EX AEQUO

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von Lance-Korporal Braggasch Goldwart (FROG)
Online seit 14. 03. 2010
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 Außerdem kommen vor: Septimus EbelOlga-Maria InösSebulon, Sohn des SamaxRuppert ag LochMolochLantania vom SilberwaldNyria MaiorJargon SchneidgutMenélaos SchmelzHuitztli Pochtli

Von Gleichstand, Gleichmachung und Gleichberechtigung.

Dafür vergebene Note: 13

"Sind sie sicher, dass sie dies tun wollen, Herr...?"
"Holzapfel."
"Herr Holzapfel? Es ist ein schwerwiegender Eingriff... kaum rückgängig zu machen..."
"Ich hab es mir ja reiflich überlegt, nichwahr?"
Er rollte nervös eine der langen Locken durch die Finger. "Nun, ihre Bitte ist dennoch recht... eigenartig. Unorthodox. Extrem, könnte man sagen."
"Könne sie es nu, oder nich?"
"Ich denke, es liegt in meiner Macht."
"Dann mache sie hin."
"Die Konsequenzen..."
"Sin mir schnuppe. Ich will so nich weiterlebe, nichwahr? Ala. Hopp."
Er nickte verständnisvoll und hob die Arme. "Ich benötige ein wenig Vorbereitungszeit." Warum stoße ich in letzter Zeit nur an so viele Irre? Ich sollte den Beruf wechseln... "Nun denn. Sind sie bereit, Herr Holzapfel? Ich..."


"*'*'*"

Müßig lehnten sie an der staubigen Wand.
Es war ungewöhnlich trocken und heiß für diese späte Jahreszeit. Die weißlich glimmende Sonne brannte von einem wolkenlosen Himmel hernieder.
Jargon hatte die Stelle vorgeschlagen. Es war eine seiner liebsten Zufluchtsstätten - was ihm nicht zu verdenken war: von dem flachen, leicht zu erklimmenden Vordach einer Schreinerei hatte man einen wundervollen Blick über den gesamten Platz der gebrochenen Monde. Reges Treiben herrschte. Wesen jeder Art hetzten nach typischer Art Ankh-Morporks hier hin und dort hin. Mittendrin spielten einige Kinder mit einem alten Hundeschädel Fußball. Ein lizenzierter Dieb verdiente sein Brot. Einige Bettler belagerten die Kutsche vor einer Schneiderei, ohne zu ahnen, dass sich deren Besitzer längst durch die Hintertür davon gemacht hatte.
Ruppert brummte etwas.
Der Hauptgefreite Ebel, welcher sich im Schatten des Llamedosianers auf den Rücken gelegt hatte, öffnete die Augen. "Was sagtest du?"
Ag LochMoloch sah schuldbewusst hinunter. "Ich? Oh... Hab nur gesagt, dasses 'n verdammt schöner Tag ist."
"Ach so." Der Gnom bettete seinen Kopf wieder auf das warme Holz. "Ja. Is schon schön..."
Jargon Schneidgut, der mit Stift und Papier etwas abseits saß, hatte bei dem kurzen Dialog kurz aufgesehen. "Ja..."
"Es, äh, war eine gute Idee, hierher, äh, zu kommen...", schaltete sich nun auch Braggasch ein, der es sich im Schneidersitz neben Olga-Marie Inös bequem gemacht hatte, deren Kopf auf die Brust gesunken war. Sie schien zu dösen.
Ruppert nickte. "Genau, Kleiner. Is wirklich schön hier."
"Ja... äh, wirklich schön."
"Wirklich schön.", murmelte Septimus.
Olga stöhnte entnervt. "Es ist scheiß langweilig!"
Die vier Männer sahen sie schockiert an.
Die Tatortwächterin rückte ihre Brille zurück und räusperte sich. "Entschuldigung, aber..."
"Brauchst dich nicht zu rechtfertigen", seufzte Ruppert. "Hast ja recht."
Ebel richtete sich in eine halbsitzende Position auf. "Stimmt schon. Es ist zwar wirklich schön hier," warf er kurz in Schneidguts Richtung ein, "aber leider auch nicht spannender als in der Kantine. Oder in einem leeren Fass."
"Dass ein freier Tag aber auch so... ätzend sein kann. Da hätte ich gleich nach Hause gehen und dem Whiskey beim Reifen zusehen können..."
"Auf mich wartet daheim nur Hausarbeit...", teilte Olga niemand bestimmtem leise mit.
Goldwart zuckte nur mit den Schultern. Er wohnte in seinem Büro, doch dort war es ihm heute zu stickig geworden.
Mit einem Schwung kam Septimus auf die Beine. "Wir sind uns also alle einig, dass uns Zuhause kein besseres Los erwartet." Mit hinter dem Rücken verschränkten Armen tapste er zwischen den Wächtern umher. "Dennoch ist Faulenzen auf dem Dach auch nicht das Wahre. Was also tun?"
"Braggasch könnte eine Geschichte erzählen.", schlug Jargon zögernd vor.
"Warum nicht?", stimmte Ruppert achselzuckend zu. "Langweiliger kann es ohnehin nicht mehr werden."
"Äh..."
Ebel kniff zweifelnd die Augen zusammen. "Kriegst du das, äähh, hin?"
"Äh...", Burkhards Sohn ignorierte die Stichelei und sah sich hilfesuchend um. "Ich, äh, denke schon... wovon soll ich denn erzählen?"
"Von einem Mädchen!", platze es aus dem Gefreiten Schneidgut heraus, bevor seine erschrocken gehobene Hand die Worte im Mund behalten konnte. Unter dem grinsenden Blick von Ruppert lief er augenblicklich knallrot an.
"Mädchen find ich gut.", lachte der Vektor. "Ich mag Geschichten mit Mädchen... aber bitte keine plüschige Liebesgeschichte. Wie wäre es mit etwas Traurigem? So ein fröhlicher Tag bietet sich doch dafür an."
"Nun gut... äh..."
"Und eine glückliche Blumenwiese."
Braggasch stockte. "Eine... was?"
Der Gnom sah ihn herausfordernd an. "Du hast gefragt. Ich will, dass eine glückliche Blumenwiese in der Geschichte vorkommt. Eine Wilde, versteht sich."
"Äh... ja, äh, gut... Olga, hast du noch einen Wunsch?"
Die Angesprochene schüttelte den Kopf.
"Dann... äh..." Goldwarts Augen blickten ins Nichts, als die Gedanken des Zwerges zu wandern begannen. Auf der Suche nach Inspiration meldeten seine Ohren die Klänge einer Blockflöte. Leise. Von einem entferntes Straßenkünstler gespielt. Braggasch stellte sich vor, wie es wohl klingen würde, wenn der Flötenspieler statt der verspielt flötenden Melodie eine Tiefere, Rauere, Traurigere spielen würde.
Dann begann er zu erzählen.
Sie kam aus Genua und hieß... Felia. Ihre Eltern hatte sie nie kennen gelernt, da sie, seit sie sich erinnern konnte, von ihrer rachsüchtigen Tante aufgezogen wurde. In der Stadt war sie schlicht bekannt als das traurige Mädchen, denn sie war viel zu schüchtern, um jemals mehr als die nötigen Worte mit ihren Mitmenschen zu wechseln, dabei zierte ihr Gesicht eine reine, zurückgehaltene Schönheit.
Felia, das traurige Mädchen, arbeitete in dem Laden des Liebhabers ihrer Tante. Dieser Mann machte es sich zu Nutze, dass immer mehr Fremdländer nach Genua kamen, indem er bunte Glasgebilde von ungeheuerlicher Hässlichkeit als lokale Produkte verhökerte. Felias Aufgabe war es, zwischen den wackeligen Regalen einher zu gehen und das Glas abzustauben.
Die Leute in der Stadt hatten recht - sie war traurig. Todtraurig.
Ihre Tante verabscheute sie als nutzlosen Ballast und lie? sie dies auch spüren. Deren Liebhaber war von einer stillen Herzlosigkeit, kein Halt für das traurige Mädchen.
Mehr als einmal stand Felia in der kleinen Dachkammer, die ihr als Wohnstätte diente, ein Seil um den Hals, den wackeligen Hocker unter ihren Füßen... doch nie hatte sie sich zu diesem einen, letzten Schritt durchringen können. Sie wusste, dass da etwas war, was ihr Kraft gab, dass etwas passieren würde, etwas wichtiges. Mit ihr!
So lebte sie weiter ihr Leben zwischen Glas und Hieben mit dem Rohr.
Bis zu dem Tag, da ein Mann in ihr Leben trat. Es war ein ausländischer Mann, dass konnte sie an seiner Hautfarbe erkennen - und er war der schönste Mann der Welt. Einen dunkelgrauen, feinen Anzug trug er und sein melancholischer Blick traf durch das große Fenster auf die gedrehten, bunten Glaskunstwerke. Felia drückte sich in eine dunkle Ecke des Ladens und hielt den Atem an. Lange schaute der Mann, schien auf eine besonnene Art tatsächlich Gefallen an den kitschigen Dingern zu finden - und ging weiter. Langsam. Gefasst. Schlenderte aus Felias Blickfeld.
Das traurige Mädchen kniete nieder und lächelte - ihr erstes zartes, freies, glückliches Lächeln.
Am nächsten Tag kam er wieder. Die Sonnenuhr bekannte sein Erscheinen zur dritten Stunde am Mittag.
Wieder sah er durch das Schaufenster auf die ausgestellten Touristenfallen.
Wieder verbarg sich Felia.
Wieder ging der Mann weiter.
Von einer Kundin, die sich mit ihrer Tante unterhielt, erfuhr sie, dass der schöne Fremde wohl aus der großen Stadt Ankh-Morpork gekommen sein müsse und nun hier wohnte. Warum, wusste niemand und Felia war es auch egal. Solange sie ihn wiedersah.
Und sie sah ihn. Am nächsten Tag. Zur dritten Stunde. Er blieb vor dem Laden stehen. Er sah hinein. Er ging wieder.
So wiederholte es sich jeden Tag. Immer zur gleichen Stunde kam der herrliche, fein angezogene Mann, immer stoppte er vor dem Laden und sah melancholisch hinein, immer betrachtete er die Werke, obwohl es doch immer die gleichen waren, sich kaum änderten, doch manchmal lächelte er mit wehmütigem Blick - und immer ging er weiter, ohne sich des traurigen Mädchens bewusst zu werden, welches ihn schüchtern beobachtete.
Felia malte sich aus, dass der Fremde Frank heißen würde, oder Ferdinand... dass er wie sie in seinem Leben nach dem Sinn suchte, und aus diesem Grund immer so traurig und doch wissend aussah, dass er eines Tages den Laden betreten würde und der lächelnden Felia erklären würde, dass er sich endlich für ein bestimmtes Glasstück entschieden hätte, welches sie ihm doch bitte einpacken solle. Felia würde nicken und das braune, feste Papier hinter dem Tresen hervorholen, um ein zwiebelähnliches Kunstwerk zu verhüllen und dabei würde sie ihm immer wieder Blicke zuwerfen und er würde ihre Blicke nachdenklich erwidern, dann, wenn sie ihm seinen Kauf überreichen würde, würden sich ihre Hände ganz flüchtig und süß berühren und er würde seufzen und gestehen, dass er das hässliche Ding gar nicht kaufen wolle, dass er nur nach einem Grund gesucht habe, mit ihr zu reden, dass er jeden Tag vorbei gekommen wäre, um sie zu sehen, sich jedoch bisher nie getraut hätte mit ihr zu reden! Er würde sie bitten am nächsten Tag wieder da zu sein und er würde nun täglich kommen um sein Geld für diese dämlichen Glaswirbel auszugeben, bis sie ihm ihr Herz schenkte. Dann würde er sie bitten, ihn zu begeleiten zu seinem Haus, einem schlichten Haus, in dem es nach gutem Holz und gelagertem Tee roch und dort würde er sie bitten, bei ihm zu bleiben...
Doch betrat er nie den Laden. Er kam, schaute und ging. Tag für Tag.
Eine ganze Jahreszeit lang.
Felia wartete auf ihn und stand an der Stelle, an der sie am besten sehen konnte, ohne selbst gesehen zu werden, hinter den gläsernen Tieren. Staubte ab und träumte...
Und dann kam er nicht mehr.
Auf ein mal.
Gestern war er noch da gewesen, noch gestern hatte das traurige Mädchen, das nun gar nicht mehr so traurig war, sich vorgenommen hinter dem Regal hervorzutreten und ihn anzulächeln, wie sie es sich schon so oft vorgenommen hatte. Nur zu lächeln.
Doch er stand nicht vor dem Laden. Er schaute nicht hinein.
Beunruhigt legte sich Felia schlafen, doch auch am nächsten Tag wollte der fremde Mann, ihre große Liebe, nicht wieder auftauchen.
Ein weiterer Tag verging.
Dann noch einer.
Der Mann im Anzug kam nicht.
Am vierten Tag ging Felia hinaus und sah die Straße hinauf und hinunter, aber sie konnte ihn nicht sehen. Also entschloss sie sich, ihm entgegenzugehen, denn schließlich konnte er nur etwas noch Schöneres entdeckt haben, was ihn nun davon abhielt weiter zu gehen... was er nun betrachtete...
An einem Obststand hielt sie inne. Sie kannte die Obstverkäuferin, doch diese konnte sich nur sehr schwer an Felia erinnern, sprach das junge Mädchen doch nie ein Wort und verhielt sich unauffällig. Doch an den schönen Mann konnte die dicke Händlerin sich erinnern. Er war jeden Tag vorbei gekommen, stehen geblieben und hatte lange die Obstauslage betrachtet, ohne jemals etwas zu kaufen. Die Obstfrau war sich wieder ganz jung und neckisch vorgekommen, hatte sie sich doch vorgestellt, der Mann komme ihretwegen... Doch war er weitergegangen.
Felia bedankte sich höflich und eilte weiter.
Das nächste Geschäft war ein Barbier. Der geschäftige Mann mit dem gewaltigen Schnauzer bestätigte dem traurigen Mädchen, dass der Mann im Anzug hier vorbei gekommen sei - ja, mehr noch, er wäre stets stehen geblieben und hätte die gemalten Bilder mit den Frisuren beobachtet und die Leute die ein und aus gingen, doch sei er niemals hinein gekommen und hätte nach einem Schnitt verlangt, was, so beteuerte der Barbier, dringend nötig gewesen wäre, waren die Haare des Fremden ihm doch schon über die Schultern gewachsen.
Die junge Felia liebte das immer länger werdende, seidene Haar des Mannes, doch verschwieg sie dies und setzte ihren Weg fort. Nach einer Weile erreichte sie das Haus eines Medikus.
Eine höfliche Frau hieß ihr zu warten, also wartete sie.
Dann wurde sie hinein gelassen, zu einem alten Mann in sauberer Kleidung, der hinter einem Schreibtisch saß. Zögernd berichtete auch er, dass der Fremde vor seiner Stube gestanden hatte, eine lange Weile, doch anders als bei all den anderen hatte er diesen Ort betreten. Er habe den Fremden gut gekannt, beteuerte der Arzt, und auch seine Eigenart, den kurzen Weg von seinem Haus bis hin zu der Praxis des Medikus zu laufen, täglich, um dann, nachdem er das Ergebnis der vielen Test erfahren hatte, einen langen Weg durch die Stadt zu machen, an all den kleinen Geschäften vorbei, in denen sich die Schönheit des Lebens abspielte.
Als das traurige Mädchen aufgeregt zu wissen verlangte, wo der Fremde denn wohne, wies der Alte nur mit einer Geste aus dem Fenster.
Felia folgte seinem Finger mit den Augen und erschauderte, als sie den Friedhof erblickte.
Adrian, so hieß der Fremde, sei aus Ankh-Morprok her gereist um ein Heilmittel für die Krankheit zu finden, von der er heimgesucht worden war, erklärte der Medikus, und habe sich hier vielen Versuchen unterzogen. Täglich wäre er gekommen und hätte nach dem Ergebnis gefragt, jeden Tag zur selben Stunde, und immer hatte man ihm sagen müssen, dass sie noch keine Heilung gefunden hatten.
Leise verabschiedete sich das traurige Mädchen.
Sie ging hinaus und ließ sich von ihren Füßen zum Friedhof tragen. Schnell fand sie das frische Grab. Es lag auf dem für Fremde reservierten Flecken des Totenackers, inmitten einer Blumenwiese... einer... glücklichen Blumenwiese... die sehr wild wuchs...
Leicht und voller Tränen strich Felia über den Grabstein Adrians und sprach die Worte, all die Worte, die sie sich niemals getraut hatte zu sagen, als er noch lebte.
Am nächsten Tag kam sie wieder, ein kleines, gläsernes Tier in der Hand, und stellte es auf das Grab. Sie würde später eine Bestrafung ob des Diebstahls hinnehmen müssen, doch das war ihr egal.
Auch am nächsten Tag kam sie mit einem Exemplar der hässlichen Glaskunstwerke.
Und auf dem darauf folgenden.
Bald sah das Grab des schönen Mannes aus wie eine bunte Fensterscheibe, doch kam Felia wieder, sprach jedes mal einige wenige Worte zu dem Toten und überbrachte jedes mal eines ihrer Geschenke.
Jeden Tag.
Immer zur dritten Stunde.

