschen erkennen, der es gewohnt war, das man ihm Fragen stellte.
Nach der förmlichen Begrüßung präsentierte Hatscha ihm das mitgebrachte Informationsmaterial.
"Herr Konsul Chrom, wir benötigen ihre Hilfe zur Aufklärung eines Mordes. Erkennen Sie diesen Mann hier?"
Der Angesprochene schaute es sich einen Moment lang an, bevor er "Spijon Zlobensko!" murmelte und nickte. "Ich kenne diesen Mann. Ein zlobenischer Spion."
"Sie kennen ihn also...", bemerkte Harry mit hochgezogenen Augenbrauen und nickte."Interessant. Dann wissen Sie vielleicht auch den Namen und wann er starb?"
Wieder nickte der Konsul, ging um seinen Schreibtisch herum und entnahm seiner Schublade die noch frisch riechende Morgenzeitung.
"Es war der Aufmacher der heutigen Ausgabe. Die Leiche am Haufen. Wenn Sie mich fragen...dann war es ein ganz gewöhnliches Assassinenattentat. Der Reporter hat aufgeschrieben, wie die Tatortwächter eine gewachste Quittung im Regen auflasen. Keine Ahnung wie der Mann hieß."
"Interessant, da haben wir ja beide die Zeitung gelesen...", sprach Harry weiter und marschierte auf dem staatlichen Massivholz der Schreibplatte herum.
"Stand in der Times denn auch zufällig, woran er starb?"
"Die Uniform war blutbefleckt."
"Durchaus. Ich frage mich dennoch woran er starb."
"Zweifellos."
"Ich habe gelesen, dass Sie eines bedeutenden borograwischen Malers habhaft geworden sind, Herr Konsul? Der berühmte Maler Alexanda Seligova soll gegenwärtig hier einquartiert worden sein. Sehen Sie da irgendeine Verbindung?"
"Die sehe ich."
Der Blick des Konsuls verdüsterte sich zusehends. Schwer lehnte er sich in seinem Amtssessel zurück.
"Ich kann Ihnen nichts vormachen, Sie sind zu gut informiert, Oberstabspieß. Am besten klärt Oberst Brighton die Sachlage..."
Damit stand er abrupt auf und sprach mit einem Soldaten vor der Tür, der sogleich los eilte und in Begleitung des eben Erwähnten sowie eines weiteren, recht hageren Mannes wieder auftauchte.
Der Oberst nahm augenblicklich Haltung an, aus der er erst nach einem lockeren "Premik!" seines Vorgesetzten wieder entlassen wurde. Die Wächter erkannten in ihm das stereotypische Bild eines Staatsoffiziers: blank polierte Stiefel, Bügelfalten in der Hose und einen akkurat gezwirbelten Schnauzbart. Neben dem Funkeln seiner Abzeichen wirkte die zweite Neuerscheinung beinahe arglos. Sie trug eine Nickelbrille, Teile einer Uniform und anscheinend das Unglück der Welt auf ihren Schultern, denn die deprimiert dreinschauenden Augen konnte man lediglich als wässern bezeichnen. Sie wurde umgehend als der berühmte Maler vorgestellt.
Nachdem die Sachlage noch einmal dargestellt worden war baten die Wächter den Konsul Oberst Brighton zu bitten, zu erklären, worin die Verbindung zwischen dem Toten und Herrn Seligova liege. Dem Künstler wurde die Situation sichtlich unangenehm und er begann unablässig auf seinem Stuhl herumzurutschen, während der Offizier berichtete.
"Gestern früh erreichten wir nach einer längeren Kutschfahrt Ankh-Morpork.", begann er, seinen Akzent mühevoll unterdrückend. "Kaum kamen wir an, als einer meiner braven Männer in sich zusammensank. Ein Giftpfeil, wie sich bald herausstellte. Irgendwo aus einem der umliegenden Häuser abgegeben."
"Einer ihrer Soldaten wurde umgebracht. Keine Quittung?", murmelte Harry und warf Hatscha einen Blick zu, die neben ihm zu notieren begann.
"Keine. Verstehen Sie, wir haben den Mann als ein...wie sagt man...Double eingesetzt. Er wurde in ziviler Kleidung als Herr Seligova ausgegeben, während wir den echten in eine Uniform steckten."
Er warf dem Besagten einen Seitenblick zu.
"Der Anschlag galt also ihm, nicht meinem braven Soldaten. Ein zlobenisches Attentat."
"Aha. Woher wissen Sie das?"
"Reine Spekulation."
Oberst Brighton zuckte mit den Schultern und fuhr fort.
"Es scheint zu stimmen, wenn man die Gesamtsituation kennt. In der Nacht stahl sich daraufhin einer meiner unbraveren Männer im Gewittersturm davon - mit zwölf ungerahmten Werken Herrn Seligovas unter dem Arm."
Harry nickte und kontrollierte Hatschas Protokoll, die an seiner Stelle aussprach: "Verstehe. Sie nahmen die Verfolgung auf, er verweigerte sich einer Verhaftung und Sie erschossen ihn."
"Einer-äh...Verhaftung verweigern?"
Der Oberst schüttelte etwas verwirrt den Kopf und Konsul Chrom erklärte: "Bei uns gibt es ein Sprichwort: Najprej sprasevati, potem streljati! Es bedeutet: Erst fragen, dann schießen!" Auch er zuckte mit den Schultern. "Er gab uns keine Gelegenheit ihn etwas zu fragen."
Harry seufzte.
"Mit anderen Worten...Sie begingen...ja was eigentlich? Einen vorsätzlichen und geglückten Mordversuch?"
"Das bitte ich von mir zu weisen.", fuhr Oberst Brighton leicht erregt auf. "Dies ist eine Staatsangelegenheit und dieses Gespräch dient lediglich zu dem Zweck Sie davon in Kenntnis zu setzen."
"Dann haben Sie wohl auch...", nahm diesmal Glum den Faden auf: "...eine gefälschte Quittung der Assassinengilde bei der Leiche hinterlassen?"
Einvernehmlich schüttelten die beiden Staatsdiener die Köpfe und Konsul Chrom übernahm abermals die Erklärung.
"Das muss eine List der zlobenischen Botschaft gewesen sein, damit wir nicht in die Versuchung geraten bekannt zu geben, dass sie schuldig sind am versuchten Mord eines borograwischen Zivilisten sowie einem Diebstahl seiner Erzeugnisse. Es könnte kompliziert werden und zur Aufnahme eines erneuten Kriegszustandes führen, wenn herauskäme, dass wiederrum wir für den Tod ihres Spions verantwortlich sind. Wissen Sie...ich habe festgestellt, dass man in dieser Stadt mit einer Quittung mehr erreichen kann, als mit dem borograwischen Staatsvermögen."
"Ich könnte mit meinem Lohn mehr erreichen, als mit dem borograwischen Staatsvermögen.", warf Glum ein und hätte sich damit wahrscheinlich höchsten Unmut zugezogen, hätte er die protestierenden Blicke sowie die Sekundenbruchteile andauernde Pause im Kratzen von Hatschas Bleistift nicht mit einer Frage überwunden.
"Soweit so ungut. Die Zlobenen sind also hinter Ihren den Werken her."
Er nickte Alexanda Seligova zu, der in sich zusammengesunken seinen Blick kraftlos erwiderte.
"Und Sie sind Ihnen tot offenbar lieber. Warum ist das so?"
Diesmal war der Maler direkt gefragt. Verunsichert warf er Blicke in die Runde, bevor er zögernd die Lippen öffnete und sagte: "...also...jaaa...Sie sollten wissen, äh...ich bin Zlobene?"
Als erwarte er eine Ohrfeige zuckte er leicht zusammen und kontrollierte rasch die Minen der beiden Staatsdiener, die ausdruckslos blieben.
"Äh...das heißt...", fuhr er fort: "...ich wurde in Zlobenien geboren, aber im Alter von einigen wenigen Monaten nach Borograwien...äh...in Sicherheit...gebracht? Da meine Bilder sich einer gewissen Berühmtheit erfreuen können, pocht Prinz Heinrich darauf dass sie doch eigentlich zlobensiches Staatseigentum seien-"
Jäh wurde er vom Konsul unterbrochen.
"Der Prinz will die Bilder haben. Und bekommt er sie nicht, so sehe er Herrn Seligovas Ableben wohlwollender als ihn in den Diensten eines verfeindeten Landes zu wissen."
Er stand auf.
"Jetzt kennen Sie die Situation. Sie hat nichts mit dieser Stadt zu tun und ist eine rein ausländische Angelegenheit. Guten Tag, die Wächter!"
Der Maler sackte noch etwas mehr in sich zusammen.

