Szenen einer Wache. Was nach dem Fall Mopsvestia geschah ...

Bisher hat keiner bewertet.

von Korporal Sebulon, Sohn des Samax (GRUND)
Online seit 19. 02. 2010
PDF-Version

 Außerdem kommen vor: Braggasch GoldwartMina von Nachtschatten

Diese Single behandelt die Folgen aus dem zuvor zu lesenden Fall "Buch ohne Siegel". Aufgrund der Implikationen, die besagter Fall für die Leben u.a. der beiden Wächter - und damit deren Charakterbeschreibung - hat, bot es sich an, diese Szenen, die keine eigenständige Kriminalgeschichte im Hintergrund haben, von der Coop eigenständig und außer Konkurrenz zu veröffentlichen. Der Autor bittet darum, die Single online zu lassen, bis die Coop fertig bewertet ist.[*Regeltechnisch ist die Gleichzeitigkeit laut Anleitung erlaubt.*]

Für diese Mission wurde keine Note vergeben.

Die Stadt wachte. Zumindest war sie wach. Das war sie immer, zu gewissen Teilen.
Am Pseudopolisplatz in der Kantine saßen Braggasch Goldwart und Mina von Nachtschatten bei einem Kakao zusammen.
"Tja, so war das", schloss sie die Ausführungen.
"Klingt, äh, unglaublich", sagte der Zwerg zweifelnd. "Bist du, äh, sicher, dass, äh, Gürtel, nicht wieder einen seiner, äh, längeren Momente hatte?"
"Gürtel? ... oh, du meinst Samaxsohn."
Der Späher nickte.
Nach einer längeren Schweigepause nickte sie. "Sicher. Ich habe viel in der Universität gesehen, worauf ich lieber verzichtet hätte, und dein kleiner Freund mit vielen Tentakelauswüchsen an allen Ecken gehört dazu."
Hörbar atmete er aus. "Er redet nicht mehr, äh, mit mir."
"Ich habe ihm doch gesagt, er soll wieder mehr Zeit mit seinen Freunden ..."
"Das tut er ja", seufzte Braggasch. "Er ist viel daheim, bei, äh, seinem Hund, und taucht hier im Haus kaum noch auf. Ich habe ihn seit Wochen nicht mehr gesehen."
"Hat man dir gar nicht gesagt, dass er bei GRUND arbeitet?", fragte Mina.
"Äh, was?"
"Er hat sich als Ausbilder beworben. Auch um eine Auszeit von RUM zu nehmen und seine Püsche wieder in den Griff zu bekommen. Kein Wunder, dass du ihn hier seltener siehst. Vielleicht solltest du ihn einfach mal dort besuchen?"

Unter einer der vielen Brücken Ankh-Morporks lag ein verkaterter Kleiner Freier Mann und blickte über den stinkenden Ankh.
Seine Gedanken redeten miteinander und das frustrierte ihn.
'Irgendwie ist es schon ironisch, dass du und dieser Zwerg jetzt getrennt seid', dachte er. Dieser Gedanke fühlte sich so sehr nach der penetrant logischen Art dieses Wächters an, dass das blaue Wesen stöhnte.
Es dachte völlig ohne Neugier: 'Wieso?', während sich seine Hand unauffällig langsam zu seiner Notration tastete.
'Weil ihr gewissermaßen eine magisch übersteigerte Form von gespaltener Persönlichkeit ...'
Schnaufend ertränkte der Kleine Freie Mann die Gedanken in noch mehr Alkohol.
Dann setzte er den Flachmann ab, erhob sich schwankend und streckte sich.
Ankh-Morpork war voller Möglichkeiten. Er würde mal schauen, ob es einen Clan in der Nähe gab, bei dem er eine Zeitlang unterkommen konnte.

