Sebulon wird zu einem Mordfall hinzugezogen. Was zunächst nur reine Routine ist, wird plötzlich persönlich . Eine Wichtelsingle
Dafür vergebene Note: 12
PrologDer Pfeil wurde in die richtige Position gelegt, die Finger an die Sehne. Die Füße standen genau richtig. Mit Eleganz wurde der Bogen ausgerichtet, das Auge zum Zielen geschlossen. Der Atem wurde angehalten, der Ellbogen gehoben, die Sehne gedehnt, bis die Hand hinter dem Ohr war.
Sebulon, Sohn des Samax stand genau in der Schusslinie. Nur noch eine Bewegung der Finger, nur noch das Zurückschnellen der Sehne, nur noch der kurze Flug des Pfeils und er würde zusammenbrechen, das tödliche Geschoss mitten im Herzen.
1: Der tote General Der Mund von General Bombastus Rührdich, der es ein Leben lang gewohnt war, Befehle zu brüllen, stand auch im Tode noch auf. Doch ihm würde nie mehr ein Ton, geschweige denn ein Befehl, entschlüpfen. An der Schläfe des Toten klaffte eine hässliche Wunde und der blutbefleckte Schürhaken am Boden ließ auf einen Blick erkennen, was sie verursacht hatte. Trotzdem wandte Tatortwächterin Magane Schneyderin natürlich die notwendige Sorgfalt beim Sichern der Beweise an. Es bestand immerhin die Möglichkeit, dass alles vom Mörder nur arrangiert worden war, wie auf einem besonders scheußlichen Gemälde. Das Bett, in dem der verstorbene Soldat lag, war aus schwerem, dunklen Holz, ebenso wie die restlichen Möbel. Neben dem Bett führte ein Klingelzug hinaus auf den Gang und bis in den Aufenthaltsraum des Personals. Ein dicker Teppich lag auf dem Boden und dämpfte jeden Schritt. Das Bettzeug war aus weißem Leinen und die Decke ließ erkennen, dass es noch relativ frisch wirkte. So nah am Bett vermischte der Geruch nach Waschmittel sich mit denen eines alten Mannes und dem des Blutes aus der Kopfwunde, das das Kopfkissen getränkt hatte. Ein kleiner Tisch neben dem Bett, ein Schreibtisch, ein Schrank, ein Kamin - aufgrund der sommerlichen Temperaturen nicht befeuert - und ein Waschtisch vervollständigten die Einrichtung. In einer Ecke stand ein Rollstuhl, die Wände wurden von Schlachtengemälden, Karten und zwei Säbeln zwischen den beiden Fenstern geschmückt. So, wie man sich das im Zimmer eines Generals vorstellte.
Inspäctor Kolumbini hatte sich bereits einen Überblick über den Tatort verschafft und war dabei, die Anwesenden zu befragen, unterstützt vom Gefreiten Janders. Der Mord war im privaten Pflegeheim von Elvira Stütz-Strumpf begangen worden, das außer dem verstorbenen General noch drei weitere Patienten betreute. Helene Kippe hatte vor einem Jahr das beträchtliche Vermögen ihres Mannes, eines erfolgreichen Kaufmanns, geerbt. Leider konnte sie jetzt nicht mehr damit anfangen, als sich selbst die letzten Monate leichter zu machen, denn sie war selbst todkrank und nicht mehr in der Lage, das Bett zu verlassen.
Grek Wohlgemuth hingegen erholte sich von einer schweren Verletzung infolge eines Kutschenunfalls, war aber schon wieder auf den Beinen und würde die Pflegeeinrichtung bald verlassen.
Nadja Gütegut war wie Helene Kippe und Rührdich Dauerpatientin. Sie war munter auf den Beinen, wirkte rüstig und neugierig, hatte jedoch Gicht in beiden Händen.
"Die beiden weiblichen Patientinnen können wir wohl außer Acht lassen", gab der Ermittler bei der Besprechung der ersten Ergebnisse mit seinem Abteilungsleiter seine Einschätzung ab. "Der Todeszeitpunkt liegt laut Hauptgefreiten Pochtli zwischen neun und elf Uhr dreißig. Um diese Uhrzeit wurde der Mord entdeckt. Weder der Patient Wohlgemuth noch das Personal kann für den gesamten Zeitraum ein Alibi aufweisen, außer der Krankenschwester Karina Schmetter, die sich die ganze Zeit bei Helene Kippe im Zimmer aufgehalten hat. Ein außenstehender Täter ist eher unwahrscheinlich, da Besucher an der Tür schellen müssen und sich auch keine Einbruchsspuren finden ließen, übrigens natürlich auch keine Quittung", fügte Kolumbini der Form halber an. Dann lehnte er sich zurück, schlug das Notizbuch zu und nahm einen genüsslichen Zug aus seiner Pfeife.
"Das reduziert also den Kreis der Verdächtigen auf vier Personen", fasste Romulus zusammen. "Was ist mit dem Opfer?"
Ohne sein Notizbuch noch mal konsultieren zu müssen, konnte der Korporal die wenigen Informationen nennen, die sie über den Toten hatten. "Bombastus Rührdich stammt aus einer reichen Familie, ist schon als junger Mann in die Armee von Pseudopolis eingetreten und hat sich bis zum General hochgedient. Unter anderem hat er im klatschianischen Kaffeekrieg und im 24-Stunden-Krieg gekämpft. Seit drei Jahren ist er außer Dienst und da er keine Angehörigen mehr hatte und eine alte Verletzung ihn quälte, hat er sich in Stütz-Strumpfs Heim niedergelassen. Außerdem war er extrem schwerhörig."
"Hast du schon etwas zu den Motiven ermitteln können?"
"Nein, leider nicht. Auf den ersten Blick scheint keiner der infrage kommenden Täter einen Grund gehabt zu haben, den alten Haudegen um die Ecke zu bringen. Alle waren sehr erschüttert und konnten sich gar nicht vorstellen, dass man den armen, alten Mann ermordet hat. Aber das ist ja meistens so. Da graben wir schon noch etwas aus."
Der Werwolf nickte. "Gibt es eigentlich ein Testament?"
"Wir sind noch nicht dazu gekommen, uns gründlich umzusehen. Doch sobald SUSI den Tatort freigibt, stellen wir das Zimmer des Generals auf den Kopf. Und als zweites ist das Büro der Heimleiterin dran."
"Ich will den Fall so schnell wie möglich abschließen... ", Romulus zögerte kurz, sah dann seinem Ermittler jedoch fest in die Augen. "Deshalb werde ich Sebulon von GRUND ausleihen, damit er sich die Verdächtigen noch einmal aus püschologischer Sicht vornimmt."
"Tu, was du nicht lassen kannst", brummte Fred wenig begeistert. Er mochte es nicht, wenn jemand in seinen Ermittlungen herumpfuschte. Andererseits musste er zugeben, dass er alle Hände voll zu tun und auch noch einen Auszubildenden an der Backe hatte. Ein wenig Hilfe konnte also eigentlich nicht schaden.
"Dann kann er auch gleich den Lügendämon testen. Die Beschwörergilde will uns welche davon andrehen", erwiderte sein Abteilungsleiter.
Am nächsten Tag saß Sebulon, Sohn des Samax in seinem alten Büro und studierte die Aufzeichnungen der beiden Ermittler über die möglichen Täter, die Tatortikonographien und die Berichte der Tatorwächter.
"Die Leute sind jetzt da", meldete der Rekrut, der nach kurzem Klopfen das Büro betrat. "Ich habe sie vor Verhörraum 5 gesetzt."
"Ist gut, geh schon mal vor. Ich komme gleich nach." Der Püschologe sortierte die Angaben über die Verdächtigen nach der Reihenfolge, in der er sie sich vornehmen wollte und sah sie noch einmal kurz durch. Sein Blick blieb an dem Holzkasten hängen, der neben ihm auf dem Schreibtisch stand. Bei seinem letzten Fall war er von einem dieser Gerätedämonen derart im Stich gelassen worden, dass er ihnen nun nicht mehr vertraute. Er war sicher, wenn Braggasch und er sich einmal zusammensetzen würden, käme ein viel besseres Lügenerkennungsgerät dabei heraus. Aber Befehl war nun mal Befehl, also griff er sich den Lügendämon und ging in den Keller, wo vier Personen auf hastig zusammengesuchten Stühlen vor dem Verhörraum saßen und ihn erwartungsvoll ansahen. Es handelte sich um eine dünne, ältere Frau mit grauen, streng nach hinten gebundenen Haaren, eine junge Frau mit dunklem Teint und einem langen Zopf, der ihr seitlich am Kopf saß, einen jungen Mann mit Stoppelfrisur und kräftiger Statur und einen weiteren jungen Mann, der seine blonden Haare in Wellen gelegt und seinen Arm in einer Schlinge trug. Der Zwerg nickte ihnen ernst zu.
"Guten Tag, meine Damen und Herren. Ich danke Ihnen, dass Sie es so schnell möglich machen konnten. Wir sind alle sehr beschäftigt, deshalb fangen wir gleich an. Und zwar mit Ihnen."
Die angesprochene Frau erhob sich und folgte dem Wächter wortlos in die Zelle, wo Rekrut Ron Wanderdüne bereits zum Protokollführen bereit war. Sebulon rief sich die Angaben zur Person ins Gedächtnis.
Elvira Stütz-Strumpf
45 Jahre, Heimleiterin, Witwe, keine Kinder
wohnhaft: Kellerstraße 19, im Heim
Ihr Mann gründete vor zehn Jahren eine Stiftung und übergab Elvira die Leitung des Heims, da sie sich schon immer der Pflege widmen wollte. Der Mann verstarb vor sieben Jahren.
Das Heim nimmt alle auf, die der Pflege bedürfen und die saftigen Gebühren dafür zahlen können.
Das Personal ist von E. selbst ausgesucht und es gibt laut ihrer Aussage keine Konflikte, erst recht nicht mit den Patienten.
