Kommunikationsfortbildungen können langweilig sein und manchmal bringen sie nichts... außer etwas Einblick in die Arbeit der anderen - Wichtelsingle
Dafür vergebene Note: 10
Das Beste an Nachtschichten war der Ausblick, so dachte sich zumindest Nick Schubert. Vom Turm 11.23 aus hatte man einen wunderbaren Blick auf die Stadt, das war ja auch der Sinn der Sache. Von diesem speziellen Turm hatte man aber auch einen wunderbaren Blick in die Zimmer der gegenüberliegenden Häuser. Manchmal, wenn grade niemand sendete und er besonderes Glück hatte - dann sah er
sie. Sie war der einzige Grund warum er sich überhaupt auf Nachtschichten einließ, sie kam von der Arbeit, machte sich was zu essen, tanzte durch die Wohnung ins Schlafzimmer, zog die halbdurchsichtige Gardine vor, zog sich aus und ging schlafen. Anscheinend fühlte sie sich in ihrer Dachgeschosswohnung unbeobachtet, wer sollte auch dort hineinschauen können, der müsste schon Flügel haben... oder ein Fernglas und einen hohen Turm. Neuerdings hatte sie einen Freund, manchmal ließen sie sogar die Gardine offen. Anfangs war Nick eifersüchtig auf ihn, aber dann beschloss er einfach an ihrem Glück teilzuhaben. Er hatte einen Schlüssel, manchmal wartete er nach der Arbeit schon auf sie, manchmal mit Blumen, manchmal mit einem selbstgekochten Essen...
Der ungewöhnlich kalte Frühling war einem frühlingshaft nassen Frühsommer gewichen. Die Stadt bewies wieder einmal, dass sie für schlechtes Wetter immer gut war. Regennass, mies gelaunt und wenig gesprächsbereit betrat Magane das Wachhaus, würdigte die Kollegen am Tresen keines Blickes und stieg die Treppen hinauf. Sie war sich der Tatsache, dass sie im Schichtdienst arbeitete zwar sehr wohl bewusst, aber da sich die Kollegen nie darum rissen früh morgens zu arbeiten, war sie mit ihrer Angewohnheit vor Sonnenaufgang zu kommen um den Papierkram zu erledigen, noch nie jemandem negativ aufgefallen. Um genau zu sein, fiel sie seit einiger Zeit kaum mehr negativ auf. Grimmig öffnete sie die Tür zu ihrem Büro und schon der Blick aus dem Fenster in den trüb grauen, pladdernassen Morgen, hätte ausgereicht um ihre Laune noch weiter zu verdunkeln, wäre ihr Blick zum Fenster gewandert. Stattdessen blieb er an einem Memo hängen, welches in leuchtendem orange auf ihrem Schreibtisch das kreative Chaos vervollständigte. Memos im Morgengrauen hatten selten einen guten Inhalt, zumal es durch sein brüllendes orange einen abteilungsinternen Inhalt verkündete und damit eine echte Seltenheit darstellte. Seit sie Stellvertretende Abteilungsleiterin war, hatte sie kein solches Memo mehr erhalten, normalerweise kam Laiza einfach auf einen Tee herüber oder ließ durch jemanden ausrichten, dass sie sie erwartete. Allerdings war sie normalerweise um diese Zeit noch nicht im Haus. Tatsächlich enthielt der Text des Memos eine freundliche Aufforderung um neun Uhr in das Büro der Abteilungsleiterin zu kommen. Bis dahin hatte sie noch Zeit für den einen oder anderen Bericht.
Bei schlechtem Wetter hatte Kannich entschieden mehr zu tun als bei gutem, das lag vor allem daran, dass die Tauben einfach bei Regen noch unzuverlässiger wurden, optische Signale neigten nicht dazu sich unter Dachüberständen unterzustellen. Also lief aktuell ein Großteil der Kommunikation die sonst per Taube stattfand über den Klacker, genauer über ihn. Wie immer wenn die Arbeit am größten ist, hatten die Götter auch diesmal kein Einsehen und halsten ihm noch mehr Arbeit auf. Er sollte bei SuSi für eine vermehrte Nutzung der Paddels werben, ihnen den Code beibringen und damit die Zusammenarbeit verbessern und beschleunigen. Als ob er nichts besseres zu tun hätte, als neben Tatortwächtern herzulatschen und ihnen den Einsatz von Paddels nahezubringen, der Kommandör hatte schon manchmal merkwürdige Ideen.
