Wie Hund und Katze

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von Wächterin Lantania vom Silberwald (GRUND)
Online seit 09. 02. 2010
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Für Rekruten (erste Mission):
Streife gehen gehört zum Wächterleben dazu. Beim ersten Mal kommt natürlich dein Ausbilder mit. Dann kann ja gar nichts schief gehen, oder?

Dafür vergebene Note: 10

~~~Im Silberwald bei Lantania zu Hause, etwa eine halbe Stunde entfernt von Ankh-Morpork, nordwestlich der Stadt~~~


Mit verschiedenen Mauzern krabbelte Delilah über mich hinüber, lief um mich herum oder sprang auf mich drauf um kurz sitzenzubleiben, sich dann auf meinem Bauch ein paar mal um sich selbst zu drehen und wieder runter zu springen. Alle Mauzer bedeuteten etwa das gleiche, nämlich: 'Lanti, Futter! Ich hab Hunger! Aufwachen! Ich will was zu futtern!'
Nachdem ich dieses Konzert fünf Minuten durchgehalten hatte und meinen Kopf mittlerweile unter zwei Kissen und meinen restlichen Körper unter der Bettdecke versteckte, knurrte ich:
"Delilah, halt die Klappe, Kätzchen, bitte! Wie spät ist es denn?"
"Ist doch egal, jedenfalls Zeit zum Futtern, hab Hunger! Es hat geschneit, da finde ich doch keine Mäuse, weil das alles feige Frostbeulen sind. Dabei kann man im Schnee sooooo schöööön spielen!"
Ich stöhnte nur. Jeden ersten Wintermorgen mit dem ersten Schnee das gleiche: Hunger wegen Mausmangel! Aber dass es gerade heute sein muss!
"Bitte, Süße, ich brauch heute meinen ungestörten Schlaf. Du weißt doch, um sechs muss ich sowieso aufstehen, damit ich mich rechtzeitig in der Wache zum Dienst einfinden kann und das ausgeschlafen und nicht wie eine wandelnde weiße Wand. Also geh zum Küchenschrank und bedien' dich aber hör auf zu mauzen!"
"Aber Lanti, auch wenn wir miteinander reden können, bin ich immernoch eine Katze. Auch wenn du das nicht siehst, weil du Schlafmütze deine Augen nicht aufmachst. Ich kann nicht, wie du, einfach Schränke öffnen."
"Aber ich will schlafen, warte bis nachher!"
"Nachher will ich auch nichts mehr." sagte sie und spielte beleidigt.
Sollte sie doch beleidigt tun, so lange sie mich nur schlafen ließe. "Dann eben nicht." antwortete ich und drehte mich auf die Seite um wieder im Land der Träume zu versinken.
"Och Lanti, jetzt komm schon! Der Küchenschrank, also quasi du, du bist meine letzte Rettung, mein Dosenöffner, mein Lebenselixier! Ich sterbe sonst vor Hunger!"
"Jetzt übertreib's nicht." grummelte ich und verließ mein Bett. Warum hatte diese Katze immer Recht?! In der Küche holte ich eine Dose Hähnchenragout mit Himbeersahnesauce [1] aus dem Schrank, öffnete sie und kippte den Inhalt in Delilahs Napf.
"Guten Appetit, ich geh' wieder schlafen. Meinetwegen darfst du ab sechs wiederkommen und rummauzen - aber keine Sekunde früher."
Die weißgoldene Tigerkatze strich mir schnurrend um die Beine: "Geht klar, Chef. Danke und schlaf gut!"
Ich musste lachen bei der Vorstellung, dass sie gleich noch salutieren könnte. Das tat sie aber nicht. Sie ist eben doch nur eine Katze aber meine beste Freundin; die einzige seit dem Tod meiner Eltern.
Ich legte mich zurück ins Bett.

"AAAAAAAAAAAAAAAAAAHHHHHHHHHHHHHHH!"
'Oh nein, das war doch meine Mutter! Schnell zurück zum Haus!'
Ich laufe so schnell ich kann durch den knietief verschneiten Wald, denn ich habe das unangenehme Gefühl, dass etwas nicht stimmt. Das war garantiert kein Schrei wegen eines Alptraums. Irgendetwas ist zu Hause während meiner Abwesenheit passiert, das spüre ich ganz deutlich. Da ist unser Haus. Es ist kein Licht an. Weder etwas ungewöhnliches zu sehen, noch zu hören. Alles was ich höre ist mein Atem in der kalten Nachtluft. Alle anderen Geräusche, auch das Rauschen der Bäume und das des Windes, werden vom fallenden und bereits liegenden Schnee verschluckt.