In einer Reihe standen die Wache-, FROG- und DOG-Abteilungsleitung im achteckigen Büro seiner Lordschaft dem Patrizier Havelock Vetinari und fühlten sich unwichtig. Das rührte mit Bestimmtheit daher, dass jener in seinen Unterlagen blätterte und sogar wenn er kurz aufsah und in ihre Richtung schaute es den Anschein erweckte, als würde er die Wand hinter ihnen mustern. Und zwar geradewegs durch sie hindurch. Einige weitere Momente vergingen, dann legte er eine letzte Notiz beiseite, faltete in gewohnter Weise die Hände und schaute die drei Frauen durch seine Brille hindurch mit einem durchdringenden Blick und einer hintergründigen Schläue an.
"Jetzt...", und er betonte dieses Wort besonders: "...habe ich Zeit für euch. Ihr wolltet mit mir über diese unschicke Mordsache der vergangenen Nacht sprechen. Ein tragischer Vorfall."
Man bestätigte.
"Selbstverständlich wurden umgehend aufklärende Maßnahmen eingeleitet, Herr!", kam Bregs ihm entgegen und nickte Kanndra zu. "Leutnant Mambosambas Leute sicherten den Tatort, konferierten mit der Gerichtsmedizin und leiteten den Fall an Feldwebel Krulocks Abteilung weiter."
"Meine Leute sind derzeit mit der Vernehmung des zlobenischen Konsuls beschäftigt.", ergänzte diese.
"Sehr tüchtig, meine Damen. Ich sehe schon, ihr leistet gut organisierte Arbeit. Ich wünsche, dass ihr damit aufhört."
Verwirrung zeigte sich auf allen drei Gesichtern.
"Wir sollen-"
"Schaut...", sagte der Patrizier beschwinglich, erhob sich und trat vor die städtische Weiblichkeit: "...der Punkt ist der, dass es sich bei dem so unleidig Verschiedenen um einen unter fremdländischer Gesetzesverwaltung stehenden Bürger handelt, dessen konsulatsrechtlichen Konditionen wir nicht im Wege stehen können."
"Hm.", machte Kanndra. "Das bedeutet also, Herr, solange diese Geschichte nicht unter die Gesetzmäßigkeit Ankh-Morporks fällt haben wir kein Recht zu ermitteln?"
"Exakt das."
"Und da die gefundene Quittung eine gefälschte war und demnach keine Gilden in den Fall verwickelt sind bedeutet es auch, dass die Ermittlungen jemand anderem obliegen?"
"Exakt das."
"Wem denn, Herr?"
"Dem Leiter der zlobenischen Botschaft, Leutnant.", stellte Araghast fest. "Der Tote trug eine offizielle zlobenische Uniform."
"Sehr richtig.", sagte seine Lordschaft und trat mit hinter dem Rücken verschränkten Händen ans Fenster. "Hört auf zu ermitteln. Ich wünsche nicht, dass Ankh-Morpork das Herzstück eines internationalen Konfliktes werden könnte. Oh, wir haben Hochwasser.", bemerkte er und holte tief Luft. "Fangt also an zu schnüffeln!"

"Und dazu bedürfen wir eines abteilungsumspannenden Einsatzes.", brummelte Breda in Anwesenheit Harrys, Hatschas und Glums, die sich vor dem Eingang in das exklusiwste Ätablismon der Springstraße über den Weg gelaufen waren.
"Geheime Ermittlungen also.", kommentierte Hatscha finster. "Und wir müssen verdammt aufpassen, dass niemand etwas merkt. Es käme dem Ende der Vermittlungsbeziehung zwischen Ankh-Morpork, Borograwien und Zlobenien gleich. Sogar erneute Kriegshandlungen wären möglich..."
Sie seufzte deprimiert.
"Wieso Borograwien? Und was ist jetzt mit dem zlobenischen Konsulat?", warf Breda stutzend ein.
Harry berichtete, was sie herausgefunden hatten. Dass alles sich um den Maler Alexanda Seligova drehe, dass von Seiten seines Geburtslandes Gefahr für seine Person drohe, dass es sich bei dem Toten um einen Spion handle, und Borograwien für seinen Tod verantwortlich gemacht werden könne, dass die Quittung eventuell ein Schnitzer der Gegenbotschaft sein könnte, ach und dass sie dort noch gar nicht gewesen waren.
"Das wirkt so abschließend.", sagte der Gnom etwas frustriert. "Wir haben kaum etwas mit dem wir arbeiten können."
"Haben wir das nicht?"
Vier Köpfe änderten die Blickrichtung.
Im Türrahmen lehnte ein feucht aussehender, selbstzufrieden wirkender Hauptmann und winkte mit einer, vom Nieselregen ebenfalls leicht befeuchteten, schmalen Heftmappe.
"Reicht ein Auftrag bei der Assassinengilde zur Inhumierung eines gewissen Herrn Seligova, Alexanda aus?"
Er stiefelte in den Raum hinein und legte sein Mitbringsel aufgeschlagen auf den unübersehbar in Benutzung stehenden Schreibtisch.
"Ich bin mir ja nicht sicher, ob das von allzu schwerer Bedeutung ist...", sagte er lapidar, legte ein Pause ein und fuhr fort: "...aber der Auftrag lautet auf einen gewissen Herrn Karolus Chrom."
Er grinste in das verblüffte Staunen hinein.
"Kennen wir so jemanden?"