Im Büro der Abteilungsleiterin warteten ein frisch aufgebrühter Kräutertee, ein Stuhl und natürlich Laiza auf die wie meistens pünktliche Magane. Die dreieinhalb Stunden intensiver Arbeit hatten zwar die schlechte Laune nicht verfliegen lassen, aber sie zu einem dumpfen unterbewussten Brodeln abgeschwächt, jetzt blieb nur noch die Frage, ob ein oranges Memo gut oder schlecht war. Nach einer kurzen Begrüßung kam Laiza schnell zum Punkt: "Der Kommandör denkt, es sein ganz praktisch, wenn einige Wächter, die sehr stark spezialisiert sind, mal in andere Abteilungen hereinschuppern würden."
"Na, damit kann er mich ja nicht meinen."
"Nun, du wechselst ja öfter die Abteilung als deine Stiefel", Laizas skeptischer Blick streifte Maganes Arbeitsstiefel, die so alt waren, dass das Leder fast durchscheinend war.
"Es sind gute Stiefel!" Ihr wurde sofort klar, dass diese Antwort nicht das klügste war was sie hatte sagen können; sie beschloss weiter zuzuhören und den Seitenhieb auf die Stiefel zu ignorieren.
"Tatsächlich bekommen wir allerdings jemanden, der sich bei uns in der Abteilung umsehen soll, wenn alles gut läuft, lernen wir etwas von ihm und er schnuppert einmal über seinen Tellerrand hinaus und steckt seine Nase in richtige Wächterarbeit." Schmutz, Blut, Gestank; die wenigsten Wächter betrachteten dies als typische Wächterarbeit, wahrscheinlich hielt das aktuelle Opfer der Kommandörs seine Arbeit ebenfalls für Wächterarbeit...
"Und ich soll mich jetzt darum kümmern, dass alles gut geht?"
"Jetzt hast du's, ich überlasse ihn deinen fähigen Händen."
Je länger er darüber nachdachte um so sinnloser erschien ihm diese Aktion, in den meisten Fällen waren SEALS die ersten am Tatort, sie riefen die Tatortwächter, die meiste Kommunikation lief also zwischen Streife und Kommex. ab, in den seltenen Fällen, wo mal ein Tatortwächter mit dem Wachhaus Kontakt aufnehmen musste, bediente sich dieser für gewöhnlich einer mitgeführten Taube
[1]. Aber was brachte es schon über Sinn und Unsinn einer Aufgabe nachzudenken, bevor diese überhaupt angefangen hatte, vielleicht wurde es ja auch ganz nett. Er überließ seiner Ablösung das Feld und machte sich dann auf den Weg nach unten zu den Büros der Tatortwächter, die anderen Spezialisierungen von SuSi erscheinen ihm noch weniger lohnend.
Magane war noch immer alleine, als es gegen halb elf an ihrer Tür klopfte, Olga hatte irgend einen Termin an diesem Vormittag, an Details konnte sie sich nicht erinnern, da sie nur mit einem halben Ohr zugehört hatte. Als es erneut klopfte und sich daher nicht mehr um ein Versehen handeln konnte, bat sie ihren Gast hinein, setzte ein Lächeln auf, beschäftigte sich allerdings weiter mit dem Bericht, den sie grade mit den Verweisen auf die Beweise spickte. Kannich trat zögernd ein und musste feststellen, dass er nicht beachtet wurde. Anscheinend war der Korporal so beschäftigt, dass sie gar nicht gemerkt hatte, dass er hereingekommen war. Nun stellte sich die große Frage: Warten oder Aufmerksamkeit erregen? Anwesend sein oder nicht anwesend sein? Zeit hatte er ja nicht zu viel... Ein zaghaftes Räuspern durchdrang die fast perfekte Stille. Zwischen den leisen Geräuschen, welche die Füllerfeder beim Gleiten über das leicht graue Wachestandartpapier machte, klang es unnatürlich laut, viel lauter als er gewollt hatte. Er wartete auf eine Reaktion. Diese Reaktion kam in Form eines Lächelns. Eine schöne Reihe strahlend weißer Zähne, zwischen vollen roten Lippen in einem fein geschnittenen fremdländischen Gesicht, mit veilchenblauen Augen, das ganze umrahmt von glattem schwarzem Haar.