Ein Krächzen und Keifen war im Zum Kleinen Mann in der Abgesangsgasse zu hören, als ein recht winziger Dämon zunächst von seinem Platz gehoben und dann vor die Tür geworfen wurde.
"Das könnt ihr nicht machen, ihr Mistkerle! Ich bin Mitglied der verdammten Dreckswache!"
"Auch Wächter müssen bei uns bezahlen", meinte der erste Türsteher.
"Und wo ist deine Marke?", johlte der Andere.
Knallend schloss sich das Tor zum persönlichen Himmel des kleinen Mannes[1] hinter ihm.
"Ach, Scheißkerle", seufzte er und rappelte sich wieder auf. "Hätte dieser Schwachmat damals einfach seine Zunge im Zaum gehalten ..."
"Wen nennst du hier Schwachmat?", fragte ein zweiter Dämon, der auf einem Mülleimer saß und mit den Beinen baumelte. Er hatte sich in einen alten Zwiebelsack gehüllt, um weniger zu frieren.
Sie musterten sich.
"Du bist obdachlos?"
"Wir arbeiten zusammen, schon vergessen? Ohne dich dreimal Bespuckten werde ich nicht gebraucht. Schon gar nicht in der Wache."
"Das tut mir fast ein bisschen Leid."
"Elender versoffener Lügner."
Sie schwiegen.
"Meinst du, sie stellen uns noch einmal an?", fragte der eine und sprang vom Mülleimer herunter.
"Weiß nicht. Ist ein ganz schön abartiger Haufen. Sogar für uns."
"Wir können ja wenigstens mal den Herrn Zwiebel besuchen ..."
"... reinlegen ...", prustete der andere Dämon.
"... und fragen, ob er eine ehrliche Arbeit, etwas Kaffee und eine Unterkunft für uns hat."
Sie schwiegen.
"So wie du klingst, hätte ich beinahe geglaubt, dass du kein Bastardsohn mehr bist", grinste der erste und sie wandten sich zum gehen.

"Mina ist anders, findest du nicht?", meinte Mimosa zu Lilli.
"Findest du?", kicherte deren SPRECH-Kastendämon. "Ich find sie noch immer eine heiße Braut."
Korporal Baum sah Günther wütend an.
"Wenn du mich fragst, sie wirkt, als hätte sie die schlimmsten zwei Wochen ihres Lebens erlebt und dann Besuch von ihrer Mutter bekommen", fuhr Mimosa fort.
Lilli wiegte ihren Kopf hin und her.
Beide sahen quer durch die Kantine zur Kollegin, die ihre dampfende Tasse mürrisch musterte.
"Also, ich find' sie umwerfend", grinste Günther.

Ophelia klopfte an.
"Herein", sagte Romulus.
"Eine Beschwerde."
"Noch eine?"
"Diesmal von der Vereinigung zum Schutz von Tentakelwesen." Sie legte ein Blatt auf seinen übervollen Schreibtisch. "Scheint, als würde man ihnen mit einem guten Anwalt beikommen können."
"Wenn wir einen Guten hätten."
"Soll ich später wiederkommen?"
"Nein, war nur kein guter Tag. Wolltest du noch etwas?"
Sie dachte einen kurzen Moment lang nach, was taktisch sinnvoll schien.
"Schon gut. Ich lass dich einfach mal weiterarbeiten."
Der Grund, weshalb sie ihn eigentlich hatte sehen wollen, war das Wörtchen 'Urlaub'.

