Eine kurze Rückblende zum 'frühzeitlichen' Glum und der Grund weshalb er in seinem Büro schläft...
Dafür vergebene Note: 12
Weil Glum seinen neuen Posten möglichst ausgiebig genießen wollte, bummelte er seit einigen Tagen häufig im Hausflur des Boucherie Rouge herum, und machte etwas ungeschickt, wie nebenbei, auf sich aufmerksam, sobald jemand aus seinem Büro kam. Auch verbrachte er einen Morgen mit einer kleinen Ansprache, die er vor den derzeitigen Rekruten hielt, um sie, im Namen der Dienststelle zur Observation von Gildenangelegenheiten, von deren außerordentlichen Wichtigkeit zu überzeugen. Bei den dazugehörigen Ausbildern hatte dies zwar für fragendes Unverständnis gesorgt, doch Glums klärenden Blick konnte man nur als durchdringend bezeichnen. Im Übrigen wanderte er mit diversen Akten unter dem Arm und meistens in Begleitung umher, ohne dass er sich von der Kürze der ihm gegebenen Zeit unter Druck setzten ließ. Auch wenn er diese Kürze gerne explizit betonte.
Nichts konnte verhindern, dass er dieser Tage besonders auffiel. Um mehrere Haupteslängen unterragte er die nicht-zwergischen Mitwächter, überzeugte dennoch durch seine bloße Präsenz. Faktisch war Glum bloß die neue Notfallbesetzung für den höheren Posten und zudem frei in seiner Arbeit, da Feldwebel Krulock ein für die Abteilungsleitung ungewohntes Engagement zu Tage legte, doch die respektbehauchte Bewunderung durch diverse Mitwächter und Rekruten die sein Durchsetzungsvermögen anerkannten waren Balsam für seinen Zynismus. Er sah darin ein Kompliment für sich, und dieser Gedankengang schoss ihm kurz durch den Kopf als er das neue, vergoldete Schild zum dritten Mal an diesem Tage polierte, welches nunmehr unter seinem Büroschild prangte und ihn für mindestens ein halbes Jahr lang als ersten stellvertretenden Abteilungsleiter mit Gefreitenrang seit fünf Jahren vorstellte.
Sebulon, er war der Sohn des Samax, sah ihm dabei über die Schulter und rollte seufzend mit den Augen. Tatsächlich musste er auf den Stiefelspitzen stehen um über jene Schulter sehen zu können, da der ohnehin bereits größere Zwerg seit seiner Quasi-Beförderung glatt zehn Zentimeter gewachsen zu sein schien. Zweifelnd zog Sebulon die Nase kraus und wankte zurück auf eine haltungssichere Position. Er war vorbeigekommen um Glum die Bitte des goldwartenden Braggaschs vorbeizubringen, für die nächste Ausgabe der Rohrpost ein Interview mit der abteilungsleitenden Breda Krulock zu führen. Er nahm hierbei die Gelegenheit wahr Glum noch einmal zu gratulieren, einfach aus dem Grund, weil jener es nicht oft genug hören konnte.
"Noch einmal meine herzlichsten Glückwünsche, Glum! Ist das eigentlich eine Art Rang?", erkundigte er sich, versucht sein leises Desinteresse zu verbergen.
"Wird wohl." Glum hauchte noch einmal über das Schild, fuhr mit einem frischen Lappen darüber und nickte zufrieden, bevor er Sebulon winkte und ihn in sein Büro verwies. "Ich habe ihn gestern Abend in mich hinein getrunken."
'
Ein Rausch wie jeder andere!',entfuhr es Sebulon beinahe, doch stattdessen bemerkte er mit einem rettenden Augenzwinkern: "Vor hunderten Jahren wurde ein Spaßvogel geboren."
Nun war es an Glum zu zwinkern. Er bot dem Korporal einen Stuhl an und nahm wie gewohnt hinter seinem Sekretär Platz, der bestens dazu geeignet war, dass von der Position des Stuhles aus niemand Einblick in seine derzeitige Arbeit nehmen konnte.