"Ähm... I... I-ich...", die hervorstechenste Eigenschaft des jungen Mannes war eine Farbe. Haare und Augen waren schlammbraun, ansonsten war er unscheinbar und schmächtig. Flüchtig kannte sie ihn, so wie man jemanden kennt mit dem man vier Jahre im gleichen Betrieb arbeitete, aber kaum jemals was mit ihm zutun hatte. Uniform und Erinnerung sagten ihr klar und deutlich SEALS, aber zusammengearbeitet hatten sie noch nie, vielleicht waren sie mal an einem Tatort aufeinandergetroffen.
"Was kann ich für dich tun, Hauptgefreiter?" Da war es wieder, dieses Lächeln.
"I... I... I-ich b-b-b-b..."
"Du bist?"
"K-k-k-kann...", er schluckte hart und fixierte ein rotes Fähnchen auf Maganes Stadtplan, "Kannichgut Zwiebel, Kommunikationsexperte, ich soll die Kommunikation der Tatortwächter mit dem Wachhaus verbessern"
"Hatte bisher nicht das Gefühl, dass wir da Probleme hätten" Sie musterte den unscheinbaren Wächter noch einmal genauer, er sah nicht so aus als wäre er ein Taubenfreund. Kommunikation war in GRUND nicht ihre Stärke gewesen, was waren noch mal die Alternativen zu Tauben? Sie deutete auf einen Stuhl und versuchte ihn mit einem einladenden Lächeln zum Reden zu ermuntern. Den Rest des Tages verbrachte sie damit dem Kommunikationsexperten zuzuhören, wobei sein Vortrag nur davon unterbrochen wurde, dass er sie ansah und daraufhin stotterte.
Sie war noch nicht da, sie arbeitete mal wieder länger. Inzwischen kannte Nick sie so gut, dass er das Gefühl hatte ihr näher zu sein als sonst wer, näher als ihr Freund, näher als ihre Familie. Er kannte jedes Detail ihres Lebens innerhalb ihrer Wohnung. Dann tauchte ihr Freund auf, diesmal keine Blumen, dafür mitgebrachtes Essen. Einige Zeit später tauchte
sie auf, er überraschte sie, sie umarmten und küssten sich, dann setzten sie sich zum Essen. Der Rest des Abends verlief irgendwie anders als normal, nach dem Essen gingen sie sonst immer schnell ins Bett um die aufgenommenen Nährstoffe wieder abzuarbeiten. Dieses Mal saßen sie noch eine Weile zusammen und redeten... dann entwickelte sich wohl ein Streit... plötzlich flogen Teller... dann hatte er auf einmal ein langes Messer in der Hand und stach zu.
Sie sank in sich zusammen.
Das Messer steckte in ihrer Brust.
Er starrte auf seine Hände.
Ein Mord.
Nick rannte zur Sendestation.
Kannich hatte nicht das Gefühl erfolgreich gewesen zu sein, Klackertheorie war nicht das beste Thema für Gespräche mit Frauen, soviel wusste er schon. Aber selten hatte er so sehr den Eindruck gehabt, seine Worte würden ungehört verhallen. Magane schien überhaupt nicht zugänglich für diese Technik zu sein und auch der Code schien sie nur am Rande zu interessieren. Er wünschte sich intensiv einen anderen Wächter als "Partner". Die meiste Zeit hatte sie ihn einfach nur mit mildem Interesse angesehen, gelächelt und Tee getrunken. Wobei der Begriff
Tee diesem Getränk doch arg schmeichelte. Er hatte sich eine Tasse davon aufdrängen lassen, scheußlich, den Kräutern schmeckte man den morporker Sonnenbalkon an, sie hatten ein leichtes Moderaroma, welches seinen Ursprung in der guten städtischen Luft hatte. Dazu kam, dass die Mischung selber schon ungewöhnlich bis abenteuerlich war. Die Erinnerung allein jagte ihm wieder einen Schauder über den Rücken und ein pelziges Gefühl entstand auf seiner Zunge.