Der Auftrag war offiziell, daher konnte man ihn nicht anfechten. Natürlich blieb es im Interesse aller Beteiligten, weshalb der Botschaftsbeauftragte seines Landes den bedeutendsten Künstler desselben liquidiert wissen möchte. Nicht minder verwundert war auch Ferdinand Krumme, der soeben vor dem Spiegel stand und sein Erscheinungsbild musterte. Er hatte keinen Sinn für Kunst. Menschen beschäftigten sich andauernd mit ihr. Sie hörten Musik, sammelten Blumensträuße, bewunderten die Nacht und den Mond und damit hatte es sich. Sie wollten gar nicht wissen, weshalb es verschiedene Blumen gab und machten auch keine Anstalten die Intensität der nächtlichen Dunkelheit zu definieren. Sobald sie aber ein Bild sahen, glaubten sie plötzlich, sie müssten es verstehen.
Mit sich selbst jedoch zufrieden, nickte er seinem Spiegelbild schmunzelnd zu, klopfte kurz seine Beine ab und schwang durch das Fenster in eine bewundernswerte Nacht hinaus.

Von einer unterschwelligen Wut geschüttelt, hatte Breda verlangt, dass die gesamte Abteilung sich in einer Stunde im Besprechungsraum zu versammeln habe. Harry, Hatscha und Glum hingegen, gewissermaßen das Verhörkommando, hatte sie gleich zur zlobenischen Botschaft weitergeschickt um dort die Nachforschungen zu ergänzen. Da diese mit einem Erkundungsgespräch rechnen mussten, riskierte sie es noch einmal offiziell aufzutreten. Aus diesem Grund fand sie sich wenig später von Humph MeckDwarf, Patrick Nichts, Arwan, Ptupekh, Wall Halllalla, Zu-arm-für-einen-Namen sowie Helmi Bernstein umringt. Mit anderen Worten: Es waren fünf verdeckte Ermittler und zwei Spionageexperten zugegen. Sie hielt das für einen guten Schnitt.
"Die Situation sollte klar sein!", endete sie gerade. "In keinem Fall darf man euch entlarven! Es geht hier nicht darum irgendein Verbrechen aufzuklären..."
Eine Pause folgte, in der sie die Versammelten mit einem schwer bedachten Blick besah.
"Es geht darum einen möglichen Kriegszustand zu verhindern. Das sage ich deshalb...", der Blick verengte sich streng: "...damit niemand von euch auf die Idee kommt, etwas am Sachverhalt zu verändern. Ihr seid diesmal nur zur reinen Informationsbeschaffung im Einsatz. Alles klar?"
Man murmelte größtenteils zustimmend Klingendes.
"Sehr gut. Humph, Patrick, ihr beide überwacht Chrom, Helmi, dich will ich in Seligovas Nähe sehen. Lasst euch etwas einfallen. Arwan und Zu-arm, bitte kümmert euch um die Beobachtung des zlobensichen Lagers. Wall, halte dich einsatzbereit, sobald die Ausstellung beginnt, will ich dich dort sehen...das heißt, eigentlich will ich es nicht. Du verstehst was ich meine."
"Und ich, Mä'äm?"
"Hm? Oh, ja, äh, Ptupekh...tja, du bist etwas spezieller in dieser Hinsicht..."
Die Mumie sah betroffen auf ihre Binden hinab.
"Vielleicht setzen wir dich bei der Ausstellung einfach als offiziellen Wächter ein."
Sie klatschte in die Hände.
"Und hoch die Hintern!"

Der Besuch in der zlobenischen Botschaft dauerte nicht lange an. Der dortige Konsul, sein Name war Syrah, ein Mann von knöcherner Statur und mit unter den ergrauten Brauen geröteten Augen, sprach mit einer Bestimmtheit, die ganz auf Nachhaltigkeit ausgerichtet schien.
"Der ermordete Mann...", sagte er: "... war ein zlobenischer Soldat, das ist richtig. Aber...soweit ich weiß auch das Opfer eines Assassinenangriffs."
"Nein, die Quittung war gefälscht. Eigentlich dachten wir, dass Sie das vielleicht wüssten."
Harry lehnte sich unter Hatschas und Glums spürbarer Anspannung noch weiter aus dem Fenster hinaus, indem er ergänzte: "Vielleicht waren es die Borograwen?"
Syrah lachte hustend um anschließend hustend zu lachen, erklärte dann mit einem gewissen Zynismus in der Stimme: "Herr..."
"Harry."
"Herr Harry...es stimmt schon, der zlobenisch-borograwische Konflikt ist keine Eintagsfliege, aber wissen Sie auch, was Sie da unterstellen?"
"Ich hoffe es herauszufinden."
Der Konsul zuckte zurück in seinen Stuhl und blinzelte als hätte er etwas falsch verstanden.
"Angenommen Ihre Frage ließe sich mit 'Ja' beantworten...glauben Sie das hätte keine Folgen? Welches Motiv hätte es gegeben um einen meiner Soldaten zu erschießen?"
"Den Diebstahl gewisser Gemälde vielleicht?"
"Sie sprechen...äh...von der Ausstellung dieses Malers...?"
"Korrekt!"
"Soweit ich weiß wurden keine Bilder bei der Leiche gefunden, Herr Harry."
Es wäre sehr viel einfacher gewesen, hätten der Gnom mit dem Geständnis Brightons argumentieren können, doch derart offensichtlich vorzugehen...
"Ich könnte mir vorstellen, dass sie von jemandem...zurückgenommen wurden."
"Wissen Sie...Harry...angenommen Ihre Vermutungen bestätigten sich...so hätten wir zu diesem Verhör keinerlei Anlass!"
Und damit wurden sie zum Aufbruch ermahnt.

Ein deutlich beleibterer Botschafter signierte nur wenig später ein mit vielen Stempeln versehenes Dokument, sortierte es in ein für solche Papiere bestimmtes Fach und richtete seine Krawatte, bevor er seinem Schreibtisch zwei Dinge entnahm. Das eine war verhüllt, das zweite ein Schlüssel. Er verstaute beides in seinen Taschen. Anschließend setzte er sich grübelnd, mit den Fingern auf die Tischplatte trommelnd, hin.
Was war in seinen Augen ein Künstler? Etwa jemand, der nur Augen hatte, wenn er malte, oder nur Ohren, wenn er musizierte...? Nein, für Karolus Chrom war er vor allem ein politisches Wesen, stets aufnahmebereit für bewegende, brennende oder glückliche Ereignisse, die er in der Lage ist mit ein wenig Farbe und einer geeigneten Oberfläche zu verewigen. Auf keinen Fall war Malerei dazu da, Museen zu schmücken. Sie war eine Waffe zum Angriff und zur Verteidigung gegen den Feind.
Aus diesem Grund schätzte er sie.
Nach kurzer Bedenkzeit erhob er sich, trat in den Vorraum und bedeutete den beiden dort wachenden Soldaten ihm zu folgen.