Braggasch öffnete die Tür zu Sebulons neuem Büro.
"Äh ..."
Keine Antwort. Sebulon hatte immer geantwortet. Etwas war nicht in Ordnung.
Vorsorglich zog der Späher seine Armbrust und lud sie so leise wie möglich.
Er schnupperte. War etwas in der Luft? Betäubungsgas? Im selben Moment wurde ihm jedoch klar, dass er schon längst betäubt gewesen wäre, bevor er es erschnuppert hätte.
"Äh ... Gürtel?"
"Welch unerwarteter Besuch", meinte Sebulon und schloss seinen Schrank.
Diesen Schrank hatte sein Freund vorher nicht besessen. Das war nicht richtig, ganz und gar nicht.
"Seit wann sprichst du denn so, äh, gestelzt?"
"Seit wann schleichst du dich bewaffnet an mich an, hmm?"
"Oh, äh, das, äh, ich dachte ..."
"Welche Nachricht sollst du mir denn überbringen?"
"Wie meinst du das?"
Sebulon lief zu seinem Schreibtisch und setzte sich. "Rein statistisch", sagte er, "ist dieser Besuch bei mir übersignifikant. Du kommst sonst nicht her, Braggasch Goldwart. Also welcher dringliche Auftrag bringt dich zu mir? Nein, verrat' es mir nicht: Da du die Armbrust noch immer gespannt hast, ist viellecht ein Attentäter hinter mir her?"
"Ich, äh, wollte nur mal, äh, hallo sagen."
Sie sahen einander an.
"Hallo", sagte Sebulon. "Noch etwas?"
"Nein."
Niedergeschlagen verließ Braggasch das Büro seines ehemaligen Freundes. Wie hatten sie sich nur derart auseinander entwickelt?

Mina klopfte an.
"Die Tür ist offen", sagte Sebulon.
"Braggasch hat mir erzählt, was passiert ist."
"Er hat bestimmt seine gespannte Armbrust verschwiegen."
"Was? Armbrust?"
"Typisch", sagte der Zwerg und lächelte. "Also was kann ich für dich tun, Hauptgefreite?"
Schwer ließ sich die Ermittlerin in einen Stuhl fallen und sah den Püschologen müde an. "Du schuldest mir was", seufzte sie. "Versuch gar nicht mir zu widersprechen. Ich habe dich während der ganzen Ermittlungen ernst genommen; selbst als du mir mit blauen Affen gekommen bist ... ich habe stundenlang an der TK-Anlage gesessen schließlich sogar die Regeln der Universität gebrochen. Meiner Ansicht nach habe ich etwas bei dir gut."
Sebulon legte die Fingerspitzen der beiden Hände aneinander und sah seiner Kollegin in die Augen.
"Und du möchtest", sagte er, "dass ich mit Braggasch rede. Die Freundschaft mit ihm erneuere."
"Damit er mir nicht mehr ..."
"... das Ohr abkaut."
"Exakt", seufzte Mina.
Sebulon schloss die Augen. Dann öffnete er sie wieder.
"Nein."
"Ich habe mich wohl verhört!", knurrte die Vampirin.
"Dann wiederhole ich es für dich: Nein. Warum sollte ich?"
Sie erhob sich, stützte die Arme auf den Schreibtisch und zischte: "Weil du ein unausstehliches Ekel geworden bist, seit dieses Tentakelding in deinem Kopf sein Unwesen getrieben hat. Weil du außer ihm und vielleicht mir keine Freunde hast. Und weil ich dich bitte, Lance-Korporal."
Einige Momente lang schwiegen die beiden Wächter.
"Du schläfst nicht gut, nicht wahr?", fragte er.
"Ich bin eine Vampirin", fauchte sie, wirbelte herum und ging zur Tür. "Und ja, sobald ich die Augen auch nur schließe sehe ich Dinge, die ich lieber nie gesehen hätte. Deshalb halte ich sie in der letzten Zeit bevorzugt offen. Vielen Dank, Samaxsohn!"
Die Tür fiel mit Wucht ins Schloss.
"Das war unnötig", sagte Sebulon. Dann begann ein heißglühender Schmerz in seinem Kopf.