Kurz nach dem Tee war er geflohen, zwei halbe Tage verschwendet, dem Ziel kaum einen Schritt näher gekommen. Er wollte eine Zeit allein sein, allein mit der Arbeit für die er eigentlich hier war. Jetzt saß er allein am Wacheklacker und ging die Aufzeichnungen durch. Tonfonimus hatte sehr gewissenhaft alles notiert was auch nur am Rande in seinem Sichtfeld war, er hatte wohl immer noch nicht begriffen was es mit dem Filtern auf sich hatte. Wie so oft filterte er nun die Daten, die sein Auszubildender über Nacht gesammelt hatte. Zwischen dem Geplauder und dem unvollständigen Datenmüll, den Kochrezepten und der Strangpoesie, steckte meistens nichts besonderes. Die wirklich wichtigen Informationen, die erkannte sogar Tonfonimus, wurden immer sofort per Rohrpost weitergeleitet. Blieb der Datenabraum. Aber diesmal wurde Kannich fündig, auf den ersten Blick wirkte die Übertragung von 11.23 wie ein Kochrezept, aber es gab gewisse Signale, er merkte sofort, dass da was nicht stimmte.
"Und was genau stimmt da jetzt nicht?"
"Schon mal ein Rezept gesehen in dem es heißt
man nehme das lange Küchenmesser und steche es dem Opfer direkt ins Herz?"
"Nun... mein Glaube verlangt rituelle Schlachtungen zu bestimmten Festen, tatsächlich kommt ein sehr ähnlicher Satz in einem Kochbuch vor, das ich von meiner Schwiegermutter zur Hochzeit bekommen habe." Für einen Moment drifteten Maganes Gedanken in die alte Heimat und plötzlich war sie unendlich froh inzwischen in Ankh-Morpork daheim zu sein. "Aber du hast recht, Rezepte für omnianische Dankesspeisen werden nicht per Klacker verschickt, das wirkt eher wie ein Augenzeugenbericht."
"Also denkst du auch es könnte ein Mordfall sein", Kannich war einfach zu aufgeregt um zu Stottern, vielleicht wurde dies ja doch noch zu einer interessanten Zusammenarbeit...
"Wo befindet sich Klacker 11.23?"
"Billige Straße, Ecke Quirmstraße, gar nicht weit von hier."
"Ich weiß, ich lebe auch in dieser Stadt", sie zwinkerte ihm zu, "also, machen wir uns auf zum Turm?"
"Das wird nicht sinnvoll sein, schließlich wollen wir mit dem Operator in der Nachtschicht sprechen, hoffentlich hat er die ganze Woche Nachtschicht. Am besten treffen wir uns um 22 Uhr dort." Mit einem angedeuteten Salut verschwand der Kommunikationsexperte aus dem Tatortsichererbüro.
Magane gefiel es überhaupt nicht, lange nach Feierabend noch einmal los zu müssen, zumal es ja nur ein vager Verdacht war. Aber sie hatte den S.T.Au.B. mitgenommen und brach auf, nachdem sie Tom ins Bett gebracht hatte. Wie immer auf dem Weg zu einem mutmaßlichen Tatort, hoffte sie es möge sich als Fehlalarm entpuppen und es wäre nichts geschehen. In ihrem Innern fragte sie sich oft, wieso so viele Menschen ihre Probleme mit Gewalt lösten, aber dann kam die Erinnerung an ihre eigene gewaltbereitere Vergangenheit und stupste sie mit der Nase in den eigenen Dreck.
An dem Turm wartete Kannich bereits auf sie, vermutlich war er schon eine Weile hier, er schien es sich unter einem Vordach gemütlich gemacht zu haben.
Magane hatte sich grade neben ihrem Kollegen untergestellt, als ein junger Mann zielstrebig auf den Turm zuhielt. Kannich trat wieder auf die Straße und sprach ihn an: "Stadtwache Ankh-Morpork, auf ein Wort?"
"Ich bin schon spät dran." Der junge Mann war im Licht der Straßenlaterne stehen geblieben und für Magane hatte er eine immense Ähnlichkeit mit Kannich.
"Es dauert nicht lange, bist du
Nickyblue[2]?"
"Ja?"
"Hast du letzte Nacht während deiner Schicht zufällig etwas beobachtet?"