Gibt an, sie sei den ganzen Morgen über in ihrem Büro gewesen.
Strenge Frau mit verkniffenem Mund, führt scheinbar ein hartes Regiment.SEBULON:
(zeigt auf den Stuhl für den Verdächtigen) Setzen Sie sich.
(fummelt an dem Holzkasten herum)ELVIRA:
(setzt sich)SEBULON: Frau Stütz-Strumpf, ehe wir beginnen: Sind Sie damit einverstanden, dass ich dieses Lügenerkennungsgerät benutze? Wenn Sie nein sagen, hat das keinerlei Nachteile für Sie. Natürlich würden Sie sich dann aber verdächtig machen.
ELVIRA:
(schaut misstrauisch auf den Holzkasten) Wenn Sie meinen...
SEBULON: Gut, ein kurzer Funktionstest. Äh, erzählen Sie mal eine Lüge.
ELVIRA:
(erbost) Ich lüge nicht zum Spaß!
SEBULON:
(verwirrt)War das jetzt eine Lüge?
ELVIRA: Wie ich schon sagte: Ich lüge nie!
LÜGENDÄMON: Das ist eine Lüge!
ELVIRA: Wie bitte?!
LÜGENDÄMON: Sie sagte nicht:
(mit Elviras Stimme) "Ich lüge nie!", sondern: "Ich lüge nicht zum Spaß!"
SEBULON:
(zum Dämon)Also so genau brauchst du es auch nicht nehmen.
ELVIRA: Können wir dann jetzt anfangen?
SEBULON: Natürlich.
(räuspert sich) Können Sie mir sagen, was Sie dazu bewegt hat, dieses Heim zu gründen?
ELVIRA:
(spitz)Muss ich jetzt die gleichen Fragen beantworten, die ich ihrem Kollegen schon beantwortet habe?
SEBULON: Wenn Sie so freundlich wären...
ELVIRA: Nun gut. Ich habe gern mit Menschen zu tun und will ihnen helfen.
LÜGENDÄMON: Das ist eine Lüge! Sie "wollte sich schon immer der Pflege widmen."
SEBULON:
(zum Dämon) Das ist keine Lüge, nur eine andere Formulierung.
ELVIRA: Noch nicht ganz ausgereift ihr Gerät scheint mir.
SEBULON: Ich habe ihn mit den Fakten gefüttert, die wir schon haben. Anscheinend nimmt er die aber zu wörtlich.
(zum Dämon) Beschränke dich auf offensichtliche Lügen.
(zu sich)Ich wusste ja gleich, dass es mit Dämonen nicht funktioniert.
LÜGENDÄMON:
(beleidigt) Ich tue mein Bestes.
SEBULON:
(wendet sich wieder Elvira zu)Hat ihr Heim noch andere Angestellte?
ELVIRA: Ja, es gibt noch einen Koch. Der war aber gestern morgen noch nicht im Haus. Er kommt immer erst nachmittags, um das Abendessen vorzubereiten. Und die Nachtschwester war natürlich schon gegangen.
SEBULON: Und es gab keine Konflikte im Personal oder zwischen Personal und Patienten?
ELVIRA:
(streng) So etwas dulde ich nicht! Mein Personal ist von mir handverlesen und tut so etwas nicht!
SEBULON: Was ist mit den Patienten untereinander?
ELVIRA:
(kreuzt die Arme vor der Brust)Was soll mit ihnen sein? Das sind alles Damen und Herren der Gesellschaft, die wissen, wie sie sich zu benehmen haben.
SEBULON: Dann fühlen sich die Patienten bei Ihnen wohl?
ELVIRA: Natürlich! Sie bezahlen ja zugegebenermaßen auch recht viel dafür. Sie können ja die anderen Herrschaften fragen, ob sie Grund zur Klage haben.
SEBULON: Das werden wir. Aber wenn sich die Leute bei Ihnen so wohl fühlen, dann werden Sie doch bestimmt auch in dem einen oder anderen Testament bedacht?
ELVIRA: Das kommt vor. Viele unsere Patienten haben keine Angehörigen mehr ...
(misstrauisch)Aber was wollen Sie eigentlich damit sagen?
SEBULON:
(unschuldig)Nichts. Und hatte der General ein Testament gemacht?
ELVIRA:
(eisig)Das weiß ich nicht.
SEBULON: So. Na gut, das war es dann erstmal. Bitte sagen Sie Herrn Wohlgemuth Bescheid.
ELVIRA:
(erhebt sich würdevoll und stöckelt zur Tür, ab)SEBULON:
(zum Dämon)Und hat sie gelogen?
LÜGENDÄMON:
(immer noch eingeschnappt)Woher soll ich das wissen? Ich arbeite ja nicht so, wie der Herr es wünscht.
SEBULON:
(seufzt)Schon gut, ich hatte auch nicht den Eindruck. Übrigens habe ich schon dafür gesorgt, dass du ins Rohrpost-System kommst und Reggie unterstellt wirst, wenn ich mit dir nicht zufrieden bin.
LÜGENDÄMON:
(wird blass) Was? Nein! Das... das ist eine Lüge!
SEBULON: Na also, es geht doch!
Zur gleichen Zeit:
Die Spurensicherung hatte das Zimmer wieder frei gegeben und das Personal war zur Befragung in der Wache. Nur Karina Schmetter war bei Helene Kippe, die nicht ohne Betreuung bleiben konnte. Das war ein guter Zeitpunkt, um sich noch einmal gründlich umzusehen, fand Korporal Kolumbini.
"Also los, Janders. Sieh dich vor allem nach einem Testament um. Es interessiert uns aber alles, was nun... interessant ist für den Fall. Klar?"
"Ja, Sir."
Die Ermittler begaben sich in verschiedene Ecken des Raumes und begannen, jedes Stück Papier genau unter die Lupe zu nehmen. Kolumbini untersuchte den Schreibtisch und Kadwallander Janders den Schrank. Bald war nur noch gelegentliches Papierrascheln, Hüsteln oder das Knarzen von Holz zu vernehmen, wenn eine Schublade oder eine Schranktür geöffnet wurde.
"Und haben die Herren schon etwas gefunden?" Nadja Gütegut war unbemerkt in der Tür erschienen und schaute den Wächtern neugierig zu.
"Selbst wenn das der Fall wäre, dürften wir Ihnen das gar nicht verraten." Kolumbini trat entschlossen auf die alte Dame zu. "Wenn Sie nun so freundlich wären und uns in Ruhe unsere Arbeit..."
"Wissen Sie, mein Mann der hat sich auch immer sehr für diese Kriminalromane interessiert. Wie hießen sie noch? Detektiv Dick oder so..."
Der Korporal wollte Frau Gütegut sanft, aber energisch aus dem Raum schieben, hielt dann jedoch inne. "Eine Frage hätte ich da noch. Was wissen Sie eigentlich über den General?" Mit einer Hand machte er dem Gefreiten ein Zeichen, mit der Durchsuchung fort zu fahren.
"Oh, so einiges." Nadja lächelte den Ermittler an. "Ich kenne ihn nämlich schon von früher."
Leider hatte sich der erste Eindruck, den Kolumbini von Frau Gütegut am Tattag gewonnen hatte, bestätigt. Sie konnte viel aus der Vergangenheit erzählen, wusste jedoch kaum noch, was sie zum Mittagessen hatte. Sie warf Zeiten und Personen durcheinander und wiederholte ständig, was sie schon erzählt hatte. Gelegentlich hatte sie auch klare Momente, doch es war nicht immer leicht zu entscheiden, wann die waren.
Langsam neigte sich der Tag dem Mittag zu und Papier stapelte sich überall.
"Der hat auch wirklich alles aufgehoben", stöhnte Kadwallander. "Rechnungen über Hosenknöpfe, handschriftliche Notizen, Zeitungsartikel über die Kriege und und und. Wer soll denn da durchblicken."
"Manche Leute können nichts wegschmeißen. Papiere waren ihm wohl sehr wichtig."
Der Gefreite richtete sich aus einer unbequemen Haltung auf und streckte sich. "Hier war das dann alles, Sir."
Kolumbini nickte nur geistesabwesend und las in einem Brief weiter, den er von einem der Stapel genommen hatte. Janders sah sich nach einer Sitzgelegenheit um, fand jedoch nur den Rollstuhl. Seufzend ließ er sich darauf nieder, stand jedoch sofort wieder auf.
"Das klang merkwürdig, oder?" Er tastete die Sitzfläche ab und hörte erneut ein Knistern. Dann bemerkte er, dass die Naht des Polsters vorne aufgetrennt war. Er schob seine Hand hinein und fand endlich das Gesuchte. Das Testament des Verstorbenen, ordentlich aufgesetzt, aber ein wenig zerknittert.
"Diri Na-Wadi ist die Haupterbin", stellte der Ermittler in Ausbildung überrascht fest.
"Ah", erwiderte sein Ausbilder jedoch nur. "Dann stimmt es also doch."
"Bombastus hält diese Diri für seine uneheliche Tochter", hatte Frau Gütegut ihm anvertraut. "Sie sieht angeblich Sanna ähnlich, in die er während des Kaffeekrieges so verschossen war. Ich mag sie nicht." Er hatte gedacht, sie hätte da wieder etwas verwechselt, aber scheinbar stimmte diese Information. Warum sollte der General sonst sein Vermögen einer Putzfrau hinterlassen?
Grek Wohlgemuth
35 Jahre, Junggeselle, Lebemann
wohnhaft: Teekesselstr. 27
Erbe des Wohlgemuth-Vermögens, ohne weitere Familie. Führt lockeren Lebenswandel.
Wurde am 12. Mai in der Laufenden Straße an Schulter und Bein verletzt, als er von einer Kutsche überholt und dabei von seinem Rad-mit-Pedalen-drehen-und-noch-ein-Rad-Maschine gerissen wurde. Heilungsprozess fast abgeschlossen.
