Ein Mordanschlag! Hausfriedensbruch! Der Kommandeur in einem Kleid! Und das alles in einem Brunnen!! (Jokergeschichte.)
Dafür vergebene Note: 9
Zu behaupten, dass Korporal Magane einen schlechten Tag gehabt hatte, wäre eine grenzenlose Untertreibung gewesen. Zuerst hatte sie die halbe Nacht durchgemacht, weil ihr kleiner Schatz Zahnschmerzen hatte und sie zum nächsten Bader musste, um das in Ordnung bringen zu lassen. Jetzt ging es Tom zwar wieder gut, aber danach musste sie auf dem Weg zur Arbeit einen riesigen Umweg machen, weil die Palastwache die Breite Straße abgesperrt hatte, wegen irgendeinem politischen Firlefanz. Dadurch kam sie zu spät und erhielt einen Rüffel von ihrem Abteilungsleiter. Im Anschluss im Büro stellte sie fest, dass ihr nicht nur ihre Lieblingsteemischung ausgegangen war, sondern auch das Haltbarkeitsdatum ihres Vergrößerungsdämon abgelaufen, denn er hatte sich offensichtlich wieder in seine Ursprungssphäre verpufft. Mit verbissener Grimmigkeit versuchte sie, es positiv zu sehen. Der Tag konnte nicht noch schlimmer werden, oder?
Mit einer Tasse Tee mit ihrer zweitliebsten Mischung in der Hand, saß sie an ihrem Schreibtisch und wartete. Als Tatortwächter konnte man nie wissen, wann genau man zur Arbeit gerufen wurde, aber genau dieser Umstand machte einen Teil der Spannung aus. Genau wie die Tatsache, dass jeder Tatort anders war. Mit etwas warmem Tee im Bauch fühlte sie sich gleich viel besser. Was sie heute wohl erwarten würde?
Ein Klopfen an ihrer Tür riss sie aus den Gedanken. "Herein, bitte!"
Die Tür schwang auf und sie entdeckte Laiza, ihre Vorgesetzte, hinter ihr einer dieser SEALS, zumindest wenn man der Uniform Glauben schenken konnte.
Maggie salutierte: "Guten Morgen,
Mä'äm!!"
[1]"Schon gut, Magane. Die SEALS sind bei der Streife zufällig auf eine Leiche gestoßen. Ich möchte, dass du den Tatort sicherst, damit wir herausfinden können, was genau passiert ist. Noch wissen wir nicht, ob es Mord oder eine natürliche Todesursache gewesen ist."
"Ja, Mä'äm. Ich hole gleich meine Partnerin Olga, dann machen wir uns auf den Weg. Wo genau müssen wir hin?"
Laiza schüttelte den Kopf: "Olga-Maria ist nicht da, sie hat einen Tag Sonderurlaub genommen wegen wichtiger persönlicher Angelegenheiten. Deswegen wird dich der Gefreite Schmelz hinter mir begleiten."
"Was?", fragte Magane und fühlte sich etwas überrumpelt: "Wie soll mir denn ein Seehund beim Spurensichern helfen? Die haben doch keine Ahnung davon!"
"Maggie, du vergisst, dass deine Arbeit nicht nur aus dem Sichern der Spuren, sondern auch im Fernhalten von möglichem Publikumsverkehr besteht. Während du dich also genau umschaust und nach möglichen Spuren suchst, wird der Gefreite dafür sorgen, dass dir niemand dabei in die Quere kommt. Und weil er es war, der die Leiche entdeckt hat, kann er dich auch gleich zu dem Tatort hinführen."
"Jawohl, Mä'äm. Dann packe ich nur noch mein S.T.Au.B. zusammen, dann können wir aufbrechen."
Laiza nickte ihr zu, und verschwand dann wieder aus der Tür.
Menélaos blieb im Gang stehen, offensichtlich zu zurückhaltend, um einfach ungefragt Maganes Büro zu betreten. Der Korporal füllte noch ihren Bestand an Beweismitteltütchen auf, hielt dann inne und schnupperte. "Warum stinkt es hier so nach Himbeere?"