"Naja... natürlich die nächstgelegenen Türme, das ist ja meine Aufgabe." Er schaute gequält, wenn seine Arbeitgeber erfuhren, dass er während des Dienstes in die Schlafzimmer hübscher Frauen schaute, konnte er die Arbeitsstelle verlieren, Kannich wusste das und baute dem Operator eine Brücke.
"Wenn du etwas beobachtet hättest, zufällig beim justieren deines Fernglases, wo wäre das dann gewesen?"
Der junge Mann deutete auf ein vierstöckiges Haus in der Billigen Straße und daraufhin ließ Kannich ihn gehen.
Die Wache hatte reagiert, das war gut, dieser Typ durfte nicht damit durchkommen. Man brachte nicht einfach sein Mädchen um, machte dann sauber und verschwand ins Nichts, nicht ungestraft. Und diese Wächter, der eine schien so zu ticken wie er selbst und die Frau im Schatten, sie war heiß... Hoffentlich fanden sie was, er war sich nicht sicher ob ihr Freund ihre Leiche weggeschafft hatte, er hatte ihn putzen sehen, aber dann war eine Nachricht zu übermitteln gewesen und dir hatte mehr Zeit gebraucht als gedacht. Danach war das Licht in der Wohnung gelöscht gewesen.
"Was meinst du, Dachgeschoss?"
"Wahrscheinlich, von dort oben muss er einen fantastischen Blick in die schrägen Fenster haben", sie bedachte ihren Kollegen mit einen Seitenblick, "Was findet ihr Männer nur daran?"
Kannich zog es vor zu schweigen, er ging einfach auf das Haus zu und testete ob die Eingangstür offen war. Sehr direkt, aber auch das war ein Weg in ein Haus. Sie nahm ihren Koffer und folgte ihm. Genau genommen hätte er ihr folgen sollen, sie war ranghöher und es war ihr Gebiet, auf dem sie sich bewegten, aber das war ihr egal. Wenn sie schon zusammenarbeiten sollten, dann als gleichberechtigtes Team, so wie sie auch mit Olga immer zusammenarbeitete. Die Arbeit dort oben würde sie dennoch allein machen müssen, ohne Ausbildung baute man an Tatorten nur Mist.
Die Tür war offen, so viel Vertrauen fand man selten in Morpork. Ohne Probleme kamen sie bis ins Dachgeschoss, wo sie dann allerdings doch vor einer verschlossenen Tür standen. Diese Tür könnte ein Problem werden, wenn sie nicht plötzlich aufsprang, aufbrechen durften sie diese nicht, und das kleine Etui mit Dietrichen durfte offiziell ebenfalls nicht zum Einsatz kommen - offiziell hatte sie dieses Etui aber auch nicht bei sich. Jetzt musste sie nur herausfinden wie sie Kannich für einen Moment loswerden konnte... Sie klopfte noch einmal heftig an der Tür, es gab nichts unangenehmeres als in eine Wohnung einzubrechen, in der lebendige Leute waren, die nach der Wache riefen.
"Kannich, würdest du mal bei den Nachbarn fragen, ob ihnen etwas aufgefallen ist?"
"Öhm, sicher, aber...", er dachte kurz nach, was sollte das jetzt?
Sie würde schon ihre Gründe haben.
Er wandte sich zur Treppe und kaum war er die ersten Stufen hinunter gegangen, hörte er eine Tür klacken und wurde zurückgerufen.
"Die Tür klemmte nur ein bisschen." Om würde ihr diese Lüge sicher verzeihen, wenn hier tatsächlich eine Leiche vergammelte. "Gehen wir rein?"
Der Hauptgefreite sah sie nur fragend an und beschloss dann, dass er nichts bemerkt hatte und die Tür offen gewesen war, zumindest falls sie wirklich etwas fanden.
In der Wohnung war es dunkel, sobald sie aus dem Lichtkreis der kleinen Öllampen im Flur heraustraten. Die Augen der Wächter mussten sich erst daran gewöhnen.
"Soll ich Licht machen?" Eine Frage, die nur von jemandem kommen konnte, der keinen Schimmer von Tatortermittlungen hatte.
"Nein, erst mal nicht, nichts verändern, zumindest solange du keine Handschuhe an hast." Sie bückte sich, stellte den Koffer ab, nahm ihre Ohnesorgehandschuhe heraus und zog sie an.