Braggasch verstummte.
Septimus schniefte, Jargon schluckte und Ruppert räusperte sich leise. Olga blickte traurig ins Leere. Eine lange Weile hing jeder seinen ganz persönlichen Gedanken nach.
"Eine sehr schöne Geschichte, Braggasch.", sprach Ruppert in die staubige Luft hinein. "Alles in Ordnung mit dir, Septimus?"
"Das... sind nur Freudentränen... für die glückliche Wiese... so was gibt's nicht häufig!"
"Ja, klar."
"Was passierte mit Felia?", wollte Olga wissen.
Der Zwerg zuckte mit den Schultern. "Sie blieb ihr, äh, Leben lang alleine, weil sie es so wollte... äh... und starb. Aber das Dorf war von daher, äh, erfüllt von ihrer Geschichte und es erleichterte den Bewohnern das Leben."
"Weil sie wussten, dass es jemanden gab, der noch mehr Pech hatte als sie?"
Braggasch nickte.
"Das ist... unfair."
"Aber so läuft es.", stellte Ruppert fest

"*'*'*"

Sorgsam wischte Braggasch die eingetrockneten Farbreste aus der Vertiefung im Bleiklotz. Man musste die Buchstaben immer sauber halten, sonst verschmierte die Schrift und die Worte wurden unleserlich. Der Zwerg seufzte. Es lief leider nicht besonders gut mit der Rohrpost. Zwar mangelte es ihm nicht an Beiträgen, doch wollten immer wieder Kleinigkeiten nicht funktionieren. Eine der Rollen hatte Risse bekommen, etwas, das Braggasch nicht alleine reparieren konnte, dafür brauchte er die Hilfe eines Schmieds. Der Dämon, den Goldwart sich aus der van-Thom-Bild-Abteilung ausgeliehen hatte, verweigerte strikt den Dienst, bevor er nicht eine Medaille dafür bekam, dass er die Bildplatten meißelte. Es war zum verzweifeln.
Liebevoll pustete der Späher über das Metall und legte den Block zu den anderen, um sich das R zu greifen.
Ein kaum zu vernehmendes Geräusch säuselte durch die stickige Stille der Druckkammer. Burkhards Sohn kannte dieses Geräusch zur Genüge - er verursachte es selbst andauernd. Instinktiv ließ er sich fallen und spürte noch im gleichen Moment den zarten Lufthauch über seinem Kopf.
Der Bolzen bohrte sich tief in das Papierregal.
"Warum ihr es mir auch immer schwer machen müsst...", seufzte eine ihm merkwürdig bekannte, weibliche Stimme hinter Braggasch.
Dieser nutze den Moment, den die Einbrecherin mit Reden verschwendete, um herumzurollen und somit die Druckerpresse zwischen sich und das Fenster zu bringen. An seinem Arbeitsplatz trug er selbstredend keine Waffe bei sich, sowohl Armbrust als auch Dolch lagen unschuldig eine Etage weiter unten in seinem Büro. Schwungvoll stemmte er sich von der Presse ab und versuchte mit einem beherzten Sprung die Tür zu erreichen - brach diesen Versuch aber sofort ab und ließ sich abermals fallen, als er das klickende Auslösen des Abzugs vernahm. Dieses Mal verfehlte ihn der Bolzen etwas großzügiger und blieb zitternd in der Holztür stecken.
Keuchend robbte der Späher zurück in die relative Sicherheit des metallenen Monstrums. Fieberhaft suchte er einen Ausweg. Bei der Schussfrequenz, welche die Angreiferin aufwies, würde er die Tür niemals schnell genug öffnen können, ohne ein Projektil in den Rücken zu bekommen. Im Fenster hockte die Fremde, auf die Goldwart noch immer keinen Blick hatte werfen können.
Dann musste er wohl den püschologischen Ausweg suchen - wie er das hasste.
"Wer, äh...", warf er sein ganzes diplomatisches Geschick in die Waagschale, wurde jedoch direkt unterbrochen.
"Den Drang zu reden scheinen alle Kunden gemeinsam zu haben. Wie unerfreulich. Als ob man eine persönliche Nähe aufbauen könnte."
Kunden? "Du, äh, bist, äh, eine Assassinin?"
"Schlauer Wächter. Um es kurz zu machen: Ja, ich habe eine Quittung, nein, ich werde es mir nicht anders überlegen und nein, denn dafür fehlt dir das Geld. Zufrieden?"
Mit Bestürzen bemerkte Braggasch, dass die Stimme wanderte - die Frau versuchte um die Druckerpresse herum zu kommen. Da sie laut und raumfüllend sprach, konnte der Späher nicht einordnen, welche Seite sie einschlug, um ihn zu erreichen - doch er kannte seine Domäne und wusste was an welcher Stelle lag. Selbst der beste Schleicher kam nicht durch diesen Raum, ohne gegen Papierschnipsel, Schrauben, Buchstaben oder Ähnliches zu stoßen. Das leise Knistern verriet Goldwart, dass seine Mörderin an der Seite der Presse vorbeischlich, wo die überstehenden Ränder der Zeitung abgeschnitten wurden. So schnell wie es seine krabbelnde Fortbewegungsart erlaubte schlug er die Gegenrichtung ein.
"Äh... aber warum..."
Die Antwort war lediglich ein genervtes Seufzen.
Braggaschs Weg führte ihn an der Stelle vorbei, wo schon fertig belegte Druckplatten im untersten Fach des langen Regals lagerten. Mit dem Fuß angelte er sich eine der stabilen Eisentafeln und griff sie mit beiden Händen. Dann lauschte er.
Und hörte... nichts.
Wenn es aber unmöglich war, sich lautlos über den Boden zu bewegen, dann musste sie...
Fluchend rollte sich der Zwerg auf den Rücken und hielt die Druckplatte wie einen Schild über sein Gesicht.
Der Dolch der über die Druckerpresse gekletterten Assassinin traf schabend darauf und glitt ungefährlich zur Seite ab. Ihr Schwung trug sie weiter, so dass sie sich abstützen musste, um nicht auf ihr Opfer zu fallen. Braggasch nutzte den Moment und riss seinen Schutzschild zur Seite - die Metallecke krachte auf ihre abgestützte Hand mit dem Dolch. Fluchend lies sie die Waffe fallen und zog ihre verletzte Rechte zurück, was ihren Halt noch mehr instabilisierte. Ein weiterer Schwung der Druckplatte zur anderen Seite brachte sie endgültig zu Fall. Kopfüber stürzte sie neben Burkhards Sohn.
Dieser rollte auf den Bauch, rappelte sich auf - und bekam sofort einen schmerzhaften Tritt in die Kniekehle, welcher ihn wieder zu Fall brachte.
Bevor er sich aufrichten konnte, stemmte sich ein Fuß auf seinen Rücken und drückte ihn wieder zu Boden.
"Ich bedauere die Unannehmlichkeiten", stellte die Frau klar, "doch nachdem ich meine Armbrust am Fenster gelassen habe und der Dolch zu weit entfernt auf dem Boden liegt, werde ich zu weniger angenehmen Inhumierungsmethoden greifen müssen."
Mit den Knien hielt die Goldwarts Arme unter Kontrolle, während sie eine Quittung neben seinen Kopf auf den Boden legte.
Dann umschlossen ihre schmalen Hände seinen Hals und drückten an den richtigen Stellen zu.
Braggasch jappste und schüttelte sich mit ganzer Kraft, doch dem geübten Griff der Assassinin konnte er sich nicht entziehen.
Langsam wurden seine Bewegungen träger.
Der Kopf wurde schwer und sank zu Boden.
Die panischen Augen des Zwergs fanden den Inhumierungsauftrag. Trotz des langsam aufsteigenden, visuellen Nebels konnte das überforderte Hirn einige Zeilen lesen.

... festgelegte Honorar des Wächters 030186-B-240808 erhält der entsprechend Ausführende bei Vorlage der erforderlichen...

Der Späher kniff die Augen zusammen, suchte Kraft und keuchte: "Eff!"
Zuerst schien sein Hinweis keine Auswirkungen zu haben, doch dann ließen ihm die würgenden Hände einen kurzen Moment des Luftholens. Die Auftragsmörderin schien seinen verzweifelten Ausruf richtig gedeutet zu haben. "Was sagst du?"
"Kein... Beh... Eff! Und, äh... eine Eins vorne."
Sie beendete den Erdrosselungsversuch, blieb jedoch auf ihm hocken. "Das ist ein sehr seltsamer Versuch, dein Leben zu retten."
Braggasch hustete und sog gierig lebensspendenden Sauerstoff ein. "Meine... äh... Marke... liegt im... Regal."
Sie zögerte merklich.
Doch schließlich: "Wenn das ein Trick sein sollte, so gnaden dir alle Götter, an die du nicht glaubst, Wächter. Bleib liegen, oder ich werde einige interessante Techniken an dir ausprobieren..."
Selbst wenn der Zwerg gewollt hätte, so wäre es ihm gar nicht möglich gewesen, sich aufzurichten, als die Assassinin von seinem Rücken aufstand und zum Regal ging.
"Eins, Drei, Null, Eins, Acht, Sechs, Strich, Eff, Strich, Zwei, Vier, Null, Acht, Null, Acht.", hörte er.
Nach einem kurzen Moment wurde Goldwarts Dienstmarke wütend auf den Boden geschleudert.
Lange herrschte Stille, nur unterbrochen durch das Gekeuche des knapp dem Tod Entronnenen.
"Ich entschuldige mich für die Unannehmlichkeiten.", sagte seine Besucherin beherrscht und hob ihren Dolch auf. Als sie sich zu dem Stadtwächter beugte, um auch ihre Quittung wieder an sich zu nehmen, konnte Braggasch zum ersten mal ihr Gesicht sehen.
"Du?", fragte er fassungslos.
Tanja Witwenmachen sah ihn ausdruckslos an. "Kennen wir uns?"
Sehr langsam kam Goldwart auf die Beine. Sie beobachtete jede seiner Bewegungen kritisch. "Äh... Schlomo Soßmann... erinnerst du dich?" [1]
"Oh, tatsächlich.", erwiderte die Frau ohne nennenswerte Gefühlsregung. "Die dummen aber fleißigen Wächterlein. Nun, wenn du mich jetzt entschuldigst, ich habe eine Job zu erledigen." Mit einem kurzen, nickenden Gruß nahm Tanja ihre Armbrust auf und schwang sich aus dem Fenster.
"Welchen, äh, Dschob? Warum wolltest du mich überhaupt... äh..." Nur der leise durch das offene Fenster säuselnde Wind beantwortete Braggasch Frage.
Unwillig schüttelte er den Kopf. Was für ein Irrsinn. Aus Versehen beinahe umgebracht zu werden... doch dann musste die Assassinin ja nun hinter einem anderen Wächter her sein. Wo hatte Goldwart die Nummer 030186-B-240808 nur schon einmal gesehen?
Sie kam ihm so bekannt vor...
Der Zwerg stieß einen spitzen Schrei aus und stürmte aus dem Druckraum.

Belustigt lehnte Nyria auf dem Wachetresen. Zu gern hätte sie eine geraucht, aber diese offene Provokation, als Rekrut im Dienst innerhalb des Gebäudes zu rauchen, wollte sie sich dann doch nicht erlauben. Statt dessen begnügte sie sich damit, ab und zu an der Selbstgedrehten zu schnuppern, ehe diese wieder hinter dem Ohr verschwand, und sich auf den Feierabend zu freuen. Doch vor wenigen Minuten hatte der stinklangweilige Tresendienst eine interessante Wendung genommen.
"Willst du nicht langsam wieder hervor kommen?"
"Aber was ist, wenn er mich sieht?", antwortete eine leise Stimme von unter dem Tresen.
Die Werwölfin gluckste. "Ich glaube, er ist schon seit einer Weile die Treppe hinunter verschwunden, Mäm."
"Bist du dir sicher?", kam es hoffnungsvoll.
"Sicher."
Nervös streckte Olga-Marie Inös den Kopf hervor. Dann lächelte sie unsicher. "Entschuldige."
"Kein Ding", entschied Maior, "du hast mir ein wenig den langweiligen Dienst verschönert. Aber, Mäm, darf ich fragen, warum du Angst vor ihm hattest?"
Die Hauptgefreite druckste herum, ehe sie antwortete: "Hast du nicht gesehen, wie gut er aussieht? Und seine eleganten Bewegungen..." Ehe sie weiter reden konnte, ertönte Gerumpel aus dem oberen Stockwerk.
"Vielleicht ist Tresendienst doch nicht so öde...", bemerkte Nyria mit einem Blick nach oben.
In halsbrecherischem Tempo stolperte Braggasch die Treppe hinunter, fing sich, kurz bevor er mit dem Kopf gegen die Wand knallte, mit den Armen ab, und kam trudelnd neben dem Tresen zum Stehen.
Die Rekrutin salutierte läppisch. "Auch auf der Flucht, Sör?", fragte sie grinsend.
"Äh... was?" Leicht benommen schüttelte Goldwart den Kopf.
"Nichts weiter."
"Wie auch immer. Äh... hast du Sebulon gesehen, Rekrut?"
"Rekrutin."
Der Späher winkte ab. "Wie auch, äh, immer."
"Sebulon, Sohn des Samax, Sör? Der Püschologe?"
"Genau, äh, der, Rekrut... in."
"Mittelgroß für nen Zwerg? Trägt immer so einen dämlichen Werkzeuggürtel mit sich herum?"
"Ja... äh... ja." Ungeduldig trat Burkhards Sohn von einem Fuß auf den anderen.
"Rennt machmal schreiend über den Gang?"
Der Lance-Korporal zögerte. "Äh... wie auch, äh-"
"- Immer. Ich verstehe schon, Sör." Nachdenklich tippte sich die Werwölfin an die Lippe. "Ist der nicht mittlerweile Ausbilder bei Grund?"
Deprimiert schlug sich Braggasch die Hand an den Helm. "Natürlich! Äh... danke." Schon eilte er aus der Tür und schlug nach kurzem Zögern den Weg Richtung Kröselstraße ein.
Nyria Maior sah ihm Kopfschüttelnd nach. "Irgendwie ist der seltsam, oder Mäm? Mäm?"
Zögerlich kam Olga wieder zum Vorschein. "Ich dachte, er sei es wieder...", erklärte sie leise.
Die Rekrutin schmunzelte.