Wenig später waren die beiden am Tatort angekommen. Es handelte sich um einen großen Hinterhof, in dem ein großzügig dimensionierter Brunnen stand, daneben wuchs eine mittelgroße Fichte. Der Hof war komplett von trollhohen Mauern umgeben, aber dennoch hell, weil die pralle Mittagssonne direkt über ihm stand. Das wenige Gras, das zwischen den Ritzen der Pflasterung zu sehen war, war gelblich-braun und welk. Magane wischte sich etwas Schweiß von der Stirn. Es wunderte sie nicht, seit ein paar Tagen schon war die Witterung ungewöhnlich heiß und trocken gewesen.
Nun betrachtete die Tatortwächterin die Leiche. Sie lag auf dem Bauch, den Brunneneimer an sich gezogen. Der Leichnam musste von der Sonne schon mumifiziert worden sein, da die Haut schrumpelig wie eine Pflaume war und kein Insekt in Sicht.
"Wie hast du die Leiche eigentlich gefunden?", erkundigte sich Magane.
"Ähm... Es war so. Ich war gerade zusammen mit Nyria Major auf Streife - du hast sicher schon von ihr gehört, ist ein großer Anhänger der Cohen-der-Barbar-Geschichten - und da trafen wir auf ein kleines Mädchen."
"Ein kleines Mädchen?"
"Ja. Ihre Katze saß fest, dort oben auf der Mauer. Also bin ich da rauf, um das Tier zu retten."
Maggie rollte mit den Augen.
Haben die bei den SEALS nichts Besseres zu tun, als irgendwelches Viehzeug zu retten?"Und da oben entdeckte ich dann die Leiche. Ich habe die Katze gerettet und bin dann sofort weiter ins Wachhaus, Bericht erstatten. Nyria hat die Streife fortgesetzt. Und den Rest kennst du ja."
"Nun gut. Es wird Zeit, den Tatort zu sichern. Würdest du bitte zum Hauseingang gehen und darauf achten, dass mir niemand in die Quere kommt? Ich werde mir derweil den Tatort vornehmen. Wenn ich fertig bin, komme ich dann zu dir."
"Ja, Mä'äm!" Menélaos salutierte und verließ den Hinterhof. Magane schaute ihm einen Moment lang hinterher und widmete dann ihre Aufmerksamkeit der Leiche.
Nachdem sie ihre Handschuhe angezogen hatte, ging sie neben ihr in die Hocke und schaute nach Spuren von Gewalt. Der Eimer irritierte sie etwas. Die Tatortwächterin schaute zum Brunnen, wo ein abgerissenes Seil hing.
Ob er etwas aus dem Brunnen holen wollte?Sie stand auf und ging zu dem großen Steinrund und spähte hinein, ohne viel erkennen zu können. Vorwitzig beugte sie sich weiter vor und griff mit einer Hand nach dem Eimerbalken. Unerwartet gab das Holz nach wie Butter und Magane verlor das Gleichgewicht.
Die Wächterin kam es vor, als wäre sie plötzlich in einer anderen Welt. Das Wasser hatte einen etwa knöchelhohen Spiegel und es war kühl, feucht und dunkel. Die Wände waren von einer glitschig-grünen Schicht aus Moos überzogen, im unteren Bereich teilweise von Pilzen verdeckt, deren Fruchtkörper einen intensiven Geruch verströmten.
Voller Panik rappelte sie sich auf, drehte sich mehrmals um die eigene Achse und bemerkte erst jetzt, dass sie in den Brunnen gefallen war. Verzweifelt schaute sie nun nach oben, wo sich der strahlend blaue Himmel als einzige perfekte Scheibe abzeichnete. Außerdem konnte sie die Trümmer der Stützen des Balkens sehen.
Magane versuchte sich zu sammeln, um nicht in Panik zu verfallen.
Ganz ruhig bleiben, Maggie. Du bist hier in Null Komma Nichts wieder heraus. Unbewusst schloss sie ihre Faust eng um das Stückchen Holz, das sie nicht losgelassen hatte. Erstaunt öffnete sie ihre Hand und besah es sich, nur um es wieder fallen zu lassen, weil sie fette kleine Maden darin erkennen konnte.
Würmer! Kein Wunder, dass mich das Holz nicht ausgehalten hat!Nun aber besann sie sich wieder darauf, den Brunnen schnellst möglichst wieder verlassen zu wollen. Sie füllte ihre Lungen mit Luft und schrie dann so laut sie konnte: "Hilfe! Holt mich hier raus! Menélaos, rette mich!"
Ihre Schreie verhallten ungehört, teilweise vom dicken Moospolster absorbiert.
