Paradox

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von Korporal Braggasch Goldwart (FROG)
Online seit 05. 06. 2010
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 Außerdem kommt vor: Sillybos

Von Informationen und Definitionen - eine Wichtelsingle.

Dafür vergebene Note: 12

Rumpel.
Rumpel.
Rumpel.
Ru...
...
...
...iieetch.


Braggasch erwachte von einem Geräusch. Angestrengt lauschte er in die vollkommene Dunkelheit hinein. Jemand... schlich. Am Rande des gerade Wahrnehmbaren ertönten gedämpfte Schritte, die sich ihm näherten.
Der Späher fasste einen Entschluss - er richtete sich ruckartig auf.
Keine zwei Meter von seiner Liege entfernt zuckte der schattenhafte Umriss von jemandem zusammen. Ein gläserner Gegenstand fiel zu Boden.
Deutlich wie eine Ohrfeige vernahm Goldwart: "Äh... äh... verdammt!"
Dann war es wieder vollkommen still.

~

Bedächtig drehte er das... Ding... zwischen seinen Fingern, als er das Wachhaus an der Kröselstraße betrat. Prinzipiell war es ein Zahnrad, allerdings vollständig aus filigranem Glas und auch nicht rund, sondern oval. Beides Eigenschaften, die seine Existenz ad absurdum führten.
Da Braggasch sich nicht traute, ohne Erlaubnis irgendwelche Zimmer zu betreten[1], benötigte er unverhältnismäßig lange, bis er eine Rekrutin auf dem Flur traf.
"Äh... Lantania, richtig?"
Die junge Frau blickte verwundert von den Anweisungen auf, die sie gerade im Gehen gelesen hatte. "Ja, Sör. Sie sind Korporal Goldwart, Sör."
Der Späher blinzelte. "Äh... Danke?"
Lächelnd warf Lantania eine widerspenstige Strähne über die Schulter und wartete.
"Äh, ja.", fing sich Burkhards Sohn wieder. "Kannst du mir sagen, wo ich, äh, Sebulon... Korporal Samaxsohn finde? Er, äh, ist nicht in seinem Büro."
Vom Silberwald zuckte mit den Schulter. "Leider nein, Sör. Ich weiß nur, dass sein Unterricht verschoben wurde."
"Das, äh, bedeutet?"
"Er ist nicht da, Sör."
"Oh... Du, äh, kannst mir nicht zufällig einen anderen... äh... Püschologen empfehlen?"
Der Blick der Rekrutin konnte selbst mit gutem Willen nur noch als mitleidig bezeichnet werden.

~

"... und aus diesem Grund wirst du dich als Jemand, der sich in der Wache mit Abstand am besten mit diesem mechanischem Krimskrams auskennt - neben Samaxsohn vielleicht - darum kümmern."
"Und, äh, warum nicht Sebulon? Äh... er ist weitaus besser als ich in diesen... äh... theoretischen Dingen."
"Der Korporal hat Urlaub genommen um... zu sich selbst zu finden, wie er sagte... Er meinte sogar es wäre meine Idee gewesen..." Unsicher zupfte Kommandeur Breguyar an dem Band der Augenklappe. "Wie dem auch sei, du bist hervorragend für diesen Auftrag ausgebildet. Triff Oberfeldwebel Sillybos am Tatort. Wegtreten."
Braggasch zögerte. "Äh... Sör?"
"Was ist denn noch?"
"Sie sind doch, äh, ausgebildeter Püschologe, oder, Sör?"
Araghast liess den Blick von oben bis unten über den Zwerg gleiten. "Und?"
"Äh... ich hatte heute Nacht einen seltsamen... äh..."
"Dafür ist jetzt keine Zeit, Goldwart. Fühlst du dich fähig, deinen Dschob zu erledigen?"
Der Späher nickte.
"Dann muss deine nächtliche Begebenheit warten." Breguyar überlegte kurz. "Wenn du deine Aufgabe erledigt hast, wende dich an Nyvania. Jetzt geh."

~

Wenn man es genau betrachtete, hatte der Morgen doch gar nicht so schlecht angefangen. Hegelkant hatte ihn geweckt, ein schönes Frühstück bereitet und auch die Wanne für ein morgendliches Bad gefüllt, bevor er seinen eigenen Tätigkeiten nachgegangen war. Sillybos erlaubte ihm immer häufiger Spaziergänge auf eigene Faust... ja, es würde nicht mehr lange dauern...
Das Wasser war warm, die Gedanken frei und das Fass voller akustischer Ausformungen philosophischer Phrasen gewesen. Nahezu erholt hatte der Oberfeldwebel sich gegen Nachmittag auf den Weg in das Wachhaus begeben, die kurze Nachricht des Kommandeurs persönlich gelesen und stand nun hier.
Es war eine Goldschmiede. Fairerweise musste man wohl sagen, dass es die Goldschmiede war. Ein von Zwergen betriebenes Kleinod der Stadt, wenn man so wollte. Wer hier einkaufte, dessen Einkommen schätzte man jenseits der 10.000 Dollar pro Monat ein.
Das große, dreistöckige Gebäude konnte über eine zweiflügelige Haupttür oder mehrere Hintereingänge betreten werden. Im Unteren Stockwerk, der Schmiede selbst, gab es keinerlei Fenster. Der Verkaufsraum im zweiten und das Lager sowie Werkraum für die weniger wertvollen Stücke im dritten Stock verfügten über großzügige Glasfassaden, die mit dicken Eisengittern geschützt wurden. Eine breite Wendeltreppe verband die oberirdischen Etagen miteinander. In den zweistöckigen Keller, wo die wirklich teuren Gegenstände lagerten, führte eine, von der großen Treppe getrennte, Bodenluke.
Momentan eilten viele gut gerüstete Zwerge durch die Räumlichkeiten.
Die kleinen Wichte[2] waren keinesfalls erfreut, einen Leutnant der Stadtwache unter sich zu haben, da sie fest behaupteten, den Dieb selbst ausfindig machen zu können. Sillybos Kenntnisse über die zwergische Sprache konnten höchstens als marginal bezeichnet werden, dennoch war es nicht schwer zu erkennen, dass die Geschäftsführer, Arbeiter und Wachen keinen blassen Schimmer hatten, wie sie vorgehen sollten.
Abwartend stand der gebürtige Ephebianer in einer Ecke und dachte nach.

~

Keuchend, da er gerannt war um keine Zeit zu verlieren, erreichte Braggasch Gebrüder Funkel, die exquisite Schmiede. Die geschäftseigenen Wachen davon zu überzeugen, hinein gelassen zu werden, stellte sich als größeres Problem heraus als den Oberfeldwebel ausfindig zu machen, der gut sichtbar über die übrigen Anwesenden hinausragte.
Schnaufend nahm Goldwart Aufstellung und salutierte. "Sör."
Sillybos bedachte ihn mit einem langen Blick. "Ja? Kann ich helfen?"
"Äh... der Kommandeur schickt mich zu, äh, Ihrer Unterstützung. Er, äh, ist der Ansicht, dass es mechanische, äh, Apparaturen zu beurteilen gibt", sprudelte der blond gelockte Zwerg hervor.
"Oh?" Der Ältere legte den Kopf schief. "Nun, dann lass dich von mir nicht aufhalten."
Braggasch nickte, ging unter den bösen Blicken der anwesenden Zwerge in den Raum hinein, kratzte sich am Helm, sah nach rechts und links, drehte sich im Kreis und kehrte zurück.
"Äh... Sör?"
"Ja, bitte?"
"Was... äh... genau soll ich denn beurteilen?"
Sillybos lächelte. "Eine Frage mit interessantem Hintergrund. In gewisser Hinsicht könnte man behaupten, dass wir ständig nichts anderes tun als zu beurteilen. Jeder Sinn, den die Organe melden, wird sofort verwertet, mit Erinnerungen abgeglichen und klassifiziert. Wie solltest du also etwas nicht beurteilen können?"
Braggasch dachte tatsächlich darüber nach. "Soll das heißen, dass ich, äh, ihnen gar nicht behilflich sein kann, Sör?"
"Zuallererst soll es heißen, dass ich dich einlade, mit mir auf das Gespräch mit einem der beiden Brüder Funkel zu warten. Es ist sicher hilfreich einen ihres Volkes in Gegenwart zu haben, egal ob sich nun Nummer eins oder Nummer zwei zu uns herab lässt."