"Naja, ich bin halt manchmal ein Narr.", murmelte er. "Das haben alte Brummer wie ich nun mal so an sich." Er überlegte kurz und legte die Stirn in Falten, während er den nebenstehenden, verstaubten Kriegshammer musterte, dessen Schild ihn als eine '
Argumentationshilfe' bezeichnete. Sebulon hatte schnell bemerkt, dass es sich hierbei um seine standardisierte Begründung handelte. "Meine Frau weiß das aus Zuneigung, ein gewisser Teil der Wachebelegschaft vielleicht aus Spott, und manchmal weiß ich es selbst. Was willst du eigentlich hier? Meine Zeit ist knapp bemessen, weißt du?"
"So knapp, dass nicht einmal ein kurzes Plaudern möglich ist?"
"Nicht unbedingt. Kommt ganz darauf an."
Glum lehnte sich zurück, sackte dabei jedoch soweit auf seinem Stuhl hinunter, dass er eben noch Sebulons Augen über dem oberen Bord sehen konnte. Dieser räusperte sich nun.
"Äh, also es geht um ein Interview, das du mit Feldwebel Krulock führen sollst, wegen ihres neuen Postens und so. Frag sie einfach ein paar grundsätzliche Sachen, wie: Was gedenken Sie an der Dienstelle zur Sowieso zu ändern? Was sind Ihre Vorsätze? Zukunftspläne? All so was eben..."
"Hm, und wenn sie sich weigert?"
"Wird sie schon nicht, immerhin bist du es, der sie interviewt."
"Versteh ich nicht."
"Musst du denn?"
"Am liebsten!"
"Von wegen deiner Art und so..."
"Welcher Art?"
"Deiner ganz speziellen."
"Ich habe nur diese eine."
"Dann eben, weil sie dich so schön findet."
"Das leuchtet mir ein. Hör auf zu kichern! Ich jedenfalls wüsste, was ich in einem solchen Interview erzählen würde."
Glum nickte kurz für sich und lachte Sebulon zu, bevor er aufstand und sich mit gen Decke gestreckten Händen um sich selbst drehte.
"Deswegen ist die Stadtwache das Richtige für mich! Deswegen ist sie genau das Richtige für jeden, der etwas erreichen will im Leben! Wo jemand es in nur drei Jahren bis an die Spitze bringen kann! Du darfst das so zitieren!"
"Ich schreibe aber nicht über dich. Wir wollen das Interview mit der Krulock. Und an der Spitze bist du noch lange nicht!"
"Lass mich halt träumen! Jedenfalls hätte ich mir das früher nicht gedacht...ich weiß ja bis heute nicht, weshalb ich überhaupt bei der Wache bin. Denke, sie hat mich einfach mitgerissen..."
Sebulon entschloss sich, das Unvermeidliche zu fragen.
"In Ordnung, Glum, heraus damit, ich wollte Plaudern, nicht Schwafeln: Wieso bist du bei der Wache?"
Glum hörte auf sich zu drehen. Gegen das Dämmerungslicht, das durchs Fenster hereinfiel, erkannte Sebulon lediglich einen dunklen Umriss, dessen Profil tiefgründig grinste.
Als Glum vor drei Jahren rußgeschwärzt das Wachhaus am Pseudopolisplatz betrat, fand er die Eingangstür weit offen und den Flur am Wachetresen überfüllt vor. Sein protestierender Ausruf blieb ungehört. Brummelnd drehte er sich um, warf einen Blick auf den derzeit in Betrieb genommenen Leichenaufzug im Hof, dessen Kurbel ganz offensichtlich klemmte, wandte sich erneut dem Trubel zu und entschloss sich zu einer Guerilla-Taktik. Mit beiden Ellenbogen und dem Taktgefühl eines Rüsseltieres bahnte er sich seinen Weg durch die Menge.