'Habe ich mir den Schrei nur eingebildet? Bestimmt nicht.'
Leise laufe ich weiter auf das Haus zu und ärgere mich, dass Delilah nicht hier ist, um mir zu helfen - heute Nacht hat sie von Raldi, Mamas Freund, der für mich wie ein Vater ist, den Auftrag bekommen, unsere neuen Nachbarn auszuspionieren - und darüber, dass mir mein sowieso unkontrollierbares Vereisen jetzt auch nicht helfen würde. Verdammt!
Als ich an der Haustür ankomme, stelle ich entsetzt fest, dass sie offen ist, obwohl ich zugeschlossen hatte. Ich wusste doch, ich kann mich auf mein Gefühl verlassen, etwas stimmt ganz und gar nicht. Ich sehe mich um und entdecke ... nichts ... nur die offenstehende Tür aber keine Fußabdrücke im Schnee außer meinen eigenen. Vielleicht ist ja doch nichts passiert, außer dass meine Eltern wach sind und die Tür geöffnet ... und dann offen stehen gelassen haben? Wohl kaum! Leise gehe ich in den Flur und bleibe stehen um eventuell ungewöhnliche Geräusche wahrzunehmen oder weitere ungewöhnliche Tatsachen zu entdecken. Da wieder einmal nichts zu hören und zu sehen ist, schleiche ich geradeaus weiter und die Treppe hoch zu den Schlafzimmern. Meine Zimmertür sehe ich schon offen stehen, als ich erst auf der Hälfte der Treppe bin aber in meinem Zimmer ist niemand. Jetzt höre ich doch noch etwas ungewöhnliches ... nämlich nichts. Normalerweise schnarcht Raldi wie eine Kettensäge, jedoch herrscht vollkommene Stille. Ich schleiche weiter zur Zimmertür meiner Eltern und finde auch diese offen vor. Als ich drei Schritte in den Raum hineingegangen bin, stolpere ich und falle nach vorn auf den Boden.
"Autsch! Scheiße, was ... Raldi!" Ich bin über Raldi gefallen. Gerade will ich nachsehen, warum er vor der Tür auf dem Boden liegt und nicht im Bett, da höre ich hinter mir ein leises Stöhnen und kurz darauf ein leises angestrengtes Flüstern:
"Lantania ... komm ... bitte ... ich ... kann ... nicht ... mehr ... ahr ..."
"Mama, was ist mit dir... mit euch? Was ist passiert?"
Mit zwei Schritten bin ich neben ihr. Sie sieht mich angestrengt mit glasigen Augen an und flüstert:
"Zwei Männer ... sie ... ka... men rein und ... Raldi ... erstochen ... ich ..."
Ihr fallen die Augen zu.
"Mama! Bitte, stirb nicht! Du schaffst das, ich ..."
Meine Stimme versagt und ich kann Tränen nicht mehr zurückhalten.
"Lantania ... im Wald ... in der Quelle ... du bist jetzt ... ahrg ... die ... Hüterin des ... 'Katzenbeißers'. Übernimm ... meine Aufgabe."
Noch ein letztes Mal atmet sie aus, dann ist alles still. Ich kann nicht mal mehr schreien ... auch nicht weinen ... bin einfach nur geschockt. Alles um mich herum wird schwarz und ich sinke hinunter auf den toten Körper meiner Mutter.

Nun stehe ich zusammen mit Delilah an der Quelle. Sie ist die einzige, die ich seit dem Tod meiner Eltern noch habe.
Die Quelle ist zugefroren aber das Eis schimmert golden. Die kleine Katze geht noch einige Schritte bis zur Mitte der gefrorenen Quelle, dreht sich zu mir um, setzt sich hin und sieht mich an:
"Lantania, du bist jetzt die Hüterin des 'Katzenbeißers', das von Mitgliedern meiner Familie an Mitglieder deiner Familie übergeben wird. Solange sich dieses Schwert, was dort unter dem Eis liegt, im Besitz eines weiblichen Mitglieds der Familie vom Silberwald befindet, werde ich immer an deiner Seite sein und dich beschützen, wenn es nötig ist."