"*'*'*"

"Es gibt natürlich mehrere Formen des Verhörs, aber die beiden Gewinnbringensten sind? Na? Ja, Lantania?"
"Belohnung, Sör?", spekulierte die Frau.
Sebulon nickte gönnerhaft. "Sehr nah dran."
"Dann vielleicht Spass?"
"Das nun wirklich nicht.", lachte der Zwerg.
Alois Kühn meldete sich artig. Samax Sohn nickte ihm zu.
"Ich bin hier, Sör."
Der Ausbilder kniff die Augen zusammen, änderte die Blickrichtung und nickte dem anderen Kühn ebenfalls zu.
"Sümpatie?"
"Was ist jenes?", ertönte eine raue Stimme aus einer Ecke des Ausbildungsraums. Talara Tatum war dorthin verbannt worden, da sich die anderen Rekruten vor seinem Anblick ekelten.
Alois vermied es, sich um zudrehen, als er antwortete: "Das ist, wenn die Gefangenen davon ausgehen, dass man nett zu ihnen ist."
"Wenn der Halunke nicht spricht, so bestehen wohlig bessere Methoden, ihm des Gesprächigen zu entlocken."
Sebulon, der froh war, dass die bindenlose Mumie ihren großen, antiquierten Kriegshammer nicht mit zu den theoretischen Ausbildungen nehmen durfte, räusperte sich. "Ich denke, wir wissen, was du meinst, Talara, und ich wäre dir dankbar, wenn du die Rippe wieder zurückstecken würdest. Danke." Aaron Sorgenvoll musste bei dem Geräusch, dass daraufhin entstand, würgen. "Aber sowohl du als auch Alois haben Recht:", fuhr der ehemalige Püschologe äußerlich ungerührt fort. "Die eine Möglichkeit ist Sympathie. Wir suggerieren demjenigen, den wir verhören wollen, dass wir sein bester Freund sind und seine einzige Möglichkeit, heil aus dieser oder jener Sache hinaus zu kommen. Oder aber, und das ist es, was unser großer Freund aus der Ecke hoffentlich meinte: wir jagen ihm Angst ein. Ein verängstigter Gesetzesbrecher wird, bei richtiger Befragung, derart von seinen Emotionen bedrängt, dass er... dass er... Wie heißt das Wort?"
"Nervenzusammenbruch?", schlug Aaron vor.
Der Ausbilder schüttelte den Kopf. "Nein, ich meine etwas anderes... eine Art Bausubstanz..."
Kühn zuckte mit den Schultern. "Holz? Stein? Schei-"
"Das auch nicht... man benutzt es zum Licht machen."
"Sage ich doch: Sch-"
"Alois!"
"Meinen sie vielleicht Gas, Sör?", versuchte Lantania ihr Glück.
"Nein... nein... Ha! Wachs! Dass er Wachs in unseren Händen ist."
Die Rekruten nickten verstehend.
"Die große Frage ist natürlich: Wie machen wir das? Nehmen wir einmal an-"
Sebulons Erklärung wurde von dem Krachen der Tür unterbrochen, als diese schwungvoll gegen die Wand schlug. Im nächsten Moment warf sich jemand mit Wucht gegen ihn und sie gingen gemeinsam zu Boden.
Samax Sohn keuchte, als ihm der Boden nachhaltig die Luft aus der Lunge drückte.
Einige Blätter schwebten langsam zu Boden, sonst war es still.
"Das...", meinte der zuvor Dozierende, während er sich bemühte, seinen Angreifer zur Seite zu schieben, "ist Lance-Korporal Braggasch Burkhardssohn Goldwart. Späher bei FROG und vielleicht bald ebenfalls einer eurer Ausbilder." Sebulon gab die Versuche, den ihn fest umklammernden Zwerg fort drücken zu wollen, auf und seufzte. "Würdest du bitte von mir runter gehen, Gol... Braggasch?"
Einige Rekruten begannen zu kichern.
Goldwart hob den Kopf von der Brust seines Freundes und sah sich um. Schweiß stand auf dem vor Anstrengung roten Gesicht und die dünnen Locken ragten zu allen Seiten ab. Mühsam versuchte er den schnell gehenden Atem zu unterdrücken, als er von Sebulon abließ und sich auf rappelte. Dieser erhob sich ebenfalls, klopfte seine Kleidung ab und befahl, mit Fingerzeig auf den paralysierten Späher: "Rekruten, begrüßt den Lance-Korporal."
"Guten Tag, Sör", kam es aus den Mündern der Versammelten.
Nach einem Stoß seines Freundes brachte Burkhards Sohn stammelnd hervor: "Äh... ja, äh, danke, ja. Äh... Guten, äh, Tag."
"Wenn ihr uns entschuldigen würdet...", fügte Sebulon lächelnd an und komplimentierte den verwirrten Zwerg aus dem Raum. Im Flur schloss er die Tür. "Hättest du die Güte, mir zu erklären, was dein Auftritt eben sollte?"
"Äh... sie war also noch nicht da?"
"Müsste ich verstehen, wovon du redest?"
Goldwart rieb sich peinlich berührt den Nacken. "Nein, äh... dann wärst du ja schon tot..."
"Wovon zur Kerkerdimension sprichst du?"
Sein Gegenüber tippte auf die Wachemarke, die an seinem Hemd befestigt war. "Tanja Witwenmacher, die, äh, Assassinin. Sie soll einen Wächter mit, äh, dieser Nummer inhom... inhusi... töten. Also... äh... dich."
"Einen Moment." Sebulon hob den Finger an die Lippen, schlich drei Schritte zu der Tür des Ausbildungsraumes zurück und öffnete diese ruckartig. Lantania vom Silberwald blickte überrascht zu ihm auf. "Du darfst aufstehen, Rekrutin. Und ich wäre dir dankbar, wenn du das Lauschen unterlassen würdest, danke." Er schloss die Tür wieder, bevor Lantania sich fangen konnte und kehrte zu seinem Freund zurück. "Goldi, möchtest du, dass wir mal eine Sitzung ausmachen?"
"Ich, äh, bin nicht verrückt, Gürtel. Ich weiß, was mir, äh, fast passiert wäre. Du bist in Lebensgefahr." Ernst sah Goldwart den Püschologen an, bis dieser widerwillig nickte.
"Na schön. Was soll ich deiner Meinung nach tun?"
"Versteck dich... äh... zieh dich für eine Weile aus dem Dienst zurück, bis ich, äh, Nachforschungen angestellt habe, wer die, äh, Assassinin bezahlt."
Samax Sohn schüttelte den Kopf. "Nein, Goldi. Erstens habe ich keine Lust, in irgend einem Loch zu versauern, und zweitens bin ich für die Rekruten verantwortlich. Du musst dir einen anderen Plan ausdenken."
"Es geht um dein, äh, Leben, Sebu!"
"Mit dem ich machen kann, was ich für richtig halte.", erwiderte dieser felsenfest.
Braggasch presste die Lippen zusammen. Nach einer Pause sagte er. "Dann, äh, werde ich dich wenigstens beschützen."
"Gerne.", lächelte Sebulon versöhnlich und wies zur Tür. "Nach dir. Wenn ich es mir genau überlege, kann ich dich sogar gerade sehr gut gebrauchen..."

"*'*'*"

"Fum letften Mal, Ruppert, körperlich gefehen bift du völlig gefund!"
Der Llamedosianer schüttelte entschieden den Kopf. "Was ist dann mit dem Stechen in der Brust? Und der Müdigkeit?"
Rogi reichte dem Vektor sein Hemd zurück. "Dein Atem geht für einen Menfen deinef Alterf normal. Haft du in letfter Feit vielleicht einfach fu wenig Flaf bekommen?"
"Das ist es nicht. Ich bin krank!", widersprach ag LochMoloch.
"Es könnte eine Art Tumor sein...", warf Jargon Schneidgut von der Seite ein.
Die Sanitäterin bedachte ihn mit einem mürrischen Blick. "Ef freut mich, daff du dich verftärkt der Medifin widmen willft, Gefreiter, aber deine unqualififierten Diagnofen gehen mir langfam aber ficher auf den Geift!"
"Er behauptet wenigstens nich, dass alles nur'n Hirngespinst wäre!", funkelte Ruppert sie an.
"Aber genau daf ift ef!"
Jargon legte Zeigefinger und Daumen um sein Kinn. "Eventuell eine seltene latatianische Krankheit?"
"Hörft du jetft wohl auf damit?"
"Nein, mach weiter, was meinst du?"
Die Igorina drehte sich entnervt zu ihrem Patienten um. "Brauchft du eine Aufrede, um kurffriftig vom Dienft fufpendiert fu werden? Beantrage doch Urlaub, und geh mir nicht auf die Nerven!"
Anklagend deutete ag LochMoloch mit dem Finger auf sie. "Du interessierst dich gar nicht für deine Patienten! Ich sterbe!"
"Fön wärf!"
"Oder der Biss einer magisch veränderten Spezies?" [2]
Ruppert sprang von der Liege auf und schnappte sich Jargons Handgelenk. "Komm mit. Ich lass mich jetzt von jemandem untersuchen, der Ahnung hat!" Mit diesen Worten zog er den verdutzten Gefreiten aus dem Behandlungszimmer.
Gereizt warf Rogi ihre Untersuchungsgeräte auf den Tisch und stützte sich an der Liege ab. Es dauerte eine Weile, bis sie sich wieder halbwegs beruhigt hatte. Sie beschloss, vorsichtshalber eine Memo zu verfassen.

"*'*'*"

Noch immer Zitternd saß der Späher in der Kantine des Wachehauses am Pseudopolisplatz. Sebulon reichte ihm einen Tee.
"Tut mir leid, Goldi, ich hätte niemals gedacht, dass er das tun würde..."
Dankbar nahm Braggasch die Tasse entgegen. "Ich... hatte, äh, Glück, dass ich mich noch... weg ducken konnte..."
"Nun ja, aber immerhin musst du zugeben, dass du danach alles gestanden hast..."
"Obwohl ich gar nichts, äh, getan habe!"
"Erstaunlich, nicht wahr?"
Jemand tippte Samax Sohn auf die Schulter. "Ja, bitte?", fragte er höflich und blickte in das ausdruckslose Gesicht Inspäctor Kolumbinis.
"Du bist Püschologe?"
"In der Tat. Momentan zwar Ausbilder der Rekruten, aber ich denke, ich kann dir helfen."
"Das ist gut." Fred griff in eine seiner Manteltaschen und zog Septimus Ebel daraus hervor, den er zwischen die beiden Zwerge auf den Tisch stellte. Der kleine Lance-Korporal rührte sich nicht. "Ich habe einen Auftrag vom Abteilungsleiter bekommen, den ich mit Ebel ausführen sollte und fand ihn so in seinem Büro. Eine Ahnung, was da los ist?"
Sebulon kratzte sich am Kopf, packte Septimus vorsichtig an einem der Arme und hob ihn hoch. Der verdeckte Ermittler war wie aus Holz geschnitten. Samax Sohn drehte ihn um. Keine Reaktion, bis auf einen schnell rot anlaufenden Kopf.
"Er... atmet noch, soweit ich das feststellen kann."
"Deshalb dachte ich mir, dies wäre ein Fall für einen Püschologen, nicht wahr?", bestätigte Kolumbini. Lustlos wandte er sich ab. "Sagt mir bitte Bescheid, wenn sich etwas ändert. Ich bin in meinem Büro." Gemütlich trabte er aus dem Raum.
"Äh... darf ich?", fragte Braggasch, zog die Lupe, welche am Helm befestigt war, herunter, ergriff den Gnom und betrachtete ihn genau. "Er, äh, zittert."
"Wie meinst du das?", wollte Sebulon interessiert wissen.
"Anspannung, würde ich sagen... äh..."
"Du meinst, er krampft sich zusammen?"
Goldwart nickte. "Ja. Äh, und seine Augen zucken."
"Setzt ihn bitte auf den Tisch und versuch mal, ob du seine Arme hoch biegen kannst." Der Püschologe stand auf. "Ich habe eine Idee."
Sein Freund zuckte mit den Schultern und setzte Septimus wieder ab, während Samax Sohn zur Theke ging und sich einen Stapel Teller holte um damit zum Tisch zurück zu kehren.
"Hast du es geschafft?"
"Äh... ja. Aber es war ganz und gar nicht einfach. Er ist, äh, stark."
"Du solltest nicht so reden, als wäre er nicht da..." Sorgsam begann Sebulon die Teller auf den beiden kleinen, nach oben deutenden Hände zu balancieren. "... ich glaube nämlich, er bekommt sehr wohl alles mit..."
"Ist das nicht, äh, zu schwer für ihn?"
"Das will ich doch hoffen." Nachdem sein Werk vollbracht war, setzte sich der Püschologe wieder und beobachtete den tellertragenden Gnom interessiert. "Die Kleinen sind zwar stark, aber so eine Dauerbelastung trägt vielleicht ihre Früchte."
Tatsächlich begannen die Gesichtsmuskeln Ebels allmählich zu zucken, als er versuchte, die Körperspannung aufrecht zu erhalten. Ein merkliches Zittern durchlief den kleinen Körper, dann brach er zusammen. Das Klirren hallte durch die gesamte Kantine und lies Frau Piepenstengel böse funkelnde Blicke in Richtung der beiden Zwerge werfen.
Vorsichtig zog Sebulon den Gnom aus dem Berg von Tellern.
"Hey!", beschwerte dieser sich wütend und erschöpft. "Warum hast du das gemacht?"
"Um genau diesen Effekt zu erzielen. Du hast dich freiwillig versteift."
"Natürlich!" Stolz schwang in Septimus Stimme mit.
"Warum?"
Ebel sah den Püschologen an, als hätte dieser nicht mehr alle Latten am Zaun. "Dämliche Frage. Um hübsch auszusehen, natürlich."
"Du wolltest eine kleine Statue sein?"
"Klar!"
"Und wieso?"
Der Gnom blinzelte. "Ich... habe keine Ahnung. Einfach weil es richtig ist."
"Du hältst es für richtig, eine Statue zu sein?"
"Es ist meine Aufgabe."
Zweifelnd blickte Sebulon zu seinem Freund, doch der zuckte nur mit den Schultern. "Ich glaube, über so ein Verhalten muss ich erst einmal nachlesen."
"Mach das, Püscho", meinte Ebel gönnerhaft. "Pack mich solange in eine Vitrine, ja?" Mit diesen Worten stellte er sich in eine heldenhafte Pose und verharrte. Seine Augen nahmen einen abwesenden Glanz an.