Der Korporal ballte die Fäuste in einem kläglichen Versuch, den Stress unter dem sie stand zu mildern.
Ruhig bleiben, Maggie, ganz ruhig. Spar dir deine Kräfte. Der Seehund wird sicher schnell merken, dass du nicht zurückkommst, und wenn er dein S.T.Au.B. und die abgebrochenen Balken sieht, sofort eins und eins zusammen zählen und dich retten. Bis dahin musst du mit deinen Kräften haushalten!Magane fröstelte fürchterlich, weil ein Teil ihrer Kleidung sich vollgesogen hatte und sie mit den Füßen in dem sich eisig anfühlenden Wasser stand. Einen Moment lang fühlte sie sich versucht, sich anzulehnen, aber die grüne Matte an der Wand war klatschnass.
Sie versuchte sich abzulenken. Deswegen dachte Magane an ihren geliebten Sohn, den kleinen Tom. Was er wohl gerade machte? Es würde ihm gut gehen, kein Zweifel, selbst wenn sie es heute nicht mehr rechtzeitig nach Hause schaffen würde, aber trotzdem tat ihr der Gedanke weh, nicht bei ihm sein zu können. Die Arbeit brachte sie schon oft genug davon ab, Zeit mit ihrem Sohn zu verbringen und gerade heute war es ärgerlich, weil sie von der Schicht her die Möglichkeit gehabt hätte, ihm gerade rechtzeitig vor der Schlafenszeit ein Märchen vorzulesen. Tom liebte Märchen. Märchen... Märchen... ...
Es war einmal vor langer Zeit eine Königin, die wünschte sich nichts sehnlicher als ein Kind. Und als sie so eines Wintertages mit einem Spinnrad und einem Cocktail und einem Snack am Fenster saß, da stach sie sich an ihren Spinnrad und verschüttete ihre Mahlzeit beim Versuch nicht alles vollzubluten. Als sie da den Blick auf den Schnee warf, wurde ihr klar, wie ihr Kind aussehen sollte: "Ich möchte, dass es Haar so schwarz wie Ebenholz, Augen so blau wie mein Cocktail und Haut so weiß wie Schnee mit Olivenöl haben möge!"
Eine nicht näher spezifizierte Entität erfüllte ihr den Wunsch, allerdings verstarb die Königin kurz darauf und war tot. Der König heiratete zum Ersatz eine neue Frau.
Es handelte sich um die bezaubernde Breguyane, die sehr viel darauf hielt ein hervorragender Kommandeur die attraktivste Person der Gegend zu sein zu sein. Deswegen fragte sie jeden Tag ihren magischen Spiegel: "Rogi, Rogi an der Wand, wer ist die Schönste im ganzen Land?"
Und der Spiegel antwortete: "För, Ihr feid die Fönfte hier."
Doch - oh weh! - kaum hatte Magane ihr siebenjähriges Dienstjubiläum, da antwortete der Spiegel eines Tages "För, Ihr feid die Fönfte hier, aber Magane ift auch fehr kompetent."
Wutentbrannt beschloss die böse Stiefkönigin, die liebliche Magane aus dem Weg zu räumen. Hierzu rief sie ihren Triffinsziel Valdi zu sich: "Nimm die Prinzessin mit dir in den Wald und erschieß sie!"
"Sehr wohl, Majestät! Soll ich euch ihr Herz zum Beweis mitbringen?"
Die Königin verzog das Gesicht: "Natürlich nicht, das ist ja eklig! Sind wir Kriminologen oder was? Erschieß sie einfach."
Da führte der Triffinsziel die Prinzessin in den Wald. Doch sein Herz war aufrichtig und er sprach: "Oh, schöne Prinzessin! Die Königin hat mir den Auftrag gegeben, euch zu erschießen!"
Da erschienen Tränen in Maganes Augen, aufrichtige ehrliche Tränen, Tränen des Zorns.
"Du Mistkerl! Glaubst du wirklich, dass ich mich einfach erschießen lasse?!" Und sie vermöbelte den überraschten Triffinsziel nach Strich und Faden.
Danach lief sie in den Wald, um keine Anzeige zu bekommen. Wie erstaunt war sie, als sie schließlich eine kleine Hütte fand.