Über der Halle lag eine Atmosphäre bürokratischen Wahnsinns, die beinahe eine Ehrfurcht erweckte, wie die einer religiösen Weihe. Die Türen, die aus ihr hinaus und hinein führten öffneten und schlossen sich unablässig, unterschiedlich farbig gekleidete Uniformierte huschten hin und her, von Zeit zu Zeit wankten mit Aktenstapeln beladene Archivare herein und verschwanden wie Schemen, dann reihten sich drei Männer auf und wurden im Gänsemarsch von einem Unteroffizier in eines der Büros befördert. Es roch allgegenwärtig nach Verbranntem und Ascheschlieren zeichneten den Boden. Menschen, Zwerge und sogar ein Trollpaar rauften sich um einen möglichst nahen Platz am beschwerdeaufnehmenden Wachetresen, hinter dem mehrere Rekruten unter der Oberaufsicht eines überarbeiteten Obergefreiten etwas semiorientiert ihren Aufgaben nachgingen. Das alles geschah mit einer beängstigenden Präzision.
Es war ein gut geöltes Zuchthaus.
Als Glum Steinstiefel sich erfolgreich seinen Weg durch das dichte Gedränge gebahnt hatte, kam er neben einer entrüsteten Grauhaarigen zu stehen, die ihr blass rosafarbenes Spitzenkleid offensichtlich für den Gipfel der Verwegenheit hielt.
"
Es ist alles weg, weg, alles weg!", entfuhr es ihr kreischend. Sie nutzte die Gelegenheit dazu, den Rekruten vor ihr ordentlich am Kragen zu schütteln. "Was unternehmen Sie dagegen?"
Der Rekrut war nach wie vor in ihrem Griff fest verankert, doch er schaffte es mit einem Kopfnicken seinen heruntergerutschten Helm aus den Augen zu schieben.
"Sind Sie versichert, gute Frau?"
"Nein."
"Dann werde ich gar nichts tun, außer den Verlustfall zu notieren."
"Hören Sie, damit werde ich mich nicht begnügen!"
Der Helm landete klirrend auf dem Boden, als sie ihn zurückstieß und verlangend auf den Tisch pochte. "Mein Heim ist in dem Brand schwerst beschädigt worden! Mein Mann hat sogar seine Bibliothek verloren!"
"Hören Sie, ich kann nichts tun!", versuchte der Rekrut sie zu beschwichtigen: "Das ganze Viertel hat gebrannt und es haben noch mehr Leute als Sie einen Teil ihrer Habe eingebüßt! Wenn Sie mir nun Ihre Personalien nennen möchten...ich muss hier weitermachen!"
Nachdem Frau Adelmarie von der Menge verschluckt worden war, schüttelte der Rekrut verständnislos an Glums Adresse den Kopf.
"Die sind heute alle so..."
"Was Sie nicht sagen."
Der Zwerg rollte mit den Augen und trat energisch auf den Fuß eines kleinen Blondhaarigen zu seiner Linken, der daran gearbeitet hatte, Glum von seinem Standpunkt zu verdrängen und immerzu nach einem Passierschein A38 verlangte.
"Die kannte ich. Ist meine Nachbarin, wohnt nur ein paar Bruchbuden weiter."
"Dann nehme ich an, Sie wollen ebenfalls ihren Brand melden?"
"Ja, will ich! Schade um die Bibliothek ihres Mannes."
"Dann brauche ich bitte auch Ihre Personalien. So schlimm?"
"Steinstiefel, Glum. 225 Jahre alt, alleinstehend. Ja. Beide Bücher sind von den Flammen verzehrt worden!"
Der Wächter vor ihm hielt kurz im Schreiben inne und zögerte.
"Beide Bü...die Bibliothek bestand aus nur zwei Büchern?"
"Ja. Dabei war das zweite nicht einmal ausgemalt!"
"Äh...die gleiche Straße, nehme ich an...Hausnummer?"
"Zwölf."
"In Ordnung, Herr Feinstiefel-"
"Steinstiefel heißt das."
"Wie auch immer. Ihr Fall ist notiert. Wenn Sie nun bitte..."