"Sör", sagte Ibrahim Weißhaupt und sah in den Spiegel. Er straffte seine Schultern, machte ein ploppendes Geräusch mit den Lippen und setzte erneut an: "Sör, melde mich zum ... Sör."
Er fand, es klang nicht richtig.
Und die Uniform passte nicht. Sie war von den Rundungen des ehemaligen Spindbesitzers ausgedellt, einem gewissen Bartholomäus, der gerade den Dienst in der Wache quittiert und in die Universität zurückgekehrt war, als Ibrahim sich hier einschrieb. Er musste ein durchschnittlicher Zauberer gewesen sein, so wie die Falten sich jetzt auf den dünnen Körper des Rekruten legten.
Überhaupt vermisste er die Universität in ihrer wohlgeordneten Unordnung.
"Sör."
Nein, so ging das nicht. Er strich sich eine Strähne aus dem Gesicht, ploppte noch einmal, seufzte und sagte: "Sör, ich ..."
Er ließ die Schultern zurückfallen.
"Was möchtest du denn?", fragte der Lance-Korporal, der im Türrahmen lehnte und grinste. Er hielt sich den Kopf.
Der Rekrut wirbelte herum, versuchte zu salutieren, entschied sich kurz zuvor eines besseren, winkte unbeholfen und stellte sich so achtungsvoll hin, wie er konnte.
"Mich zum Dienst melden, Sör."
Ja, das klang richtig.
"Dann tu das, Ibrahim", sagte Sebulon und winkte ab. "Habt ihr hier in der Umkleide irgend etwas gegen Kopfschmerzen? Ich fühle mich, als wäre eine Axt in meinem Kopf."
Der Rekrut ließ die Schultern wieder sinken, ploppte und schüttelte den Kopf. "Haben Sie es schon bei Rogi versucht, Sör? Man erzählt sich, dass sie einiges in ihrem Büro hat." 'Auch Augen in Einmachgläsern', fügte er in Gedanken an.
Sebulon stöhnte. "Ja, danke, ich werde es mal versuchen."
Schwankend verließ er die Rekrutenumkleide.

"Gut, dass du da bist", sagte die Gnumie und stürmte in das Büro von Mina.
Müde öffnete sie die Augen. "Oh", machte sie.
"Habt ihr sie gefunden?", fragte Tut'Wee und kletterte behende auf den Schreibtisch der Vampirin. "Habt ihr? Du hast mir keinen Bericht abgeliefert!"
Sie zwang sich zu einem Grinsen. "Warum sollte ich? Welche Berichtspflicht hätte ...-"
"Papperlapapp, Bürokratengeschwätz! Habt ihr? Nun rück schon raus damit, Hauptgefreite!"
Seufzend stützte sie den Kopf in beide Hände und sah in die rubinroten Augen ihres Kollegen. "Wir haben ein Tentakelmonster gefunden ..."
"Oh, Kreuzundbein!", fluchte Tut'Wee und lief vor Mina hin und her. Seine Füße hinterließen dreckige Spuren auf den Blättern, die sie vor sich liegen hatte. "Dann haben die Beschwörer also die Ritualmorde gebraucht, um die Kerkerdimensionen zu öffnen! Schlimmer als ich gedacht hatte." Er sah die Hauptgefreite mit einem strafenden Blick an. "Du hast aber nicht die Zahl zwischen sieben und neun gesagt, oder?"
Mina wusste nicht, ob sie lachen oder weinen sollte. Sie entschied sich gegen beides, hob den Kollegen sanft am Kragen an, umrundete den Schreibtisch und setzte ihn vor die Tür.
"Anklopfen, das nächste Mal", flüsterte sie und schloss die Tür.