Gibt an, den General vorher nicht gekannt zu haben und keinerlei Beziehung zu ihm zu haben.
Hat das Frühstück zusammen mit N.G. im Esszimmer eingenommen, ab 9.45 Uhr Aufenthalt im eigenen Zimmer.
Macht gelassenen, fast arroganten Eindruck. GREK:
(tritt auf)Störe ich?
SEBULON: Was? Äh, nein, nein. Setzen Sie sich.
GREK:
(nimmt Platz)SEBULON:
(leiernd)Sind Sie damit einverstanden, dass ich dieses Lügenerkennungsgerät benutze? Wenn Sie nein sagen, hat das keinerlei Nachteile für Sie. Natürlich würden Sie sich dann aber verdächtig machen.
GREK: Nur zu.
SEBULON:
(schaut den Kasten finster an) Dann lügen Sie bitte mal!
GREK: Hmm... mal sehen. Ich bin der Patrizier!
LÜGENDÄMON: Das äh... war eine Lüge?
SEBULON:
(zum Dämon, ironisch) Gut erkannt.
(zu Grek) Warum lassen Sie sich nicht zuhause behandeln? Sie sind doch ein junger Mann, vermögend.... Sie haben doch sicher Familie? Angestellte?
GREK: Sicher, Angestellte habe ich. Aber denen wollte ich das nicht zumuten. Familie habe ich leider keine mehr. Außerdem kannte ich das Heim, dort wurde meine Tante Klara bis zu ihrem Tod gut versorgt.
SEBULON: Verstehe. Wie ging es in dem Heim so zu? Sie haben doch sicher einiges mitbekommen.
GREK:
(amüsiert)Sie brauchen sich bei mir nicht einzuschleimen.
SEBULON: Ich schleime nicht!
GREK: Doch das tun Sie. Steht in irgendeinem Verhör-Handbuch, wollen wir wetten?
(schmunzelt über Sebulons empörte Miene) Aber um Ihre Frage zu beantworten: Die Leiterin ist mürrisch, herrisch...
LÜGENDÄMON:
(murmelt) Das ist die Wahrheit!
GREK: ... aber kompetent. Die Reinigungsbiene hätte ich gern ein wenig näher kennen gelernt, aber sie lässt keinen an sich ran. Wahrscheinlich versteht sie eh kaum was. Die Schwester ist eine robuste Optimistin, die haut nichts so schnell um. Ich könnte wetten, sie hat ein Verhältnis mit dem Koch. Den habe ich allerdings nie kennen gelernt. Und der Pfleger ist ein Nervenbündel.
LÜGENDÄMON: Das ist eine Lüge! Ein Pfleger ist ein Pfleger und kein Nerven...
SEBULON:
(schließt die Klappe am Kasten)Jetzt reicht es mir!
(zu Grek, kühl)Und die Patienten?
GREK:
(schlägt lässig die Beine übereinander)Die arme Helene vegetiert nur noch vor sich hin. Sie bekommt nicht mehr viel mit von dem, was um sie herum geschieht. Nadja ist eine lustige alte Dame und neugierig wie sonst was. Wir verstehen uns glänzend.
(kreuzt die Arme vor der Brust) Der General... nun, man soll ja nichts schlechtes über Tote sagen, aber er war einfach ein Meckerkopp. Vor allem Tobias, der Pfleger, hat sich das immer ziemlich zu Herzen genommen, wenn er mal wieder einen Anschiss bekommen hat. Das hat der alte Haudegen natürlich auch gemerkt, und da er keine Heulsusen leiden konnte, hat er dem Armen immer noch extra eins drauf gegeben. Nicht nur wegen seiner Taubheit war er natürlich auch immer recht laut.
SEBULON: Und wie haben Sie sich mit dem General verstanden?
GREK:
(zuckt die Schultern)Mich hatte er auch auf dem Kieker. Mein Lebenswandel war ihm wohl ein Dorn im Auge.
(sieht Sebulon fest in die Augen) Aber ich habe mir nicht viel daraus gemacht, ich wusste ja, das ich ihn bald wieder los bin. Und er war ein verflucht guter Gegner beim ... äh, Klonk, das muss man ihm lassen.
SEBULON: Gut, das war es. Bitten Sie doch Frau Na-Wadi herein, wenn Sie raus gehen.
GREK: Ich bin doch gerne behilflich. Noch ein frohes Schaffen!
(ab)Im SUSI-Labor schritt Lady Rattenklein über die Abbildungen verschiedenster Wirbel, Schleifen und Linien hinweg, genauestens auf jede Übereinstimmung achtend. Hin und wieder notierte sie auf einem Blatt etwas. Sie hob den Kopf, als Huitztli Pochtli den Raum betrat.
"Hallo Ratti! Ich wollte gerade meinen Bericht bei RUM abgeben. Bist du auch fertig?"
"Du siehst doch, dass ich noch beschäftigt bin", fauchte diese zurück.
Der Wasserspeier hob beschwichtigend die Hand. "Schon gut. Ich wollte nur fragen, ob ich deinen Bericht mitnehmen soll."
"Tut mir leid." Die Gnomin grinste verlegen. "Aber es ist eben nicht leicht, wenn man die einzige Laborantin ist. Und alle wollen alles am liebsten vorgestern. Ich bin nur noch im Stress." Sie schüttelte den Kopf. "Danke für dein Angebot. Ich schicke die Ergebnisse dann mit der Rohrpost, wenn ich fertig bin."
Eine bläuliche Flüssigkeit in einem Reagenzglas, die plötzlich anfing, überzuschäumen, veranlasste sie, mit einem Ausruf zu dem Glasröhrchen zu rennen und sich hektisch an dem Versuchsaufbau zu schaffen zu machen. Huitztli verließ vorsichtshalber den Kriegsschauplatz und machte sich auf zum Büro des Ermittlers, um ihm mitzuteilen, dass der General erschlagen wurde und dass es auch sonst keine Überraschungen gab. Eine ziemlich langweilige Leiche aus seiner Sicht.
Diri Na-Wadi
28 Jahre, Reinigungskraft/Dienstmädchen, ledig, keine Kinder
wohnhaft: Kleine Gasse 3, 3. Stock
Klatschianischer Abstammung, seit 1 Monat in Ankh-Morpork. Seitdem in dem Heim tätig. Aufgaben: Reinigung der Zimmer, Austeilen des Essens, Öffnen der Tür, Waschen.
Gibt an, Patienten immer freundlich zu grüßen, sonst aber keinen Kontakt mit ihnen zu haben. Auch Kollegen nur flüchtig bekannt.
Hat das Frühstück ausgeteilt, danach Zimmer gereinigt. Weiß nicht, wann genau wo, nichts aufgefallen.
Aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse nur schwer einzuschätzen. DIRI:
(tritt auf) Tag!
SEBULON
(freundlich): Guten Tag, Frau Na-Wadi. Bitte setzen Sie sich!
DIRI:
(setzt sich)SEBULON: So, Sie arbeiten in dem Heim von Frau Stütz-Strumpf als Putzfrau?
DIRI: Ja, ich immer putze.
(nickt bekräftigend)SEBULON: Was war Ihr Eindruck von dem Ermordeten? Kannten Sie ihn näher?
DIRI: Oh, war nix freundlich. Tat immer schimpfen. Aber war egal.
SEBULON
(hebt die Augenbrauen): Er war also ein Querulant? Wie haben Sie darauf reagiert?
DIRI: Habe gesagt: Hallo, habe putzen und fertig.
winkt abSEBULON: Und warum tun Sie so, als würden Sie unsere Sprache nicht gut sprechen?
(starrt Verdächtige intensiv an )DIRI:
(starrt zurück) SEBULON:
(starrt weiter) DIRI: Ok, ok. Wie haben Sie es rausgefunden?
SEBULON: Die Verwendung der Verbformen ist inkonsequent falsch. Und eben habe ich ein ziemlich schwieriges Wort benutzt, dass Sie trotzdem verstanden haben.
DIRI: Ich habe einfach keine Lust, mich mit den Leuten im Heim abzugeben. Sonst müsste ich mich wohl möglich ständig mit ihren Eheproblemen und so beschäftigen. Nein, danke! Außerdem bekommt man weniger Aufgaben zugewiesen, wenn der Arbeitgeber glaubt, dass man sie sowieso nicht verstehen würde.
(grinst verschwörerisch) SEBULON:
(nickt verständnisvoll) Guter Trick! Das merke ich mir!
RON:
(denkt: Und ich erst!)SEBULON:
(im Plauderton)Was hat Sie nach Ankh-Morpork verschlagen?
DIRI:
(wird ernst) Als mein Mann gestorben war, wollte sein Bruder mich für sich. Ich war es jedoch leid, dass man mich als Ware behandelt. Ich bin einfach abgehauen. Ich habe mich bis zum Runden Meer durchgeschlagen und bin dort auf das nächste Schiff geschlichen. So bin ich hier gelandet.
(defensiv) Es gefällt mir hier. Hier kann ich mein eigener Herr sein. Glauben Sie, dass ich wegen dieser Geschichte Ärger bekomme? Ich muss doch nicht zurück, oder?
SEBULON:
(beruhigend) Nicht, wenn Sie unschuldig sind.
(notiert sich etwas) SEBULON: Aber zurück zum General. Er war also immer schlecht gelaunt?
DIRI:
(gelassen) So kann man das auch nennen. Den Frauen hat er gern mal an den Hintern gefasst, wenn er mal gut drauf war. Mich hat er aber in Ruhe gelassen. Ansonsten plagten ihn wohl diverse Kriegsverletzungen, was ihn ziemlich viel rumnölen ließ. Aber ich habe das ehrlich ignoriert. Zum Glück musste ich ja nur ein wenig Ordnung machen in seinem Zimmer, da war ich ruckzuck wieder draußen.
SEBULON: Haben Sie eine Ahnung, wer ihn ermordet hat?
DIRI: Wirklich nicht. Keinen blassen Schimmer.