~

Letztendlich war es Nummer vier, denn die Gebrüder Funkel waren nicht, wie erwartet, Zwillinge, sondern das zwergische Pendant zu Fünflingen. Auch musste man in seinem Zusammenhang eher von herauf lassen reden, denn beide Stadtwächter überragten den mit allerlei Schmuck aus Bronze behängten Zwerg um mindestens einen Kopf.
"Nun?", fragte er mürrisch in perfekten Morporkianisch.
Sillybos bedachte ihn mit einem Lächeln. "Guten Tag, Herr Funkel. Sicher ist Ihnen bewusst, weshalb wir hier sind. Wenn Sie die Güte hätten uns aufzuklären, was gestohlen wurde?"
"Wer sagt Ihnen denn, dass etwas gestohlen wurde?"
"Mein Kommandeur", hielt der Philosoph dagegen. "Nebenbei ist es völlig unübersehbar, dass ihre Leute nach etwas suchen, welches jenes sich anscheinend großer Abwesenheit erfreut."
Der Zwerg brummte etwas undeutliches.
Mit einem Blick forderte der Oberfeldwebel seinen stumm daneben stehenden Begleiter Goldwart auf, dem Gespräch etwas beizufügen.
"Äh..." Funkel richtete einen äußerst abfälligen Blick auf den Korporal. "Äh... wir könnten diverse Papiere, äh, vorlegen, die unsere Anwesenheit und, äh, Informationsbeschaffung rechtfertigen."
Der Bronzebehangene zögerte noch einen kurzen Moment, seufzte dann jedoch ergeben. "Stygium", flüsterte er fast nicht mehr wahrnehmbar.
"Oh", kommentierte Sillybos.
"Genau gesagt drei Komma sieben zwei Unzen Stygium."
"Korporal?"
"Etwas, äh, mehr als ein Zehntel Kilogramm, Sör. Eine ziemliche Menge."

~

Abschätzend betrachtete Funkel Nummer vier den Philosophen, der in der Mitte des Raumes stand und eigentlich... nichts tat.
"Solltest du nicht Spuren suchen oder so etwas, Wächter?", schnaubte er.
Sillybos ließ sich mit der Antwort Zeit. "Erstens haben Ihre Männer etwaige Spuren längst verwischt", hielt er dem Zwerg vor, "und zweitens besitzen Sie, wenn ich das richtig beurteile, eine ganz hervorragende Diebstahlsicherung. An der Decke befinden sich Ikonographen, dessen Dämonen, wie ich schätze, jeden Gast aufzeichnen, der das Gebäude betritt. Zweifellos haben Sie die Bilder bereits durchgesehen und Ihre Leute an entsprechend fragwürdige Kunden und Mitarbeiter gesandt. Weiterhin steht an jeder Ecke einer Ihrer Wächter. Die Tatsache, dass die momentane Schicht ihre Posten immer noch nicht verlassen hat und weiterhin aufmerksam den Raum mustern, obwohl das Geschäft geschlossen ist, entnehme ich, dass es sich um gut ausgebildete Leute handeln muss. Auch hier werden sie darauf geachtet haben, dass jeder Winkel des Gebäudes unter Beobachtung steht. Das fensterlose Erdgeschoss, die vielen Schlösser an den Türen... Nein, vertrauen Sie meiner Erfahrung: Wenn es ein Dieb unerkannt hier hinein geschafft hat, dann wird er keine Spuren hinterlassen haben."
Widerwillig legte sich eine Spur von Hochachtung auf die Züge des Funkelfünflings.
"Wenn Sie nichts dagegen haben", fuhr der Ephebianer fort, "würden ich und mein Kollege gerne nun den wirklichen Ort des Diebstahls untersuchen, der sich, wie ich annehme, im Keller befindet."
Nummer vier schüttelte langsam den Kopf. "Das kann ich nicht entscheiden. Bitte warten Sie hier, während ich meinen Bruder kontaktiere."

~

Dieses mal war es Nummer zwei, der die beiden Wächter in die Tiefen unter der Schmiede führte. Für nahezu zeitgleich geborene Geschwister wiesen die Zwerge keine besonders hohe Ähnlichkeit auf, wie Sillybos fand. Der Bruder des Bronzebehangenen war sogar noch ein Stück kleiner als dieser. Trotz des gleichen, dunkelbraunen Haars und einem ähnlich geflochtenen Bart strahlte er eine erheblich höhere Selbstsicherheit aus als sein, wie es dem Philosophen flüsternd von Braggasch erklärt worden war, jüngerer Bruder. Möglicherweise lag dies auch schlicht und ergreifend an der Tatsache, dass sich Funkel Nummer zwei großzügig mit Schmuck aus reinem, glänzenden Gold ausstaffiert hatte - Sillybos wusste um die verwirrende Wirkung zur Schau gestellten Luxus und hielt sich selbst dennoch nicht für gefeit davor. Der menschliche Verstand setzte Geld mit Macht gleich. Wer also die größere Kutsche fuhr, musste ein erhabenerer Mann sein als sein Gegenüber mit dem armseligen Einspänner.
Der Oberfeldwebel schüttelte den Kopf, um die hinfortwandernden Gedanken zu zerstreuen.

~

Wie viele Türen, Luken und Sperren sie passiert hatten, wusste der Ephebianer letztendlich nicht mehr. Wozu auch? Er schätze Goldwart als genau den Wächter ein, der sich solche Dinge merkte, sollten sie ironischer Weise einmal nützlich sein. Später würde dieser ihm erklären, dass sie wohl im hintersten Winkel des tresorartig gebauten, unteren Keller gewesen sein mussten, als sie vor der massiven Stahltür mit dem vergitterten Guckloch standen.
"Was ist?", wandte sich Sillybos an Funkel Nummer zwei. "Bitte öffnen Sie diese Tür, damit wir uns den Ort des Verbrechens ansehen können."
Der Goldbehangene schüttelte den Kopf. "Das ist nicht möglich. Nur unser älterer Bruder hat einen Schlüssel."
"Aha. Nun, wo befindet sich dieser, während Ermittlungen laufen, für dessen Aufklärung er wichtige Gegenstände bei sich trägt?"
"Er ist... daheim." Die beiden Brüder wechselten einen unangenehmen Blick. "Außerdem wäre die Öffnung dieser Tür ein Verstoß gegen unsere Sicherheitsvorschriften."
Der philosophische Wächter rieb sich den Nasenrücken. "Dahinter ist der Raum, in dem das Stygium lagerte, nicht wahr? Ich kann mehrere Sockel durch das Loch sehen, sie sind leer. Was also sollten wir oder sonst jemand aus diesem Raum stehlen?"
"Es steht in den Sicherheitsvorschriften", beharrte Nummer zwei.
"Dann würde ich doch gerne wissen, wieso Herr Funkel nach einem solchen Verbrechen nicht anwesend ist. Ich dachte..."
Braggasch unterbrach den Oberfeldwebel, indem er an seinem Hemdsärmel zupfte.
"Ja?"
Der Korporal streckte sich zu Sillybos Ohr hinauf. "Genau das, äh, ist es, Sör", flüsterte er. "Der älteste Bruder, auch wenn er nur, äh, einige Sekunden oder Minuten älter ist, führt das Unternehmen und ist, äh, für die Materialien verantwortlich, denke ich. Er hat versagt. Äh... das wird ein harter Schlag für ihn gewesen sein."
Sein Vorgesetzter nickte langsam. "Na schön." Umsichtig beugte er sich zu dem vergitterten Fensterchen hinab.