"Das soll alles sein? Ich erwarte mir etwas-"
"Das tun sie alle! Bitte gehen Sie jetzt!"
"Sie weigern sich, mehr zu unternehmen?"
"Was sollte ich denn Ihrer Meinung nach tun, Herr Steinpiefel?"
"An den Stein kommt ein Stiefel! Das weiß ich nicht, aber ihr Vorgesetzter wird es sicher wissen!"
"Von mir aus. Meine Vorgesetzte wird Ihnen sicher was husten." Der Rekrut zuckte mit den Schultern und deutete auf die Brüstung der Treppe an der gegenüberliegenden Wand. "Feldwebel Feinstich befindet sich zurzeit in Zimmer 214. Treppe rauf, den Gang nach rechts gerade herunter."
Wenn ein Wächter im Dienst aus irgendwelchen technischen Gründen nicht abwesend sein kann, dann empfiehlt sich als zweitbeste Lösung eine Einsatzbesprechung abzuhalten oder mit irgendwelchen angeblich immens wichtigen Akten durchs Wachhaus zu laufen. Diese Art der Zerstreuungstaktik ermöglicht ihm häufige Kaffeepausen mit anregenden und angeblich immens wichtigen Gesprächen, weshalb systemfremde Außenstehende sie häufig als völlig überarbeitet einschätzen. Dabei besteht seine auffälligste Eigenschaft darin, dass er nicht vorhanden ist, zumindest nicht dort, wo er sein sollte. Manche sollen schon Kilometer innerhalb des Wachhauses gelaufen sein, ohne ihren Ansprechpartner gefunden zu haben. Heute weiß Glum darüber Bescheid. Wer weiß, wie alles funktioniert, für den gibt es kaum noch jemanden, den er nicht in der Lage ist zu finden. Vor drei Jahren wusste der zukünftige DOG-Moloss davon jedoch noch nichts.
Zimmer 214 war leer.
Von einem vorbei eilenden Korporal erfuhr Glum, dass Feldwebel Feinstich derzeit mit Kommandeur Ohnedurst konferierte, sie aber jeden Moment zurückkommen müsse
[2]. Der Korporal forderte ihn anschließend freundlich dazu auf, doch vielleicht im Zimmer Platz zu nehmen.
Glum nahm im Zimmer Platz und saß eine Weile. Dann ging er eine Weile auf und ab. Dann saß er eine weitere Weile, um selbige zu wiederholen. Ein Papierflieger segelte durch ein Fenster des oberen Stockwerks in den Hof. Dort segelte er eine Weile.
Nach einer weiteren öffnete sich die Türe.
"Wo ist Feldwebel Feinstich?", erkundigte sich ein recht kleiner Rekrut.
"Sie ist in einer Besprechung mit Kommandeur Ohnedurst.", gab Glum zögernd zurück. "Äh, Sie könnten aber hier auf sie warten..."
Der Neuling schien sehr in Eile zu sein, denn er verschwand wortlos. Wenige Minuten später erschien ein recht nervös wirkender Feldwebel, dessen Uniform bereits begonnen hatte eigene Formen anzunehmen. Er sah sich irritiert im Büro um, bis Glum auf ihn zutrat, am Arm faste und den Kopf schüttelte.
"Sein Sie doch nicht so zittrig, guter Mann.", beruhigte er ihn. "Feinstich ist in einer Einsatzbesprechung mit dem Kommandeur, aber sie muss jeden Moment zurückkommen. Sie können mit mir hier warten."
Der Mann schüttelte den Kopf und war bereits halb durch die Tür verschwunden, während er dem äußerst verdutzten Zwerg hinter ihm noch zurief: "Danke, keine Zeit. Wenn der Feldwebel zurückkommt, dann sagen Sie ihr bitte, dass Feldwebel von Grauhaar sie zu einem dringenden Einsatz erwartet. Sie soll sich beeilen!"
Der Zwerg schüttelte den Kopf und setzte sich erneut.
"Dabei dachte ich, ich hätte in zweihundert Jahren schon so viel erlebt..."