Nachdem er den restlichen Tag über vergeblich versucht hatte durch Alleinsein die Selbstbeherrschung wiederzuerlangen, beschloss Alexanda Seligova, weil er die Einsamkeit nicht mehr ertragen konnte, ein Gespräch mit seinem Türwächter zu beginnen. Jedenfalls hoffte er dadurch etwas Ablenkung zu finden von dem Umstand, dass man ihn gewissermaßen hinter Verschluss hielt.
"Äh...Vojak? ", sagte er nach einem Klopfen an die Tür.
Es zeigte sich keinerlei Reaktion.
"He, Vojak! "
Alexanda beschlich ein mulmiges Gefühl während er die Tür öffnete. Vorsichtig streckte er den Kopf hinaus, sah nach links, sah nach rechts, doch der Gang war...
"Hier unten."
Das künstlerisch begabte Auge wanderte staunend nach unten, um einen recht kleinen Soldaten mit gestutztem Bart zu entdecken, dessen Uniform ihm eine Spur zu groß war. Er musste sich eingestehen, dass ihm dies neue Rätsel aufgab.
"Wo ist Soldat Lametta hin? ", fragte er auf ankh-morporkianisch, da auch der Zwerg in dieser Sprache gesprochen hatte.
"Hm, Wachablösung, Herr Seligova. Der Herr Konsul hat soeben ein paar Männer mitgenommen."
"Ah? Mir war bloß neu, dass wir jetzt auch zwergische Soldaten haben..."
Seligowas Blick verfinsterte sich und sicherheitshalber legte er eine Hand von innen auf den Türknauf.
"...die offenbar des Borograwischen nicht mächtig sind."
Der Soldat vor ihm nickte eifrig.
"Ein Abkommen der Botschaft mit dem Komitee für gleiche Höhe."
"Und dein Name lautet?"
"Gernod Bein."
Alexanda nickte bedächtig.

Er bog unvermutet in eine Seitengasse ein, von der die beiden Soldaten nichts gewusst hatten. Da sie bei Nacht durch die Zwillingsstadt gingen, hatten beide das Gefühl, als begleiteten sie ein Kaninchen durch seinen Bau. Man musste aufpassen, denn er mochte jederzeit in einem Gässchen oder einem Loch im Erdboden verschwinden. Am Ende der Gasse gelangten sie in eine breite, bekannt anmutende Straße und folgten ihrem Verlauf, bis sie die große Anlage des Haufens erreichten. Dort stapften sie geradewegs auf ihr Zentrum zu. Die Kiste, die die zwei trugen, war zwar offenbar leicht gefüllt, doch auch eine leichte Fülle wurde mit der Zeit schwer. Durch das Gewirr der Ruinenanlage folgten sie dem Konsul einige Quergänge lang, bis dieser vor einer schweren, verwitterten Tür stehen blieb, einen Schlüssel aus der Tasche zog und aufschloss. Er wies seine Lastenträger hinein, trat selbst ein und entzündete eine bereit hängende Fackel.
"So.", sagte er: "Das hätten wir."
Mit diesen Worten zog er einen verhüllten Gegenstand aus der Tasche.

Ferdinand Krumme hatte sein Ziel gefunden. Es war nicht weiter schwer gewesen. Alles Grübeln, alles Berechnen von Aussichten und Abwägen von Vorteilen löste sich auf das Einfachste darin auf, dass er nun nichts mehr weiter unternehmen musste, als zu warten.

Inzwischen hatte Alexanda beschlossen, den kleinen Soldaten zu mögen. Anders als die anderen, hochdisziplinierten Kameraden, glänzte jener mit einer gewissen, angenehm naiven Art.
"Alles, was ich im Zusammenhang mit der Kunst tue, bereitet mir Freude!", endete der Maler gerade. "Sie stellt meinen Lebenszweck-"
"Vojakas! Protimeni, takoj!", schallte es urplötzlich aus dem unteren Stockwerk und augenblicklich waren hastende Stiefelschritte zu vernehmen, über deren Geräuschkulisse hinweg weitere Kommandos auf Borograwisch folgten.
"Die Bilder..."
Alexanda lauschte der Stimme, während der kleine Soldat ihn unverwandt anschaute.
"Na, worauf wartest du noch?", beschwerte der Maler sich nach einigen Sekunden. "Sie sind weg."