~

Wenig später, obwohl natürlich niemand so gut wie Sillybos wusste, dass Zeit absolut relativ war, standen sie vor dem niedrig gebauten Haus der Funkelfünflinge. Der Ephebianer hatte eine vage Vorstellung, was sie erwarten würde: Treppen in die Tiefe und erstaunlich große Katakomben.
Eine ganze Weile warteten sie, bis sich Goldwart endlich traute, den Oberfeldwebel darauf anzusprechen, ob er klopfen solle. Diesem war während seiner Grübeleien gar nicht aufgefallen, dass diese Aufgabe noch nicht von Hegelkant übernommen worden war. Ein abwesender Sklave war wirklich ein Ärgernis.
Der Philosoph winkte ab und schlug selber die Knöchel ans Holz.
Ein Zwerg öffnete. Er war völlig in günstiges Leinen gekleidet.
"Ja, bitte?"
"Guten Tag, der Herr", eröffnete Sillybos höflich. "Stadtwache. Sind Sie Herr Funkel, oder könnten Sie uns zu ihm bringen?"
Der Türöffner betrachtete eingehend die hingehaltene Marke, bevor er sie mit einer Geste einließ. "Mein Mann ist noch im Bett. Wenn Sie im Wohnzimmer warten wollen, hole ich ihn, sollte er sich die Zeit nehmen können."
Bestürzt verzog der Oberfeldwebel das Gesicht. "Oh, verzeihen sie meine Dame, ich wusste nicht..." Aus den Augenwinkeln bemerkte er Braggaschs hektisches Kopfschütteln und prompt fiel es ihm wieder ein. "... ich meine natürlich. Ja, bitte, holen Sie ihn." Frau Funkel scheuchte sie mit verärgertem Gesichtsausdruck eine Treppe hinunter in einen, wie erwartet, großzügigen Keller mit langen, niedrigen, stabilen Tischen und einem Kachelofen, bevor sie selbst sich weiter in die Tiefe begab.
Sillybos schaute ihr kopfschüttelnd hinterher. "Diese Zwergen-Geschlechts-Sache vergesse ich jedes mal aufs Neue..."
Goldwart zuckte mit den Schultern. "Die Funkels scheinen recht, äh, altmodische Zwerge zu sein. Äh... das dachte ich mir schon in ihrer Schmiede."
"Dann heißt es wohl warten."
"Ja..." Neugierig sah der Späher sich um. "Glauben Sie, dass er uns extra, äh, warten lässt, Sör?"
"Eigentlich nicht. Ich kann mir vorstellen, dass wir in seinen Augen wirklich einen unpassenden Moment für unser Erscheinen gewählt haben."
"Aber seine Frau sagte, er liegt, äh, im Bett... äh... wobei sollen wir ihn denn gestört haben?"
Der Ephebianer lächelte auf den Zwerg hinunter. "Ist es nicht erstaunlich, wie wenig Zeit man hat, wenn es absolut nichts zu tun gibt?"
Braggasch dachte darüber nach. "Sie meinen, er... äh... hat den Bezug zur Zeit verloren, Sör?"
"In dir scheint ein Philosoph zu stecken, Korporal Goldwart, du solltest dich demnächst einmal an deinem ersten Axiom versuchen." Bevor Burkhards Sohn verwirrt nachfragen konnte, fuhr er fort: "Allerdings ist es ratsam, nicht mit zu viel Erklärungen eine gute Metapher oder einen fliegenden Gedanken zu zerstören."
"Oh, mit den, äh, Metapher-Dingen komme ich nicht so gut zurecht, Sör. Aber vom Fliegen habe ich schon immer geträumt..."
Sillybos lachte. "Das ist ein Anfang."
"Äh... kann es denn sein, dass die Zeit für, äh, die einen anders vergeht als für Andere, Sör?"
"Da fragst du genau den Richtigen!", freute sich der Philosoph. "Es ist eigentlich ganz einfach. Lass mich einen geeigneten Vergleich suchen... ah, ja. Sicherlich hast du bereits einmal bis spät in die Nacht gearbeitet, Korporal. Ist es dir dabei nicht so ergangen, dass du, je weiter der Abend vorrückte, mehr Zeit für die einzelnen Aufgaben benötigt hast, obwohl sich an deiner Arbeitsgeschwindigkeit nichts zu ändern schien?"
"Sie... äh... meinen: Je später es wird, desto länger dauert es?"
"Ja! Oder auch: Je länger es dauert, desto später wird es. Je nachdem. Das ist eine Art simple, linguistische Gleichung. Man könnte auch sagen: Je später es wird, desto später wird es, oder je länger es dauert, desto länger dauerte es."
Braggasch kratzte sich am Helm. "Ich fürchte, das verstehe ich nicht, äh, Sör."
"Was ich damit sagen will", der Oberfeldwebel hielt einen Finger in die Höhe, "ist, dass nicht nur für jeden die Zeit anders verläuft, sondern auch für dich selbst. Je nach Situation hat eine Minute eine individuell angepasste Länge. Nimm mich zum Beispiel: Für wie alt hältst du mich?"
"Oh, äh, ich bin nicht gut darin, äh, Menschenalter zu schätzen, äh, Sör."
Sillybos Lächeln wurde breiter. "Versuch es ruhig. Wie alt?"
Goldwart musterte seinen Vorgesetzten nervös. "Äh... äh... Sechzig Jahre?"
Das Lächeln des Philosophen gefror, fiel von ihm ab, landete auf dem Boden und versteckte sich unter einem der Tische. Er verschränkte die Arme, grummelte etwas in seinen Bart und antwortete auf keine Frage des Spähers mehr - ob nun aus Absicht oder weil seine Gedanken schon wieder völlig woanders weilten, vermochte Braggasch nicht zu sagen.