"*'*'*"

Grunbald setzte sich und rieb erschöpft mit der Hand über die Glatze. Ein hartes Stück Arbeit lag hinter ihm. Er hatte den Rat des Zauberers befolgt und sich stets, wenn der Drang ihn quälte, eine weite Seenlandschaft voller üppiger Wasserpflanzen und fern jeder Zivilisation vorgestellt. Es beruhigte ihn. Der Schrank von Mann überlegte sogar, ob er nicht auswandern und diesen Ort finden sollte. Fern von allem. Fern von dem Geräusch auf Tassen schlagender Löffel, fern von dem beißenden Gestank eines unterdrückten Rülpsers, fern aller flüchtiger, nervenaufreibender Berührungen. Setzte sich Grunbald Haufern in ein Restaurant, raubten ihm der ohrenbetäubende Lärm und die miasmatischen Gerüche der übrigen Gäste fast den Verstand. Ging er durch die Straßen, erschien ihm jeder unvorsichtige Rempler wie ein Reibeisen auf seiner Haut. Da konnte es schon einmal passieren, dass man... Der Sitzende schauderte, als sich die Bilder in sein Bewusstsein schlichen.
Die Stadt verlassen. Es musste sein. Er durfte keine Zeit mehr verlieren. Die Familie würde sich mit einem kurzen Abschiedsbrief zufrieden geben müssen - bisher hatte sie ihn ja auch nicht großartig beachtet oder ihm gar versucht zu helfen.
Grunbald stemmte sich aus dem Korbsessel und begann damit, die wichtigsten Dinge aus seiner geruchfreien Einrichtung zusammen zu packen.
So vertieft war er in seine Arbeit, dass er das schabende Geräusch von Glas auf Glas für seine Verhältnisse sehr spät wahrnahm. Ein Umstand, der ihm das Leben kostete.
Eine schlanke Gestalt stand auf dem Fenstersims seiner im zweiten Stock liegenden Wohnung und schnitt mit einem Gegenstand, den Grunbald nicht kannte, ein Loch in seine Fensterscheibe. Es war eine Frau, wie Haufern erkannte, aber selbst, nachdem sie ihre Arbeit erledigt hatte und das runde Scheibenfragment klirrend nach innen fiel, konnte er keinen charakteristischen Geruch an ihr ausmachen. Sie roch völlig durchschnittlich und in ihrer schwarzer Kluft sah sie auch genau so aus.
Grunbald sträubte das Nackenfell, welches ihm mittlerweile instinktiv gewachsen war.
Nein!, rief er sich in Erinnerung, Tu es nicht! Du hast die Kontrolle! Eine Seenlandschaft! Eine ruhige Seenlandschaft!
Die Schmerzen, die er daraufhin spürte, waren unbeschreiblich. Fünf kleine Projektile trafen ihn in schneller Abfolge in die Brust.
Silber...
Grunbald "Haufern" Schwarzborst brach unter spastischen Zuckungen zusammen und stöhnte eine lange Weile vor Schmerzen, bis er endlich still lag.
Die Gestalt am Fenster hatte den Todeskampf ohne emotionale Regung mit angesehen, nun senkte sie die modifizierte Armbrust, warf ein kleines Zettelchen durch das Fensterloch in den Raum und zog sich an ihrer Kletterausrüstung wieder auf das Dach. Leise knisternd flatterte die Quittung durch den Raum und blieb unweit des inhumierten, blutenden Werwolfs liegen.


"*'*'*"

So sehr sich Sebulon bemühte, er schaffte es nicht die Worte sein Hirn erreichen zu lassen. Schon fünf mal hatte er den Abschnitt gelesen. Seine Augen ergriffen die Sätze, sendeten sie ordnungsgemäß weiter, aber der Zwerg verstand sie nicht. Das hatte einen ganz bestimmten Grund.
Genervt senkte Samax Sohn den dicken Wälzer und sah seinen Freund streng an, bis dieser den Blick hob. Das regelmäßige, quietschende Geräusch verebbte.
"Was, äh, ist?"
"Ich kann mich nicht konzentrieren."
"Äh..."
"Deine Putzfreudigkeit."
Braggasch sah auf das abgegriffene Ledertuch in seiner Hand, mit dem er seit geraumer Weile den geerbten Dolch polierte. Die Waffe blinkte mittlerweile wie neu.
"Wenn du das Ding noch länger reinigst, ist es bald stumpf.", bemerkte Sebulon unfreundlicher als er gewollt hatte. Er seufzte. "Hör zu, Goldi, ich freue mich wirklich, dass du mich beschützen willst, aber erstens glaube ich, dass Valdimier inzwischen nach dir suchen wird, und zweitens lenkst du mich von meiner Arbeit ab. Statt hier herum zu sitzen und dauernd zum Fenster zu schauen könntest du doch versuchen Frau Witwenmacher davon abzuraten mich umbringen zu wollen, was meinst du?"
Goldwart wackelte mit dem Kopf. "Du weißt doch, wie Assassinen sind, äh, wenn es um ihre Aufträge geht. Ist eine Ehrensache und, äh, so..."
"Seltsam. Ich erinnere mich daran, dass du, als du hier anfingst, dauernd meintest, wie blödsinnig das Gildensystem sei und dass du dich niemals daran gewöhnen würdest, dass Morden und Stehlen legal ist."
"Ja, äh, schon. Aber sie haben den Rückhalt vom Patrizier... äh... und der Kommandeur ist auch immer wütend, wenn ich, äh, mich in Gildenangelegenheiten einmische...", gab Braggasch zu bedenken.
Sebulon hob den Zeigefinger. "Dann musst du eben etwas finden, was an ihrem Tun dem Gesetzt nach verboten ist."
"Außer dem, äh, Töten, meinst du?"
"Außer dem Töten."
Nachdenklich legte Burkhards Sohn eine Hand an den Helm. "Naja... äh..."
"Ja?"
"Die, äh, Schussgeschwindigkeit schien mir doch sehr hoch zu sein, als sie mich, äh, im Druckraum überfiel. Eine normale Standardarmbrust dürfte nicht derart schnell nachzuladen sein - die Sehnen würden ein solch ruckartiges Spannen gar nicht aushalten. Selbst kleine Hand- oder Ladearmwaffen benötigen ihre zehn bis zwanzig Sekunden, bis sie wieder schussbereit sind. Sie könnte natürlich auch einen Aufsatz oder ein Magazin verwendet haben, oder zwei Miniarmbrüste, die sie nacheinander abgefeuert hat, aber dafür waren die Bolzen zu groß...", betete Braggasch sein Wissen herunter.
Sein Freund lächelte. "Das heißt?"
"Die einzige Möglichkeit, die mir spontan in den Sinn kommt, wäre die Version einer mehrläufigen Waffe oder auch Trommelarmbrust."
"Trommelarmbrust?"
"Ist, äh, noch in der Testphase. Sechs oder acht röhrenförmige Läufe werden mit einzelnen Spannarmen und Sehnen versehen und in einem Kreis aneinander geschweißt, aber dennoch durch den gleichen Auslöser betätigt, der dann dafür sorgt, dass das gesamte Konstrukt eine Röhre weiter rutscht. Sehr aufwendig und teuer. Wahrscheinlicher ist der Mehrlauf. Etwas ähnliches, aber mit dem Unterschied, dass einfach mehrere normale Armbrustläufe untereinander angebracht werden. Nun kann man sie alle gleichzeitig, oder, mit der entsprechenden Technik, schnell nacheinander abfeuern."
"Und weiter?" Sebulon lächelte noch immer. Er wusste natürlich, was jetzt kam.
"Nun... äh... sie sind verboten. Beide Varianten. In etwa so wie Bolzen mit, äh, Widerhaken.", murmelte Goldwart nachdenklich. Dann erhellte sich sein Gesicht.
Samax Sohn klopfte ihm auf die Schulter. "Exakt. Wäre zwar dein erster selbstständiger Einsatz, aber wenn du zumindest den Verdacht auf unerlaubten Waffeneinsatz vorbringen kannst, egal ob er sich nun bewahrheitet oder nicht, kann weder Tanja Witwenmacher, noch Breguyar, noch der Patrizier selbst etwas gegen deine Ermittlungen sagen."
Braggasch stand auf und sagte mit fester Stimme: "Ich werde deine Mörderin, äh, aufhalten, Gürtel."
"Ich wäre dir sehr verbunden.", erwiderte Sebulon ernst, fast feierlich. "Und jetzt lass mich bitte arbeiten."
Der blonde Zwerg nickte, reichte ihm die Hand zum Brudergruß und rauschte voller Enthusiasmus aus der Tür des Ausbilderbüros.
Manchmal hat es einfach Vorteile, Püschologe zu sein..., erlaubte sich Samax Sohn den Gedanken. Dennoch überprüfte er sicherheitshalber, ob sein Freund die Tür gut geschlossen hatte.

"*'*'*"

Sorgsam vernähte Huitztli den langen Schnitt an der Brust des Toten. Er war ein wenig enttäuscht, hatte er doch gehofft, dass ein Magier eine andere Körperfüllung aufwies, als der übliche Bürger. Aber es war wie immer: Lagen sie erst hier unten auf dem metallenen Tisch, waren sie alle gleich. Der Wasserspeier legte die benutzten Skalpelle, Sonden und Spreitzer in dafür vorgesehene Reinigungsbehälter, bevor er sich die steinernen Hände wusch. Erst dann deckte er den verstorbenen Mann mit der beeindruckenden Bart- und Lockenpracht mittels eines weißen Tuchs zu.
Die Tür zur Pathologie öffnete sich.
Menélaos Schmelz steckte den Kopf herein. "Ah, Huitztli! Gut, dass du noch da bist." Schwungvoll stieß er die Tür ganz auf. "Bringt ihn rein, Jungs."
Zwei Rekruten, Pochtli unbekannt, daher wahrscheinlich Frischfleisch, trugen unter Stöhnen einen muskulösen, kahlköpfigen Mann herein und legten ihn auf einer freien Liege ab. Überall auf den sichtbaren Hautflächen des Toten sprossen Haarbüschel hervor, das Gesicht hatte sich unnatürlich nach außen hin verformt. Fünf glänzende Armbrustbolzen ragten aus seinem Körper.
"Interessant", diagnostizierte der Gerichtsmediziner.
"Nicht wahr?", erwiderte Menélaos lächelnd. "Wir fanden ihn in seiner Wohnung. Lizenzierter Mord. Eine Nachbarin hatte beängstigendes Stöhnen gemeldet. Da ich sowieso Streifendienst hatte, habe ich mir zwei Rekruten geschnappt und die Sache angesehen. Übrigens, Jungs, ihr dürft Pause machen." Erleichtert verschwanden die beiden jungen Männer aus dem gruseligen Raum.
Huitztli war inzwischen mit frischem Werkzeug an den ebenso frischen Korpus getreten und entfernte geschickt die Projektile. Sorgfältig betrachtete er sie im Licht. "Ich bin kein Experte was Waffen angeht, aber die hier sehen genau so aus, wie jene Bolzen, die ich aus dem bedauernswerten Zauberer gezogen habe." Ein schwarz-grauer Finger deutete auf den abgedeckten Körper. "Nur, dass diese hier eindeutig aus Silber sind."
"Ein Zauberer?", fragte der Kondichemiker interessiert, wagte es aber nicht, näher an den Toten heranzutreten.
"In der Tat. Dankbar Suppenhuhn, Dozent für wirres Denken und umgedrehte Persönlichkeiten, sagt zumindest sein Mitgliedsausweis des 'Alljährlichen Esswettstreits in Hagar's Rippenstube'. Er wurde heute Morgen gebracht. Muss die ganze Nacht über herum gelegen haben, der fortschreitenden Verwesung nach."
Schmelz wich noch einen Schritt zurück. "Eher selten, dass sich die Professoren außerhalb der Universität sehen lassen."
"Ja." Huitztli beugte sich über seinen neuen Fall. "Eindeutig Lykaner, das kann jeder sehen. Wurde schon zu Anfang seiner Verwandlung gestoppt. Das Silber im Körper verhinderte wohl eine Rückverwandlung nach dem Tod."
"Du meinst also, der Werwolf und der Magier wurden mit der gleichen Waffe ermordet?"
Der Wasserspeier legte den Kopf schief. "Dem Einschusswinkel und der Präzision nach sogar von dem gleichen Mörder. Du sagst, dein Fund war lizenziert?"
"Ja. Eine Kwittung lag bei."
"So war es auch bei dem Zauberer."
"Ein fleißiger Assassine...", staunte der Kondichemiker. "Wer bearbeitet den Fall des Zauberers?"
Huitztli war so sehr in seine Arbeit vertieft, dass er eine Weile brauchte, um zu antworten: "Ophelia Ziegenberger, glaube ich."
"Die stellvertretende Abteilungsleiterin macht den Papierkram für einen lizenzierten Mord? Nun ja, immerhin war es ein Professor der Unsichtbaren Universität, die wollens immer ganz genau wissen. Dann werde ich ihr die neusten Ereignisse besser mitteilen, mal sehen, ob sie etwas daraus für den Fall Suppenhuhn entnehmen kann." Abgesehen davon, dass ich Ophelia so einmal mehr zu Gesicht bekomme... vielleicht lässt sie mich den Fall mit ihr zusammen bearbeiten? "Danke dir!"
"Ist ja mein Dschob." Kurz nachdem Menélaos gegangen war, wunderte sich der Gerichtsmediziner über einen auffälligen Himbeer-Melisse-Geruch.