"Oh, eine kleine Hütte! Wer hier wohl wohnt?" Die bezaubernde Prinzessin betrat die Behausung, die nicht abgeschlossen war[2]. Drinnen fand sie zwar keine Bewohner, aber eine lange Tafel voller Geschirr und Essen für sieben Personen. Die Prinzessin deduzierte erfolgreich, dass es sich wohl um die Überreste des Frühstücks handelte und ließ die Finger davon, um keine Spuren zu vernichten sich keine unbekannten Bakterien einzufangen. Kurzerhand stattete sie dem Vorratsschrank einem Besuch ab. Im Anschluss war sie satt und etwas müde, weil sie die Geschichte mit dem Triffinsziel doch geschlaucht hatte. Sie fand sieben Betten vor, alle in Kindergröße. Da die Prinzessin jedoch zu groß war, schlief sie kurzerhand auf dem Sofa, das Platz für sechs Leute bot. Todmüde schlief sie ein.
Wenig später tauchten die Anwohner auf und waren sehr erstaunt.
"Wer hat meine Türschlösschen zertrümmert?", fragte der erste Zwerg.
"Wer hat Fingerabdrückchen an meinem Becherchen genommen?", fragte der zweite Zwerg.
"Hey, da liegt jemand auf dem Sofa!", stellte der dritte Zwerg fest.
Schnell versammelten sich die kleinen Gesellen um den unerwarteten Gast. Einer von ihnen war mutig genug, an ihrer Schulter zu rütteln.
Magane erwachte, gähnte herzhaft, streckte sich, wobei sie den kleinsten Zwerg von der Sofalehne warf, weil sie ihn versehentlich erwischte und wurde sich dann bewusst, dass sie von einer Horde Bärte umgeben war.
Sie starrten sich gegenseitig einige Minuten lang an, dann versammelten sich die kleinen Kerle im Kreis und berieten sich.
"Hast du Geld dabei?" fragte schließlich der Älteste.
"Nein", entgegnete sie: "Mein Kleid hat nicht mal Taschen. Aber ich habe Puffärmel, falls das irgendwie hilft."
Die Zwerge berieten sich erneut. Dann sprach der Älteste erneut: "Kannst du putzen und so?"
"Nicht ganz so mein Ding... aber ich habe Erfahrung im Umgang mit einem S.T.Au.B.."
"Hurra!", riefen da die Zwerge, "Das reicht um unsere eh schon recht geringen Bedürfnisse nach Sauberkeit zu erfüllen!"
"Oookay...", murmelte Magane und war etwas verwirrt.[3]
"Lass uns uns vorstellen", meinte der älteste Zwerg: "Mein Name ist Glum Steinstiefel und ich bin überhaupt nicht sarkastisch."
"Ich bin Avalania von Gilgory und habe meine eigene Knochensägensammlung."
"Meine Wenigkeit heißt Norti Rabenpelz und ich bin weithin bekannt für meine Explosivstoffe."
"Mein Name ist Bjorn Bjornson und ich besitze genug Rechtswissen um den halben Wald zu verklagen."
"Äh... ich... äh... bin Braggasch Goldwart."
"Und ich bin-"
"Moment!!", unterbrach da Magane den kleinen Zipfelmützenträger, "Du bist doch gar kein Zwerg!"
"Naja... ich bin Zu-arm-für-einen-Namen und dachte, weil Zwerge recht gut verdienen könnte ich vielleicht genug ansparen, um mir endlich einen leisten zu können. Mir schwebt was Simples vor, wie Havelock oder Mustrum."
Magane schlug sich mit der flachen Hand vor die Stirn. Diese Zwerge sind doch allesamt durchgeknallt!
Da stellte sich der letzte vor: "Mein Name ist Sebulon, Sohn des Samax und langsam frage ich mich, wann dir klar werden wird, dass dies alles hier nur eine Ausgeburt deiner Fantasie ist, bevölkert von Kollegen, mit denen du teilweise nur flüchtigsten Kontakt hattest, und das alles nur, um mit der Tatsache zurecht zu kommen, dass du in einen Brunnen gefallen bist."Magane blinzelte. Dann sah sie nach oben, von wo sie Rufe vernehmen konnte.
"Korporal, wo steckst du?"
"Hier unten!", brüllte sie so laut, wie es ihre Lungen hergaben: "Hol mich endlich hier raus und rette mich!"