~

"Nun, was gibt es denn?", brummte die ärgerliche Stimme von der nach unten führenden Falltür her. Ihr folgte Funkel Nummer eins. Wie bei seinen Brüdern spross aus seinem Gesicht dichtes, gepflegtes, braunes Haar, doch ohne eine Grund hierfür zu haben, hätte Sillybos schwören können, dass der Zwerg vor ihm mehr als nur einige Minuten älter als seine Zwillingsgeschwister war. Auch schien ihm der Drang zu fehlen, ein bestimmtes Edelmetall in Massen an seinen Körper zu hängen. Der einzige Schmuck, den der Philosoph erkennen konnte, war ein Dollar-großer Stecker im rechten Ohr des Erstgeborenen. Der Ohrring, wenn man es denn so nennen wollte, glänzte in einem tiefen Nachtschwarz.
Braggasch bekam große Augen. "Ist das... äh..."
"Ja", unterbrach ihn Funkel Nummer eins. "Der letzte Rest, den wir noch haben."
Ehrfürchtig griff sich der Späher an den Helm.
Sillybos beobachtete die Bewegung mit hochgezogener Augenbraue und wandte sich dann wieder an den dunkelhaarigen Zwerg. "Herr Funkel, weshalb wir hier sind: Wir versuchen den Diebstahl aufzuklären."
Unbestimmte Gefühle huschten über den Flecken Gesicht, der erkennbar war. "Fragt."
"Da Sie der Einzige sind, der einen Schlüssel zu der Stygiumkammer haben, behaupte ich einfach mal, dass Sie auch derjenige waren, der das Fehlen feststellte, nicht wahr?"
Funkel nickte.
"Dann erzählen Sie doch bitte, wann Sie den Diebstahl bemerkten."
"Nun..." Der Älteste der Fünflinge zögerte merklich, gab sich dann allerdings einen Ruck. "Ich werde Sie nun in mein Vorgehensprotokoll einweisen. Jeden Tag, einmal Morgens, einmal Abends, gehe ich hinunter in den Keller und mache eine Warenkontrolle. Der Raum mit dem Stygium kommt stets zuletzt. Ich gehe hinein, untersuche jeden der Steine genau und schließe dann wieder sorgfältig ab. Gestern Abend entdeckte ich... dass... dass..."
"Ja?"
"... dass die Steine nur noch billige Nagalimitate waren."
"Korporal? Nagal?"
Goldwart verschluckte sich. "Äh... Onyx, Sör."
Sillybos zog ein verwundertes Gesicht. "Billig?"
"Im Gegensatz zu der gestohlenen, äh, Ware, ja, Sör."
Funkel nickte düster.
"Also müsste der Diebstahl gestern zwischen den beiden Kontrollen geschehen sein, richtig?"
"Es ist undenkbar, dass ich einen Fehler gemacht habe. Am gestrigen Morgen war das Stygium noch da."
Der Ephebianer fuhr sich nachdenklich durch den Bart. "Gibt es sonst noch etwas, dass von Belang sein könnte?"
"Nun..."
"Ja?"
Der Fünfling seufzte. "Ich fand das hier gestern in meiner Tasche." Er zog ein äußerst kompliziert wirkendes Gebilde aus der Hose.
"Oh", meinte Sillybos leichthin. "Korporal, ich denke, dass ist deine Aufgabe."
Doch Braggasch reagierte gar nicht, sondern starrte den anderen Zwerg nur an. "Es, äh, ist Ihnen etwas in die Hosentasche gesteckt worden, ohne dass Sie es, äh, gemerkt haben?"
Dieser warf ihm einen giftigen und aggressiven Blick zurück. "Vielleicht. Und wenn?"
"Bitte, meine Herren.... Zwerge", ging der Oberfeldwebel dazwischen, "wir sollten uns jetzt zurück ziehen. Korporal, nimm das Ding. Herr Funkel, wir bedanken uns für ihre Zeit. Sollten wir etwas herausfinden, melden wir uns natürlich wieder bei Ihnen."
Da Goldwart viel zu verwundert über die Wirkung seiner eigenen Worte war, schob ihn der Philosoph die Treppe hinauf und aus dem Haus - genauer gesagt: aus dem Angriffsradius des Vorstehers der Goldschmiede.

~

Sillybos gönnte sich einen kurzen Augenblick, die nachmittäglichen Sonnenstrahlen zu genießen, nachdem sie das Kellerhaus der Funkels verlassen hatten. "Nun, Korporal, was ist dir alles seltsam vorgekommen bei diesem Gespräch?"
Braggasch musterte die kleine mechanische Apparatur in seiner Hand, die ihm von dem erstgeborenen Zwerg überlassen worden war. Im Großen und Ganzen ähnelte es einer Kupferspule, doch war das aufgewickelte Metall keines von solch wenigem Wert. Es musste eine dem Späher unbekannte Legierung sein, so matt, dass sie fast durchscheinend wirkte. Kleine, gläserne Zahnräder ragten zu mehreren Seiten des Zylinders heraus und erinnerten Goldwart unangenehm an die größere Version, die seit diesem Morgen in einer seiner Westentaschen ruhte.
Alles in allem hatte der Zwerg nicht die geringste Ahnung, wozu das seltsame Gebilde gut sein sollte. Er räusperte sich. "Was mich am, äh, ehesten interessiert..."
"Ja?"
"... woher wusste der Kommandeur davon?"
Der Ephebianer blieb stehen. "Was meinst du?"
"Nun ja. Äh, also, Kommandeur Breguyar setzte mich auf diesen, äh, Fall an, da es seiner Aussage nach mit etwas Mechanischem zu tun hatte. Wenn dieser Mechanismus", er hielt die Spule hoch, "aber das einzige Gerät ist, das bisher gefunden wurde, äh, konnte der Kommandeur gar nicht wissen, dass meine, äh, Fähigkeiten für diesen Fall benötigt werden. Weil wir es ja jetzt erst bekamen. Verstehst du, was ich meine, Sör?"
"Ich denke schon. Aber ich bezweifle, dass er uns eine befriedigende Antwort geben würde, sollten wir diese Frage an ihn richten. Und ganz sicher bin ich mir, dass es nicht lösungsrelevant ist." Der Philosoph strich sich durch den Bart. "Viel mehr beschäftigt mich die Frage, wie ein Dieb am Tag in den wohl bestgesichersten Keller Ankh-Morporks gelangen kann, ohne gesehen zu werden."
"Tunnel?"
"Dann hätten wir einen Ausgang finden müssen."
"Stimmt... äh... außerdem waren die Wände sehr gut verfugt. Bestechung?"
"Bei Zwergen?"
"Bei Stadtzwergen, Sör."
"Ah, ich verstehe, worauf du hinaus willst. Dennoch machen mir die Funkels den Eindruck ihre Angestellten sehr genau auszuwählen. Zusätzlich hatte nur Nummer eins einen Schlüssel zu der bestohlenen Kammer."
"Äh... stimmt."
"Und wieso macht sich der Dieb den Aufwand, Onyxnachfertigungen auszulegen, wo er sich doch im Klaren darüber sein muss, dass der Leiter der Goldschmiede den Unterschied bei der nächsten Prüfung bemerkt?" Sillybos schüttelte verdrossen den Kopf. "All das gibt erschreckend wenig Sinn."
Braggasch nickte.
"Oder anders gesagt", fuhr der Oberfeldwebel fort, "macht es zu viel Sinn. Der Älteste der Funkels muss auf irgend eine Art getäuscht worden sein. Vielleicht sogar durch Magie... oder..." Plötzlich erhellte sich seine Miene. "Korporal, für was für einen Zwerg hältst du unseren Bestohlenen?"
"Wie meinen sie das, äh, Sör?"
"Könnte Funkel Nummer eins zu einer besonders verbohrten Art seiner Spezies gehören?"
Goldwart zuckte mit den Schultern. "Möglich. Wieso?"
"Bei uns Menschen gibt es einen Spruch:", erklärte der Ephebianer mit einem gewinnenden Lächeln auf dem Gesicht, "Du siehst nur, was du sehen willst! Vielleicht trug er den Dieb die ganze Zeit mit sich, hat sich aber geweigert, ihn wahr zu nehmen. Was meinst du?"
Der Späher wackelte unsicher mit dem Kopf. "Äh... wenn das bei Menschen vorkommt, Sör, dann sicher auch bei Zwergen. Ganz gewiss sogar. Dann müsste der Dieb aber in einer, äh, Form bei ihm gewesen sein, äh, die er niemals als gefährlich eingestuft hätte. Ich meine... äh... es ist schwer zu erklären... äh... wenn ich diese Kammer überprüfen würde, würde ich auf jede Kleinigkeit achten, äh, und davon ausgehen, dass ein eventueller Dieb sehr, sehr gut ist. Dann würde ich ihn auch wahrnehmen, denke ich. Nur wenn der Räuber jemand sehr, äh, abstruses ist, äh, mein eigener Stiefel zum Beispiel, würde ich mich weigern das anzuerkennen... äh..."
"Ja, es ist schwer zu erklären", nickte Sillybos, "aber ich verstehe, was du meinst."
Beide schwiegen versonnen, bis der Philosoph den Faden wieder aufnahm. "Ein Zwerg der von sich selbst überzeugt ist... meinst du ein ihm unbemerkt in die Tasche geschmuggelter Gegenstand ist für ihn ebenso - wie du es nanntest - abstrus wie der eigene Stiefel?"
Braggasch blickte auf den unbekannten Mechanismus in seiner Handfläche. "Oh", entfuhr es ihm.