"*'*'*"

Goldwart verließ das Gebäude an der Kröselstraße und eilte zum Pseudopolisplatz, um seine Ausrüstung für die bevorstehende Jagd zusammenzutragen. Insgeheim machte er Baupläne für seine eigene Variante der Trommelarmbrust.
Das Geschrei, welches aus dem Wachegebäude drang, ließ ihn seinen Schritt verlangsamen. Vorsichtig öffnete er die Tür und blickte in Rupperts Rücken. Neben dem stattlichen Llamedosianer stand Jargon Schneidgut, der sich anscheinend so klein wie möglich zu machen versuchte. Grund des Tumults war Olga Maria Inös, die, in einen Weinkrampf verfallen, mit einem Gegenstand, in dem der Zwerg nach genauerem Hinsehen Septimus Ebel erkannte, schreiend auf die Rekrutin Nyria ein drosch, welche sich mit Hilfe der Ausbilderin Kanndra und einer anderen Rekrutin, die Braggasch in Sebulons Unterricht gesehen hatte und deren Name Lantania lautete, wie er sich erinnerte, vor den Angriffen der Hauptgefreiten in Sicherheit brachte.
"Du hast es ihm gesagt!", kreischte Olga aufgebracht und versuchte eine weitere Attacke, der Nyria jedoch gekonnt auswich. Septimus schien diesen Verwendungszweck seiner Selbst stoisch hinzunehmen, er verharrte noch immer in der Haltung, die er nach dem Gespräch mit den beiden Zwergen angenommen hatte. "Dazu hattest du kein Recht!"
Die Rekrutin hob verzweifelt die Arme. "Ich wollte doch nur helfen!"
"Du hattest kein Recht!", wiederholte Inös.
"Sie wollte doch nur helfen, Olga!", mischte sich Rupper ag LochMoloch müde rufend ein. "Glaub mir, ich hätte deine Liebe gerne erwidert, aber ich bin ein todgeweihter Mann. Alle Gefühle zu mir wären verschwendet!"
"Du!" Olga drehte sich mit tränennassen Augen zu ihm. "Und warum hast du mich dann immer so angesehen?"
Der Vektor schüttelte verdutzt den Kopf. "Wie denn?"
"Wie??", kreischte die junge Frau und warf in ihrer Wut den einzigen Gegenstand, der ihr momentan zur Verfügung stand - den Gnom.
Ebel segelte im hohen Bogen durch die Luft und verfehlte den sich weg duckenden Ruppert um Haaresbreite. Aus reiner Intuition heraus - denn Goldwart war viel zu schockiert von der Szene, die sich ihm bot, um rational denken zu können - machte der Späher zwei schnelle Schritte vorwärts und fing den stocksteifen Lance-Korporal auf. Indessen tobte der persönliche Kampf weiter.
"Ich habe dir niemals verlockende Blicke zugeworfen!", beeilte sich ag LochMoloch zu erklären. "Wann hätte ich denn die Gelegenheit dazu haben sollen?"
Für einen Moment schien Olga ernsthaft verwirrt. "Aber... ständig hast du... hast du nicht?"
Ruppert schüttelte den Kopf. "Ich weiß, dass ich sterben werde, da werde ich meine Qual nicht noch mit anderen teilen." Heldenhaft legte er eine Hand auf die Brust.
"Du wirst sterben?", echote Inös. Weitere Tränen schossen in ihre Augen.
Nun meldete sich Jargon zu Wort: "Ja, in der Tat. So Leid es mir tut, aber ich habe es mehrfach überprüft. Die Krankheit, die dieser gute Mann hier hat, ist in unserer momentanen medizinischen Lage unheilbar."
"Wie schrecklich...", verzweifelt suchte Olga etwas, um ihre Tränenflut aufzufangen.
Braggasch hatte sich inzwischen zu seiner ehemaligen Späher-Ausbilderin Kanndra durchgekämpft. "Äh... was, äh, ist denn hier los?", verlangte er zu wissen.
Mambosamba zuckte nur mit den Schultern. "Wenn ich das wüsste. Ich habe die Rekrutin Lantania hier zu ihrem ersten Tresendienst begleitet, um Nyria abzulösen."
"Was auch verdammt noch mal Zeit wird", fuhr die zuletzt Genannte mürrisch dazwischen. "Ich brauche unbedingt eine Kippe."
"Ja. Auf jeden Fall erschien ag LochMoloch mit Schneidgut im Schlepptau. Nyria sagte etwas, darauf hin ist Inös ausgerastet."
Die werwölfische Rekrutin hob hilflos die Arme. "Ich wollte doch nur helfen, weil sie sich so furchtbar in ihn verknallt hatte und so..."
Goldwart sah von der einen zur anderen. "Wie, äh, bitte? Ausgerastet? Verknallt? Äh... als wir gestern gemeinsam, äh, eine Pause gemacht haben, habe ich davon, äh, aber noch nichts bemerkt..."
"Nun ja, diese Dinge sind auch nicht unbedingt dein Fachgebiet...", entschied Kanndra mit einem mitleidigen Blick.
Plötzlich wurde der dünne Zwerg gepackt und mit einem kräftigen Schwung herum gedreht. Ruppert blickte auf ihn hinab. "Was hast du da eben gesagt?"
"Äh..."
"Du hast von gestern gesprochen, stimmt's?"
"Äh..."
"Und das da noch alles normal war, stimmt's?"
"Äh..."
"Das isses!" Der Llamedosianer drehte den Kopf zu Olga und Jargon. "Er ist schuld!" Anklagend deutete er auf den Späher.
"Äh... was?" Entsetzt wich Braggasch einen Schritt zurück.
"Natürlich!", nahm Schneidgut den Faden auf. "Gestern hast du noch nicht diese Krankheitsbilder aufgewiesen, Ruppert!"
Der Angesprochene wischte das Argument mit einer Handbewegung beiseite. "Ha! Gestern hast du dich noch gar nicht mit so was ausgekannt!"
"Gestern hatte ich mir meine Gefühle noch nicht eingestanden...", flüsterte Inös schniefend und blies somit in das selbe Horn. "Und Septimus war noch quietschlebendig." Ihre Worte richteten sich an den Gnom, der noch immer steif in Goldwarts Hand ruhte.
"Äh... Moment, äh, ich, äh..."
Aber Ruppert hörte ihm gar nicht zu. "Es ist alles wie in der verfluchten Geschichte! Olga ist die schüchterne Felia, Schneidgut hält sich für einen großen Arzt, Ebel für eine für eine Glas-Statuette und ich muss sterben!" Brutal ergriff er Braggaschs Rever und zog ihn hoch, so dass der Zwerg auf Zehenspitzen stehen musste. "Mach das sofort rückgängig!"
"Äh, wie, äh, äh, ich, äh, so etwas ist noch nie, äh...", stammelte der Zwerg.
Ein Ruf durchbrach die Szenerie: "Schluss jetzt!" Energisch zog Kanndra Hauptgefreiten und Lance-Korporal auseinander und stellte sich zwischen die Beiden. "Zu aller erst werden wir uns jetzt alle mal wieder beruhigen, um dann gemeinsam nach einer Lösung zu suchen, klar soweit?"
Widerstrebende Zustimmung ertönte.


"*'*'*"

"Wie siehts'n aus?"
"Deswegen bin ich hier. Der Werwolf wurde vertragsmäßig inhumiert."
"Un' der Wächter?"
"Das gestaltet sich etwas schwieriger..."
"Was? Verdammich! Du solltest den doch direkt nach'm Zauberheini umnieten!"
Die junge Frau hob stolz das Kinn. "Wir sind nicht per du, sondern reine Geschäftspartner. Es gab... Komplikationen."
"Verflucht und zugespitzt, was'n für verdammte Komplikationen?"
"Unwichtig. Es wäre jedenfalls hilfreich gewesen, seinen vollen Namen zu kennen."
"Ich hab' doch schon gesacht, dasswer keine Namen genannt hab'n. Machen Se ihren verdammten Dschob, oder das verdammte Geld könnse vergessen."
"Das habe ich vor. Sehr bald."


"*'*'*"

Sebulon erwachte. Fröhliches Gurren der leidigen ankh-morporkschen Stadttaube drang an sein Ohr. Wieder einmal bohrte sich etwas längliches, spitzes mit Nachdruck in seine Wange. Der Zwerg stöhnte, als er der Rückenschmerzen gewahr wurde. Ich sollte mir wirklich abgewöhnen, im Büro ein zu schlafen... oder zumindest diesen elenden Bleistift los werden... Langsam schlug er die Augen auf. Der Morgen begrüßte ihn mit ekelhaft grellem Sonnenlicht, welches durch das Fenster drang. Hatte er nicht die Fensterläden vorsorglich geschlossen gehalten? Mühsam richtete er sich auf. Mehrere Wirbel knackten.
Vor seinem Schreibtisch stand Kommandeur Araghast Breguyar, den Lance-Korporal ungeduldig musternd.
So schnell es sein von der unbeabsichtigten Nachtruhe geschundener Körper zuließ stemmte sich Samax Sohn in die Höhe und salutierte zackig. "Sir. Verzeihung, mich so vorfinden zu lassen, Sir."
Araghast hob beschwichtigend die Arme. "Aber, aber, mein Guter. Bitte setzt dich wieder, ich möchte nicht, dass du dir etwas tust."
Verwirrt lies sich der Zwerg zurück auf den Stuhl plumpsen.
"Die ganze Wache macht sich deinetwegen Sorgen", fuhr der Kommandeur einschmeichelnd fort, "und ich wollte dich persönlich bitten, mal ein wenig ruhiger zu treten." Er griff in seine Brusttasche und nahm einen Brief heraus. "Ich habe dir hier bezahlten Urlaub unterschrieben. Meinst du, ein Monat genügt?"
"Sir...?"
"Nun, dann wohl eher zwei. Natürlich hätte ich das Dokument einfach einem Rekruten übergeben können, aber so ist es persönlicher, nicht wahr?"
Sebulons Gesicht nahm einen gequälten Ausdruck an. "Sir, was...?"
Breguyar unterbrach ihn abermals. "Ich habe dir auch einen Tee gemacht, wenn du irgendwo eine Tasse-"
Der Rekrutenausbilder schrie schockiert auf, als ein Kopf durch die Brust des Kommandeurs brach. Er hatte blondes Haar und blickte äußerst besorgt. Voller Panik fiel Samax Sohn samt Stuhl nach hinten um und presste beide Hände auf seine Brust, um das Herz daran zu hindern aus dem Leib zu springen. Araghast flimmerte und verschwand.
"Äh... tut mir leid, äh, Gürtel, aber ich, äh, dachte..."
Sebulon schüttelte nur abwehrend den Kopf und bemühte sich mit voller Konzentration seinen Herzschlag zu beruhigen. Umsichtig half ihm sein Freund auf.
"Du, äh, schliefst und da habe ich das Fenster geöffnet um dich zu, äh, wecken, aber du hast mich igno-äh-riert."
Der Püschologe atmete tief ein und aus, bevor er erwidern konnte: "Nicht deine Schuld. Schon gut. War nur äußerst real. Aber zu schön um wahr zu sein."
Ein Rekrut streckte den Kopf durch die Tür. "Alles in Ordnung, Sör? Wir haben einen Schrei gehört?"
"Alles bestens, Ron, weitermachen", winkte der Angesprochene ab und versuchte sich an einem Lächeln. Misstrauisch zog sich Ron Wanderdüne wieder zurück. Sebulon stellte seinen Stuhl aufrecht und setzte sich, bevor er an Braggasch gewandt meinte: "Wenn du mich schon geweckt hast, wirst du einen Grund haben hier zu sein. Konntest du Tanja finden?"
Der Späher schüttelte den Kopf. "Äh... leider nein. Aber mir ist eine Idee gekommen. Du wirst, äh, stolz auf mich sein, weil sie von, äh, dir kommen könnte."
"Tatsächlich?"
"Ja. Äh... ich war bei der Assassinengilde, aber die wollten mir natürlich keine, äh, Auskunft geben..."
"Das hätte ich dir gleich sagen können.", schreckte eine neue Stimme von der Tür her die Zwerge auf. Zur beiderseitigen Beruhigung war sie allerdings nicht weiblich, sondern tief, bassgetränkt und gehörte Menélaos Schmelz. "Die Assassinen sind gerade in letzter Zeit nicht besonders redselig, aber die Information, die du wolltest, hättest du dort zu keiner Zeit bekommen."
Samax Sohn verzog säuerlich den Mund. "Dürfte ich euch beide vielleicht um ein bisschen Diskretion bitten? Ich soll ermordet werden, da ist es etwas unpässlich, ohne Vorwarnung durch die Tür zu schneien oder in mein Büro einzudringen und die Fenster zu öffnen..."
"Ich habe, äh, ihn her gebeten. Wegen meiner Idee."
Der Kondichemiker trat an den Tisch. Es stank leicht nach Zimt. "Unser Freund möchte so etwas wie ein püschologisches Profil erstellen, glaube ich. Eigentlich habe ich etwas sehr dringendes zu erledigen. Da er aber schrieb, dass es um deine Gesundheit geht, habe ich mir die Zeit genommen."
"Vielen Dank, aber ein püschologisches..."
"Über, äh, Tanja!", fiel ihm Goldwart ins Wort. "Ich habe mir gedacht, weil wir, äh, alle drei diejenigen sind, die mit ihr, äh, zu tun hatten, äh, können wir das am besten. Das ist doch eine gute Idee, äh, oder?"
Das potentielle Opfer blickte vom Einen zum anderen. "Nun, schaden kann es nicht. Lasst mir aber bitte eine Sekunde um wirklich wach zu werden. Ihr habt mich ein wenig überfordert."
Menélaos grinste. "Natürlich. Dann fasse ich, während du dich sammelst, mal zusammen, was in Brags Nachricht stand, damit ich keine wichtigen Fakten übersehe. Also: Unsere gemeinsame Bekannte Tanja Witwenmacher hat es auf unseren Püschologen abgesehen, allerdings die fast identischen Dienstnummern von euch beiden verwechselt, als sie Nachforschungen anstellte, und den Späher statt dessen erwischt. Glück für den Einen, Unglück für den Anderen."
"Das sie uns bei, äh, ihren Nachforschungen verwechselt hat, ist nur, äh, eine Vermutung von mir, aber es, äh, erscheint mir logisch.", fügte Braggasch hinzu. "Äh... ansonsten stimmt das so, ja." Da sein zwergischer Freund die Augen geschlossen hatte um alle Folgen des Schrecks in Ruhe verdauen zu können, gab Goldwart, an Menélaos gewandt den Denkanstoß: "Also. Äh... was wissen wir von Tanja?"
Der große Mann fuhr sich nachdenklich durch den kurzen Bart. "Wir wissen, dass sie eine der wenigen, wenn nicht sogar die weibliche Assassinin ist, wenn ich mich recht erinnere. Dem zufolge nimmt sie ihren Dschob sehr ernst. Eine Niederlage kann sie sich nicht erlauben. Dennoch ist sie nicht gewissenlos, wie viele andere Berufsmörder. Als wir den Gefangenen Schlomo Soßmann transportieren sollten, hat sie zwar gegen uns gearbeitet, aber niemals so, dass wir dadurch Schaden erlitten. Das Gleiche bei dem Überfall in deinem Büro: sie hätte sich, pardon, viele Scherereien ersparen können, wenn sie dich trotz allem umgebracht hätte. Was dann natürlich ohne Auftrag illegal gewesen wäre."
"Ja... äh... und auch persönliche Gründe scheinen wichtig für sie zu, äh, sein. Erinnert ihr euch, wie, äh, penetrant sie diesen Schlomo erwischen wollte? Sie hat uns aber nie, äh, verraten warum. Ich frage mich, ob er, äh, noch immer in Gefahr ist."
"Momentan sitzt er in einer der Zellen, er kam noch nicht frei", wusste der Kondichemiker.
"Da hat er aber, äh, Glück gehabt." Braggasch spielte nervös mit der Lupe an seinem Helm. "Das sind alles keine guten Anzeichen. Äh... sie ist ehrenhaft, ja, äh, aber sehr verbohrt und getrieben davon die, äh, Beste sein zu müssen. Und wir sollten damit rechnen, äh, dass sie wahrscheinlich wirklich gut ist..."
"Und mittlerweile nimmt mich das ganze derart mit, dass ich mir schon einen Kommandeur einbilde, der mir Tee machen möchte...", murmelte Sebulon halblaut, noch immer mit geschlossenen Augen.
Schmelz horchte auf. "Wie bitte?"
"Nichts weiter", erwiderte Samax Sohn müde und hob die Lider. "Mir ist nur gerade aufgegangen, dass ich mich wohl doch noch einmal bei Suppenhuhn melden sollte."
"Suppenhuhn? Dankbar Suppenhuhn?"
"Kennst du ihn?"
Der Kondichemiker druckste unwohl herum. "Sagen wir mal so: Ich kenne seine Hülle."
"Er ist tot?"
Ein Nicken.
Braggasch sah vom Einen zum Anderen. "Wer ist, äh, das?"
"Ein Zauberer.", meinte Menélaos.
"Mein Püschologe, wenn man das so nennen kann. Sagen wir besser püschologischer Stress-Berater", erklärte der Rekruten-Ausbilder zeitgleich im deprimierten Tonfall und fuhr fort: "Mir wurde doch schon lange ans Herz gelegt, meine... Besonderheit von einem Dozent aus der Unsichtbaren Universität untersuchen zu lassen. Suppenhuhn hat sich geradezu auf meinen Fall gestürzt, als ich ihn aufsuchte. Deshalb war ich nur zweimal da. Und jetzt..." Er verstummte.
Da auch Schmelz nur sinnierend an den Haaren auf seinem Arm zupfte, sprach der Späher aus, was alle dachten: "Meint ihr, äh, zwischen dem Tod von Dankbar und den Anschlägen auf Gürtels Leben gibt es einen Zusammenhang?"
"Denkbar. Immerhin wurde Suppenhuhn lizenziert ermordet."
"Von, äh, Tanja Witwenmacher?"
Menélaos zuckte mit den Schultern. "Ich weiß es nicht. Die Assassinengilde war bei uns ebenso informativ wie in deinem Fall. Aber wenn es Tanja war, hat sie auch noch eine zweite Leiche auf dem Gewissen."
Braggasch keuchte auf. "Meine, äh, Güte."
"Wen denn?", wollte Sebulon wissen.
Wieder ein Schulterzucken. "Wir wissen es nicht genau. Ein Werwolf. Ophelia versucht gerade heraus zu finden um wen es sich handelt."
"Dann wohl doch nicht...", flüsterte Samax Sohn gedankenversunken, doch bevor einer der beiden Anderen fragen konnte, was er damit meine, wollte er von Menélaos wissen: "Wie wurden sie inhumiert?"
"Mit Armbrustbolzen. Suppenhuhn durch drei Projektile im Rücken, der Werwolf mit der gleichen Ausführung der Waffe, nur in Silber, durch fünf Schüsse in die Brust."
Der Püschologe tauschte einen Blick mit Goldwart, der nickte. Beide dachten an die modifizierte Armbrust.
"Und wer hat sie gefunden?"
"Den Lühkantrohpen habe ich selbst mit zwei Rekruten aus seiner Wohnung geholt. Und bevor du fragst: Nein, es gab keine Anzeichen auf seine Identität. Überhaupt schienen die Zimmer extrem spärlich eingerichtet. SUSI ist natürlich vor Ort. Magane hat ihren Bericht bereits bei Ophelia abgeliefert, demzufolge wurde die Fensterscheibe mit einem Diamantschneider kreisrund aufgeschnitten. Von dort müssen auch die Bolzen abgeschossen worden sein. Den Zauberer Dankbar Suppenhuhn hat ein Bürger in seiner Werkstatt gefunden. Der Rekrut, der seine Meldung aufgenommen hat, beschrieb ihn als 'gantz fuarchdbar geschokkigt'. Dem Bericht zufolge hat Admer Holzapfel, so hieß er, den Toten gefunden, als er seinen Laden gestern morgen öffnen wollte. Huitztli meinte, dass der Zauberer schon die ganze Nacht dort gelegen haben müsse, also grenzen wir den Todeszeitpunkt auf vorgestern Nachmittag ein."
"Holzapfel? Äh, der Schreiner?", mischte sich Braggasch unerwartet ein.
"Ja", bestätigte der Szenekenner. "Kennst du ihn?"
Goldwart schüttelte den Kopf. "Nicht, äh, persönlich. Aber seine Schreinerei hat ein, äh, gemütliches Vordach."
Er erntete verständnislose Blicke.
"Äh... unwichtig", beeilte sich der Späher zu versichern. "Jedenfalls waren ich und, äh, ein paar, äh, Andere vorgestern dort. Recht lange. Wenn in der Schreinerei vom, äh, Holzapfel ein, äh, Mord geschehen ist, dann hätten wir das ganz bestimmt gehört. Immerhin gibt es bei so was immer Schreie und, äh, so."
"Dann sollten wir diesen Admer mal aufsuchen und ihn etwas genauer befragen, nicht wahr?", rief Menélaos, froh, dass seine Zeit doch nicht vergeudet gewesen war. Erwartungsvoller Himbeerduft waberte durch das kleine Büro. Braggasch nickte eifrig.
"Ich würde gerne vorher Ophelia aufsuchen und mich erkundigen, ob sie etwas über den Werwolf heraus gefunden hat. Ich habe da so einen leisen Verdacht... obwohl das eigentlich nicht sein kann. Ich hätte gerne Gewissheit.", entschied Sebulon.
"Aber... äh... du kannst doch nicht raus gehen, wo doch, äh, noch immer ein Mörder..."
"Hindere mich doch daran", hielt der Püschologe entgegen.
Goldwart verstummte, nur um nach kurzem Grübeln fest zu legen: "Dann werden wir dich, äh, begleiten. Holzapfel können wir auch noch später, äh, fragen."
Gesagt, getan. Die drei Freunde aus der Rekrutenzeit verließen Sebulons Büro - Und stießen im Flur mit Lantania vom Silberwald zusammen.
Burkhards Sohn wäre am liebsten im Boden verunken.
"Lance-Korporal Goldwart, Sör?", fragte die Rekrutin überrascht. "Was machen sie denn hier?"
Schmelz und Samax' Sohn blickten überrascht zu Braggasch, der stammelte: "Äh... ich, äh..."
"Fähnrich Mambosamba lässt sie überall suchen, Sör. Als sie nicht wieder kamen, hatte der Hauptgefreite ag LochMoloch einen Tobsuchtsanfall, der in einem Zusammenbruch endete. Nun liegt er im Koma. Der Gefreite Schneidgut hat ihn untersucht und ihm nur noch wenige Stunden zu leben gegeben. Die... nein, es heißt der, richtig? Also der Chief-Korporal Feinstich hat ihn zwar dafür die ganze Zeit verflucht, aber auch sie meinte, dass ag LochMoloch sich wohl selbst umbringt, so besessen sei er von der Idee sterben zu müssen. Hauptgefreite Inös kniet an seinem Lager und weint nur noch. Außerdem stellt sie dauernd den Lance-Korporal Ebel neben ag LochMoloch ab, egal, wie häufig Feinstich ihn wieder weg nimmt. Niemand weiß wieso..."
Die Redeflut der Rekrutin endete. Stille senkte sich über den Gang.
"Äh..."
Goldwart überlegte fieberhaft.
"Äh..."
Wie so oft wollte ihm keine passende Ausrede einfallen.
"Was ist denn passiert?", konnte sich Menélaos die Frage nicht verkneifen.
"Wir sollten eine Besprechung über sehr viele seltsame Dinge durchführen", wandte sich vom Silberwald an den Gefreiten. "Fähnrich Kanndra wollte mich als objektiven Part dabei haben, obwohl ich doch gar keine Ahnung hatte, worum es ging. Auf jeden Fall meinte der Lance-Korporal, dass er mal kurz auf den Abort müsste. Er ist aber nicht wiedergekommen." Sie deutete auf Goldwart.
Dieser schluckte. Sein Gehirn tat einen Sprung. "Äh... ich erkläre euch das, äh, auf dem Weg. Danke für die Warn... äh, Mitteilung, Rekrutin. Ich, äh, kümmere mich darum." Nachdrücklich zerrte er seine beiden Freunde weiter.
Lantania salutierte verwirrt. "Kein Problem, Sör..."
Während des Verlassens des Wachegebäudes an der Kröselstraße betete Braggasch intensiv, dass ihn Kanndra nicht finden möge.
Bis ihm auffiel, dass Beten ohne Götter eine recht sinnlose Beschäftigung war.
Daraufhin wechselte er zum Hoffen über.