Der vormals verhüllte Gegenstand entpuppte sich nunmehr als das altbekannte Model einer Miniaturarmbrust, deren schussbereiter Bolzen sich auf die beiden Soldaten richtete.
"Vielen Dank, für den Transport, meine Herren, ich bin Ihnen wirklich sehr verbunden und werde mich umgehend erkenntlich zeigen."
Während der größere von beiden erschrocken einen Schritt nach hinten setzte, schien sich der ältere von den Vorgängen weniger beeindruckt zu zeigen. Er stieß gegen die Kiste und schob den Deckel herab.
"So, jetzt sind die Bilder also hier unten.", sagte er und entledigte sich seines störrischen Helmes, während er einen Schritt auf den verdutzten Staatsangestellten zutrat.
"Sieht so aus, als ob das Probleme geben könnte."
"Ich halte hier eine schussbereite Waffe in der Hand, Soldat.", machte der Konsul mit düsterem Blick noch einmal die Gesamtsituation bewusst. "Natürlich gibt das Probleme."
"Sicher sogar!", bestätigte der Angesprochene und zog unter den Blicken aller Beteiligten eine Dienstmarke der Stadtwache von Ankh-Morpork aus seinem Hemd hervor.
"Gestatten, Herr Chrom? Hauptmann MeckDwarf und Korporal Nichts von der Stadtwache. Wir vereiteln Regierungskonflikte."
"Was? Was?"
Der Bewaffnete sah verunsichert drein. Ein trotziger sowie ein Selbstbewusstsein fassender Blick starrten zurück. Dann kicherte er verunsichert.
"Die Polizei also, wie? Hervorragend. Na was die Presse da wohl schreiben wird? Sich einfach in zlobenische Staatsangelegenheiten einzumischen...wie frech von Ihnen, Hauptmann! Sollte auch Ihrer Regierung missfallen." Er räusperte sich überlegen. "Und jetzt treten Sie bitte zurück, damit ich besser zielen kann."
"Ich fürchte, ganz so einfach wird das nicht, verehrter Herr Konsul."
"Zurücktreten sag ich!"
"Sie verstehen also nicht..."
Humph ließ die Schultern hängen.
"Er sagte, dass wir Stadtwächter sind, Herr Chrom.", sagte die Stimme Korporal Nichts aus dem hinteren Teil des Raumes.
"Und?", lautete die gereizte Frage.
"Wir haben in Ihrem Fall Ermittlungen angestellt. Das bedeutet, dass irgendjemand anderes bei der Stadtwache davon weiß. Bald würde man unser Verschwinden bemerken und Untersuchungen anstellen..."
"...und da führte die erste aller Spuren zu Ihnen, Herr Konsul.", fuhr Humph fort. "Und dann wäre dies alles hier auch keine Staatsangelegenheit mehr!"
Verärgert sah Chrom zwischen den beiden hin und her.
"Ja, fein, na und? Bis dahin könnten die Bilder und ich selbst schon sonst wo sein. Und Sie beide wären dann hier in diesem Raum."
Er deutete auf die verwitterten Mauern rings um sich herum.
"So schnell kämen Sie gar nicht nach Borograwien!"
"Ach, Borograwien, hören Sie schon auf!" Er winkte ab. "Was soll ein Zlobene schon in diesem Stück Sumpfland? Die Bilder gehen direkt an Prinz Heinrich!"
"Ein zlobenischer Spion als borograwischer Botschafter...", staunte Patrick und vergaß für einen Augenblick lang beinahe die Waffe in dessen Händen."Das erklärt so manches."
"Agent, wenn ich bitten darf!", warf Chrom ein, wirkte nun aber recht unsicher.
Für Momente standen sie alle unbewegt und schweigend da, lauschten dem einsetzenden Nieselregen und tauschten messende Blicke.
"Ihr bleibt...erst mal hier!", überlegte der Agent langsam und nickte. "Ja. Ich muss mich später darum kümmern! "
Mit diesen Worten wirbelte er herum, schwang durch die Tür hinaus ins Nasse und schloss selbige eilig ab. Sekundenlang war nichts mehr zu hören außer dem leisen Prasseln.
Patrick stemmte die Hände in die Seiten.
"Hauptmann, Sie haben uns unnötig gefährdet!"
Er zog die Augenbrauen hoch.
"Und damit den verdammten Hintern gerettet."
Humph nickte.
"Und nun, Korporal? Ich erwarte deine Vorschläge! "
"Bitte? "

Fast war Ferdinand Krumme enttäuscht. Er hatte ja noch nicht einmal eine angemessene Zeit lang warten müssen. Beinahe so, als wäre es dem durch die Nacht stapfenden Herrn egal. Beleidigt lud er seine Armbrust und zielte.

Oberst Brighton hatte sich mit sechs Männern auf den Weg zur zlobenischen Botschaft gemacht, mit dem festen Vorhaben, ein mehr als klärendes Gespräch über gewisse verschwundene Gemälde mit dem Leiter jener Einrichtung zu führen. Dies stand jedenfalls auf dem kleinen Zettel, der mithilfe einer Taube Bruder Laudes in der Taubenkommunikationsanlage im Hauptquartier der DOG erreicht hatte und sich nun in den Händen Daemons befand, der ihn bloß wenige Augenblicke nach dessen Eintreffen unter Feldwebel Krulocks Nase hielt.
"Das kommt von Bernstein. Schlage vor,...", sagte er beinahe bestimmend: "...sich sofort auf den Weg zu machen!"