Er zog die Stirn kraus, als nach knappen zehn Minuten der nächste Wächter, jener war weiblichen Geschlechts, herein gestolpert kam, den Blick von einem Formular hob und fragte: "Was denn? Ist von Grauhaar gar nicht hier?"
"Er war gerade hier.", antwortete Glum nüchtern. "Äh..." Er überlegte. "Wenn Feldwebel Feinstich von Kommandeur Ohnedurst zurückkommt, dann schicke ich Feldwebel von Grauhaar rüber...äh, wohin auch immer. Oder Sie warten mit-"
"Danke." Die Frau sah sich kritisch um. "Wissen Sie vielleicht, ob der Feldwebel-"
"Welcher?"
"Von Grauhaar...ob er schon etwas wegen der Sache im Hyde-Park unternommen hat?"
Glum zuckte mit den Achseln.
"Wahrscheinlich...was sollte ihn davon abhalten?"
"Stimmt, der Mann hat ja die Zeit. Dann nehme ich mir die Akte gleich mit. Wenn er nach der Hauptgefreiten Kathiopeja fragt, dann sagen Sie ihm, ich würde mit Oberfeldwebel Sillybos die Akten durchgehen."
Mit großen Augen betrachtete Glum von einem Platz am Schreibtisch aus eine halbe Minute später Feldwebel von Grauhaar.
"Wo zum Henker ist nur die Akte vom Hyde-Park? Der Chef wird unausstehlich, wenn sie nicht gleich auftaucht. Wissen Sie's?"
"Äh..." Glum sah sich etwas paralysiert um. "Ich glaube, die hat die Hauptgefreite Kathiopeja vorhin mitgenommen..."
"Und wo ist Feinstich?"
"Sie bespricht noch immer einen Einsatz mit dem Kommandeur. Ich warte hier auf sie."
"Sehr gut, fein!" Der Offizier rieb sich die Hände. "Bitte sortieren sie schon mal die Zeugenaussagen dort drüben in die Grünwerd-Akte. Bis später."
"Äh?", gab Glum von sich und stand auf, doch schon war der Mann entschwunden.
"Ein Zirkus!", murmelte er. "Und ich bin die Hauptattraktion! Nein, warte, das war ja schon der Feldwebel...einer von denen jedenfalls." Er fasste sich an den Kopf, schnappte die Zeugenaussagen und suchte im Aktenschrank nach der dazugehörigen Mappe.
"Und ich bin der verdammte Clown!"
Einige Sekunden des Sortierens vergingen und Glum wollte die Akte gerade wieder zurück in den Schrank schieben, da stürzte die Hauptgefreite Kathiopeja ins Zimmer.
"Was wollen
Sie denn schon wieder hier?", gab Glum inzwischen etwas gereizt von sich, da sich seine Geduld bereits zu erschöpfen begann. "Ich dachte, Sie wollen die Akte besprechen? Wo doch der Chef ohnehin so eine unausstehliche Ader hat?"
Brüskiert stemmte Kathi die Hände in die Seiten.
"Für dich noch immer '
Mä'äm'! Ich brauche noch die Zeugenaussagen vom Grünwerd-Fall!"
"Himmel, wozu denn ausgerechnet jetzt noch die? Die habe ich doch eben erst in die Akte eingeordnet." Er fuchtelte damit vor ihrer Nase herum. "Soll ich die jetzt vielleicht wieder hervorkramen? So was Blödes! Die Vorgesetzten hier haben doch selbst keine Ahnung von dem Laden!"
"Mäßige dich, Mann! Sonst werd ich ungemütlich! Im Übrigen brauche ich die Aussagen auch bloß für Oberfeldwebel Sillybos. Der ist gerade unabkömmlich."
Sie nahm sich die Mappe.
"Zieh dir nächstes Mal die Uniform an! Es wäre vorteilhafter, dass eine getragen wird, auch wenn ihr hier außerhalb des Dienstes arbeitet! Was hältst du von den Zeugenaussagen?"