Plötzlich wurde der Raum von unregelmäßigen Lichtblitzen erhellt. Turm 11.23 sendete.
Das wenige Licht reichte um den Beiden den Weg in das angrenzende Schlafzimmer zu weisen.
"Für 4 morporker Schwalbennester brauchen sie: 3 lb gemischtes Hack, 6 Eier, 1 EL Tomatenmark, zwei..."
"Was redest du da?"
"Er sendet ein Rezept. Schwalbennester, sind lecker." Kannich grinste.
"Mir egal, Hauptsache er sendet, außerdem brauch ich für Hackbraten gefüllt mit Ei kein Rezept."
"Aber der ist dann nicht original morporkianisch."
"Stimmt, das hiesige fertige Hackfleisch bringt eine besondere Note... Lass uns bitte die Leiche suchen."
Im Schlafzimmer fanden sie nichts, außer Bett, Schrank, getragener Wäsche und anderen Dingen, die man in Schlafzimmern fand, also nichts.
Wortlos gingen sie weiter in die Küche. Hier gab es keine Gardine und das Licht des Klackers drang ungedämpft herein, Magane fühlte sich an ein lautloses Gewitter erinnert, ein leichtes Gruseln überkam sie. Sie durchquerte den geräumigen
[3] Raum und sah aus dem Fenster.
"Immer noch Schwalbennester?"
"Nein, jetzt geht es um Kruller Klöpse, heute scheint Hacknacht zu sein."
"Kruller Klöpse sind die mit Kapern, oder?"
"Ja, genau... ich glaube kaum, dass man hier etwas verstecken kann, was so groß ist wie eine Leiche." Kannich wollte sich grade wieder herumdrehen um sich im Wohnzimmer genauer umzuschauen, als sein rechter Fuß etwas fand, es handelte sich zwar nur um einen Schrubber, aber der machte ein Riesengetöse beim Umfallen.
Beide Wächter blieben wie angewurzelt stehen.
Auf das Getöse des Schrubbers folgte ein markzerreißendes Quietschen.
Und dann fiel etwas großes schweres aus dem Besenschrank.
"Herzlichen Glückwunsch, du hast die Leiche gefunden." Magane fasste Kannich an den Schultern und drehte ihn zum Fenster.
"Ich gehe und mache Licht, kannst du kannst dann dem Klackeroperator signalisieren und Verstärkung rufen, einen Pathologen mit Wagen und einen RUM-Ermittler, wenn da noch einer um die Zeit Dienst tut."
"Ja, das..."
"Nicht drüber nachdenken, einfach machen."
Die eigentliche Spurensicherung machten Magane und Olga dann am nächsten Morgen. Zwar hatte der Mörder geputzt, aber nicht besonders gründlich, bei Tageslicht hatte der Küchenboden Blutschlieren, alles war voll mit Fingerabdrücken. Die Todesursache war absolut eindeutig, 7 Messerstiche in der Brust waren tödlich, ohne Zweifel. Der Fall selber war keine große Herausforderung, beschränkte sich auf etwas Klinkenputzen. Der Mörder war voll geständig und wurde schnell an die Assassinen überstellt. Das S.T.Au.B. wurde um Kommkellen und ein Handbuch ergänzt, die ähnlich oft benutzt wurden wie die nicht mitgeführten Tauben. Nachtschichten in Turm 11.23 waren nun ziemlich langweilig, der Ausblick war einfach nicht mehr so gut.
[1] Theoretisch sollte ein Tatortwächterteam immer eine Taube mit sich führen, praktisch taten sie das allerdings nur selten, weil sie ja meistens SEALS am Tatort hatten
[2] Die Namen der Operator blieben für gewöhnlich unausgesprochen, schließlich waren sie ja nur in den Wartungsdaten zu finden, deswegen gaben sich die meisten Operator nicht besonders viel Mühe bei der Auswahl. Dieses Exemplar hatte eine Mischung aus dem Diminutiv des Vornamens und der Lieblingsfarbe gewählt, äußerst einfallsreich
[3] "geräumig": Maklersprache für klein, ganz im Gegensatz zu "praktisch": winzig, man brauch sich nicht zu bewegen, wenn man in der Mitte steht kann man alles erreichen
Zählt als Patch-Mission für den Tatortwächterin-Patch.
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