~

Zurück im Wachhaus mussten die beiden Diebstahlsonderbeauftragten feststellen, dass die Funkels nicht die einzigen Opfer genialer Überfälle gewesen waren. Aus ganz Ankh-Morpork kamen Berichte über entwendetes Stygium herein. Selbst Assasinen von hohem Ansehen beklagten das Fehlen ihrer Ringe - und dass diese sich an die Stadtwache wandten, verriet den Grad ihrer Bestürzung.
"Was will denn jemand mit, äh, solchen Mengen an Stygium?", fragte Braggasch verzweifelt. "Es ist äußerst wertvoll, ja, aber, äh, auch gefährlich zu lagern, da sehr schnell eine kritische Masse erreicht ist... äh... der Dieb müsste sie mittlerweile tatsächlich überschritten haben!"
Sillybos nickte düster. "Ganz abgesehen davon, dass er es wohl kaum irgendwo in solchen Mengen absetzen kann. Da muss ein größerer Sinn hinter stehen, denn sonst könnte er ja mit seinen Mitteln auch Diamantketten und andere, wertvollere Gegenstände entwenden."
Grübelnd sahen sich Zwerg und Philosoph über den Hackbraten hinüber an, der heute in der Kantine serviert wurde.
Ein Räuspern riss sie aus den trüben Gedanken. "Verzeihung, ist einer der Herren ein gewisser Goldwart?" Die Stimme gehörte zu einem dürren, kleinen Mann mit sympathischem Lächeln, der in eine Art braune Uniform gehüllt war. Als Braggasch zögernd aufzeigte, lüftete der Mann grüßend seine Kappe. "Paketdienst. Ich habe da eine Lieferung für Sie. Unterschreiben ist nicht notwendig." Unter einiger Mühe wuchtete er einen hölzernen Kasten von nahezu einem Meter Höhe, sowie einem halben Meter Tiefe und Breite auf den Tisch und verabschiedete sich.
Augenblicke, nachdem der Mann verschwunden war, fand der Späher seine Stimme wieder. "Äh... wer sollte mir denn etwas schenken?"
"Und seit wann gibt es in unserer Stadt einen Paketdienst bei der Post, der die auszuliefernden Gegenstände direkt an den Arbeitsplatz bringt?", fügte der Oberfeldwebel mit hochgezogener Augenbraue hinzu.
Braggasch zuckte mit den Schultern, zog einen kleinen Schraubenzieher aus einer der Taschen und begann den Kasten aufzuhebeln. Zum Vorschein kam... eine Spule.
"Noch, äh, eine?", entfuhr es dem Zwerg.
"Aber weitaus größer als jene, derer wir schon habhaft werden konnten", gab Sillybos zu bedenken. "Was es wohl mit diesen seltsamen Apparaturen auf sich hat?"
Goldwart konnte nur mit dem Kopf schütteln.
"Dann würde ich sagen", meinte der Philosoph, während er sich erhob, "das findest du heraus, während ich mir ein Bad und einen guten Wein gönne. Ich hoffe, wenigstens daran hat Hegelkant gedacht. Ich suche dich morgen in deinem Büro auf."

~

Am darauf folgenden Tag [3] klopfte der Ephebianer unpünktlich an die Bürotür des Korporal. Als niemand öffnete, betrat er den Raum. Braggasch lag zusammengekauert in einer Ecke und atmete regelmäßig. Neben ihm auf dem Boden standen die große und die kleine Rolle, beide in genau dem gleichen Zustand, wie der Philosoph sie zuletzt gesehen hatte.
Mit wenigen, sanften Tritten war der Zwerg geweckt.
"Hasm?"
"Guten Morgen, Korporal. Ich möchte hoffen, dass du Fortschritte gemacht hast, bevor du deinen Körper zu Ruhe legtest?"
Goldwart rieb sich die Augen. "Äh... hä?"
"Hast du etwas herausfinden können?", seufzte Sillybos und deutete auf die Rollen.
Mühsam rappelte der Späher sich auf und versuchte vergeblich die Druckspuren einer Mutter aus seiner Wange zu klopfen. "Nun ja, äh, ja. Zuerst einmal ist die kleine Spule bei genauerem Hinsehen von weit geringerer Qualität als die Große. Weiterhin scheint sie irgendwie... abgespannt, während ihr gewaltigeres Gegenstück eindeutig eine Spannung in den Drähten aufweist! Und... nun... diese Zahnräder, die aus Glas, Sör, man kann sie recht einfach entfernen und ungleich schwerer wieder anbringen, aber ich habe noch immer keine Ahnung, was die Gesamtkonstruktion bewirken soll..."
"Ich hingegen schon", antwortete der Oberfeldwebel und zum ersten mal an diesem Morgen schlich sich wieder ein Lächeln auf die Lippen.
"Du, Sör?"
"Dank sei Hegelkant, der gestern, entgegen dem heutigen Frühstück, seinen Aufgaben aufs wünschenswerteste nach kam und mir ein Bad einließ. Neben allerlei anderen Möglichkeiten ist mir in dieser ansprechenden Umgebung eine Sage eingefallen, die mir einmal angetragen wurde. Sie erzählt von Geschichtsmönchen, die, wenn man den Worten glauben schenken darf, mit einer Art von Rollen-" Sillybos verstummte, als sich ein Spitzer Gegenstand seitlich in seinen Hals bohrte.
Der kleine, alte Mann war von der einen auf die andere Sekunde dort aufgetaucht. Die Waffe, die nichts anderes als ein angespitzter Stock war, wirkte in seiner Hand äußerst bedrohlich. Auch er besaß Rollen. Eine Große, die sich an Schulterriemen befindend träge auf seinem Rücken drehte, und eine Kleine, die in seiner linken Hand ruhte und momentan gar nichts tat. Das mochte an dem Daumen liegen, den der Fremde fest auf eines der Zahnräder gepresst hatte. Der Alte wirkte kränklich: Dunkle Ringe zeichneten sich unter den Augen ab, die den Ephebianer irre musterten, als er sprach: "Du brauchst nicht weiter zu sprechen, Wächter. Und du", sein Blick fand Braggasch, "wirst dein Spielzeug da jetzt zerstören."
Burkhards Sohn blinzelte. "Äh... die, äh, Rolle?"
"Mach. Oder ich töte deinen Vorgesetzten." Das Holz bohrte sich ein Stück in die weiche Haut des Halses. Blutstropfen traten hervor.
Sillybos zog eine Augenbraue in die Höhe.
Zögernd, ohne Pause von dem Oberfeldwebel zu seinem Angreifer und zurück schauend, griff Goldwart nach einem der gläsernen Räder der großen Spule und zog sie mit einer kräftigen Bewegung heraus.
"Mach es kaputt!", verlangte der kleine Mann.
Mit einer weit ausholenden Bewegung schmetterte Braggasch das Glas auf den Boden, dass es in Millionen kleine Splitter zerbarst. Gebannt bemerkte er das zufriedene Nicken des Fremden, bevor dieser den Finger von der eigenen, kleinen Spule nahm - und verschwand.
Eine Weile herrschte Stille, bis sich Sillybos an den Hals griff um das eigene Blut an den Fingerspitzen zu betrachten. "Nun", meinte er, "das war recht aufschlussreich."
Der Zwerg antwortete nicht, sondern betrachtete die Glassplitter, die sich langsam in Nichts auflösten. "Ich war es, äh selber...", flüsterte er perplex.
"Wer warst du selber, Korporal?"
Zögernd zog Goldwart jenes Zahnrad aus einer seiner Taschen, welches ihm seit gestern Nacht ungemütlich in die Seite stach. "Äh... ich selbst habe mir das hier gegeben."
"Interessant", kommentierte der Philosoph.
"Es ist genau das Gleiche, was ich zerstört habe! Aber, äh, ich habe doch gar nicht darauf geachtet, welches ich herausziehe!"
"Es wäre recht unsinnig dir selbst ein unpassendes Rad zukommen zu lassen, nicht war? Immerhin nehme ich an, dass du es gewusst haben wirst."
Verwirrt blickte Braggasch zu seinem Vorgesetzten auf.
"Wie dem auch sei", murmelte dieser, halb in Gedanken versunken. "Kannst du es wieder reparieren? Es schien diesem seltsamen Mann ja wichtig zu sein es zerstört zu wissen."
"Ich denke schon... äh... aber es wird ein wenig Zeit brauchen."
Sillybos lächelte abermals. "Entweder wird die Zeit knapp oder du hast alle Zeit der Welt. Vielleicht beides gleichzeitig. Beeile dich also, ja?"
Burkhards Sohn schüttelte niedergeschlagen den Kopf. "Ich, äh, glaube nicht, dass ich es rechtzeitig schaffe, Sör..."
Der Philosoph sah ihn streng an. "Korporal, wenn man zu viel Alkohol getrunken hat und seine Notdurft verrichtet, ist es viel besser die Hose auch nach einer halben Stunde noch nicht zu zu bekommen, als festzustellen, dass sie niemals offen war."
"Äh..."
"Versuch es einfach."
"Und du, Sör?"
"Mir ist da eine Idee gekommen, wo unser Freund sich aufhalten könnte..."