"Also langsam wüsste ich gerne, was der ungemütliche Chef dazu sagt, wer auch immer das ist!"
Bevor Kathiopeja abermals ging, bemerkte sie noch, dass jener Chef es gerne sehen würde, wenn Glum die Liste der Verdächtigen zum Hyde-Park-Fall durchgehen und für den Kommandeur einen Bericht anfertigen würde.
Er musste sich zunächst einmal setzen.
"Dass sich niemand gegen eine solche Behandlung wehrt...", nuschelte der Rußgeschwärzte in seinen Bart und begann, weil er inzwischen weder ein Heim, noch etwas anderes zu tun hatte, mit der Arbeit. Noch während er über dem Bericht saß erschien die Hauptgefreite erneut. Glum möge umgehend zu Sillybos kommen.
"Als ob ich ein wiewunderländischer Gott mit sechs Armen wäre!", bemerkte er überaus verärgert, raffte die Akten zusammen und eilte mit Kathi über den Flur, die ihn zum Büro des viel erwähnten Chefs brachte. Dieser wollte Glums Meinung über die Zeugenaussagen hören.
"Du hast dich doch damit beschäftigt?"
Ihm wurde brummelnd erklärt, dass einer der Verwandten des Mordopfers Arzt sei und niemand überprüft habe, ob unter seinen Arzneien auch Gift zu finden wäre, da nach mehreren Aussagen der Mann nicht durch das Messer in seinem Rücken gestorben wäre, auf dem sich die Fingerabdrücke seiner Frau befunden hätten, die dennoch derzeit einsäße, obwohl die Todesursache noch nicht herausgefunden wurde.
"Die SUSIs arbeiten doch schon daran, Sör!", meldete Kathi protestierend, auf Sillybos' Kommentar hin, dass es doch immer dasselbe wäre.
"Um so schlimmer!", bemerkte Glum erpicht: "Merkt denn endlich einmal jemand, dass das so nicht weitergehen kann?!"
Der Chef gab ihm vollkommen recht, rügte seine Hauptgefreite und erteilte dem Zwerg den Auftrag, diesen Fall weiter zu verfolgen. Kathiopeja solle ihm einen genauen Bericht zur Lage anfertigen und morgen vorbei bringen. Anschließend trottete Glum zurück in Zimmer 214 und freute sich, diesem Chaos ein Schnippchen geschlagen zu haben. Er umrundete den von ihm in Beschlag genommenen Schreibtisch, ließ sich auf den Stuhl nieder und begann mit der weiteren Durchsicht der Verdächtigen. Es dauerte nicht lange, bis von Grauhaar in der Tür stand. Eigentlich hatte Glum schon beinahe damit gerechnet.
"Kommandeur Ohnedurst will dich sehen. Hopp-hopp, na mach schon! Und zieh dir deine Uniform an"
Das Büro des Kommandeurs wirkte auf den alten Überwaldianer recht unheimlich. Die Wände schienen mit Autorität gestrichen zu sein und die Stille schien bedrückend nach dem allgegenwärtigen Lärm, der aus dem Erdgeschoss heraufdrang. Rascaal Ohnedurst saß kerzengerade und ungeduldig auf dem Stuhl, der den Komfort der Verwaltungsspitze darstellte. Glum erstattete ihm einen detaillierten, recht vertraulichen Bericht über den derzeitigen Stand der Ermittlungen und sparte auch nicht mit kritischen Bemerkungen über das hektische und ineffiziente Arbeitstempo. Vielleicht wäre er damit sogar positiv aufgefallen. Vielleicht wäre alles gut ausgegangen, hätte er nicht zum Schluss hinzugefügt: "Allerdings müssen Sie einsehen, Herr Kommandeur, dass ich ohne die entsprechende Autorität keine Verantwortung übernehmen kann!"
Dieser zog erstaunt eine Augenbraue hoch.
"So? Das klingt mir ja beinahe nach einer...Forderung?"