Die Sonne stand hoch am Himmel. Keine Wolke war zu sehen.
Mit langen Schritten lief Menélaos über die Pons-Brücke, gefolgt von einer Wolke aus Himbeer- und Zitronenduft.
"Sebulon! Sebulon, warte doch!"
Der Zwerg blieb stehen und drehte sich um. Sein Gesichtsausdruck zeigte Frustration.
Schnaufend kam der Szenekenner zum Stehen. "Sebu, ich muss mit dir reden ..."
"Warum hast du neulich gelacht?"
"Was ...?" Die Duftnote wandte sich schlagartig zu einer Essig-Mandel-Mischung.
"Als wir zusammengearbeitet haben, wegen dem durchgeknallten Slemmer. Ihr hattet Lagebesprechung, ich wollte klopfen, du lachtest. Warum?[2]"
Sprachlos stand Menélaos vor dem Püschologen, der ihn mit eisigem Blick anschaute.
"Du wolltest mit mir über Braggasch reden, nicht wahr? 'Weil wir Freunde sind'. Ich sage dir was: Freunde lachen nicht übereinander. Wir sind bestenfalls Kollegen - ganz egal, wie viel wir miteinander durchgemacht haben." Er schnalzte mit der Zunge. "Ich habe Kopfschmerzen und gehe heim. Schönen Tag noch, Herr Schmelz."
Die Stiefel des Zwergen klangen hart auf den Steinen der Brücke, als sie sich entfernten.
Ein alter Mann blieb neben dem ehemaligen Kondochemiker stehen und legte ihm die Hand auf die Schulter. "Junge", sagte er, "du hättest dich bei dem armen Kind ruhig entschuldigen können."
Es begann nach Regen zu riechen.

Ophelia klopfte an.
"Herein", sagte Romulus.
"Eine Beschwerde."
"Noch eine?"
"Diesmal vom Club des Neuen Anfangs."
"Was hat denn der damit zu tun?"
"Sie finden, dass das Tentakelding eine gleichberechtigte Stellung unter den Nicht-Lebenden verdient hätte und haben zusammen mit der Beschwerde eine Ehrenmitgliedschaftsurkunde eingereicht. Ich ... lege sie einfach zu den anderen."
Romulus seufzte. "Wird das denn nie ein Ende nehmen?"
"Dafür wurde eine andere Beschwerde fallen gelassen", sagte Mina und reichte dem Abteilungsleiter die Notiz.
Die Augen des müden Werwolfs wanderten über die Schrift Ophelias. "Kannichgut hat wohl sein Inventar wiedergefunden, wie?", lachte er trocken. "Hätte er mal gleich richtig gesucht. Jetzt muss er sich mit dem Kommandeur auseinandersetzen, der hat schon die Bitte auf Erstattung vorliegen."

"Gut, dass wir dich treffen", sagte Günther und sah aus dem SPRECH-Kasten hervor. "Lilli möchte mit dir reden."
Mina erstarrte in der Bewegung, drehte sich um und lächelte gezwungen. Durch ihren Kopf schossen Erinnerungen an die letzten Tage - und an ein gewisses Memo an die Kollegin, das doch recht knapp ausgefallen war. Hatte sie den RUM-Fundus nicht genug aufgeräumt? War noch etwas abhanden gekommen, was ihr bisher entgangen war?
Gut gelaunt winkte Lilli und tippte auf dem Kasten herum.
"Sie sagt, im Fall Ranke-und-Rauke oder so von letztem Jahr, da fehlt ein Blatt, Aktenzeichen sowieso, ob du das vielleicht hast." Und als könnte er Gedanken lesen, fügte er beschwichtigend an: "Sie braucht es, weil der Anwalt von Frau Knüller Sachen nachfragen will und sich im Ermittler geirrt hat. Wenn du das lieber selbst bearbeiten willst ..."
"Nein, nein, ich werde die Seite schon irgendwo finden, Ma'am Korporal", brachte Mina hervor und salutierte. "Wirst du morgen auf dem Schreibtisch haben, Ma'am, Lilli, Ma'am."
"Das hat bestimmt auch zwei Tage Zeit. Und wenn du mir diese Bemerkung gestattest: Es war wirklich schön, mal mit dir reden zu dürfen. Falls du heute nach Dienstschluss noch nichts ... - Au!"
Lilli hatte ihrem Dämon einen Klaps auf den Hinterkopf verpasst. Mit strafenden Blicken bedachte sie ihren flirtenden kleinen Mitarbeiter.
Als Mina diesen kurzen Moment nutzte, um sich eilig aus dem Staub zu machen, sah der Korporal ihr verwundert hinterher. So unterwürfig und übertrieben höflich hatte sie die Vampirin dann doch nicht in Erinnerung ...