~

Der Ephebianer hatte eine recht genaue Annahme, wo er suchen musste. Wenn es der Dieb, der anscheinend eine Art Zeitapparatur benutze, auf Stygium abgesehen hatte, so wusste dieser, wo sich welches befand, da er während seines ersten Raubes in direkter Nähe dazu gewesen war. Sillybos Lächeln schien auf seinem Gesicht festgetackert worden zu sein. Wenn man - oder genauer Zwerg - in einen hoch gesicherten Keller ging und jede Klappe hinter sich schloss, bevor man die nächste öffnete... dann konnte es natürlich gar nicht sein, dass sich jemand Zweites mit einem in diesen Schleusen befand. Der Stygiumdieb musste ein sehr genaues Bild von den Gedankengängen anderer Leute haben: Er hatte die Zeit angehalten, kurz bevor Funkel Nummer eins die Tür hinter sich schloss, war hinein geschlüpft und hatte die Stunden weiter laufen lassen, damit der Zwerg die nächste Klappe öffnen konnte, während der alte kränkliche Mann einfach daneben stand! Die Obsidianimitate hatte er nur dafür gebraucht, Funkel bei einem letzten Prüfblick durch die Gitterstäbe zu täuschen und die kleine Rolle hatte er in der Tasche des Goldschmieds zurück gelassen, um in Ruhe die Flucht ergreifen zu können, während sie sich ausrollte...
Nun war der Zwerg wohl als einer der wenigen in der Stadt noch im Besitz des magischen Metalls: sein Ohrstecker. Schon den ganzen Morgen über hatte die Sonne geschienen. Wenn Sillybos Braggaschs Ausführungen richtig verstanden hatte erhitzte sich Stygium sofort bei natürlichem Lichtkontakt - Funkel konnte sein Haus also noch nicht verlassen haben!

~

Goldwart verfluchte seine eigene Unfähigkeit. Die einzige Schwierigkeit, das gläserne Rad einzusetzen, bestand in der Tatsache, dass man sehr genau darauf aufpassen musste, die kreuz und quer verlaufenden Metalldrähte an den richtigen Stellen zu umgehen. Von der langsam laufenden Rolle auf dem Rücken des plötzlich erschienen Mannes wusste Braggasch, dass die Spulen sich - sinnvoller weise - gegen den Uhrzeigersinn drehten. In der Theorie hatte er dadurch den geeigneten Winkel gefunden.
Praktisch war er dermaßen unter Zeitdruck und aufgeregt gewesen, dass eine unbedachte Handbewegung mehrere Stränge im Inneren der Rolle verbogen hatte. Nun hockte der Zwerg mit einer Zange davor und versuchte sie rechtzeitig wieder gerade zu biegen.
Erste Schweißtropfen rannen über sein Gesicht.

~

Wie erwartet fand der Oberfeldwebel die Tür zum Hause Funkels unverschlossen.
Etwas mehr irritierten ihn die Schmiedegeräusche aus den unteren Kellergeschossen. Vom regelmäßigen Klirren angezogen, dem seltsamerweise immer ein leises Schmatzen voraus zu gehen schien, stieg Sillybos die langen Treppen hinunter.
In einer mittleren Etage fand er die bewusstlose Frau des Erstgeborenen.
Ganz unten - das Geräusch von Hammer auf Metall war mittlerweile zu einem ohrenbetäubenden Lärm angeschwollen - entdeckte er eine zwergische Hausschmiede. Am Fuß der Treppe lag der älteste Funkel. Obwohl ihm der Stecker anscheinend ohne viel Zärtlichkeit entrissen worden war und Blut aus dem zerstörten Ohrläppchen sickerte, schien es ihm, abgesehen von der Ohnmacht, gut zu gehen.
Das Hämmern verstummte.
Der Ephebianer sah auf und begegnete dem Blick des alten, dunkeläugigen Mannes. Auf dem Amboss, der von diesem benutzt wurde und die Mitte des Raumes einnahm, lagen verschiedenste Bruchstücke Stygium, zu einer kleinen Schneide zusammengefügt, doch noch nicht verbunden, alle von einem oktarinen Leuchten umgeben, welches von der großen Rolle auszugehen schien, die in einer Ecke stand und sich langsam, aber stetig drehte.
Auf einem Tisch lag ein großes, uraltes Buch. Mit einer Klarheit, die sich der Philosoph selbst nicht erklären konnte, wurde ihm plötzlich bewusst, dass jenes Buch eine Form des Seins an sich war. Das Wesen der Zeit. Das Stygium war die Waffe um diese Ausprägung der zeitlichen Ordnung zu zerstören. Magisches Metall, dass nur verarbeitet werden konnte, wenn man ihm die Möglichkeit entzog mit sich selbst zu reagieren - wenn man ihm den Moment entzog.
Ein Dolch aus Stygium... der das Ende des gesamten Universums herbeiführen würde.
"Nein. Zu wenig Zeit...", murmelte der Dieb mit einem seltsamen Grinsen im Gesicht, griff in seine Tasche, zog eine der kleinen, selbst gebauten Spulen hervor und gab den winzigen Zahnrädern mit dem Finger einen ordentlichen Schwung.
Sillybos, der gerade Luft eingesogen hatte um zu einer Antwort anzusetzen, erstarrte in der Bewegung...
... und mit ihm die ganze Welt.

~

Ein innerer Jubel hatte von dem Späher Besitz ergriffen, wie immer, wenn er vor einer fast gelösten, technischen Aufgabe stand und seinen geschickten Händen eigentlich nur noch beim Arbeiten zu sah. Schneller als erwartet hatte er die Metallfäden entwirren und reparieren können, nun war er bereit, das gläserne Zahnrad von neuem einzusetzen.
Langsam schob er es voran, die schweißnasse Stirn gerunzelt, die Zunge zwischen den Zähnen eingeklemmt...
... und verharrte, als die Zeit gefror.

~

Breguyar lehnte in seinem Sessel und blickte in eine Zukunft, die seiner Meinung nach nicht besonders rosig werden würde. Wenn ihn sein Instinkt nicht trog - und das tat er selten - so standen ihm in nicht allzuvielen Stunden Schmerzen bevor, die größtenteils sein gutes, verbliebenes Auge betreffen würden, und die er nicht verhindern konnte.
Vorrausschauend griff er in die Schublade und holte eine frische Flasche Bärdrückers Leckertropfen hervor. Voller Vorfreude zog er den Korken mit den Zähnen heraus, lehnte sich zurück, brachte die Pulle in eine horizontale Lage über seinem Kopf und beobachtete den zähflüssigen Tropfen, der sich seiner Zunge entgegenstreckte...
... und diese nicht erreichte, da ihm schlicht und ergreifend der Moment fehlte, herunter zu fallen.

~

Der kleine, junge Mann wartete in einer Gasse Ankh-Morporks. Inzwischen hatte er die braune Lieferantenuniform wieder mit der üblichen, schlichten Mönchskutte ausgetauscht.
Er blickte in den Himmel und wartete.
Nach einer Weile veränderte er seine Haltung.
Genau in diesem Moment müsste...
... und die Sonne regte sich nicht mehr.