SEBULON: Was ist eigentlich aus Ihrer Vorgängerin geworden?
DIRI: Oh, ich glaube, die ist durchgebrannt. Mit einem der Patienten.
SEBULON: Im Ernst? Oh... na gut. Ähm, Sie sind auch für das Öffnen der Tür zuständig. Haben Sie jemanden in der Zeit von neun bis halb zwölf hereingelassen?
DIRI: Nein, habe ich nicht. Es hat niemand geklingelt. Das habe ich auch ihrem Kollegen schon gesagt.
SEBULON: Danke, das war dann alles. Schicken Sie bitte Herrn Schlingbein herein.
DIRI: Sie werden mich doch nicht verraten, oder?
SEBULON: Nun... nicht, wenn es für den Fall nicht relevant ist.
DIRI: Gut.
(ab)SEBULON:
(runzelt die Stirn)Hast du diesen Unterton auch gehört, oder habe ich mir den eingebildet?
RON:
(zuckt die Schultern) Ich weiß nicht, was Sie meinen, Sir.
Kanndra Mambosamba schloss die Tür vorsichtig hinter sich und nickte der Palastwache zu. Natürlich hätte sie mittlerweile den Weg auch von allein gefunden, war jetzt aber doch ganz froh über die Führung zum Ausgang. Andernfalls hätte sie sich, in Gedanken versunken, vielleicht doch noch verlaufen.
Sie hatte noch nie einen Geheimauftrag bekommen, mit dem sie nicht einmal mit ihren Kollegen, ja nicht einmal mit Valdimier reden durfte. Das kam ihr alles ein wenig zu geheimnisvoll vor und ihr war nicht wohl bei der Sache. Doch wenn der Patrizier wollte, dass sie diesen Auftrag ausführte, dann blieb ihr nichts anderes übrig, als das auch zu tun. Wenigstens brauchte sie nicht einfach so verschwinden, sondern hatte offiziell Sonderurlaub erhalten. Angeblich war ihre Mutter krank und sie auf dem Weg nach Gennua.
Tobias Schlingbein
27 Jahre, Pfleger, ledig, keine Kinder
wohnhaft: Streichergasse 7
Arbeitet seit 5 Jahren im Heim, hat nach eigenen Angaben gern mit Menschen zu tun. Leugnet Konflikte im Personal oder mit Patienten, auch der General sei nur ein "armer alter Mann" gewesen.
Sagt, Opfer fühlte sich nicht wohl, deshalb hat er dem General ein Schmerzmittel gegeben und ihn in Ruhe gelassen. Als er ihn gegen 11.30 Uhr zum Mittagessen holen wollte, habe er ihn tot gefunden.
Macht nervösen Eindruck, schwitzt viel. Kräftiger Körperbau!TOBIAS:
(tritt auf)Hallo! Ich sollte hier...?
SEBULON: Guten Tag!
(deutet einladend auf den Besucherstuhl)TOBIAS:
(setzt sich, rutscht nervös hin und her)SEBULON: Ich möchte Ihnen noch ein paar Fragen stellen zu dem Mord an General Rührdich. Sie hatten viel mit dem Patienten zu tun, nicht wahr?
TOBIAS: Ja, ja... ich betreue hauptsächlich die männlichen Patienten, während Karina die weiblichen übernimmt. Ist für beide Seiten äh... angenehmer so.
SEBULON: Und dann gibt es noch eine Nachtschwester?
TOBIAS: Ja, Kordula. Aber die war schon weg. Sie geht immer um sieben, dann fangen Karina und ich an.
(wischt sich Schweiß von der Stirn)SEBULON: Warum haben Sie diesen Beruf gewählt?
TOBIAS: Ich, nun... ich. Also mein Vater hat mich gezwungen, Fleischer zu lernen. Das war er auch. Und ich... aber ich wollte lieber Menschen helfen. Deshalb habe ich mich bei Frau Stütz-Strumpf beworben, als... als er tot war.
SEBULON: Wie ist er gestorben?
TOBIAS: Ein Arbeitsunfall. Er ist... in die Säge. Und dann... dann ist er verblutet, weil keiner ihm geholfen hat. Er war allein und keiner...
(senkt den Kopf und versucht, die Tränen zurück zu halten, fasst sich wieder und schaut Sebulon an). Danach wollte ich erst recht Pfleger werden.
SEBULON:
(erschüttert)Das verstehe ich.
(schweigt einen Moment)Und der Beruf macht Ihnen Spaß? Ist er so, wie Sie ihn sich vorgestellt haben?
TOBIAS:
(schaut auf seine Hände)Doch.... schon. Ich mache das gern... wirklich!
SEBULON: Wir haben eine Aussage, nach der Sie von dem General öfter beschimpft wurden.
(in verständnisvollem Tonfall)Er hat Sie ganz schön gequält, nicht wahr?
TOBIAS:
(schaut zur Seite, hält sich einen Finger vor die Lippen)Nein, das... das stimmt nicht! Er war... nett.
SEBULON:
(laut, mit fester Stimme)Sie lügen!
TOBIAS:
(erschrocken) Nein, ich... ich...
SEBULON: Doch, das tun Sie! Ich warne Sie, wenn Sie uns nicht die Wahrheit sagen, kann das Folgen für Sie haben!
TOBIAS:
(schluchzt leise vor sich hin)SEBULON:
(anklagend) Geben Sie es zu, Sie haben ihn ermordet!
TOBIAS:
(schreit)Nein! Nein, ich war es nicht!
SEBULON:
(milder)Er hat Sie gedemütigt, beschimpft, Ihnen Ihren geliebten Beruf zur Hölle gemacht. Wir wissen, dass er ein schwieriger Charakter war. Ich könnte verstehen, wenn Sie da ausgerastet...
TOBIAS:
(schluchzend) Es stimmt, er hat mich dauernd fertig gemacht. Ich hasse... ich habe ihn gehasst.
(flüstert) Ich habe auf den Tag gewartet, an dem er stirbt.
(lauter, flehend)Aber ich habe ihn nicht umgebracht, das müssen Sie mir glauben!
SEBULON:
(schaut finster)Na gut. Noch kann ich Ihnen nichts beweisen. Sie können gehen, aber lassen Sie es sich nicht einfallen, die Stadt zu verlassen!
TOBIAS:
(erleichtert)Nein, nein. Bestimmt nicht. Danke!
(eilig ab)RON: Warum haben wir ihn nicht gleich hier behalten? Der wars doch, oder nicht?
SEBULON: Da bin ich mir nicht so sicher. Er war nicht der einzige, der gelogen hat.
(seufzt)Gib mir das Protokoll, damit ich meinen Bericht schreiben kann.
RON:
(gibt Sebulon einige bekritzelte Seiten)SEBULON: Meine Güte, wer soll denn das lesen? Das schreibst du erst noch mal ab!
(gibt Ron die Blätter zurück) Dann erstatte ich Feldwebel von Grauhaar eben schon mal mündlich Bericht und du gehst zurück zur Kröselstraße!
RON: Ja, Sir
(salutiert)SEBULON und RON:
(ab) 2: Ein Hund und ein EselZwei Tage späterDie Glocken der Stadt hatten vor Kurzem ein Uhr geläutet, als Sebulon mit seinem Rekruten Thargor Ulut zur Kröselstraße zurückkehrte. Es war der erste Streifengang des Neulings gewesen und der Ausbilder erklärte ihm noch immer, dass sie keineswegs berechtigt waren, Bananen unter einem Vorwand zu konfiszieren, um sie anschließend zu verspeisen. Er unterbrach sich, als er sah, wer da in aufgelöstem Zustand vor dem wachhabenden Rekruten am Tresen stand. Sofort überkam ihn eine ungute Ahnung.
"Es tut mir leid", schniefte Anemone Schnabel, als sie Sebulon wahrnahm. "Ich bin nur ganz kurz weg gewesen, ehrlich."
"Langsam", verlangte der Zwerg, obwohl er am liebsten sofort losgestürmt wäre, um nach seinem Hund zu sehen. "Ist etwas mit Jado?"
Seine Nachbarin nickte unglücklich. "Er ist weg. Jemand hat ihn entführt."
"Woher wollen Sie das wissen? Er kann doch auch weggelaufen sein." Nein, das würde sein Jado nicht tun, dass wusste er. Aber diese andere Möglichkeit...
"Das hier hing an Ihrer Tür." Frau Schnabel hielt ihm ein zusammengefaltetes Blatt entgegen, das an einer Ecke ein Loch aufwies. "Ich war wirklich nur kurz bei Frau Hase, um ihr etwas Kuchen zu bringen. Sie mag doch keine Hunde, sonst hätte ich Jado mitgenommen."
Die Beteuerungen seiner Vermieterin drangen gar nicht mehr zu Sebulon durch, das Klingeln in seinen Ohren verhinderte das. Hätte er sich von außen betrachten können, hätte er sich wohl einen Schock attestiert. Langsam, fast automatisch ging er zu seinem Büro, das Papier von sich gestreckt, als stünde es in Flammen. Dort sank er auf seinen Stuhl, holte tief Luft und öffnete den Brief. Schwarze, in einer fließenden Handschrift verfasste Buchstaben schrien ihm entgegen.
Heute, acht Uhr abends im Glücklichen Glöckchen, Enge Hintergasse 45. Setz dich in die hinterste Ecke. Keine Tricks, keine Kollegen, sonst siehst du deinen kleinen Liebling nie wieder!Diese Zeilen lösten den Bann. Die Sorge um Jado blieb, doch statt der lähmenden Furcht erfüllte ihn jetzt grimmige Entschlossenheit. Wer auch immer dahinter steckte, sollte ihn kennen lernen! Als Erstes musste er den Tatort sehen. Womit war das Erpresserschreiben an seiner Tür befestigt gewesen? Hatte der Täter andere Spuren hinterlassen? Schnell sprang er auf und rannte hinter Anemone Schnabel her, die ein wenig verwirrt darüber, einfach stehen gelassen worden zu sein, die Wache bereits verlassen hatte.