Der Zorn, wenn es denn Zorn gewesen war, war bei weitem noch nicht verflogen, doch die Spannung nahm allmählich ab. Beide Parteien redeten zu rasch, zu angespannt ohne sich wirklich zuzuhören. Niemand wollte jemand anderem zuhören. Das war weniger eine Geisteshaltung als bloßer Stolz. Im Mittelpunkt standen Anschuldigungen, Androhungen, Erbfeindschaft und die zentrale Frage:
"Noch einmal: Wo sind die Bilder?"
"Sie reden im Affekt!"
"Sie sind borograwisches Staatseigentum! Rücken Sie sie umgehend raus, Syrah, sonst werden weitere Schritte unablässig sein!"
Diese ersten Wortfetzen, die die eilenden Wächter wahrnahmen reichten aus, um die Situation zu klären. Breda und Hatscha erreichten den Vorraum der zlobenischen Botschaft als erste, dicht gefolgt von Daemon und weiter hintenan Ptupekh und Glum, Harry auf der Schulter des letzteren. In der sich nun leidig bestätigenden Befürchtung eines offenen Konfliktes zwischen den Botschaften hatte Breda sich alle verfügbaren Abteilungsmitglieder geschnappt, ein jedes bewaffnet und das Schlimmste hoffend. Nur Wall und Laudes waren zurückgeblieben.
"Was geschieht hier, Oberst?", warf die Untote in den Raum und blieb an der Schwelle stehen, von wo aus sie den besten Überblick über die Lage hatte. Alle Blicke wandten sich in ihre Richtung. Mitten in der kleinen Halle standen Oberst Brighton mit seinen sechs Soldaten, allesamt die Hände angriffsbereit auf die Knäufe ihrer Säbel gelegt. Ihnen gegenüber standen zwei Soldaten der Gegenseite in ähnlicher Positur, zwei weitere etwas weiter hinten, Syrah in ihre Mitte nehmend. Dieser war recht blass, im Gegensatz zu Brighton, dessen Gesicht puterrot angelaufen war.
"Ich wünsche Auskunft über die Lage. Mein Name ist Breda Krulock, Feldwebel der Stadtwache von Ankh-Morpork."
"Halten Sie sich aus dieser Sache heraus, Feldwebel!", gab der Angesprochene wenig diplomatisch zurück.
Syrah trat aus dem Schutz seiner Leute heraus und hob anklagend den Finger.
"Ich verstehe das als eine Androhung, Oberst! Gehen Sie mit Ihren Männern, oder dieses Ereignis wird weitaus unangenehmere mit sich führen!"
"Nicht ohne die Werke von Seligova!"
"Was führt Sie zu der Annahme, sie ausgerechnet hier finden zu wollen?", erkundigte sich Harry von der zwergischen Schulter aus an den borograwischen Offizier gewandt.
"Herr Harry, waren Sie es nicht selbst, der sich bei mir wegen eines gewissen verstorbenen zlobenischen Spions informierte? Und hatte es nicht eben jener auf die Bilder abgesehen?"
"Hm. ", machte der Gnom und wurde still.
"Es handelt sich nach wie vor um eine Angelegenheit, die Sie nichts angeht!"
"Wenn Sie die Lage nicht verkomplizieren wollen, dann hören Sie endlich einmal zu, Oberst!", bedachte der Konsul mahnend.
"Ich habe Sie gewarnt, Syrah!"
Damit zog Oberst Brighton seinen Säbel und hielt ihn drohend in die Höhe. Auch seine Soldaten zogen die ihren, woraufhin die Gegenpartei es ihr gleich tat.
"Das kann ich nicht zulassen, Brighton!", verkündete Breda und gab das Kommando an ihre Leute die Armbrüste auf seine Soldaten zu richten. Der Offizier erbleichte und senkte seinen Säbel ein Stück weit.
"Das ist ein Verrat, Feldwebel, dafür wird die Stadt bezahlen!"
"Aber nicht mehr heute!", sagte Syrah und streckte die Hand aus. "Entwaffnet den Oberst und seine Leute!"
Als zwei seiner Soldaten sich an die Entwaffnung machen wollten, spürten sie mit einem Mal die Messer der anderen beiden in ihren Rücken.
"Davon raten wir ab.", zischte Arwan im Rücken des einen und warf Zu-arm-für-einen-Namen im Rücken des anderen einen Seitenblick zu. "Und ihr beide rührt euch besser nicht!"
Die Situation war absolut festgefahren.
"Wie auch immer Sie das sehen, Oberst... ", sagte Syrah säuerlich: "...aber ich beginne mich langsam zu fragen, ob der Feind vielleicht ein ganz anderer sein könnte... "
Breda sah Daemon an. Beide wirkten totunglücklich mit der Lage.
"Was immer die Folgen sind...", sprach die DOG-Abteilungsleiterin aus: "...ich übernehme ab hier! Im Sinne der Aufrechterhaltung eines äußerst dünnen...Friedens. Ptupekh, Glum, entwaffnet die Anwesenden."
Sie wandte sich an den zlobenischen Konsul, während ihre Untergebenen damit begannen ihren Befehlen nachzukommen.
"Haben Sie, oder haben Sie nicht mit dem Verschwinden der Gemälde zu tun?"
"Das habe ich wohl kaum...", gab dieser aschfahl zurück."Ze chy Borogvia proztfik!"
"Er sagte, dass er ein Bürger Borograwiens sei.", erklärte Daemon und hob überrascht eine Augenbraue.
"Was behauptest du da, du Kretin?", entfuhr es Oberst Brighton entrüstet. "Du wagst es die Ehre meines Landes derart mit Füßen zu treten, indem du behauptest-"
"Ja!", sagte Syrah und funkelte erbost. "Und euer Konsul Chrom ist ein zlobenischer!"
Brighton fand aufgrund dieser Dreistigkeit keine Worte, lief nur noch röter an und fuchtelte hilflos mit den Fäusten in der Luft herum. Wäre ihm nicht soeben von einer Mumie der Säbel abgenommen worden, wäre vielleicht ein Unglück geschehen.
"Wie kommen Sie-", begann Daemon, wurde jedoch gleich wieder unterbrochen.
"Ich möchte betonen, dass nicht nur die Bilder sich nicht in diesem Gebäude befinden!"
"Der Konsul ist vor etwa eineinhalb Stunden mit zwei Männern aufgebrochen!"
Die Versammelten sahen sich um und machten sogleich eine Gasse für die Neuankömmlinge frei, die soeben keuchend über die Schwelle stolperten.
"Soldat Bein hat ihn beobachtet.", ergänzte Alexanda.
"Guten Abend, Herr Seligova.", bemerkte Syrah wohlwollend. "Gerade Sie sollten sich aus der Sache heraus-"
"Nein, es wird Zeit, dass sich endlich einmal jemand herein hängt!", wetterte der Künstler erbost.
"Wer soll das sein, Soldat Bein?", grollte Brighton und sah Alexanda wutschnaubend an.
"Na, er hier.", gab dieser zurück und deutete auf den Zwergensoldaten zu seiner Rechten.
"Kenne ich nicht!"
"Guten Abend, Bernstein!", murmelte Harry an dessen Adresse. "Wo sind MeckDwarf und Nichts?"
"Das lässt einige Vermutungen offen... ", gestand Helmi schüchtern und nahm den borograwischen Uniformhelm vom Kopf."So wie es aussieht sind die beiden wohl mit dem Konsul mitgegangen."
"Fragt sich nur beinahe wohin...", bemerkte Syrah und bedachte die Wächter mit einem Blick.
Oberst Brighton giftete zurück: "Beinahe?"
"Ich hatte mich schon gefragt, wo der erste Spion hin wollte..."

Der Nieselregen hatte sich inzwischen zu seinem ordentlichen Regen gemausert und war auf dem besten Wege eine erfolgreiche Karriere als tobendes Sommergewitter zu erfahren, als Breda, Daemon, Helmi, Alexanda sowie die beiden Borograwier die Leichenfundstelle am Haufen erreichten. Glum war die Aufgabe zugekommen, dafür zu sorgen, dass die Soldaten nicht übereinander herfielen und alles ruhig blieb, während man einer bestimmten Vermutung nachging. Der Zwerg war schon immer sehr für Verantwortung gewesen, doch er hätte sich durchaus eine reizvollere vorstellen können.
"Und was genau wollen wir jetzt hier, Hauptmann?", fragte Helmi gegen die prasselnde Kulisse.
"Was macht man soweit hier draußen? Warum lief der zlobenische Spion ausgerechnet zum Haufen, wo es außer Ruinen nichts gibt und man ihn umso leichter stellen kann?"
"Vielleicht weil er voller Panik blind durch die Straßen lief?"
"Vielleicht weil sein Ziel die Ruinen selbst waren.", warf Syrah ein.
"Sofern Sie die Wahrheit sagen,...", bemerkte Brighton: "...sollten Sie dann nicht genau wissen, wo er mit den Bildern hin wollte?"
Der Konsul verdrehte die Augen.
"Nein. Die Vorfälle gingen von Chrom aus!"
"Was ist das dort?", rief Helmi aus und deutete auf etwas in der nahen Ferne. "Da liegt jemand am Boden."
Sie änderten die Laufrichtung und erkannten in dem von Helmi bemerkten Etwas den vermissten Konsul Chrom. Er lag auf dem Rücken, seine Kleidung war vollkommen durchnässt, die Brille von der Nase gerutscht. Der leere Blick starrte auf einen Bolzen, der geradewegs aus seiner Brust hinaus stach. An denselben hatte jemand ein weißes, gewachstes Stück Papier befestigt.
Breda pflückte die Quittung vom Leichnam, reichte sie an Daemon weiter und drehte sich mit bleistiftminendünnen Lippen zu Syrah um. In ihrer Stimme schwang eine gewisse Beherrschung mit.
"Sie haben wohl vergessen uns darüber zu informieren, dass sie der Auftraggeber hierfür sind, Herr Konsul?"
Dieser zuckte mit den Schultern und antwortete: "Er war ein Feind."
"Da Chrom starb, bevor Alexanda ermordet wurde...", überlegte Helmi: "...müsste das nicht bedeuten, dass der damit verbundene Auftrag erlischt?"
Daemon runzelte die Stirn.
"Nicht, wenn er bereits bezahlt war, Obergefreiter."
"Ach, Herr Seligova, das wissen Sie ja noch gar nicht-"
Helmi drehte sich verwundert im Kreis herum.
"Wo ist er?"