Oben im Brunnenrund konnte sie Menélaos erkennen, der sich rüberbeugte, um sie besser sehen zu können: "Moment, ich-" Da rutschte er ab und fiel ebenfalls in den Brunnen.
"Oh verdammt!", fauchte der Korporal und wand sich unter ihrem Kollegen. "Ich sagte, du sollst mich retten, nicht umbringen!"
"Es tut mir leid, es tut mir leid, es tut mir leid!", rief Menélaos, rappelte sich auf und half Magane wieder hoch.
Sie verzog schmerzhaft das Gesicht: "Aargh, ich habe mir den Knöchel verdreht!"
Der Wächter wich ihrem Blick aus.
Nun war Magane froh, dass das Wasser eiskalt war, und nutze es, um ihren Fuß zu kühlen.
Dann schnupperte sie: "Was sind das nur für Pilze? Wieso riecht es plötzlich so nach Himbeeren?"
"Keine Ahnung", murmelte Menélaos und errötete leicht. Ihm war die Situation äußerst unangenehm und es kam ihm so vor, als würde der Brunnen immer enger und enger werden. Allmählich schlug sein Geruch in eine Richtung um, den man am besten mit einem Regen aus Zitronen vergleichen konnte.
Magane fühlte sich langsam zutiefst erschöpft. Der Aufenthalt in diesem Brunnen zehrte an ihren Nerven und sie hatte nicht mal die Möglichkeit, sich für eine Weile zu setzen. Außerdem stieg ihr der Geruch, der von den Pilzen ausging, in den Kopf und machte sie benommen. Schließlich lehnte sie sich gegen die Wand, auch wenn das bedeutete, dass ihr Rücken klatschnass wurde, aber zumindest war das eine Möglichkeit, ihren schmerzenden Fuß etwas zu entlasten. Sie schloss die Augen, um sich vorzustellen, woanders zu sein; schon allein weil sie irgendwie das dringende Bedürfnis unterdrücken musste, dem Gefreiten eine herunter zu hauen, weil er so einen Mist gebaut hatte! Aber sie war nicht mehr die alte, gewaltbereite Person, die sie mal gewesen war. Sie war die neue, ruhigere Maggie, die einen kleinen süßen Sohn hatte. Und sie würde wohl noch eine Weile mit ihrem
Kollegen im Brunnen verbringen müssen, da war es unklug, Zwietracht zu sähen. Hoffentlich würde sich jemand bewusst werden, dass sie und Menélaos fortblieben. Wusste eigentlich jemand neben dieser Nyria, wo sie Spuren sichern wollten? Vielleicht noch Laiza. Hoffentlich. Magane gefiel der Gedanke nicht, sich auf wildfremde Wächter verlassen zu müssen.
"Irgendwie gefällt mir der Gedanke nicht, für wildfremde Zwerge putzen zu müssen", stellte die Prinzessin fest, "Wer weiß, was ihr wirklich vorhabt? Vielleicht habt ihr was ganz anderes mit mir im Sinne!"
Glum verzog das Gesicht: "Eww, bestimmt nicht, der Gedanke ist ja widerlich!"
Nun war Magane doch etwas beleidigt. Sie verschränkte die Arme: "Wie habe ich das denn zu verstehen? Willst du etwa behaupten, ich sei hässlich?!"
"Neinnein!", entgegnete der Zwerg abwehrend: "Ich persönlich bevorzuge Frauen, die etwas mehr Metall am Leib tragen."
Die anderen nickten unisono in Zustimmung und plötzlich fingen die Zwerge an zu singen:
"Gold, Gold, Gold, Gold!"
In verdächtig auffälliger Synchronität begannen sie, sich im Kreise zu drehen.
"Gold, Gold, Gold, Gold!"
Einige warfen nun Tanzfiguren dazwischen, perfekt getimet.
"Gold, Gold, Gold, Gold!"
Die Zwerge formatierten sich zu einem komplizierten akrobatischen Akt, der es erforderte, beim Höhepunkt Zu-arm-für-einen-Namen in die Luft zu werfen, dann eine Zwergenpyramide zu bilden und den Gnom punktgenau an der Spitze landen zu lassen.
"Gooooold!", sang er den letzten Vers und wedelte untermalend mit seinen Armen.
"Das untermauert in keinster Weise eure Glaubwürdigkeit", stellte Magane schließlich fest.