Die Hintertür hatte ein beschädigtes Schloss.
"Kein Zweifel, hier ist der Entführer eingedrungen." Offensichtlich hatte der Täter nicht die Erfahrung oder das Talent im Schlösserknacken, wie sein Freund Braggasch. Das ließ diesen schon mal aus dem Kreis der Verdächtigen ausscheiden. Er ließ seinen Blick über den Korridor schweifen, sah aber keine weiteren Spuren. Auf dem Tisch unter dem Spiegel, auf dem auch immer seine Post lag, jedoch...
"Was ist das?" Der Zwerg nahm ein Taschentuch und hob den Pfeil damit auf.
"Der steckte in der Botschaft", sagte eine von den professionellen Methoden ihres Mieters beeindruckte Frau Schnabel. "Ich musst ihn aus der Tür ziehen, um den Zettel... Sie werden ihn doch wieder finden, nicht wahr?"
"Und wenn es das Letzte ist, was ich tue", knurrte Sebulon kalt. Dann sah er sich den Pfeil genauer an. Gerade hatte er begonnen, den Artikel über Bögen für die
Rohrpost zu verfassen und da er gern gründlich arbeitete, hatte er dafür einige Studien betrieben. Deshalb fiel es ihn nicht schwer, den Pfeil zu einem klatschianischen Kurzbogen zugehörig zu identifizieren. Nur ein Name kam ihm dazu in den Sinn.
"Diri Na-Wadi", flüsterte er. Aber warum sollte eine Reinigungskraft in einem Pflegeheim seinen Hund entführen? Hing das mit dem Mord an dem General zusammen? Heute Abend würde er hoffentlich eine Antwort darauf bekommen.
Bedächtig schnitt Tobias Schlingbein die zwei Scheiben Brot in mundgerechte Stücke, so dass Nadja keine Schwierigkeiten mit dem Abendessen haben würde. Er fühlte sich erleichtert, hatte wieder Spaß an seiner Arbeit und fühlte morgens beim Aufstehen nicht mehr diesen Knoten im Magen. Andererseits hatte er auch ein schlechtes Gewissen. Vor allem Diri gegenüber. Im Auftrag seiner Chefin hatte er ihr Verhör durch die Tür der Zelle belauscht und hinterher Frau Stütz-Strumpf Bericht erstattet. Das hatte dazu geführt, dass die Klatschianerin ihre Stelle verlor.
"So, Frau Gütegut. Guten Appetit wünsche ich!"
Er stellte den Teller vor der Patientin ab und nickte ihr freundlich zu. Dann machte er sich auf den Weg in die Waschküche, denn sie mussten nun die Aufgaben von Diri mit übernehmen. Wenigstens hatte der Wächter sie hier nicht mehr angetroffen, der ihm von dem Testament erzählt und gesagt hatte, Frau Na-Wadi sei nun ihre Hauptverdächtige. "Das mit dem Testament wird Elvira gar nicht gefallen", hatte er gedacht.
Er hoffte, dass sie Diri nicht finden würden.
Das
Glückliche Glöckchen lag im Kellergeschoss eines Haushaltswarengeschäftes. Nur ein am Geländer der Kellertreppe befestigtes Blechglöckchen mit einem aufgemalten Lächeln wies den Weg zu der dunklen Kaschemme, in der es nach den verschiedensten illegalen Substanzen roch. Sebulons Eintreten wurde kaum zur Kenntnis genommen, denn die anwesenden Gäste lagen mehr oder weniger berauscht auf den auf dem Boden aufgestapelten Kissen, rauchten, tranken, spritzten oder schnüffelten. Allen gemein war eine Art beseeligtes Lächeln, ob sie nun noch bei Bewusstsein waren oder nicht. Der Zwerg wehrte einige Angebote, von den Drogen zu kosten, ab und schlich sich in die Ecke, die nicht von der Theke eingenommen wurde, die hier vermutlich eine reine Alibi-Funktion einnahm. Er hoffte nur, niemand von seinen Kollegen hatte ihn hier reingehen sehen.Während er noch versuchte, es sich halbwegs gemütlich zu machen, kam ein Kerl in Kaftan auf ihn zu. Er trug eine Art Bauchladen und schielte seinen neuen Gast an.
"Ey, Mann. Neu hier, was? Was brauchste?"
"Nichts, danke. Ich warte nur auf jemanden."
"Ey, brauchst dich nich zu schämen. Wir sind hier eine Familie, verstehste. Wir geben dir alles, was du brauchst. Such es dir aus."
Sebulon war versucht, ein Wasser zu bestellen, nur um zu sehen, wie der Typ reagieren würde. Als er jedoch sah, dass sich in den verfilzten Haaren des seltsamen Kellners etwas bewegte, überlegte er es sich anders.
"Ich möchte wirklich nichts."
"Lass ihn in Ruhe, Karim. Er gehört zu mir", mischte sich eine weibliche Stimme ein und der Wächter sah, dass er sich nicht getäuscht hatte.
"Diri Na-Wadi", stellte er fest.
Karim ging weiter, um sein Glück bei einem anderen Gast zu versuchen und die Klatschianerin ließ sich elegant auf ein Kissen gleiten. "Natürlich ist das nicht mein richtiger Name."
"Wo ist Jado?"
"Um eins gleich klarzustellen: Deinem Hund geht es gut - noch. Doch wenn du mich verhaftest oder irgendeinen anderen Trick versuchst, wird der Arme verhungern. Oder vielleicht verdursten."
Sebulon nickte zum Zeichen, dass er verstanden hatte. "Also was willst du von mir?"
"Du willst gleich zur Sache kommen, wie? Na gut. Du neunmalschlauer Wächter hast mir ein Geschäft verdorben. Deshalb will ich, dass du es für mich durchziehst."
Die Augen des Zwerges verengten sich. "Das verstehe ich nicht."
"Elvira hat mich rausgeschmissen. Weil sie
irgendwie erfahren hat, dass ich sie belogen habe. Es ist deine Schuld, dass ich aufgeflogen bin, also wirst du es auch ausbaden." Diri hatte wütend die Fäuste geballt und blitzte Sebulon vorwurfsvoll an. "Ich habe dich ein wenig beobachtet und konnte sehen, dass dir der Köter lieb und teuer ist. Spiel also besser mit, dann hast du ihn bald wieder."
Sebulon hätte beteuern können, dass Frau Stütz-Strumpf von ihm nichts erfahren hatte, aber das erschien ihm sinnlos. Besser, er ging auf Diris Forderung ein. "Was soll ich tun?"
"Nadja Gütegut. Sie besitzt etwas Kostbares. Es ist ein Saphir in der Größe einer Erbse. Ich habe einen Monat lang versucht, herauszufinden, wo sie ihn versteckt hält. Doch das Einzige, was ich erfahren konnte, ist, dass er nicht in ihrem Zimmer im Heim ist. Du hast eine Woche, dann will ich den Stein in den Fingern haben."
"Wenn du es in einem Monat nicht herausgefunden hast, wie soll ich es dann in einer Woche schaffen?"
"Ich bin sicher, du hast da ganz andere Möglichkeiten als ich. Aber lass dir nicht einfallen, deine Kollegen oder jemand anderen zu informieren, sonst ist der Fiffi tot. Bring mir den Saphir und du bekommst deinen Hund zurück. Wo und wann teile ich dir noch mit."
"Und woher weiß ich, dass Jado noch lebt?"
Diri lächelte ihn an, stand auf und sagte laut und deutlich: "Der Zwerg hier weiß, wie man an Sonnenstaub kommt."
Sofort erhoben sich die Bekifften mit einer Geschwindigkeit, die ihnen Sebulon gar nicht zugetraut hätte und fingen an, ihn zu bedrängen.
"Sonnenstaub? Ist ja irre, wo?"
"Komm, gib was ab. Kriegst auch was von meinem Platte."
"Hast du was da? Sag schon."
Bis es dem Wächter gelungen war, sich aus dem Knäuel der Drogensüchtigen zu befreien und aus dem
Glücklichen Glöckchen zu fliehen, war Diri Na-Wadi längst verschwunden. Sebulon grinste grimmig. Gut, dass er Hilfe hatte.
Es war nicht leicht, die Frau zu observieren. Sie war sehr vorsichtig und sah sich dauernd um. Außerdem hatte Kanndra das verrückte Gefühl, dass sie nicht die Einzige war, die der Klatschianerin auf den Fersen war. Oder war sie es, die verfolgt wurde? Die Wächterin begann, sich ebenfalls häufiger umzuschauen. Da! Hatte sich da nicht eben jemand hinter einer Werbetafel versteckt? Oder hatten ihre Nerven ihr nur einen Streich gespielt? Die Späherin beschloß, wachsam zu bleiben. Mehr konnte sie nicht tun, sie durfte die Frau nicht aus den Augen verlieren und solange ihr keine Gefahr von einem möglichen Verfolger drohte, hatte sie keine Zeit sich darum zu kümmern. Sie zwang sich, nach vorne zu schauen und das Prickeln im Rücken zu ignorieren.
Dort, wo der Neue Flickschusterweg und die Letzte Straße von der Zimperlichgasse abgingen, blieb die Observierte stehen und sah sich um, was Kanndra veranlasste, nach ein paar Schritten ebenfalls stehen zu bleiben und sich in die Auslage eines Buchladens zu vertiefen. In Wirklichkeit hielt sie unauffällig nach einem weiteren Beschatter Ausschau. Aus den Augenwinkeln meinte sie zu erkennen, dass sich hinter einem Fass etwas bewegte. Sie sah genauer hin, doch einen Augenblick später kam eine Katze dahinter hervor und machte sich über die Straße davon. Es musste dieser Auftrag sein, dachte Kanndra, der machte sie nervös. Sie drehte den Kopf und sah zu ihrem Schreck, dass die Frau verschwunden war.