~

Sillybos benötigte nur einen einzigen Gedanken - und der Philosoph dachte sehr schnell - um wieder in die Welt zurück zu kehren, doch als er die Augen aufschlug, hatte der Dieb aus der unförmigen Masse des Stygiums bereits ein fast vollendeter Dolch geschaffen. Die Kutte des kränklichen Mannes war, ebenso wie ihr Besitzer, von der harten Arbeit gezeichnet: überall fanden sich Ruß und Brandflecken.
Als der Wächter sich räusperte, blickte sein Gegenüber von der Arbeit auf. "Wie...?"
"Für mich hat bereits Zeit einen sehr geringen Stellenwert. Nicht-Zeit ist für mich praktisch nicht vorhanden", erklärte Sillybos ungerührt.
Der Alte blickte sich verwundert um, doch bis auf den Ephebianer schien noch alles rings herum in zeitloser Starre versunken zu sein. Kein Laut aus dem Haus drang an ihr Ohr und der bewusstlose Zwerg lag starr wie eine Statue. Wieder zeigte das seltsame Grinsen erstaunlich gute Zähne. "So hast du es also gemacht..."
Der Oberfeldwebel lies sich nicht beirren. "Ich bin noch nicht fertig. Jetzt, wo ich einen Moment Zeit habe," er schmunzelte über den eigenen, kleinen Scherz, "um darüber nachzudenken erscheint es mir nur logisch, dass du die Zeit nicht völlig anhalten, sondern nur bis auf deine direkte Umgebung extrem stark verlangsamen kannst, denn sonst wärst du jetzt auf und davon, und nicht noch im Schmiedeprozess begriffen. Wenn man jedoch weiter bedenkt, dass du nicht nur dieses Haus, oder Ankh-Morpork, sondern die gesamte Welt verlangsamen musst - denn sonst würden sich temporale Verschiebungen ergeben - ist es völlig undenkbar, dass eine solch kleine Rolle das vollbringen kann. Ganz abgesehen davon, dass auch die Götter zu dieser Welt gehören - und die lassen sich ganz sicher nicht von ein wenig Mechanik beschränken. Was du gerade tust, ist also völlig undenkbar. Ich definiere somit die Nicht-Zeit für nicht existent."
... leise pfeifend fuhren die Lungen des komatösen Funkel mit ihrer Arbeit fort, als wäre nie etwas geschehen.

~

... und gab sich dem Hochgefühl hin, als das Rad, wie völlig selbstverständlich, an den geeigneten Platz rutschte. Nun noch wenige Handgriffe, dann hatte Burkhards Sohn den Mechanismus, von dem er keine Ahnung hatte wie er funktionierte, wieder repariert.

~

... und endlich, nach einem qualvoll langem Moment, mit einem Klatschen wie eine winzige Meeresbrandung, in Mund und Rachen landete um dort seine entspannende Wirkung zu entfalten. Araghast seufzte wohlig und genoss den Augenblick, bevor er sich einen zweiten Schluck gönnte.

~

... Ah. Sehr gut.
Fröhlich pfeifend schulterte der junge Mönch zwei mittelgroße Spulen, die bald ihren Einsatz haben würden - oder, genauer gesagt: Ihren Einsatz gehabt haben würden, und begab sich langsam zum Wachhaus. Alles war hervorragend gelaufen.

~

Das Grinsen des kränklichen Mannes wurde, wenn dies überhaupt möglich war, noch breiter, bekam jedoch einen traurigen Beiklang. Langsam sah er sich zu der großen Rolle um, die noch immer ihren Dienst verrichtete.
Rumpel.
In der plötzlichen Stille erschien Sillybos das Raunen der sich drehenden Spule unnatürlich laut.
Rumpel.
Der Alte blickte wieder nach vorne. Plötzlich kam er dem Philosophen so gar nicht mehr wie der bösartigen Übeltäter vor. "Jetzt dauert es nicht mehr lange..."
Rumpel.
"Was dauert nicht mehr lange?", wollte der Wächter irritiert wissen.
Ru...
Sein Gegenüber grinste nur.
...

~

Plötzlich begann die Rolle unter Braggaschs Händen von selbst zu rotieren. Schneller und immer schneller drehte sie sich - zum Erstaunen des Spähers im Uhrzeigersinn - so als wolle sie etwas verpasstes wieder aufholen.

~

...
"Du solltest dich ducken."
...iieetch.
Die Rolle in der Ecke blieb, von einer unsichtbaren Macht gehalten, stehen. Das oktarine Glühen um den schwarz glänzenden, magischen Dolch ebbte ab. Zeit strömte auf das Stygium ein und gab ihm den Moment - nur diesen einen Moment - den es benötigte, um als kritische Masse zu reagieren.
Sillybos duckte sich.
Es war keine Explosion im eigentlichen Sinne.
Eher lässt es sich beschreiben als weißer Ball aus Stille und Druck, der sich rasch ausdehnte, bis er die Hälfte des Raumes eingenommen hatte, um dann wieder in sich zusammen zu fallen und mit einer Hitze, die aus den Höllen zu kommen schien, zu vergehen.

~

Als der Ephebianer erwachte, befand er sich am Rand einen Kraters, der fast den gesamten Kellerraum umfasste und ihm Einblicke auf tiefliegendes Erdreich, sowie, da sich die Explosion natürlich auch nach oben erstreckt hatte, auf die über ihm liegende Etage erlaubte.
Später würde er darüber nachdenken - sich allerdings nicht wundern - warum sowohl er selbst als auch Funkel Nummer eins knapp, aber immerhin vollständig, außerhalb des Zerstörungsradius des Stygiums gewesen waren.

~

"Du weißt, was deine Aufgabe ist?" Der junge Mönch betrachtete zuversichtlich den Kommandeur und brachte eine der mittelgroßen Rollen in Stellung.
"Verflucht, ja! Es war nur eine Frage der Zeit, wann einer von euch aufkreuzen würde. Ich verspreche dir, dass ich verdammt sauer sein werde, wenn ich zurück komme!" Breguyar hatte dem zweiten Schluck Leckertropfen vorsichtshalber noch einige weitere folgen lassen.
Der Mann mit den Spulen nickte. "Wahrscheinlich. Ich habe diese Reaktion zwar erst selten beobachten dürfen, doch sie ist völlig natürlich, wenn man die Umstände bedenkt."
"Ich habe mir eine rein gehauen!"
"Womit du bemerkenswerte Reflexe bewiesen hast, bedenkt man, dass du dich im Schlaf überrascht haben wirst."
Araghast räusperte sich. "Kann ich nicht...?"
"Nein. Alles wird so passieren, wie es passiert ist. Du wirst dir alle wichtigen Informationen übermitteln und dann wieder in das Jetzt zurückkehren. Du kannst gar nichts dagegen tun."
"Aber wenn...?"
"Du solltest jetzt los. Ich habe noch einen anderen Besuch zu erledigen."