Als er die Tür öffnete, sprang ihn sein Hund schwanzwedelnd an.
"Wuff", machte Jado. Es klang so laut, als hätte man ihn in einer Kathedrale bellen lassen.
Stöhnend hielt sich Sebulon die Stirn und tätschelte dem Hund den Kopf.
"Äh", machte es.
"Du bist in meine Wohnung eingebrochen?", fragte Sebulon und schloss die Tür hinter sich.
"Ich habe, äh, die Vermieterin getroffen. Eine nette Frau."
Der Püschologe ließ sich in einen Sessel fallen und sah müde zu dem Späher hinüber, der auf dem Boden saß und verlegen dreinsah. "Was ich meinte, war: Was tust du hier, Goldwart? Und sprich bitte etwas leiser."
"Zeit mit dir ver-äh-bringen. Das tun Freunde nämlich."
Sie schwiegen.
"Das ist eine nette Geste. Auch wenn ich dich nicht eingeladen habe. Und die Vermieterin ihren Zweitschlüssel von der Wohnung verloren hat."
Der blondgelockte Zwerg errötete.
"Wuff", machte Jado und sprang schwanzwedelnd um die beiden herum.
"Es wäre ebenfalls eine nette Geste, wenn du mir ein Glas Wasser holen könntest, damit ich die Schmerztablette ausprobieren kann, die mir Rogi gegeben hat."
Burkhards Sohn erhob sich, ging in die Küche, die wie der Rest der Wohnung erst kürzlich geputzt wurde. Das alles war unüblich für Sebulon. Er würde sich wohl an die kleinen Veränderungen gewöhnen müssen, die sein Freund in der letzten Zeit an den Tag legte.
Als er mit einem Glas Wasser zurückkehrte, stockte er. "Warum hast du die, äh, Medizin nicht gleich genommen?"
Der Püschologe sah ihn mit eisigem Blick an.
"Du hast doch nicht etwa die Schmerztablette, äh, mitgehen lassen, Gürtel?"
"Das würde ich doch nie tun, Braggasch."
Der Späher reichte ihm das Glas und sah zu, wie sein Freund dankbar die Tablette in seinem Rachen verschwinden ließ.

Mina saß vor dem Wachegebäude und sah dem Sonnenaufgang zu.
Sie seufzte. Das alles schien so irreal.
Von Ferne hörte sie einen Angstschrei und Hunde begannen zu bellen.
Ankh-Morpork war ihre Heimat geworden, doch es wirkte irgendwie ... leer. Als wäre niemand auf der Straße, obwohl sie doch Bettler, Händler, Gaffer und all diese Leute bei der Arbeit sehen konnte. Die Stadt wirkte stumm und leer.
Sie hörte ihren Namen.
"Hmm", machte sie und drehte sich zu der Frau zu, die neben ihr stand. Die aufgehende Sonne ließen ihre glutroten Augen lustig funkeln. "Hast du mich gerufen, Mimosa?"
"Du hast heute Abend eine Verabredung mit mir", grinste die Wächterin und strahlte Mina an.
"Hab ich das?", fragte die Vampirin.
"Und mit mir", meinte Ophelia. Sie wirkte allerdings weniger begeistert. Man sah ihr an, dass sie sich von der Arbeit würde losreißen müssen.
"Wenn du präzise bist: auch mit Breda", lachte Mimosa und knuffte Mina sanft gegen die Schulter.
"Kann mich mal jemand einweihen, was wir abgesprochen haben?"
Die beiden Wächter zogen ein Plakat hinter dem Rücken hervor und rollten es auf. 'Di värbotenne Liebe der Arthura Ui', stand darauf. Es war eine Frau mit beeindruckender Oberweite in heldenhafter Pose zu sehen, daneben ein hübscher junger Mann mit im Wind wehendem Haar und im Hintergrund ein bemalter Troll. "Wir sehen uns einen Klacker an!", jauchzte Mimosa.
Mina blinzelte. "Darüber haben wir nie geredet."
"Mag sein, mag sein", winkte die Halb-Klatschianerin ab, "aber wir hatten die Idee zu einem Damenabend und du könntest bestimmt etwas Gesellschaft gebrauchen, oder?"
Die Vampirin sah Ophelia fragend an, mit einem Blick der sagte: 'Warum ist diese Frau auf einmal so aufgedreht?'. Als sie Ophelias Gesicht sah, konnte sie sich ein Grinsen nicht verkneifen, denn sie stellte sich vor, wie widerwillig Breda erst ausgesehen haben musste. Vielleicht war dies einer der wenigen Momente, in denen Mimosa endlich aus sich hervorkam und ihr noch junges Innerstes zeigte. Trotzdem war Mina nicht wohl dabei.
"Das ist ..."
"Ich weiß, ich weiß. Also bis heute Abend; wir treffen uns direkt am Lichtspielhaus!"
Die beiden Wächter verließen sie und betraten das Gebäude, um mit der Arbeit zu beginnen.
Mina ließ ihren Blick erneut zum Sonnenaufgang schweifen.