"Gut gemacht, Mambosamba", murmelte sie zwischen zusammengebissenen Zähnen. "Jagst hinter Gespenstern her und lässt deine Zielperson abhauen."
Sie ging bis zur Kreuzung und schaute die abzweigenden Straßen hinunter. Da sah sie nicht nur die Frau in dem Neuen Flickschusterweg, sondern auch eine vertraute Gestalt kurz dahinter. Befreit lachte sie auf und folgte den Beiden.
"Ich dachte, du wärst in äh, Gennua", meinte Braggasch, als sich Kanndra zu ihm in die dunkle Gasse neben dem Sattler gesellte. Von dort hatte man einen guten Blick auf den Mietstall, der den klatschianischen Verbrechern als Versteck diente. Die Ställe zogen sich um einen Hof aus gestampfter Erde, der mit einem Zaun und einem großen Tor von der Straße abgegrenzt wurde. Das Tor stand tagsüber auf und einer der Klatschianer machte sich auf Hof und Ställen zu schaffen und kümmerte sich um die Leute, die einen Stall mieten wollten. Abends wurde das Tor geschlossen und alle drei zogen sich in die Räume zurück, die über den Ställen auf der gegenüberliegenden Seite des Tors lagen oder gingen fort. So viel hatten sie schon beobachten können. Heute Nacht wollte die Späherin sich die Gebäude auch von innen ansehen.
"Und ich dachte, du wärst einer von den dunklen Gesellen dort drüben", wich der Leutnant aus. "Du wirst immer besser. Fast hätte ich dich übersehen."
"Äh... danke." Der Zwerg lief rot an ob des unverhofften Lobes.
"Darf ich fragen, welches Interesse du an der Frau hast?"
"Ich darf eigentlich äh, nicht darüber reden. Und was äh, machst du hier?"
"Darüber darf ich auch nicht sprechen."
Sie verstummten und musterten sich gegenseitig.
"Also gut", seufzte Braggasch. "Ich hoffe, Gürtel hat äh, nichts dagegen... Diri hat Sebulons Hund entführt."
"Sebulons Hund?", rutschte es Kanndra überrascht raus. "Was will sie denn mit dem?" Einen Augenblick schwieg sie, dann fiel ihr etwas ein. "Moment, ist das so ein kleiner, hellbrauner mit Hängeohren und weißer Schwanzspitze?"
"Ja, genau. Hast du ihn äh, gesehen?"
"Sie hat ihn heute Mittag hier angeschleppt. Wenn ihn nicht jemand fortgebracht hat, während wir ihr auf den Fersen waren, ist er noch hier."
"Dann müssen wir ihn äh, befreien", flüsterte Braggasch aufgeregt.
Kanndra schüttelte bedauernd den Kopf. "Ich fürchte, so einfach ist das nicht. Diri ist nicht allein, sie hat noch zwei Komplizen. Und ich arbeite direkt für Vetinari. Der Patrizier will wissen, was sie vorhaben. Wenn wir da einfach reinstürmen gefährden wir die ganze Sache."
"Da könnte ich dir äh, weiterhelfen."
Er erzählte von der Erpressung und der Forderung, die die Klatschianierin hatte.
"Das ist interessant, aber vielleicht nicht die ganze Geschichte. Ich werde das weitergeben. Aber jetzt brauchen wir erstmal einen Plan."
Braggasch hatte Sebulon informiert und dieser hatte darauf bestanden, mitzukommen. Das hatte wiederum eine Diskussion mit Kanndra ausgelöst, die schon kein gutes Gefühl dabei hatte, ihren Späherkollegen mitzunehmen. Schließlich einigten sie sich darauf, dass sie nach Informationen suchen würde, während Braggasch den Hund finden und befreien sollte und Sebulon Schmiere stand.
"Aber denkt dran, es muss so aussehen, als sei er von selbst fortgelaufen. Sie dürfen nicht merken, dass wir da waren."
Einer der Männer war bereits fort und als es auf Mitternacht zuging, hielten sie die Zeit für gekommen. Sie wünschten sich Glück und die Späher kletterten auf das verhältnismäßig niedrige Dach des Stalls auf der linken Seite, der an der Querstraße stand. Dort waren auch Strohballen strategisch günstig positioniert, wie Kanndra schon am Nachmittag durch das offene Tor feststellen konnte. Die Gennuanerin nahm sofort die Holztreppe, die außen am Haus zu den Schlafräumen führte und verschwand. Sie hatte noch nicht einmal die erste Stufe genommen, als bereits ein freudiges Bellen erklang.
Rasch öffnete Braggasch das Tor für Sebulon und schob den Keil so darunter, dass es im Dunkeln nicht auffiel, dass es offenstand, aber ein Spalt für eine Flucht im Notfall blieb.
"Das ist Jado", wisperte der Püschologe bestimmt.
"Bleib hier und äh, halte die Augen auf. Ich hole ihn", flüsterte Braggasch und lief so leise und so schnell er gleichzeitig konnte auf das Bellen zu. Es kam aus einer der Pferdeboxen.
"Psst, hör auf zu bellen. Ich bin ja äh, da", versuchte der Wächter das Tier zu beruhigen, während er sich das einfache Schloss an der Stalltür ansah. Er dachte gerade, dass er dafür keine zehn Sekunden brauchen würde, als etwas mit voller Wucht gegen die Tür prallte, so dass die Holzlatten erzitterten.
Was war in dieser Box? Noch von dem Schreck zitternd holte er sich einen Eimer, um über die Tür zu schauen.
Kanndra fragte sich, warum der Hund so lange bellte. Sie hatte eine Galerie betreten, von der vier Türen abgingen. Die erste führte in eine Küche, in der ein Herd und ein Tisch mit allerlei schmutzigem Geschirr stand. Die anderen waren verschlossen. Vorsichtig drückte sie eine Klinke herunter, öffnete die Tür einen kleinen Spalt, schlüpfte hindurch und ließ sie wieder ins Schloss gleiten. Dann gestattete sie ihren Augen, sich an die Dunkelheit zu gewöhnen, doch noch ehe das geschehen war, nahm sie die Anwesenheit eines anderen Menschen wahr.
Dem Korporal bot sich ein merkwürdiges Bild: in einer Ecke des großen Stalls stand Jado, der mit einem Strick an einen Balken gebunden war, mit dem Schwanz wedelte und noch immer bellte. Direkt vor der Tür stand ein Esel, der ihn mit blutunterlaufenen Augen anblickte und dabei die Zähne fletschte. Das Untier drehte sich um, um noch einmal auszukeilen und ließ einen Ruf hören, der mit der Tonhöhe einer Tenorarie begann und sich dann zu einem Donnergrollen hinunter schraubte "IIIIIIAAAAAAHHHHH".
"Ver-äh-flixt", murmelte Braggasch. Das würde alles andere als einfach werden.
Das Zimmer enthielt ein Bett, in dem ein Mann lag und schnarchte. Das anhaltende Bellen sorgte jedoch dafür, dass er sich schon unruhig hin und her wälzte. Neben dem Bett erkannte Kanndra einen Tisch, der mit Papieren übersät war. Sie machte drei schnelle Schritte darauf zu und begann, die Aufzeichnungen zu untersuchen. Da erklang ein Schrei wie von einem Esel, der direkt aus der Hölle gestürmt kommt. Kanndra fuhr der Schreck in alle Glieder und der Mann im Bett stöhnte auf.
Da es kein anderes Versteck in dem Raum gab, rollte die Späherin sich blitzschnell unter das Bett. Keine Sekunde zu früh, denn der Mann stand fluchend auf
[1], zündete eine Lampe an und verließ das Zimmer. Vermutlich wollte er nachschauen, was der Lärm zu bedeuten hatte. Der Leutnant hoffte, dass die Zwerge nicht in Schwierigkeiten steckten, konnte sich jetzt aber nicht darum kümmern. In aller Eile durchsuchte sie die Papiere. Sie waren in einer fremden Sprache verfasst, die sie nicht lesen konnte. Allerdings waren die beigefügten Zeichnungen aussagekräftig genug. Sie prägte sich ein, was sie erkennen konnte. Dann verließ sie vorsichtig das Zimmer und versteckte sich hinter der Küchentür, bis der Mann wieder zurück war.
Sebulon sah, wie am Kopf der Treppe ein Licht erschien. Er blieb nicht, um zu sehen, wer es war, sondern rannte zu seinem Freund in den Stall. Der stand merkwürdigerweise auf einem Eimer und starrte auf etwas in der Box.
"Da kommt jemand, wir müssen uns verstecken", zischte er ihm zu und zog ihn mit sich. Sie konnten gerade rechtzeitig in einem leeren Stallabteil verschwinden, als ein Lichtschein die Umgebung erhellte. Sie hörten über das Jaulen von Jado, wie ein Mann zu dem Esel ging und auf ihn einredete. Das Tier schien etwas ruhiger zu werden bei der bekannten Stimme. Sie konnten das Öffnen der Tür hören und ein tiefes Gebrumm, das minutenlang anzuhalten schien. Hatten die Zwerge erst kaum gewagt zu atmen, geschweige denn, sich zu bewegen, siegte die Neugier schließlich über den Späher und er linste vorsichtig um eine Ecke. Der Klatschianer hatte den Esel bei den Ohren gepackt, starrte ihm in die Augen und ... brummte.
Behutsam zog sich Braggasch wieder zurück und grinste seinen Freund an.
"Was tut er da?", wollte dieser wissen, doch Goldwart bedeutete ihm, still zu sein.
Dann sagte der Mann: "Du ruhig!", woraufhin das Jaulen des Hundes zu einem leisen Winseln wurde. Schließlich wurde es im Stall wieder dunkler und sie trauten sich aus ihrem Versteck.
Als er seinen Aussichtspunkt auf dem Eimer wieder eingenommen hatte, stellte Braggasch fest: "Er äh, schläft."
"Wer? Jado?"
"Nein, äh, der Esel."