"Aber es untergräbt sie auch nicht!", konterte Sebulon. [4]
"Stimmt. Okay, gut, ich werde mich, wie ihr wollt, intensiv mit S.T.Au.B. beschäftigen. Ich werde nicht waschen, fegen, spülen, nähen oder Gutenachtlieder singen. Zum Ausgleich dafür kriege ich freie Kost und Logis."
Und damit waren die Zwerge zufrieden, zumindest solange bis Bjorn eine Kosten-Leistungs-Rechnung erstellt hatte, was aber erst nach einem gewissen Ereignis geschah.
Es vergingen einige Wochen bis die böse Stiefkönigin Breguyane wieder einmal in ihren magische Zauberspiegel blickte.
"Rogi, Rogi, an der Wand, wer ist die Schönste im ganzen Land?"
"För, ihr feid die Fönfte hier, doch ficherlich bekommt ihr gleich graue Haare, wenn ihr erfahrt, das Prinfeffin Magane bei den fieben Fwergen hinter den fieben Bergen fwarf alf Putffrau arbeitet."
"Sie gibt keine Sozialabgaben ab?!"
Die Königin war zutiefst entsetzt. Das konnte sie nicht zulassen, also verkleidete sie sich und brach zu den sieben Zwergen hinter den sieben Bergen auf.
Magane ahnte nichts davon, denn sie war gerade damit beschäftigt, die Zwerge, die in ihr Bergwerk aufbrachen, um feinstes Qualitätsfett zu schürfen, zu verabschieden: "... und wenn ihr irgendwelchen suspekten, fremden Personen begegnet, dann nehmt nichts von ihnen an, verstanden?"
"Ja, Mä'äm."
Wenig später trotteten die Zwerge im Gänsemarsch davon, während sie "Heihi, heiho!" sangen.
Nun war Magane alleine zu Hause, aber sie sorgte sich nicht; auch nicht, als wenige Zeit später ein altes Mütterchen vor ihrer Tür erschien. Die Prinzessin schaute neugierig aus dem Fenster.
"Großmütterchen!", rief sie schließlich, "Warum hast du so große Hände?"
"Damit ich meinen Korb besser tragen kann!"
"Großmutter, warum hast du eine Augenklappe?"
"Damit man mich besser ansehen kann."
"Großmutter, warum hast du so ein rosa Kleid?"
"Damit du mir noch mehr dämliche Fragen stellen kannst! Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit, Schätzchen, willst du was kaufen oder nicht?"
Da die Prinzessin nicht auf den Kopf gefallen war, erwiderte sie: "Das schon. Aber nur, wenn ich es vorher testen kann. Ich kaufe nicht einfach die Katze im Sack."
"Was soll es denn sein, Mädchen?"
"Hast du Schnürbänder?"
"Nein."
"Kämme?"
"Tut mir leid, gerade habe ich den letzten verkauft."
"Vielleicht einen Apfel?"
"Nie gehabt."
Etwas verärgert stemmte sich Magane die Arme in die Seite: "Hast du denn überhaupt etwas?"
"Rote Beete. Die beste die es gibt, direkt aus dem Garten von Graf Ohnedurst."
"Die nehm ich!"
Doch kaum hatte Prinzessin Magane einen Bissen genommen, fiel ihr auf, dass plötzlich überall Wachen des Grafen aufgetaucht waren. Der Hauptmann, der überraschend viel Ähnlichkeit mit Königin Breguyane aufwies, sprach: "Du bist hiermit festgenommen wegen illegalem Konsum von intelligenter roter Bete. Du hast das Recht zu schweigen, alles was du sagst kann und wird gegen dich verwendet werden."
So landete die Prinzessin Magane im Kerker des Grafens. Und wie sie da so vor sich hin schmorte, erschien ihr Traumprinz und zahlte die Kaution für sie. Magane war so hin und weg, dass sie ihm einen Kuss geben wollte. Sie nahm sein Gesicht mit beiden Händen und spitzte die Lippen...Verärgert verzog der Korporal das Gesicht, weil das von Menélaos ihrem verdächtig nahe gekommen war. "Wolltest du mich etwa küssen?!!!", fragte sie entsetzt und das Gesicht des Kollegen lief puterrot an.
"Nein... natürlich nicht."
Eine mandarinige Duftwolke umgab den Szenekenner. Irgendwie war das ganz schön gemein. Da saß er in einem Brunnen fest und dann musste das auch noch mit so einer Schönheit sein. Hätte es nicht jemand anders sein können? Sillybos zum Beispiel...