"*'*'*"

Tatsächlich war ihm das Glück hold. Trotz des lautstarken Lamentierens von Szenekenner und Püschologen darüber, ob sie das auf dem Weg Gehörte amüsant oder erschreckend finden sollten, erreichten sie Ophelias Büro im zweiten Obergeschoss des Wachhauses ohne Zwischenfall.
Sie lächelte Menélaos an, als dieser nach dem Anklopfen als Erster durch die Tür trat. Das Lächeln verhieß: Erfolg. Seine beiden Begleiter musterte der Chief-Korporal eher verwundert.
Alle drei Neuankömmlinge salutierten. Ziegenberger tat es ihnen nach und hob fragend eine Augenbraue.
Der Kondichemiker räusperte sich. "Mäm, wie ich herausgefunden habe ist es durchaus möglich, dass unser... ich meine, dein Fall mit den Erlebnissen meiner Kollegen Sebulon Samaxsohn und Braggasch Goldwart zu tun haben."
"Ich kenne Sebulon, Gefreiter", erwiderte die stellvertretende Abteilungsleiterin von RUM. "Er ist immerhin einer von uns."
Der Püschologe nickte. "Erfreut, mal wieder zusammen zu arbeiten, Ma'am."
"Wo sind also unsere Parallelen zu eurem Fall?"
"Es ist weniger ein Fall, Ma'am, mehr etwas... persönliches", stellte Sebulon richtig.
Ophelia schien sich in ihrem Stuhl noch etwas weiter aufzurichten. "Ach ja?"
"In der Tat. Wir glauben, dass die Assassinin, welche nach meinem eigenen Leben trachtet, ebenfalls den Zauberer Dankbar Suppenhuhn und den Werwolf inhumierte."
Einen Moment schien sie ernsthaft schockiert, bevor sie sich wieder sammeln konnte. "Weiß der Kommandeur, dass du auf der Liste der Assassinengilde stehst?"
Der Zwerg verneinte.
"Dann wollen wir hoffen, dass wir diesen Fall schnell lösen. Wie kommt ihr zu der Annahme, dass es zwischen den Mordopfern und dir eine Verbindung gibt?"
Der Sohn von Samax sah Braggasch aufmunternd an und bedeutete ihm zu erklären. "Nun, äh, der Grund, warum Gürtel... äh, ich meine Sebulon, Mäm, noch lebt, äh, ist, dass die Assassinin, äh, Tanja Witwenmacher, ihn mit mir verwechselte, was, äh, ich ihr rechtzeitig deutlich machen konnte."
"Mein Beileid. Beziehungsweise Glückwunsch. Was noch keine Gemeinsamkeit aufweist", stellte Ophelia klar.
"Nein, äh, Mäm. Die Gemeinsamkeit ist die Waffe. Äh... als auf mich, der, äh, ich ja eigentlich Sebulon sein sollte, äh, geschossen wurde, erreichte die verwendete Waffe, eine Armbrust, eine Schussfrequenz, die von keinem Standarttyp erreicht werden kann. Die Ermorderten wiesen, äh, so wie Mené es erklärt hat, sehr viele nah beieinander liegende Bolzeneinschüsse auf. Die Vermutung liegt also nahe, dass die gleiche Waffe, eine Trommel- oder mehrläufige Armbrust, Verwendung fand.", sprudelte der Späher hervor.
Ziegenberger wechselte einen viel sagenden Blick mit Samax Sohn und Schmelz.
Sebulon ahnte, dass er für seinen Freund in die Bresche springen musste. Er salutierte. "Braggasch kennt sich mit so etwas aus, Ma'am, wenn er das für Möglich hält, glaube auch ich, dass es so sein kann."
Menélaos nickte nur.
Goldwart warf ihnen einen dankbaren Blick zu.
"Dann gehen wir mal von dieser Hypothese aus.", Ophelia strich über die Akte, die vor ihr auf dem Tisch lag. "Was könnt ihr hilfreiches zur Aufklärung der Morde beitragen?"
"Vorher wüsste ich gerne, Ma'am, wenn es erlaubt ist, was du über den Werwolf herausgefunden hast."
Zuerst schien der Chief-Korporal widersprechen zu wollen, doch dann zuckte sie mit den Schultern. "Dann eben in dieser Reihenfolge." Sie schlug die Akte auf. "Der Name des toten Lykantropen lautet Grunbald 'Haufern' Schwarzborst. Er stammt aus einer der hier ansässigen Werwolfsippen, die ihn anscheinend jedoch verstoßen haben."
Der Püschologe grinste erleichtert. "Also doch." Auf die fragenden Blicke der Anderen hin führte er weiter aus: "Schon seit langem... genauer gesagt ab dem Moment, da Menélaos vor einer knappen halben Stunde mein Büro betrat, beschäftigte ich mich mit der Frage, warum mich jemand umbringen wollen würde. Es gab viele Ansätze, doch nichts, was mir plausibel erschien. Als Menélaos hier jedoch den toten Dankbar Suppenhuhn erwähnte, reifte ein Gedanke in mir. Vor einiger Zeit hatte ich eine Gruppensitzung mit dem Zauberer in der Universität. Zwei weitere, schwere Fälle waren ebenfalls anwesend. Einer von ihnen stellte sich mit dem Namen Grunbald Haufern vor. Er litt unter extrem feinen Sinnen, welche spontane Wutausbrüche nach sich zogen. Ich wusste nicht, dass er Werwolf war, weshalb mich diese Tatsache verunsicherte. Jetzt aber bin ich mir sicher." Sebulon gönnte sich eine kurze Sprechpause und sammelte in der gebannten Stille seine Gedanken. "Der Andere verriet weder seinen Namen, noch sonst etwas, das auf seine Identität hindeutete, aber er schien mir im äußersten Maße labil. Im Verlauf des Gespräches, und ich war nicht ganz unschuldig daran, ihn zum Reden zu bringen, gestand er, dass er häufig den Wunsch hege, Personen gezielt zu foltern und zu quälen. Auch ich hatte meinen Namen nicht genannt, jedoch sehr wohl den Fakt, dass ich Stadtwächter war. Ich schwor, nichts zu verraten - wieso auch? Er stellte sich freiwillig einem Püschologen und arbeitete an seinem Problem. Nun glaube ich allerdings, dass er seine Bereitschaft zur Heilung bereute und sich aller Mitwisser entledigen will. In den Sitzungen trug ich meine Wachemarke. Sicher hat er sich die Nummer gemerkt und diese der Assassinin Tanja Witwenmacher gegeben, da er meinen Namen ja nicht wusste. Anscheinend verwechselte sie 'leider' einen Buchstaben und eine Zahl."
Schwer drückten die Worte in das Büro.
Ophelia räusperte sich. "Das ergibt tatsächlich einen Sinn. Jetzt sollten wir herausfinden, wer dieser namenlose Folterer ist."
"Wir haben immer noch die Spur dieses Schreiners Admer Holzapfel", erinnerte sich Menélaos. "Mit seiner Aussage stimmt etwas nicht, da mehrere Wächter im Moment des angeblichen Todes Suppenhuhns ganz in der Nähe der Schreinerei gewesen sind. Wir hatten vor, ihn abermals zu überprüfen."
"Keine schlechte Idee", stimmte Ziegenberger ihm zu. "Das übernehmt ihr drei. Ich werde mir in der Zwischenzeit eine Liste der Besucher der Unsichtbaren Universität zukommen lassen, um den Namen des Klienten dieser Witwenmacher heraus zu finden. Ich erwarte euren Bericht in einer Stunde auf meinem Schreibtisch."
Ihre drei Besucher salutierten und wandten sich zum gehen.
"Ach, Lance-Korporal Goldwart", hakte die stellvertretende Abteilungsleiterin ein. "Dich würde ich bitten, noch einen Moment zu bleiben, wo du schon einmal hier bist."
Verwundert tauschte Braggasch Blicke mit seinen Freunden, zuckte dann jedoch mit den Schultern und meinte: "Geht ihr, äh, schon mal vor, ich komme dann, äh, schnell nach. Und pass auf Gürtel auf, Mené."
"Klar", zwinkerte der Kondichemiker und verließ mit Samax Sohn das Büro.
"Mäm?", wandte sich Burkhards Sohn an Ophelia.
"Vor Längerem kamen dem Kommandeur wohl Berichte über zunehmend seltsames Verhalten einiger Wächter zu Ohren. Kürzlich sandte er auf ausdrücklichen Wunsch Kanndra Mambosambas eine Mitteilung an alle Abteilungsleiter, nach einem Späher namens Braggasch Goldwart Ausschau zu halten, der in die Vorkommnisse, die zu diesem Verhalten geführt haben sollen, verwickelt sei." Sie zog den entsprechenden Zettel aus einer Ablage.
Der Zwerg begann zu zittern. "Äh..."
"Weiter heißt es hier, dass die Mitarbeit Goldwarts unbedingt erforderlich sei, da er sonst für den Tod zweier Wächter verantwortlich wäre."
"Äh... zwei?"
"Oh, einer reicht dir nicht? Der Lance-Korporal Ebel trinkt wohl schon seit langem nichts mehr." Ziegenberger sah ihn streng an.
"Ich, äh, ich..." Dem Späher traten Tränen in die Augen. "Ich weiß doch, äh, auch nicht, äh, wie das kommen konnte... ich... äh..."
"Ja?"
Braggasch schniefte. "Äh... die Sache, äh, mit Gürtel... äh... Sebulon... ich, äh, ich kann mich nicht konzentrieren, ich, äh, weiß nicht..."
Ophelias Blick wurde weicher. "Du magst den Lance-Korporal Samaxsohn wirklich sehr, was?"
Goldwart nickte.
"Es ist nicht gut für einen Wächter, sich zu eng an einen Kollegen zu binden...", stellte die verdeckte Ermittlerin klar. "Dennoch... kann ich ein wenig verstehen wie du dich fühlst. Ich werde dein Erscheinen nicht weiter geben. Noch nicht. Immerhin habe ich viel zu tun. Aber ich erwarte von dir, dass du dich nach Auflösung dieses Falles, welche hoffentlich bald sein wird, voll und ganz mit der Frage beschäftigst, wie du es geschafft haben sollst, deine Begleiter in diesen Zustand zu bringen." Wieder ein Blick zum Zettel. "Momentan untersucht sie der Okkultismusexperte Tut'Wee. Wende dich an ihn, sobald du kannst."
Mehr als ein weiteres Nicken brachte der Späher nicht zustande. Als Ophelia ihn entließ, stürmte er fluchtartig aus dem Büro und verlangsamte erst auf der Straße sein Tempo.
Was hatte er nur getan? Der Tod zweier Wächter...
Nachgiebig schüttelte Braggasch den Kopf, um sich wenigstens vorerst auf den Fall der Inhumierung Sebulons zu konzentrieren.
Ein seltsames Gefühl machte sich in ihm breit.
Intuition?
Statt die beiden Freunde einzuholen, entschied sich Goldwart für den Weg über die Dächer...