Der Rest war gelang ohne weitere Zwischenfälle. Die Leine war alt und mit Hilfe ihrer Dolche schnell durchgescheuert und so aufgefasert, dass es aussah, als hätte Jado sie durchgebissen. Sie gruben eine kleine Kuhle unter dem Zaun, von Jado begeistert unterstützt. Dann wurden sie von Kanndra durch das Tor gescheucht, die es hinter ihnen wieder verschloss und den Weg über das Dach nahm.
Auf dem Rückweg verriet ihnen der Leutnant, warum die Klatschianer so hinter dem Saphir her waren.
3: Das Auge des Tigers Die schwarzen Wände des Wachhauses in der Kröselstraße schienen heute eine besonders trostlose Atmosphäre auszustrahlen. Das strahlende Sommerwetter der letzten Wochen hatte sich eingetrübt, dichte Wolken zogen über den Himmel und durch die sowieso nicht besonders sauberen Fenster sickerte nur wenig Licht. Alle schauten etwas mürrisch drein, nur der Ausbilder Sebulon, Sohn des Samax hatte gute Laune. Die Nacht war zwar etwas kurz gewesen, doch an Schlafmangel war er gewöhnt. Er hatte bereits tausend kleine Pflichten erledigt und sogar Zeit gefunden, über den Fall des toten Generals nachzudenken. Jetzt war er gerade auf dem Weg zum Hof, um die Waffenputzaktion der dafür eingeteilten Rekruten zu überprüfen, als er Rogi Feinstich am Ende ihrer Geduld jemanden anbrüllen hörte: "BIFT DU TAUB ODER WAF? ICH FAGTE FEH, NICHT FEE!"
Sebulon musste schmunzeln. Zugleich wuchs seine Entschlossenheit, am Nachmittag das Heim von Frau Stütz-Strumpf aufzusuchen. Auch wenn er sich jetzt nicht mehr erpressen lassen musste, seine Neugier war geweckt. Und die eine oder andere Frage hatte er da noch...
Sie saßen im Aufenthaltsraum des Heimes, der gemütlich eingerichtet war. Ein dicker Teppich bedeckte den Boden, an den Wänden zogen sich Regale mit Büchern entlang und in einem Schrank gab es verschiedene Spiele. Dort, wo keine Regale standen, hingen Gemälde an der Wand und bequeme Sessel waren über den Raum verteilt, flankiert von kleinen Tischen, auf denen Blumen standen. Vorm Kamin stand sogar ein Schaukelstuhl, auf diesem hatte sich Nadja Gütegut niedergelassen. Sebulon hatte sich einen Sessel zu seiner Gesprächspartnerin herangezogen und versuchte, nicht in ihm zu versinken.
"Soll ich dir noch mehr vom General erzählen, mein Junge?", fragte ihn die alte Dame freundlich, dann runzelte sie die Stirn. "Hast du dir einen Bart wachsen lassen?"
"Sie äh, müssen mich mit meinem Kollegen verwechseln. Wir hatten noch nicht das Vergnügen."
"Tatsächlich? Na ja, sehen kann ich nicht mehr so gut. Aber hören kann ich noch! Wie ein Luchs! Im Gegensatz zu dem armen Bombastus." Sie sah sich im Raum um. "Er kommt gar nicht mehr aus seinem Zimmer."
"Er ist gestorben, Ma'am. Erinnern Sie sich?", begann der Püschologe behutsam.
"Ach ja, ja. Natürlich." Nadja blickte betrübt auf ihre nutzlosen Hände.
"Haben Sie vielleicht etwas gesehen an dem Tag oder eher... gehört?"
"Sie haben sich gestritten, Bombastus und dieser charmante junge Mann, wie hieß er doch gleich?"
Sebulon richtete sich auf. "Sind Sie sicher? War das an dem Morgen, an dem der General ermordet wurde?"
"Habe ich das Ihrem Kollegen noch nicht erzählt? Hach, ich bin aber auch so etwas von vergesslich in letzter Zeit", sie schüttelte ärgerlich den Kopf.
"Frau Gütegut, war der Streit an dem Morgen?"
"Welcher Morgen, mein Freund?"
"Der Morgen als General Rührdich tot aufgefunden wurde. Bitte, es ist sehr wichtig, dass Sie sich erinnern."
Nadja runzelte angestrengt die Stirn. "Ich ... ich glaube schon. War das dann? Ich bin nicht sicher." Dann hellte sich ihre Miene auf. "Frag doch Elvira, die hat es auch gehört!"
Der Zwerg nickte. "Das werde ich tun, da können Sie sich drauf verlassen. Aber jetzt noch zu etwas Anderem...", er zögerte. Hatte er überhaupt ein Recht, danach zu fragen? Ach was, je mehr Informationen, desto besser, dachte er. "Besitzen sie einen erbsengroßen Saphir?"
"Aber ja. Ich habe ihn von Bombastus bekommen damals. Er hat ihn aus irgendeinem seiner Feldzüge mitgebracht und weil er damals gerade um meine Hand anhalten wollte, ließ er den Stein in einen schönen Silberring fassen. Das mit der Heirat wurde dann doch nichts. Sein Ruf, was Frauen betraf war, naja, nicht gerade der beste." Sie kicherte wie ein junges Mädchen. Dann schüttelte sie plötzlich den Kopf.
"Nein, Moment - ich habe ihn verschenkt. Ich fand den Ring schon immer als etwas zu protzig, und tragen kann ich ihn ja sowieso nicht mehr. Als die arme Klara Geburtstag hatte, habe ich ihn ihr geschenkt. Ja, genau, so war das."
"Klara? Welche Klara war das?"
"Sie war hier Patientin. Wie hieß sie noch? Es war der gleiche Name, den auch der junge Mann hat. Er war heute gar nicht beim Essen. Elvira, er ist doch nicht krank?", wandte sie sich an die Heimleiterin, die in diesem Augenblick hereinkam.
"Herr Wohlgemuth wurde bereits heute Mittag entlassen. Du hast dich rührend von ihm verabschiedet, Nadja", erwiderte diese geduldig.
"Was?", Sebulon sprang auf. Das heißt, er wollte aufspringen, der Sessel hatte aber offenbar nicht die Absicht, ihn so schnell gehen zu lassen. Deshalb war das Ergebnis eher ein mühevolles Hochkämpfen. "Frau Stütz-Strumpf, sie haben mich belogen!", setzte er nun alles auf eine Karte. "Sie haben behauptet, es gäbe keine Konflikte in ihrem Heim. Frau Gütegut hier hat mir aber von einem Streit zwischen dem General und Herrn Wohlgemuth berichtet und
Sie haben ihn ebenfalls gehört."
Elvira warf ihrer Patientin einen finsteren Blick zu. "Sie übertreibt. General Rührdich war schwerhörig. Da muss man etwas lauter reden, um sich verständlich zu machen. Sicher hat Nadja das durcheinander gebracht."
"Ich verstehe, dass sie ihre Einrichtung nur in dem besten Licht erscheinen lassen wollen, aber hier geht es um Mord! Wenn Sie mir nicht augenblicklich sagen, was Sie wissen, lasse ich Sie wegen Komplizenschaft einsperren!"
Die Drohung bewirkte, dass die Heimleiterin blass wurde. "Also gut. Es gab ein, nunja, recht lautes Gespräch zwischen den beiden Herren", gab sie widerstrebend zu.
"Wann genau war das?"
"Kurz bevor der General... gefunden wurde."
Der Korporal schnappte nach Luft. Endlich schienen sie der Lösung einen Schritt näher zu kommen. "Worum ging es bei
dem Gespräch"?
"General Rührdich soll Herrn Wohlgemuth in irgendeiner Form betrogen haben. Ich nehme an, es ging um den Gewinn beim Kartenspiel. Die beiden haben immer miteinander dem Glücksspiel gefrönt. Und ein Saphir wurde erwähnt."
"Er ist ein Spieler, ich wusste es! Danke für Ihre Auskunft", presste der Zwerg hervor und stürmte aus dem Raum.
Zur gleichen Zeit studierte der leitende Ermittler Fred Kolumbini erneut die Akten zu dem Mordfall. Er hatte in den letzten Tagen bereits öfter darin geblättert, ohne dass ihm dadurch eine Erleuchtung zuteil geworden war. Wiederholt fiel ihm jedoch auf, dass der Bericht des SUSI-Labors zu der Mordwaffe noch immer fehlte. Das war doch wirklich keine Arbeitsauffassung! Entschlossen marschierte er los, um Lady Rattenklein die Meinung zu sagen.
Zehn Minuten später hatte die Laborantin ihm die Meinung gesagt und der Bericht war immer noch verschwunden. Zumindest hatte er erfahren, dass sich auf dem Schürhaken die Fingerabdrücke aller verdächtigen Personen befunden hatten. Mit Ausnahme von Nadja Gütegut, Helene Kippe, dem Koch und der Nachtschwester hatte alle das Kaminbesteck irgendwann einmal in der Hand gehabt. Und Kolumbini wusste, wer der Mörder war.
Den fehlenden Bericht konnte man später suchen. Wahrscheinlich hatten die Rohrpost-Dämonen ihn verschlampt. Jetzt musste jedoch eine Verhaftung durchgeführt werden.
Als Sebulon am Haus von Grek Wohlgemuth ankam, sah er seinen Kollegen bereits mit einem pummeligen Dienstmädchen an der Haustür verhandeln.
"Ich weiß nicht, wohin er wollte", sagte die junge Frau gerade. "Er hat zwei Taschen gepackt, gesagt, er würde in ein paar Wochen wiederkommen und ist gegangen."
"Hat er noch etwas erwähnt?"
"Nur dass er uns dann auch unseren ausstehenden Lohn zahlen könne."
"Ich weiß, was Herr Wohlgemuth vor hat", mischte sich der Zwerg ein. Er winkte Kolumbini. "Wir müssen zum Hafen."