Die schwere Tür öffnete sich ruckartig, just als Patrick einen erneuten Versuch unternehmen wollte sie einzurennen. Da es Alexanda war, der selbige geöffnet hatte war das logische Resultat ein gestürzter Künstler, dem ein gewisser verdeckter Ermittler nun so nah war, wie nur wenige andere Männer.
"Äh...Stadtwache!", brachte Patrick überrascht hervor, als er sich auf einem Bauch sitzend aufrichtete. Damit schluckte er schwer und sah Alexanda verwirrt an. "Geht es Ihnen gut?"
"Am liebsten!"
Humph MeckDwarf trat ins Freie, erkannte gewisse Umstände und sprach:
"Das hat wohl eine tiefgründigere Bedeutung."
Beschämt sprang Patrick auf die Füße und stemmte den dürren Maler hoch.
"Vielen Dank für die Befreiung, Herr Seligova. Wo ist Chrom und wie sind Sie an den Schlüssel gekommen?"
"Also..."
Er deutete die Wiese hinunter.
"Ersterer liegt tot dort drüben, zweiterer nicht mehr in seiner Hosentasche. Ich hab ihn einfach an den Türen ausprobiert; so viele gibt es hier ja nicht."
"Hm, das könnte kompliziert werden...Mistwetter!"
Es verging eine ganze Weile, in der Humph und Patrick durch den Regen stierten, auf der Suche nach einem Leichnam.
"Ich glaube da hinten ist jemand, Sör.", sagte der Korporal irgendwann und deutete in die Ferne zu seiner Linken. Humph sah genauer hin.
"Glaube ich nicht, Pat. Schau mal dort hin. Da sind mehrere Menschen."
"Mob oder Stadtwache?"
"Mob. Bei der Wache wird auf Hügiene geachtet."
"Hügiene, Sör?"
"Riechst du das nicht? Sehr streng. Riecht wie ranziges Fett."
"Ich fürchte das sind nicht unbedingt die Menschen..."
"Wie meinst du das?"
Wortlos bedeutete Patrick dem Hauptmann sich umzudrehen.
Im Inneren des Kellerraumes glühte es flackernd. Nachdem beide zur Schwelle gestürzt waren, sahen sie voller Schrecken einen zusammengesackten Maler, eine brennende Kiste sowie eine völlig schwarz gewandete Gestalt, die just ihre Klinge mit einem Seidentuch säuberte.
"Was ist das hier wieder?", entfuhr es Humph wie vom Donner gerührt.
Der Assassine verbeugte sich elegant.
"Ferdinand Krumme, stets zu Diensten. Außer an den Donnerstagen."
Patrick eilte zu Alexanda, dessen Brille schief auf seiner Nase ruhte, nur um einen schmalen Einschnitt am Hals und keinerlei Lebenszeichen zu entdecken.
"Das haben Sie jetzt nicht getan!", gab er mühevoll und mit großen Augen von sich, doch der Assassine rollte lediglich mit den seinen und verstaute sein 'Werkzeug'.
"Ist bares Geld wert. Und das mit dem Feuer war er!"
"Aus! Jetzt ist alles aus!", sagte Patrick monoton.
Ferdinand Krumme seufzte und zog ein schmales Stück Papier aus seiner Brusttasche.
"Wollen Sie die Quittung gleich haben? Ist garantiert echt!"
Humph nahm den Beleg und schüttelte den Kopf.
"Sie wissen gar nicht, was Sie da angerichtet haben!"
"Ich habe mich in eine Geschichte eingemischt und sie beendet."
"Nicht nur der Maler, sondern auch seine Werke sind dahin..."
"Kunst wird ohnehin nur für das kulturelle Ansehen eines Landes aufrecht erhalten. Meine Herren, ich empfehle mich!", sagte der Assassine und entschwand.
Es verging eine weitere Weile, bis Humph Patrick hinunter schielte.
"Tja, das wird wohl jemand von uns berichten müssen."
Er runzelte die Stirn.
"Mach es behutsam, Korporal."