"*'*'*"

Sebulon klopfte nachdrücklich an die gut gearbeitete Holztür.
"Nich so hastig, verdammich", kam es dumpf von Innen. "Komm ja..."
Mit einigen knappen Handbewegungen machte der Lance-Korporal seinem Begleiter Menélaos deutlich, dass dieser die Waffe in Bereitschaft bringen solle, bevor die eigene Axt wie von selbst in seine Hand flog. Verwirrt zog der Kondichemiker sein Schwert.
"Schon da, schon da...", erklang es hinter der Tür. Mehrfaches Kratzen wies auf das Entriegeln hin. Warum ist Goldi nicht hier? Ihn und seine Armbrust könnten wir jetzt gut gebrauchen...
Admar zog die Tür seiner Schreinerei auf. "Nen guten..." Er verstummte, als sich ein Axtblatt an seinen Hals legte.
"Guten Tag, Herr Holzapfel", erwiderte Sebulon freundlich. "Kannst du dich noch an mich erinnern?"
Panik breitete sich in den Augen des Schreiners aus. Intuitiv wollte er zurück weichen, doch eine schnelle Bewegung des Püschologen, welche aussagte: 'Einen Schritt noch und deine Hände werden demnächst den Dienst ohne das Gehirn verrichten müssen', ließ ihn innehalten.
Schmelz hob vorsichtshalber seine Dienstwaffe höher. "Sebu, was...?"
"Er, den wir hier vor uns haben, ist niemand anderes als der dritte Patient unseres guten Dankbar Suppenhuhn. Jener, welcher ein ernsthaftes Problem mit seiner sadistischen Ader hat. Ich habe ihn, schon bevor er die Tür öffnete, an seiner Stimme und der Art zu Sprechen erkannt."
Holzapfel schluckte. "Ich hab nie nix mit dem Tod vom Zauberers zu tun, verdammich!"
"Oh..." Samax Sohn hob in gespieltem Erstaunen eine Augenbraue. "Aber ich habe doch noch gar nichts über irgendwelche Toten gesagt." Admer zog eine wütende Grimasse. Sebulon fuhr fort: "Wie wäre es, wenn wir uns drinnen weiter unterhalten würden, Herr Holzapfel?"

Das war ja schon fast zu einfach. Weder in dem einen, noch in dem anderen Wachhaus wäre es ihr möglich gewesen, auf die Schnelle an ihr Opfer heran zu kommen. Doch glücklicherweise verhielt es sich äußerst dynamisch. Von Kröselstraße zu Pseudopolisplatz hatte dieser blonde Winzling zu gut aufgepasst, doch jetzt war er nicht dabei, ja, mehr noch, der Mann, der sie in Vertrag genommen hatte, konnte sich sogar persönlich von der Inhumierung überzeugen.
Tanja lächelte nicht, immerhin erfüllte sie nur ihre Aufgabe. Persönliche Gründe waren keine vorhanden. Im Gegenteil - wäre sie nicht der Profi, der sie war, hätte sich ihr unsympathischer Auftraggeber nach einer anderen Assassinin umsehen müssen.
Geschützt lag die Frau ausgestreckt auf einem Dach gegenüber der Schreinerei und beobachtete, wie die beiden Wächter die Werkstatt betraten. Nun musste sie nur noch auf einen günstigen Moment warten...
Da! Während der große Wächter den Schreiner sicherte, hatte ihr Opfer die Waffe gesenkt und sich unbedacht vor eines der Fenster gestellt. Fast freundlich redete er auf ihren Auftraggeber ein, der mit verkniffenen Gesicht in einer Ecke hockte.
Witwenmacher schätzte den Windeinfluss und korrigierte die Ausrichtung ihrer Mehrschussarmbrust um wenige Millimeter. Von der Spitze einer der Bolzen baumelte der festgebundene Inhumierungsauftrag herab. Für gewöhnlich mochte sie diese unpersönliche Art des Überbringens jenes Zettels nicht, doch in diesem Fall würde der andere Wächter sicher intervenieren und nicht tatenlos zusehen, sollte sie in die Schreinerei schlendern, um den Auftrag beim Korpus seines Kollegen abzulegen.
Bedächtig krümmte sich ihr Finger um den Abzug. Dieses Mal sollte ein Projektil reichen...
"Das würde ich, äh, nicht tun..."

Braggaschs Brust pumpte wie ein Blasebalg, als er seine Standardarmbrust unsicher auf die Auftragsmörderin richtete. "Tu, äh, es nicht.", wiederholte er vorsichtshalber.
Tanja Witwenmacher drehte sich nicht zu ihm um. Sie überlegte.
Schließlich hob sie mit der linken Hand ihre Waffe hoch, um anzuzeigen, dass sie nicht mehr beabsichtigte, diese auszulösen. Ruhig streckte sie beide Arme in die Luft und stand elegant auf. "Und nun?" Erst jetzt wandte sich die Assassinin zu ihrem Aufpasser um.
"Äh... nun werde ich dich, äh, verhaften...", stotterte Goldwart. Verdammt, was für stechende Augen sie hat!
"Das wirst du niemals durch bekommen, ich tue nur meinen Job."
Der Späher nickte. "Ich bezichtige dich, äh, auch nicht des mehrfachen, äh, und, äh, versuchten Mordes, äh, so dumm das auch klingt... äh... sondern verbotenen Waffenbesitzes." Mit der Spitze seiner Armbrust deutete Braggasch kurz auf den Grund der Festname, welcher noch immer in ihrer linken Hand hoch über dem Kopf ruhte.
Tanja lächelte. "Nicht schlecht..."
"Aber bevor ich dich abführe... warum, äh, will jemand, dass, äh, Sebulon stirbt?"
"Sebulon heißt er also? Interessant." Der Lance-Korporal verfluchte sich innerlich. "Du solltest wirklich wissen, Wächter, dass ich solche Informationen nicht preisgebe."
"Äh... und wer..."
"Ich bitte dich", unterbrach ihn die Frau.
"Auch das, äh, verrätst du nicht?"
"Kein Assassine, der seinen Namen verdient hat, würde so etwas tun."
Nervös biss sich der Zwerg auf die Unterlippe. "Äh... aber eine Sache kannst du mir, äh, bestimmt, äh, verraten: Wie hast du den Zauberer, äh, umgebracht? Und wo? Wir saßen die ganze Zeit auf dem Dach, es kann nicht, äh, in der Schreinerei passiert sein."
"Das ist ja das Schöne an der Sache!", lachte Tanja. "Ich habe euch als verwirrendes Fragment benutzt. Suppenhuhn betrat die Schreinerei schon bevor ihr auf das Dach klettertet. Eure Einmischung kam zwar ungeplant, war aber reizvoll. Erinnerst du dich an die spielenden Kinder, Wächter? Sie behielten euch auf meine Bitte hin, die ich zugegebenermaßen auch finanziell verstärkte, im Auge. Natürlich wussten sie nicht, was ich vorhatte, aber es wäre ihnen sicher auch egal gewesen." Unbemerkt von Goldwart schob sich die Auftragsmörderin während ihres Monologes Stückchen für Stückchen an ihn heran. "Sie gaben mir ein Zeichen für den richtigen Moment. Der Zauberer war gerade mit irgendeinem Beschwörungsfirlefanz beschäftigt, als ihn meine Bolzen in den Rücken trafen. Er war zu überrascht um zu Schreien. Und du und all die anderen kleinen Wächter waren viel zu vertieft in deine Geschichte, als dass ihr das leise Röcheln gehört hättet."
"Aber, äh, dann hätte Holzapfel den Toten nicht erst am, äh, Abend gefunden, es sei denn... äh... er ist dein Auftraggeber?"
Witwenmacher hüllte sich in Schweigen.
"Wahrscheinlich hat er, äh, Suppenhuhn eine Nachricht zukommen lassen, dass er eine, äh, püschologische Sondersitzung bei sich zu Hause abhalten wolle...", spann Braggasch den Faden weiter. "Äh... aber das war nur ein Vorwand, um ihn aus der, äh, Universität zu locken, denn da kamst du, äh, nicht an ihn heran..."
"Wirklich schlau. Aber wo wir schon einmal dabei sind: Wie hast du mich gefunden? Ich weiß, dass ich gut versteckt war."
"Es war, äh, Glück. Ich hatte da so ein Gefühl..."
Die Assassinin hob eine Braue. "Ein Gefühl, ja? Nun, man hört ja öfters davon, dass Mütter es fühlen, wenn ihrem Spross eine Gefahr droht und von wo... Trotz deines weibischen Aussehens halte ich dich allerdings nicht für, wie war sein Name, Sebulons Mutter. Es muss also ein ähnlich starkes Band sein... Wenn nicht Mutter und Sohn, dann vielleicht..."
"Das, äh, ist doch völlig, äh, unwichtig!", rief Goldwart aus. Röte schoss ihm ins Gesicht. "Du wirst jetzt, äh, mitkommen und-"
Ihr Fuß traf ihn völlig unvorbereitet an einer äußerst empfindlichen Stelle. Stöhnend sackte Burkhards Sohn zusammen. Sofort hatte ihm Tanja die Waffe entrissen, war hinter ihn gesprungen und hielt ihm nun Ihre an den Hals.
"Ich mache dir einen Vorschlag, Wächter: Du vergisst die Sache mit der verbotenen Armbrust und ich verzichte meinerseits darauf, deinen Freund zu inhumieren. Wie es nämlich aussieht, verfällt mein Auftrag gerade. Ich führe nur selten Inhumierengen für jemanden durch, der im Gefängnis sitzt.", hauchte sie ihm ins Ohr und deutete an seinem Gesicht vorbei auf die Straße, wo Menélaos und Sebulon gerade dabei waren, Admer Holzapfel abzuführen. "Solltest du dich jedoch nicht daran halten, wird eine persönliche Sache aus der ganzen Angelegenheit, verstehst du?"
Mit einem Mal war der Druck am Hals verschwunden.
Braggasch blieb wimmernd auf dem Dach hocken, bis sich die Sterne vor seinen Augen verzogen hatten, bevor er den mühseligen Abstieg auf sich nahm.

"*'*'*"

"Du bist so magisch wie ein Schafsfurz. Wahrscheinlich weniger."
"Äh..."
"Schnauze!"
Unruhig rutschte Braggasch auf dem harten Holzstuhl herum. Es war das erste Mal, dass er näheren Kontakt zu Oberfeldwebel Tut'Wee hatte und langsam wurde ihm klar, weshalb Ophelia so bedauernd geschaut hatte. Die Gnumie schritt mit bedächtigem Schritt um ihn herum und musterte ihn kalt mit ihren Rubinaugen.
Goldwart bedauerte es, sich nicht einmal die Zeit genommen zu haben, mit Sebulon oder Menélaos zu reden um den Verbleib von Holzapfel zu erfahren. Nach einer kalten Dusche hatte er sich direkt in das Büro des Okkultimusexperten begeben. Nun, zumindest in das Büro, in welchem dessen Schrank stand.
"Also: Erklär es mir.", bellte die kleinste Mumie der Scheibenwelt in seinem Rücken.
Der Späher zuckte zusammen. "Äh..."
"Und lass das Gestammel, Rasenschmuck."
"Äh... also wir saßen auf dem Dach, äh, einer-"
"Jaja. Erzähl mir das, was ich noch nicht weiß!" Ungeduldig sprang Tut'Wee vor ihm auf den Schreibtisch. "Hör mal, Freundchen, durch deine Schuld sind vier Wächter nicht mehr einsatzfähig und zwei davon schon bald nicht mehr lebendig. Wie wäre es, wenn du dich ein bisschen anstrengst? Wer war alles in der Nähe, als du deine Geschichte erzählt hast?"
Braggasch schluckte. "Da waren, äh, die Kinder und der Bettler und der Dieb... äh... und im Haus war dieser Schreiner... und, äh, der Zauberer!"
"Was für ein Zauberer?"
"Er, äh, hieß Dankbar Su-"
"Ist mir völlig egal wie er hieß!", schnauzte der Oberfeldwebel. "Was hat er gemacht?"
"Ich weiß nicht... äh... können wir nicht den Schreiner fragen?"
Die Gnumie nickte und verließ das Zimmer ohne weiteres Wort.
Nach kurzem Zögern folgte der Lance-Korporal.