Irgendetwas beobachtete den Zwerg in diesem Moment und ein kalter Schauer jagte ihm über den Rücken.
"Äh, nein Sör, das soll es aber nicht."
"Gut, gut...ach und...wie ist dein Name?"
"Glum Steinstiefel, das habe ich unten aber schon angegeben."
"Hm...beim nächsten Mal solltest du dich waschen..."
"Ja, Herr Kommandeur. Darf ich jetzt gehen?"
Rascaal zog die Augenbrauen hoch. Er nickte bedächtig, legte die Finger an die Lippenspitze und beobachtete den Zwerg auf seinem Wege.
"Ach, sei doch bitte so gut, Herr Steinstiefel..."
"Sör?"
"...und hänge Obergefreiter Zwiebels Jacke wieder an ihren Haken. Anschließend meldest du dich bei Feldwebel Feinstich und lässt dir eine von der GRUND-Abteilung geben! Wusstest du denn nicht, Rekrut, dass es Zivilisten untersagt ist, ihre viel zu große Nase in polizeiliche Dokumente zu stecken? Dabei bist du gar nicht mal so unbegabt. Ich sollte dich gleich jetzt einbuchten lassen, Kerl!"
Glum schluckte schwer. Und wurde wütend. Das blieb bis heute so. Glum Steinstiefel bekam keine Angst. Stattdessen wurde er wütend. Er begann zu diskutieren. Von seinem Versuch klagend, Frau Feinstich zu finden, von dem Desinteresse am Verlust seines Hauses, davon, dass der Laden hier verrückt sei und er sich weigern würde, noch länger als nötig hier zu bleiben, von all der-
"Dein Einverständnis ist optional, Rekrut Steinstiefel. An deiner Stelle wäre ich kleinlaut.", unterbrach ihn der nun bedrohlich scheinende Vampir vollkommen gelassen. "Willkommen in der Stadtwache von Ankh-Morpork! Geh jetzt!"
Der Glum der Gegenwart ließ die Schultern hängen und starrte aus dem Fenster. Er dachte an früher, während sein Blick in die ungefähre Richtung des Pseudopolisplatzes wanderte.
"Also Sebulon...", sagte er, das abwartende Gesicht in seinem Rücken wissend: "...ich weiß es wirklich nicht..."
[1] Heyho, liebe Mitwächter,
als ich unlängst meinen Stadtwacheordner neu sortierte, fiel mir auf, dass ich zwar damals, zu meinen GRUND-Zeiten von meinem ersten Fall schrieb, aber mit keinem Wort erwähnte, weshalb ein Zwerg, der es gewohnt ist, sich über alles und jeden zu beschweren überhaupt bei der Stadtwache gelandet ist. Mir fiel weiterhin auf, dass ich es für ganz selbstverständlich hielt, dass Glum dort ist und den Querschläger darstellt, den es in jedem funktionierenden System geben muss. Dennoch hat es mich offen gestanden im Nachhinein geärgert, dass der Giftzwerg einfach nur dort ist ohne dass jemand weiß wo er eigentlich herkommt. Das war GRUND genug (
Haha!) noch einmal drei Jahre zurückzuspringen und den Glum der 'Frühzeit' darzustellen.
Dies ist also die Geschichte seines Wachebeitritts. Da ich die Stadtwache bevorzugt als einen chaotischen und beinahe nur insgeheim kompetenten Apparat darstelle und mir sehr am Witz außerhalb der manchmal überaus dramatischen Einsätze gelegen ist, mag die Darstellung vielleicht nicht jedem gefallen, wie auch mein Humor. Aber immerhin beruhigt es mich, hiermit nachwirkend Glums GRUND-Zeit zu vervollständigen.
Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen dieses...nennen wir es einen kleinen Schwank! ; )
[2] "Sie da! Für Unbefugte kein Zutritt zu-"
"Wo finde ich Feldwebel Feinstich?"
"Sie sind nicht befugt-"
"
Was habe ich Sie gefragt?"
"Bitte? Was soll...verschwin-"
"Ist das denn so schwer?"
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