~

Fast undurchdringliche Schwärze umgab ihn. Sanft hörte er Atemgeräusche - eine Atmung, die ihm unangenehm bekannt vor kam. Bisher hatte Braggasch immer gedacht, er röchele oder spräche leise im Schlaf. Es freute ihn, das dem nicht der Fall war.
Sanft, aber doch etwas fester als sonst, setzte er den ersten Schritt.
Dann den Zweiten... den Dritten...
Obwohl er damit gerechnet hatte, zuckte Goldwart gehörig zusammen, als die schlafende Person sich plötzlich aufrichtete. Das gläserne Zahnrad rutschte aus seinen Fingern und fiel mit sanftem Klirren zu Boden. Ja, er erinnerte sich, dass das so sein musste.
Hatte er nicht irgendwas gesagt? Verdammt... irgendetwas... er hatte es vergessen! Immer diese dummen Fehler! Er vermasselte alles! "Äh... äh... verdammt!"
Ein kurzer Ruck, als würde er von sanften Händen angehoben, schob sich durch seinen Körper.
Gleißendes Tageslicht stach ihm in die Augen.
Völlig verwirrt und geblendet blinzelte Goldwart und konnte erkennen, wie der Mönch seine seltsame Rolle zusammen packte und schulterte. Er lächelte und klopfte dem Zwerg aufmunternd auf den Rücken.
"Ich, äh..."
"... hast alles richtig gemacht, keine Sorge." Der Mönch wandte sich ab, als wolle er gehen, tat dies jedoch nicht, sondern sagte, mit dem Blick zur Wand: "Noch etwas. Es tut mir Leid, was ich getan haben werde."
"Äh..."
"Ja, ich bin mir ziemlich sicher, dass ich der mysteriöse Dieb und Weltenzerstörer bin... oder zumindest gewesen sein werde."
Braggasch kratzte sich am Helm. "Aber warum, äh, tust du es denn dann einfach nicht?"
Der Mönch lachte leise. "Weil es schon geschehen ist. Ich habe gar keine andere Wahl. Aber gräme dich nicht, so wie es aussah, werde ich sowieso recht krank sein. Wahrscheinlich sehne ich mich sogar nach dem eigenen Tod."
"Äh... willst du damit sagen, dass du, obwohl du weißt, dass es nicht funktioniert, irgendwann in der Zukunft zurückreisen wirst, äh, um genau das zu tun, was hier passiert ist?" Goldwart schmerzte der Schädel von solchen Gedanken.
"Ja. Es ist meine Pflicht. Aber sei unbesorgt: Ich glaube nicht, dass es jemals funktioniert hätte. Meine Güte! Das Ende der Zeit und des gesamten Universums wegen eines Buches und eines Dolches aus Stygium? Nein, wie gesagt, keine Sorge, Herr Goldwart, die Geschichte ist sehr viel stabiler, als dass sie durch so etwas ernsthaft gefährdet werden könnte." Einen kurzen Moment schien der Mönch über die eigenen Worte zu sinnieren, dann trat er aus dem Raum. "Ich werde nun gehen. Ich wünsche Ihnen noch ein langes und erfülltes Leben - und ich bin mir ziemlich sicher, dass Sie das auch haben werden."
"Warte!"
"Ja?"
"Du hast die kleine Rolle extra... äh... ich meine, du wirst die kleine Rolle extra zurück lassen, oder? Äh, in der Tasche des Herrn Furunkel... äh... Funkel?"
Leise seufzend verdrehte der Mönch die Augen zum Himmel. "Ich dachte, Sie hätten es verstanden. Ich werde den selbst gebauten Zauderer in besagte Hosentasche stecken, weil ich es schon getan habe. Ich werde nun wirklich gehen, Herr Goldwart. Geschichte schreibt sich schließlich nicht von alleine." Seinen Worten folgte ein fröhliches Lachen, so als hätte er einen unglaublich komischen Witz gemacht.
Braggasch konnte nur kopfschüttelnd der wehenden Robe hinterher gucken.
[1] Er hatte schlechte Erfahrungen diesbezüglich in dem Grund-Gebäude gemacht...

[2] Hier schreibt ein Zwerg über andere. Ich darf das. Gez. Korporal Braggasch Burkhardsohn Goldwart.

[3] Sillybos war nicht gerade bester Laune, da sein Sklave ihm nur ein kaltes Frühstück mit dem geschriebenen Hinweis: "Binne auf der Suche nach eiginen Achsiomen" hinterlassen hatte




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Feedback:

Von Breda Krulock

14.06.2010 19:36

Hm, also an und für sich hat sie mir gut gefallen, aber sie hatte so ihre Längen. Natürlich brauch man ne ganze Menge Wörter, um diese ganze Zeitreise- und Spulengeschichte unterzubringen, aber dadurch zog sich die Geschichte in meinen Augen unnötig in die Länge.Das Ende fand ich etwas wirr. Mag an mir liegen, aber ich musste mich durch die letzten Absätze durchzwingen, da mich diese ganze Zeitidee bei Pratchett schon nicht interessiert hat.Aber das Silly einfach erklärt, das es diese ganze Sache in seiner Logik nicht geben kann, fand ich gut ^^ Das er dadurch den Effekt umgeht... nun gut. Kann man drüber streiten ob das wirklich geht. Funktionieren Zauber dann auch nicht bei Leuten die nicht daran glauben? Ich finds immer schwierig, solche Dinge aus den Büchern zu adaptieren, denn man weiß ja, wie es in den Büchern funktioniert (-en soll) und wenn es dann in einer Geschichte abgeändert wird, ..., naja. Siehe oben ;) Ist Geschmackssache.Aber du hast einen sehr schönen Schreibstil und einen guten Blick für Details, das hat mir dann wiederum sehr gut gefallen!

Von Lilli Baum

14.06.2010 19:36

Eine tolle Geschichte. Das mit der Zeit ist zwar etwas komplexer nachzuvollziehen, aber das haben solche Plots automatisch an sich. Du schreibst wirklich auf hohem Niveau.

Von Sebulon, Sohn des Samax

14.06.2010 19:36

Habe dir ja schon vorher gefeedbackt. Aber ein Satz nochmal ausdrücklich: Schöne Lösung durch Definition. Meine Mathematikerfreunde wären entzückt ...Endlich kann ich dir mal zurückgeben, was du immer über meine Singles sagst: Verwirrend aber Deiner würdig.*klopft dir auf die Schulter*Und wie das Buch gestohlen wurde ... der Fall will gelöst werden. *setzt sich an den Schreibtisch* Mal schauen, ob ich da nicht was schickes hinbekomme ...

Von Sillybos

14.06.2010 22:14

Eine sehr schöne Wichtelgeschichte - vielen Dank dafür! :)

Ich weiß nicht, ob du dich gefreut oder geflucht hast, als du Sillybos gezogen hast, aber ich finde, du hast ihn sehr gut dargestellt: ruhig, scharfsinnig, wortgewandt, belehrend und mit gutem Auge. Und Braggasch war ein schön kontrastreicher Partner dazu - sie haben sich sehr gut ergänzt. :daumenhoch:

Das Thema Zeit ist eines der komplizierteren auf der Scheibenwelt, aber ich finde, du hast es gut umgesetzt (insbesondere, da man solche Geschichten gut planen muss und nicht einfach "runterschreiben kann"). Die Idee und die Lösung per definitionem fand ich super. Aufbau logisch (glaub ich^^) und spannend, eine gelungene Geschichte. :daumenhoch:

Einzig über einen philosophischen Dialog zwischen Silllybos und dem Mönch hätte ich mich noch gefreut. ;)

Von Braggasch Goldwart

14.06.2010 23:28

Danke fürs Feedback. :)

Freut mich, dass es dir gefallen hat, Silly - und nein, ich habe nicht geflucht... allerdings muss ich zugeben, dass ich mich anfangs auch nicht sonderlich gefreut habe, da Silly wohl zu den kompliziertesten der Wächter gehört und ich sehr große Angst hatte, den philosophischen Anspruch, der mit ihm einher geht, nicht erfüllen zu können.

Doch im Laufe des Schreibens habe ich ihn immer lieber gewonnen. :D



Noch ein Wort, da es mir wichtig ist: Ich habe die Thematik, zumindest soweit ich das selbst überblicke, nirgendwo geklaut. Zeitparadoxa haben mich schon immer unglaublich fastziniert, und dies war meine Gelegenheit, das auszuformen. ^^ Es war ganz sicher nicht die letzte Zeit-single meinerseits. :)

Und den Denkanstoß, dass jemand nicht verzaubert werden kann, wenn er nicht daran glaubt, finde ich ungemein interressant... ich denke, das wird eine meiner nächsten Arbeiten. ^^

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