Sebulon träumte.
Er ging spazieren über kleine grüne Tentakel, die überall aus dem Boden wuchsen und sich wie eine Wiese über die idyllische Landschaft hinzog. Ein Windhauch ließ die grünen Auswüchse sanft hin- und herwiegen. Im Schatten eines großen Birnbaums stand ein gläserner Sarg.
Neugierig ging der Zwerg darauf zu. Beim Näherkommen sah er, dass jemand darin saß.
Angst erfüllte ihn, dass er ein bekanntes Gesicht sehen würde - doch aus dem Inneren sah ihn nur ein Schelm an, dessen Leier gebrochen war.
"Warum sperrst du mich ein?", fragte jener niedergeschlagen. Tränen glitten über sein fröhlich geschminktes Gesicht.
"Weil du falsch singst", antwortete der Sarg.
"Weil du falsch klingst", knarrte der Baum.
Baum und Sarg sahen Sebulon auffordernd an.
"Weil -", setzte Sebulon an, doch auf einmal kamen drei Leute hinter seinem Rücken hervor und stürmten mit gezückten Waffen auf den Käfig zu. Ein Mann, eine Frau und ein Zwerg. Er konnte ihre Gesichter nicht sehen, doch kamen sie ihm bekannt vor.
Ihm schien es, als wäre dort noch ein viertes, kleines Wesen, das mitlief, doch er konnte es nicht klar erkennen. Es war mehr, als würde dort ein Schatten laufen, nein: gleiten, dessen Urheber jedoch nirgends zu sehen war.
Die Wächter holten aus.
Metall traf kreischend auf Glas.
Er schreckte hoch, die Augen weit aufgerissen. Schweiß lief ihm von der Stirn.
Es war mitten in der Nacht. Der Kopfschmerz hatte etwas nachgelassen, doch die Welt schien noch zu schwimmen.
Neben ihm schmatzte Braggasch im Schlaf. Er musste sich irgendwann - in voller Montur[3] - neben den Püschologen gelegt haben und eingeschlafen sein.
Jados gleichmäßiges Schnarchen drang beruhigend vom Fußboden an seine Ohren.
Unausgeruht schwankte Sebulon in die Küche, um sich etwas Kühles zu trinken zu holen. Es beunruhigte ihn ein wenig, dass er manche Dinge doppelt sah, auch wenn er die Augen zusammenkniff.