"Haben wir das jetzt endlich auch einmal geklärt?", fragte Breda rhetorisch und mit unverhohlener Wut. "Herr Syrah wird Ihnen seine Identität nachweisen, sobald es möglich ist!"
"Und der da?"
Oberst Brighton sah abfällig auf den ehemaligen Konsul herab.
"Ich schlage einen geheimen Tausch vor.", gab Daemon zum Besten. "Die Leiche Chroms wird an Zlobenien übergeben und Sie, Syrah, an Borograwien. Es herrscht ein gewisses Gleichgewicht durch die gegenseitige Spionage."
"Aber Chrom ist tot!", bedachte Brighton unwirsch.
"Aber auch eindeutig am Diebstahl der Bilder schuldig!", mischte sich eine Stimme in die Diskussion ein, die der Kehle MeckDwarfs entsprang. "Man wird es verschweigen, da beiden Lagern ein erhebliches Schuldmaß zukäme!"
"Hauptmann!", stellte Breda erleichtert fest und stemmte die Hände in die Seiten. "Dann nehme ich an, ihr beide habt die Bilder gefunden?"
Sie nickte auch Patrick zu, der nun mit dem Daumen über die Schulter wies.
"Die brennen da hinten...ach...und Herr Seligova ist ebenfalls tot...es war ein Assassine...", ergänzte er in das plötzliche Schweigen hinein. In den Augen aller formten sich Ausrufezeichen.
"Tjaaa...", sprach Helmi nach einem kurzen Moment in die stille Runde hinein. "Das war's dann wohl...ich bin nass."
"So wie wir alle...", kommentierte Daemon tonlos. "Eignet sich das als Schlusswort?"
"Was denn? Etwa, dass wir uns nass gemacht haben? ", bemerkte Breda gereizt und stampfte auf. Es schmatze.
"Das kommt dabei heraus, wenn man seinen Leuten sagt, dass sie nur beobachten sollen. Gib mir die Quittung!"
Die Wächter fühlten sich schuldig. Auch die Borograwen standen verlegen da.
"Meine Herren, ich gratuliere Ihnen!", sagte sie, streckte die Arme aus und trat ein paar Schritte zurück. "Sie haben gerade auf denkbar auffällige Weise einen Regierungskonflikt verhindert! Gebt Glum Bescheid, der soll sich um die Ordnung kümmern und bringt mir die Berichte!"
Mit diesen Worten wirbelte Sie herum und stapfte verärgert in Richtung der Häuser davon.
Auf halbem Weg zwischen Haufen und Wachhaus fiel ihr das Stück Papier wieder ein, die sie noch immer in der Faust hielt. Sie wusste nicht genau weshalb sie so wütend war. Zum Teil hatten sich die gesamten Ereignisse gar nicht abwenden lassen. War es, weil man ihre Befehle nicht gründlich genug beachtet hatte? War es, weil sie wusste, dass die gezeigte Offenheit vielleicht sogar der einzig vernünftige Weg gewesen war? Hätten sie sich gleich aus der Sache herausgehalten, hätte Oberst Brighton in der zlobenischen Botschaft ein Blutbad angerichtet und einen erneuten Krieg verantwortet. Chrom und Seligova wären zwar dennoch gestorben, aber man hätte seine Werke eventuell erst nach unbestimmten Jahren wiedergefunden. Natürlich war dieses Problem nun ebenso aus der Welt geschafft. Die Zeitungen würden schon morgen früh, spätestens gegen Mittag publiziert haben, dass der Maler tot und die Gemälde vernichtet seien; es würde keine Ausstellung mehr möglich werden. Sie nahm sich vor entsprechende Anweisungen über die Erwähnung und Nichterwähnung spezieller Inhalte an die Verleger persönlich zu verfassen. Mühsam ihren Zorn aufrechterhaltend, vielleicht, weil sie schlichtweg die Lust zu jener Laune verspürte, trat sie aus dem Regen heraus in einen Hauseingang, strich sich die nassen Strähnen aus dem Gesicht und verfluchte das tobende Wetter. Dann betrachtete sie die Quittung. Mit dieser letzten Missetat Chroms hatte sie gerechnet. Es war keineswegs üblich, aber offenbar hielt es der schuldige Assassine sehr genau, was die Ausführlichkeit seiner ausgestellten Quittungen anging, denn sowohl bei der Quittung Chroms als auch Seligovas waren die Auftraggeber namentlich genannt worden. Es war ein wahres Glück, dass bisher nur Hauptmann MeckDwarf und sie über den letzten Vorfall Bescheid wussten, dabei war sie sich bei dem früheren Abteilungsleiter nicht einmal allzu sicher. Doch allein die Tatsache, dass sie nun Bescheid wusste, war Grund genug den Zettel in ihrer Hand in einer Akte zuunterst aller anderen zu verstauen oder noch besser, ihn völlig verschwinden zu lassen.
Havelock Vetinari rechnete bekanntlich mit allem, doch war es vielleicht auf seine eigene Schulzeit zurückzuführen sowie auf seinen derzeit berühmten und gefürchtete Einfluss, dass er es ausgeschlossen hatte, dass ein beauftragter Assassine seinen Namen unter eine Quittung setzen könnte.



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Feedback:

Von Valdimier van Varwald

01.09.2010 12:53

In meinen Augen eine solide Pokey, die mit den Diplomatischen Hintergrund eine gewisse Frische aufbrachte. Leider fand ich sie m Mittelteil etwas konfus geschrieben, was dazu führte, dass ich ein paar Passagen mehrmals lesen musste, damit ich sie richtig verstanden habe.Außerdem kam es mir so vor, als hättest du bei der Szene mit Patrizier unseren Kommandeur als Frau dargestellt ;)

Von Araghast Breguyar

01.09.2010 12:53

Nur eine kleine Anmerkung: Bregs ist -keine- Frau.

Von Braggasch Goldwart

01.09.2010 12:53

Sehr fein, sehr fein! Ein großartiger, spitzer Humor und schöne Charakterausarbeitungen. Allerdings ist noch hier und da ein kleiner Sinn- und Sprachfehler... und seit wann ist Araghast eine Frau? :DVon Tut'WeeOK, ich geh mal nicht ein auf Ungereimtheiten wie den fliegenden Wasserspeier oder FROG als Tatortsicherer ein. Werden andere machen. Schade jedenfalls darum.Es hilft, das kann ich nicht nur dir raten, eine Singles den anderen, betroffenen Spielern zu lesen zu geben. Damit hast du einiges an Punkten wahrscheinlich verpatzt, auch wenn mich so etwas weniger stört, wenn der Rest stimmt.Angenehm war, dass du "Ungewöhnliches" anders zu übersetzen versucht hast. Du schaffst es, an vielen Stellen wie dem Anfang eine tolle Stimmung aufzubauen. An anderen, finde ich, nutzt du dies Talent nicht konsequent aus, wie z.B. bei den Konsularen. M.M.n. sollten die Botschafter viel... anmaßender und distingierter sein, auch und gerade bei diesen arroganten Miniländern.

Von Nyvania

01.09.2010 18:11

Ich wollte nur anmerken, dass Nyv nicht fliegen kann =P

Von Glum Steinstiefel

01.09.2010 21:31

@Bregs: *erröt* Das tut mir Leid, Bregs, da dachte ich wohl beim Schreiben mehr an dich als Person und weniger an den Charakter...das letztjährige Wachetreffen steckt da noch zu tief im Hinterstübchen, tut mir Leid! :wink: :wink:



@Nyv: Es tut mir auch Leid, dass du nicht fliegen kannst, das wusste ich nicht! Habe auch beim Schreiben nach Hinweisen darauf gesucht, sie aber offenbar übersehen...



@Tut'Wee: Zum Probelesen: Das mache ich immer so! Ich lasse die schwerst Betroffenen [i]immer[/i] Probelesen! Aber bei einer Pokey bleibt alles allein bei mir und der Abteilungsleitung! :wink:

Was bedeutet: M.M.n. ? :mata:



Aber ich danke euch allen für die Kritik, die mich obschon der teils klagenden Worte gefreut hat, zumal ich gerade bei dieser Single mit allem anderen gerechnet hätte! :wink:

Von Magane

01.09.2010 21:36

[b]M[/b]einer [b]M[/b]einung [b]n[/b]ach...

Von Glum Steinstiefel

01.09.2010 22:04

Ah, gut, ich danke sehr! :)

Schau, da hab ich wieder einen Kürzel mehr gelernt...bald kann ich mich auf eigenen Beinen im Netz bewegen! :D

Von Kanndra

02.09.2010 10:37

[quote="Glum Steinstiefel"]


@Tut'Wee: Zum Probelesen: Das mache ich immer so! Ich lasse die schwerst Betroffenen [i]immer[/i] Probelesen! Aber bei einer Pokey bleibt alles allein bei mir und der Abteilungsleitung! :wink:
[/quote]

Man kann es bei einer Pokey ja so halten, wie wir es vor den Spielwiese-Zeiten gemacht haben: Textstellen rauskopieren und per Mail an die Beteiligten schicken.

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