Die beiden Wächter verabschiedeten sich und eilten zu einem Stand mit Mietdroschken. Als sie erfolgreich mit dem Kutscher verhandelt hatten und in dem größtmöglichen Tempo auf dem Weg zum Perlendock waren
[2], informierten sie sich gegenseitig darüber, was sie herausgefunden hatten.
"Die Mordwaffe war von allen angefasst worden, die wir von vornherein verdächtigt hatten", berichtete der Ermittler. "Für die Angestellten ließen sich dafür einfache Erklärungen finden. Die Pflegekräfte haben ihn sicher für den Zweck benutzt, für den der Schürhaken vorgesehen ist. Auch Frau Stütz-Strumpf kann das getan haben, im Übrigen gehört ihr das Heim. Sie kann ihn schon beim Einrichten in der Hand gehabt haben, Fingerabdrücke verblassen ja nicht. Selbst Diri Na-Wadi hat ihn vielleicht beim Putzen in der Hand gehabt, um ihn zur Seite zu stellen etwa. Aber Grek Wohlgemuth hatte keinerlei Anlass, den Schürhaken zur Hand zu nehmen. Das Wetter war die ganze Zeit über trocken und warm, der Kamin nicht befeuert. Da war der logische Schluss der, dass er ihn zum Töten verwendet hat."
Sebulon war sich nicht sicher, ob diese Schlussfolgerung gereicht hätte, um Wohlgemuth hinter Gitter zu bringen, aber zum Glück mussten sie sich nicht nur darauf stützen. "Und kurz vor dem Mord hat er noch mit dem Opfer gestritten. Dafür gibt es Zeugen." Er erzählte, was er im Heim erfahren hatte.
Nachdenklich klopfte Kolumbini mit seiner Pfeife gegen sein Glasauge. "Da stellt sich mir immer noch eine Frage", meinte er. "Woher weißt du, wohin unser Täter will?"
"Das kann ich dir leider nicht sagen", entgegnete der Püschologe und starrte aus dem Fenster. "Aber sein Ziel ist Klatsch. Wir müssen also ein Schiff finden, das dorthin segelt."
Diese Antwort befriedigte die Neugier des Ermittlers keineswegs, er ließ sie aber vorerst auf sich beruhen, weil er spürte, dass Sebulon im Moment nichts weiter preisgeben würde.
Der schmierige Hafenmeister hatte sie mit seinen Zahnstummeln unverschämt angegrinst und noch unverschämter die Hand aufgehalten, doch schließlich bekamen sie die gewünschte Auskunft. An Pier 13 lag die
Wolkenreiter, Zielhafen Al-Ybi.
Die beiden Wächter fanden das Schiff schnell, standen dann aber etwas unschlüssig da. Das Chaos des Beladens verwirrte sie kurzzeitig, doch dann schritt Sebulon entschlossen auf einen der Matrosen zu, der dabei war einige Leinen zu prüfen.
"Entschuldigung, sind hier auch Passagiere an Bord?"
Sie sah ihn kommen, in Begleitung dieses Wächters in dem zerknitterten Mantel, der sie zuerst befragt hatte. Die beiden schauten sich um und sprachen dann eines der Besatzungsmitglieder an. Diri wusste, dass sie nach ihr Ausschau hielten. Ihr Gepäck war noch nicht verstaut worden, sondern stand ganz in der Nähe an Deck. Das war ihr Glück, denn sie durfte nicht mehr zögern. Es war schlimm genug, dass sie den Stein nicht an sich bringen konnte. Als der Hund verschwand und sich gleichzeitig das Sternbild Dor-Ilas verdunkelte, wusste sie, dass ihre Unternehmung gescheitert war. Ihre Göttin hatte ihr das Zeichen gesandt und sie nach Hause gerufen. Und sie war nicht bereit, sich in dieser fremden Stadt festhalten zu lassen. Von niemandem. Ihr Bogen und die Pfeile lagen griffbereit auf ihrer Reisekiste. Im Schatten des Achterkastells verborgen, fand sie die ideale Schussposition.Sie hatte den Pfeil in die richtige Position gelegt, die Finger an die Sehne. Die Füße standen genau richtig. Mit Eleganz hob sie den Bogen, das Auge zum Zielen geschlossen. Den Atem hatte sie angehalten, den Ellbogen gehoben, die Sehne gedehnt, bis die Hand hinter dem Ohr war.
Sebulon, Sohn des Samax stand genau in der Schusslinie. Nur noch eine Bewegung der Finger, nur noch das Zurückschnellen der Sehne, nur noch der kurze Flug des Pfeils und er würde zusammenbrechen, das tödliche Geschoss mitten im Herzen.
"Sebulon", Kolumbini schlug ihm auf die Schulter und zeigte auf Grek Wohlgemuth, der gerade den Pier betrat. Im selben Augenblick erkannte dieser die Wächter und ihre Absicht, warf seine Taschen von sich und rannte los. Der Zwerg setzte ihm nach. Dabei war er so auf den Flüchtigen und auf seinen Werkzeuggürtel, der ihn beim Laufen behinderte, konzentriert, dass er zunächst gar nicht merkte, dass Kolumbini ihm nicht nachkam. Doch noch ehe er sich darüber wundern konnte, endete die Verfolgungsjagd in einer Sackgasse. Grek fluchte, leistete aber keinen Widerstand mehr, als Sebulon ihm Handschellen anlegte und der inzwischen auch eingetroffene Ermittler ihm seine Rechte runterbetete.
Als der Zwerg sich plötzlich umdrehte und davon lief, atmete Diri verblüfft den angehaltenen Atem aus. Sie erkannte Grek Wohlgemuth und sah die Stadtwächter hinter ihm her eilen. Vielleicht waren sie doch nicht hinter ihr her gewesen. Die junge Frau beschloss, sich lieber nicht mehr an Deck sehen zu lassen, ehe sie nicht das Runde Meer erreicht hatten. Zuhause würde sie sich dafür verantworten müssen, dass sie Dor-Ilas Stern, den Saphir, nicht mitgebracht hatte. Dadurch blieben ihnen die Schätze des Tempels weiterhin verschlossen, denn nur der Edelstein, richtig eingesetzt in das Auge des Tigers, konnte das Tor dazu öffnen. Sie hatten lange Jahre gebraucht, um zu erfahren, wo sich Dor-Ilas Stern jetzt befand und hatten geglaubt, jetzt sei die Zeit gekommen, um ihn nach Hause zu bringen. Scheinbar hatte die Göttin anders entschieden, so dass sie ihre Ziele nicht erreichen konnten. Noch nicht.
Eigentlich wollte Reschel Kleinmut nur seine Ruhe. Doch der Typ, der mit ihm in der Zelle saß, gab keine. Sie hatten ihn vor Kurzem von seinem Verhör wiedergebracht und seitdem erzählte er ununterbrochen. Es war, als wäre der Redefluss, einmal in Gang gebracht, nicht mehr zu stoppen. Als wollte er hier und jetzt seine Lebensbeichte ablegen.
"Weißt du, es war ein Spiel. Ein stinknormales Kartenspiel. Und ich habe ihm den Gewinn gegönnt. Nein, wirklich. Mal verliert man, mal gewinnt man. So ist das beim Spielen. Aber dann hat er angefangen, mich zu verhöhnen. Hat gesagt, der Stein sei viel mehr wert, als ein normaler Saphir. Er hat mir erzählt, dass man durch ihn unvorstellbare Schätze in einem Tempel in Klatsch bekommen kann, wenn man ihn nur an die richtige Stelle einsetzt."
Reschel brummte etwas unverständliches und drehte sich auf die andere Seite. Er sehnte sich nach den Wachsklumpen, die ihm ein befreundeter Arzt empfohlen hatte, als er in die Nähe der Taverne gezogen war und seitdem Schlafstörungen hatte. Man konnte sie in die Ohren stecken und hatte dann seine Ruhe, wunderbare, friedliche Ruhe...
Doch Grek Wohlgemuth schwafelte weiter. "Da habe ich ihn natürlich zur Rede gestellt. Er hat mich betrogen, ganz einfach! Er hat es gewusst, das vom Tempel, als er mir den Saphir abnahm!! Eiskalt betrogen!!! Und er wollte ihn nicht wieder herausrücken, was blieb mir da anderes übrig, als ihn kalt zu machen? Was mein Freund, blieb mir übrig?? Kannst du mir das sagen???"
"ICH KANN DIR SAGEN, WAS DIR ÜBRIG BLEIBT, WENN DU NICHT SOFORT DIE KLAPPE HÄLST. NÄMLICH GAR NICHTS! NICHT MAL DEINE ZÄHNE!"
Das leise Klicken der Aktenmappe befriedigte ihn immer wieder. Es war gut, eine Arbeit abgeschlossen zu haben. Noch besser war es, dass sein Herr zufrieden war. Das war er am Ende jedoch meistens, das musste Drumknott zugeben. Deshalb war er der Patrizier, nein mehr noch, deshalb war er so
erfolgreich. Auch dieses Mal hatte sich alles zur Zufriedenheit von Lord Vetinari entwickelt. Die Mitglieder des Ordens von Dor-Ila hatten die Stadt verlassen. Die Frau, die sich Diri Na-Wadi nannte, würde nicht so bald von ihrer Erbschaft erfahren. Vor allem würde sie nicht wissen, wie nah sie am Besitz des Saphirs gewesen war. Streng genommen gehörte er zu dem Vermögen, dass sie geerbt hatte. Glücklicherweise würde der Edelstein jedoch in der Asservatenkammer der Wache verschwinden, ein Ort von dem selten etwas wieder ans Tageslicht kam.
[1] Kanndra verstand zwar kein Klatschianisch, aber sie hätte in dieser Situation nichts anderes getan
[2] das variierte zwischen lahm-wie-ein-lahmer-Gaul bis lahm-wie-eine-Schnecke, je nach Hindernissen
Zählt als Patch-Mission für den Späherin-Patch.
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