"Träumen Vampire?", fragte Mimosa Breda, als der Film vorüber war.
Ophelia war in der Schlange zum Abort verschwunden und hatte ihre beiden Kollegen in den bequemen Sitzen des Lichtspielhauses zurückgelassen.
Die Bulldogge zuckte mit den Schultern und sah ebenfalls auf Mina hinunter, die reglos da lag. "Ich könnte ihre Gedanken lesen aber ehrlich gesagt komme ich mir dann wie ein Voyeur vor."
"Ich meinte, ob du ..."
"Ja?"
"Ach, vergiss es. Ist das dort hinten nicht die Baum?"
Kurz war der Kopf von Lilli zu sehen, die in der letzten Reihe gerade auf Tauchstation unter den Sitz gegangen war, und nun versuchte Günther zu fassen zu bekommen, der gierig Knallkörner aufsammelte.
"Wundert dich das? Der Klacker war wirklich gut und die Grünzeugausstattung am Set kam mir gelinde gesagt opulent vor."
Als der Kopf das nächste mal hinter den Sitzen hervorschoss, winkten die beiden Wächter höflich der erfolgreichen Dämonenfängerin zu. Sie grinste über das ganze Gesicht und hielt ihnen den ausgestreckten Daumen der freien Hand entgegen.
"Es scheint ihr gefallen zu haben", meinte Mimosa und wandte sich wieder ihrer DOG-Kollegin zu.
"Ich möchte mir nicht vorstellen, was sie da unter dem Sessel getrieben hat", grinste Breda. "Oder mit wem. Aber der Röte in ihrem Gesicht und dem Lächeln zufolge, wird sie wohl die präsentierten Feinheiten der Botanik verpasst haben ..."

Am nächsten Morgen fand Menélaos zwei Karten auf seinem Schreibtisch. Beide schienen mit der Rohrpost gekommen zu sein.
Die erste Karte las sich so:

Lieber Menélaos,
ich möchte mich dafür entschuldigen, wie ich Dich behandelt habe.
Mir geht es jetzt etwas besser. Ich kann wieder klar denken und
dass ich Dich fertig gemacht habe, war völlig überzogen.
Ich möchte Dich zu einer kleinen Feier einladen; es sind auch andere
Leute eingeladen, bei denen ich mich (auch bei anderen Leuten)
entschuldigen will.
Bring bitte am Samstag Dich, gute Laune und ein Kostüm mit, das
zum Motto "der Blaue Affe und andere Unmöglichkeiten" passt.

In Vorfreude auf Dein Erscheinen verbleibt
Dein Freund
Sebulon, Sohn von Samax

Die zweite Karte war identisch gestaltet, ebenfalls an Menélaos Schmelz adressiert, jedoch nicht an den Szenekenner, sondern an den gleichnamigen FROG-Triffinsziel.
Er seufzte lächelnd, verströmte Holunderduft und kratzte sich am Kopf. Der alte Sebulon schien zurück zu sein. Nur wo würde er so schnell ein Kostüm herbekommen?
[1] Das stand zumindest in einem Prospekt, das der Dämon gefunden hatte, als er Zigaretten kaufen war. Da der Dämon den Himmel noch nie gesehen hatte und die richtige Größe zu haben fand, war es ihm einen Besuch wert.

[2] Vergleiche Menélaos' Single (Nr. 1338): Dichter-Dusel.

[3] Glücklicherweise hatte er vorher daran gedacht, die Armbrust zu sichern und die Waffen unter das Bett zu legen, sonst hätte er am nächsten Morgen nicht nur blaue Flecken von Sebulons aggressiven Träumen an sich entdeckt.




Für die Inhalte dieses Textes ist/sind alleine der/die Autor/en verantwortlich. Webmaster und Co-Webmaster behalten sich das Recht vor, inhaltlich fragwürdige Texte ersatzlos von der Homepage zu entfernen.

Feedback:

Die Stadtwache von Ankh-Morpork ist eine nicht-kommerzielle Fan-Aktivität. Technische Realisierung: Stadtwache.net 1999-2024 Impressum | Nutzungsbedingugnen | Datenschutzerklärung