Die unangenehme Spannung verstärkte sich immer mehr und die beiden starrten sich gegenseitig nur noch an. Magane beschloss, ihren Kollegen nicht mehr aus den Augen zu lassen, damit er nicht wieder auf dumme Ideen kam.
Die Zeit verging und langsam senkte sich die Nacht über den Brunnen.
Dann, als sie am wenigsten damit rechneten, fiel ein Seil herab. Irritiert sahen die beiden nach oben, konnten aber niemanden ausmachen.
"Egal", meinte Magane, "Hauptsache wir kommen endlich hier heraus!"
Beide mobilisierten ihre letzten Kraftreserven, um den Brunnen zu verlassen. Und als sie endlich draußen waren, meinte der Korporal: "Wir kehren ins Wachhaus zurück, mit einem kaputten Knöchel will ich nicht Spurensichern. Trag du bitte das S.T.Au.B."
So verschwanden die Wächter, ohne zu bemerken, dass sich jemand hinter dem Baum verborgen hatte.
Die Fichte, an der das Seil befestigt worden war, war maßlos erleichtert: "endlich! das war vielleicht irritierend, andauernd diese widersprüchlichen Signale! ich weiß noch immer nicht, ob es sich um eine melissenpflanze, oder thymian oder einen zitronenbaum oder sonst was handelte!"
"ich weiß", entgegnete Korporal Lilli in der gleichen, nur für Pflanzen hörbaren Sprache: "du hast es ja überall herumerzählt."
"danke, dass du dieses ding entfernt hast."
"es war ein mensch."
"ach menschen... ich habe einen, der hat mich an heißen tagen wie zur zeit immer gegossen, aber irgendwie hat er damit aufgehört. dabei sind meine nadeln schon ganz welk..."
Lilli schaute auf die Leiche herab: "ich glaube dein mensch hat beschlossen, zu dünger zu werden."
"oh! das ist aber nett vom ihm!"
"freu dich nicht zu früh, die leiche wird hier nicht lange bleiben."
"wieso das denn?"
"meine kollegen werden bald kommen um herauszufinden, woran er starb."
"kollegen?" Die Sprachmoleküle der Fichte nahmen so etwas wie einen sauren Unterton an: "bist du etwa auch einer von diesen menschen? igittigitt!"
"um dir zu helfen war ich gerade noch gut genug", entgegnete Lilli mit einem beleidigten Unterton, "dabei hättest du doch einfach selbst deine nymphe ein seil holen lassen können"
"was? kein baum, der etwas auf sich hält, würde seine nymphe einfach in der gegend herumspazieren lassen!"
"das finde ich irgendwie dämlich - wenn ich erst einmal eine nymphe habe, dann wird sie den lieben langen tag draußen herumlaufen."
"das bezweifle ich", entgegnete die Fichte kühl, "aber sag mal, könntest du mich vielleicht gießen?"
"warum sollte ich?", fragte Lilli, "du hast nicht gerade nett mit mir geredet."
"ach komm schon, du hast mir doch auch mit dem brunnenproblem geholfen."
"genau genommen half ich da meinen kollegen."
"aber warum hast du dann nicht mit ihnen mitgangen?"
Lilli seufzte: "weil sie dann sicher hätten wissen wollen, wieso ich überhaupt hier war. ich kann denen schlecht erzählen, dass die bäume um mich herum über einen brunnen getratscht haben und ich aus neugierde hier vorbei gekommen bin. das würde keinen guten eindruck machen, es gibt genug, die ein schlechtes bild von mir haben. und da sie mir eh nicht glauben würden, dass ich mit bäumen reden kann - geschweige einer werde - vermeide ich das thema lieber."
"kann ich verstehen", meinte der Baum, und Lilli tat ihm den Gefallen ihn zu gießen.
Und wenn die Wächter nicht pensioniert worden sind, ermitteln sie noch heute.
~ENDE~
[1] Der Rüffel ärgerte sie immer noch.
[2] Zumindest nicht sehr gut.
[3] Sie hatte keine Ahnung wie teuer richtige Putzfrauen waren, besonders in dieser Gegend des Waldes.
[4] An dieser Stelle sei euch ein furchtbar lahmes Wortspiel erspart, in dem es darum geht, dass Zwerge viel lieber
runtergraben.
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