Es sind immer die gleichen Tricks...
"Bisse gekommen um mich voll zu labern, oder was, verdammich?"
Tod legte den Kopf leicht zur Seite, als würde er nachdenken. So kann man es nicht sagen. Nein.
Ein immaterieller Admer Holzapfel verzog angewidert den Mund. "Junge, ich weiß wie das läuft, da gibbts Bücher drüber und so. Erst muss ich durch irgend so ne Wüste, dann bekomm ich mein eigenes Paradies."
Es ist keinesfalls immer das Gleiche. Vor allem Selbstmörder werden gesondert... abgehandelt. Das Lächeln des Sensenmannes wirkte selbst auf den abgebrühten Schreiner beunruhigend. Ich weiß, es sollte mich nicht interessieren, aber: Warum hast du es überhaupt getan? Zuerst dieser Aufwand mit Dankbar Suppenhuhn und Grunbald Schwarzborst, welchem du im Übrigen einen Gefallen getan hast, und jetzt das?
"Sach mal, is in deinem hohlen Schädel kein Platz für Hirn, verdammich? Ich hab echt keinen Bock in nem elenden Loch zu vergammeln. Nu stell mir deine Prüfungen un dann alla ins Nachleben!"
Tod zuckte mit den Schultern. Zuerst sind hier einige wartende Seelen, die dich... sprechen wollen.
Die Geister ehemaliger Opfer wurden sichtbar.
Unwohlsein breitete sich in Holzapfel aus. "Aber ich hab nienich Keinen umgebracht!"
Wie lange, glaubst du, überlebt man in den Schatten mit durchtrennen Achillessehnen?
Die Fratzen stürmten auf ihn ein. Admer schrie lautlos, als er in seiner persönlichen Hölle verschwand.

Das Knarren des beanspruchten Leders war das einzige Geräusch, welches durch den engen Korridor hallte. Tut'Wees Edelsteine funkelten gefährlich, als er sich zu dem momentanen Zellenwächter Edward von Dort wandte, welcher bleich vor den Gitterstäben stand.
"Großartige Wachleistung, Gefreiter.", knurrte der Oberfeldwebel höhnisch.
Von Dort schüttelte fassungslos den Kopf und starrte weiter auf die Leiche, die, wie von einem leichten Windstoß angetrieben, bedächtig hin und her schwang. Holzapfels Zunge hing blau aus seinem Mund, die Augen blickten vorwurfsvoll auf die Wächter hinab.
"Warum, äh, hat er das, äh, getan?", flüsterte Burkhards Sohn schockiert und verhinderte somit eine Kieferlähmung, die Besitz von dem vor Schock schon lange offen stehenden Kauwerkzeug ergreifen wollte.
Die Gnumie zuckte mit den bandagierten Schultern. "Viele Gefangenen nutzen den letzten Ausweg durch den Gütel, anstatt sich der Gerichtsbarkeit zu überantworten. Bei seinem Kerbholz wäre er wahrscheinlich sowieso zum Galgen verurteilt worden, er nimmt uns nur Arbeit ab... Viel wichtiger ist die Frage, wo wir jetzt unsere Informationen her bekommen, Blondi."
Braggasch rieb sich den Helm. Was hatte Tanja doch gleich gesagt? "Die, äh, Assassinin... äh... sie sagte, dass Suppenhuhn mit einer Art Beschwörung beschäftigt gewesen war, als sie ihn um brachte... äh... hilft uns das weiter?"
"Als sie ihn um brachte? Also zwischen drin? Ja, das ist ein sehr sinnvoller Hinweis, wie gut, dass er dir jetzt schon eingefallen ist."

"*'*'*"

"Gehen wir einmal davon aus...", dozierte Tut'Wee und schritt auf Ophelias Schreibtisch auf und ab. "...dass eure Vermutungen richtig sind. Wie bekommt man einen Zauberer aus der Universität? Mit der Bitte um bezahlte Hilfe. Was war Suppenhuhns Spezialgebiet? Wirres Denken, Umgedrehte Persönlichkeiten. Es ist nicht undenkbar, dass er über die Macht verfügte, mittels Magie Persönlichkeiten zu verändern. Holzapfel bat ihn also als Ablenkung um eine Tühpveränderung. Suppenhuhn wurde mitten in der Handlung erschossen, der Zauber wurde frei und suchte sich das nächstbeste Ziel: Die auf dem Dach sitzenden Wächter, welche glücklicherweise gerade einer passenden Geschichte lauschten. Peng. Sie nahmen verschiedene Persönlichkeiten aus dem Märchen an. Ist so einfach wie genial. Ich liebe meinen Dschob."
"Und was tun wir nun?", wollte die stellvertretende Abteilungsleiterin von RUM wissen.
"Das ist das Schöne daran! Wenn der Zauber noch wirkt, und alle Anzeichen weisen darauf hin, wartet er nur so auf neue Eingebung. Das heißt, unser kleiner Lance-Korporal muss nur das dumme Köpfchen ein wenig anstrengen um eine weitere Geschichte zu erfinden, die alles wieder ins Reine bringt."
Braggasch, der die ganze Zeit über still und völlig verständnislos vor dem Schreibtisch gehockt hatte, nickte gehorsam.

"*'*'*"

Die Tür zum Krankenzimmer öffnete sich auf ganz besonders schüchterne Weise.
"Was willst du hier?", schniefte Olga Marie Inös erbost und drückte Rupperts Hand schützend an sich.
Goldwart zupfte sich nervös am Bart. "Äh... hallo."
"Ja. Hallo. Jetzt hau ab."
Trotz der Abfuhr traute sich der blonde Zwerg zur Gänze in den Raum hinein. Jargon folgte ihm. "Braggasch, wirklich, wehe es ist nicht wichtig, ich habe eine Versuchsreihe unternommen, in der-"
"Äh... ja.", unterbrach Burkhrads Sohn den Gefreiten. "Es dauert, äh, nicht lange. Bitte setzt dich."
Widerstrebend ließ sich Schneidgut auf ag LochMolochs Bett nieder und ergriff den Lance-Korporal Ebel, welcher schon geraume Zeit auf dem Nachttisch ruhte. "Ui. Der sieht nicht gut aus. Ich denke, er sollte mal etwas essen..."
"Jargon, bitte!" Dem Späher war ganz und gar nicht wohl bei der Sache. Er lehnte sich an eine Wand und schloss nachdenklich die Augen. "Äh... habe ich euch eigentlich schon, äh, das Ende meiner Geschichte erzählt?"
"Meinst du nicht, deine blöde Geschichte hat genug angerichtet?", fauchte Olga mit tränennassem Gesicht. "Außerdem war sie zu Ende. Felia stirbt einsam und alle freuen sich. Tolles Ende. Besonders, wenn es einen selbst betrifft."
"Äh... nein. Das habe ich zwar gedacht, aber, es, äh, ist nicht so."
Jargon zog eine Augenbraue in die Höhe. "Was soll das heißen?"
"Na, äh, ja." Vor Aufregung rupfte sich Goldwart ein Barthaar aus. Mit zusammen gebissenen Zähnen unterdrückte er einen spitzen Schrei. "Geschichten, äh, leben, wisst ihr? Sie verändern sich im Kopf des, äh, Erzählers. Und das tut diese hier auch... äh..."
Die Tatortwächterin schnaubte abfällig. "Und warum sollte uns das interessieren?"
"Lasst mich, äh, einfach erzählen, ja?", bat Braggasch. "Äh... Also:"
Es war genau der dreißigste Tag ihres Besuches an seinem Grab, Felia stellte gerade die dreißigste Glasfigur ab, da vernahm sie eine Stimme hinter sich, die im ruhigen Tonfall wissen wollte, ob die junge Frau seinen Bruder gekannt habe, dass sie so alle Tage her komme und für ihn bete.
Das traurige Mädchen hätte sich keine schönere Stimme in ihren Träumen ausmalen können, als sie sich umdrehte, um den Fremden zu betrachten. Fast wäre sie vor Schreck über den Grabstein ihres Geliebten gefallen, als sie in Adrians Gesicht blickte, wessen Besitzer ihr jedoch rasch versicherte, nicht der Verstorbene zu sein, sondern dessen Zwillingsbruder, der wie er mit einer seltenen Krankheit nach Genua gekommen sei um sich behandeln zu lassen. Bei ihm wiederum sei die Behandlung allerdings angeschlagen. Freundlich lud er sie in eines der stadteigenen Restaurants ein, um ihr zu erzählen, wie er, und nicht sein verstorbener Bruder, jeden Tag den langen Weg an all den Geschäften vorbei genommen habe, um sich an der Schönheit des Lebens zu erfreuen. Ein Laden hätte ihm dabei besonders gut gefallen...
Unbemerkt von den beiden fort Schlendernden schlich eine alte Voodoo-Hexe über die glückliche, wilde Blumenwiese, welche sich auf die Belebung kleiner Glasstatuen spezialisiert hatte...


"*'*'*"

Fast eine ganze Woche später lud Ophelia zu einer Ehrung im kleinen Rahmen.
Ruppert, dem es schon weit besser ging, Olga, welche endlich wieder Herrin ihrer Gefühle war, Jargon, der dank einer, von Braggasch erfundenen, gerichtlicher Verfügung das ewige Prognostizieren unterlassen hatte, und Septimus, welcher außer einem gehörigen Muskelkater zum Glück über keine Nachwirkungen klagte, wurde im Namen der Wache für ihr Durchhaltevermögen und ihre Bereitschaft, auf eine Anzeige zu verzichten, gedankt. Alle vier bekamen einen freien Tag - den jedoch alle vier ablehnten.
Menélaos vermittelnder Einsatz wurde lobend erwähnt und als Beispiel für alle jungen Rekruten angepriesen.
Für Sebulon gab es eine besondere Überraschung: Aufgrund hervorragenden Überlebenswillens und guter Leistungen als Rekrutenausbilder erhielt er die verdiente Beförderung zum Korporal.
Eine Belobigung blieb jedoch unausgesprochen, da der entsprechende Wächter durch Abwesenheit glänzte. Das Positive daran war, dass sich Ophelia auch die mahnenden Worte, welche sie sich für dieses Mitglied zurecht gelegt hatte, sparen konnte. Somit blieb die Stimmung gut. Einige wenige Freunde der Geehrten gratulierten, jemand holte ein Musikinstrument hervor. Es gab sogar ein wenig Bier.

Aus seinem Versteck heraus beobachtete Braggasch das Geschehen in der Kantine. Widersprüchliche Emotionen regten sich in seiner Brust: Zuallererst natürlich Erleichterung über beide erfolgreich bestrittenen Fälle. Den Tod von Mitwächtern nicht verantworten zu müssen, war ein ausnehmend gutes Gefühl... Dennoch schämte er sich. Einerseits über die verursachten Qualen, andererseits über die verheimlichte Fast-Festnahme Tanja Witwenmachers.
Dann war da noch eine kleine, fiese, verräterische Empfindung, die ihn nicht loslassen wollte. Sie kam immer, wenn er in Sebulons Richtung sah. Zwergenbrüder für immer... Tja... Nicht zum ersten Mal an diesem Abend ruhte der Blick auf dem Freund, der voller Stolz den neuen Streifen herumzeigte. In dem Moment, da Goldwart ihn beobachtete, legte sich eine blasse, grazile Hand auf die Schulter des Püschologen. Mina lächelte auf Samax Sohn herunter und bemerkte etwas, auf das Beide in kurzes Gelächter verfielen. Braggaschs Magen verkrampfte sich, als die Vampirin den Zwerg kurz aber innig umarmte und sich dann wieder abwandte, um den anderen ebenfalls zu gratulieren. Sebulon sah ihr verträumt hinterher.
Burkhards Sohn schloss die Augen. Ein Freund... ein Bruder. Gewiss nicht weniger... aber auch nicht mehr.
Der Späher verließ unbemerkt seinen verborgenen Posten und suchte sein Heil in einem Spaziergang durch das abendliche Ankh-Morpork.
Endlich war es kühler geworden, merklich sogar, und es war genau dieser Abend, an dem die ersten scheuen Schneeflocken vom Himmel fielen.
[1] Siehe die Coop: Ein einfacher Transport

[2] So etwas passiert! Als Beispiel diene hier der Bürokrator in der Live "Vom wilden Quästor gebissen"

Zählt als Patch-Mission für den Späher-Patch.



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Feedback:

Von Jargon Schneidgut

05.04.2010 21:38

Ach Braggasch, deine Geschichten sind einfach immer so genial! Ernsthaft, das war eine der schönsten Kurzgeschichten, die ich jemals gelesen habe.

Von Valdimier van Varwald

05.04.2010 21:38

Eine wirklich sehr schöne Geschichte, die vielleicht etwas seltsam beginnt, aber mit jeder Seite an Spannung und "aha" Effekten gewinnt. Außerdem hat mich gerade der Nebenplot mit den Auswirkungen der Geschichte und deren Auflösung am Ende herzhaft lachen lassen.

Von Sebulon, Sohn des Samax

05.04.2010 21:38

Njoa ... etwas verwirrend, zu Beginn, aber liest sich echt gut, finde ich.(Habe dir alles andere ja schon jesacht.)Von Tut'WeeAlso... war schwer mit der Bewertung. Ich mag deinen Schreibstil, sogar sehr. Aber der Missionsplot war für die Wurst, um es platt zu sagen. Lizensierte Morde sind KEIN Verbrechen, das Verhindern eines Anschlages ist nur eine persönliche Sache und eine Assassine (nicht Assassinin) kann einen Vertrag nicht selbstständig lösen, weil sie nicht selbstständig ist, sondern eine Angestellte der Gilde. Bleibt nur die Armbrust, etwas schwach.Hätte eigendlich ein Korrekteur darauf hinweisen müssen. Trotzdem, insgesamt: ich freue mich auf die nächste Geschichte.

Von Araghast Breguyar

05.04.2010 21:46

@Rib: An der 'Assassinin' bin ich Schuld, nicht Braggasch, weil ich beim Lesen die Meinung vertreten habe, dass 'die Assassine' klingt, als wäre aus Versehen die männliche Form genommen worden.

Von Braggasch Goldwart

06.04.2010 16:48

Danke für die feeds.



Vielleicht als kleine Anmerkung: Ja, weder Brags noch Tanja hatten wirklich kontrolle über die Situation. Er hätte sie mit den "Beweisen" wohl kaum einuchten können und sie hätte ein paar Schwierigkeiten mit der Gilde bekommen - deshlab gabs ja zum Glück die persönliche Unterredung der Zwei. ^^

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