In diesem Moment bricht das Eis, Delilah springt mit einem Satz neben mich und ein silbernes mit einem Katzenauge besetztes Schwert kommt zum Teil aus dem Eis und taucht die Quelle und die nahe Umgebung in goldenes Licht.
"Das ist 'Katzenbeißer' und ab jetzt dein Schwert. Erweise dich ihm würdig!"


"Aufwachen!"
Delilah mauzte direkt und so laut sie konnte in mein Ohr. Jetzt saß ich senkrecht im Bett und mein Herz pochte so schnell und laut, dass ich dachte, es platze.
"Mensch, Katzi! Warum erschreckst du mich so?"
"Du hast doch gesagt, ich soll um sechs wiederkommen."
"Ich hab gesagt, du darfst wiederkommen und ich hab nicht gesagt, du sollst mich erschrecken! Naja, egal ... zumindest bin ich wach."

Das war jetzt schon sechs Jahre her und damals ist das leider kein Traum gewesen. Leider träumte ich ständig davon, immer und immer wieder! Aber das wollte ich nicht mehr, ich musste die Mörder meiner Eltern finden, damit dieser Traum ihres Todes mich nicht weiter verfolgte!
'Jetzt muss ich mich beeilen, um so schnell wie möglich zum Hide Park zu kommen, da ich mit Lance-Korporal Sebulon zur Streife verabredet bin. ...verabredet zur Streife? Ähm ... ja, klar .... Hauptsache, ich weiß, wie ich das meine.' dachte ich und lachte, zog mich dann schnell an und frühstückte. Als ich gerade zur Tür ging, sprang Delilah auf meine Schulter:
"Hey, du musst doch deine neue Uniform anziehen!"
Ich sah sie etwas verdutzt an und sagte: "Das nennst du neu? Die ist doch total abgetragen! Aber du hast Recht."
Ich zog mir die Uniform schnell über meinen roten Lederanzug. Als ich jetzt zur Tür ging, saß meine Katze plötzlich wieder auf meiner Schulter.
"Ich komm mit" mauzte sie und schnurrte mir ins Ohr.
"Aber du kannst nicht mit. Wie sieht das denn aus, wenn ich mit meiner Katze zur Arbeit komme, hm?"
Delilah kicherte: "Na, einfach so, als würdest du mit deiner Katze zur Arbeit kommen."
"Oh man ... also gut! Komm mit aber erstens läufst du, ich werde dich nicht auf meiner Schulter durch die Stadt tragen, und zweitens bleibst du draußen, sollte ich ein Gebäude betreten. Klar soweit?"
"Klar Lanti. Reg dich nicht so auf!" Mit diesen Worten sprang sie zurück auf den Boden.
Ich ging los und meine Katze lief neben mir her.

~~~In Ankh-Morpork am Hide Park~~~


Am Hide Park angekommen, an der Ecke, die wir als Treffpunkt ausgemacht hatten, sah ich mich nach dem Lance-Korporal um, der jedoch noch nirgends zu sehen war. Und Delilah spielte schon völlig vergnügt auf den nächstgelegenen Bäumen. Also wartete ich allein.
Der Park war verschneit, wie die ganze Stadt auch. Was für ein wunderschöner Anblick, die vom Schnee weiße Wiese mit verschiedenen Spuren! Man sah noch keine ausgetretenen Pfade. Kein Wunder um etwa sieben Uhr morgens!
Noch immer war niemand zu sehen.
Plötzlich kam ein brauner Hund - vermutlich ein Mischling - um die Straßenecke gerannt. Als er mich sah, knurrte er mich an. Was auch sonst? Schließlich roch ich durch und durch nach Katze! Ich bekam Angst und blieb einfach nur starr stehen. Abgesehen von Katzen mag ich Tiere nicht besonders, aber Hunde, Hunde schon gar nicht! Ich weiß nicht warum aber es war schon immer so, dass alle Hunde eine natürliche Abneigung mir gegenüber zu haben schienen und ich die Viecher dagegen, wenn überhaupt, lieber nur von hinten sah. Kam mir ein Hund zu nahe, bekam ich je nach Größe des Tieres und meiner Verfassung verschieden stark ausgeprägte Angstzustände mit unterschiedlichen Auswirkungen. Jetzt zum Beispiel stand ich einfach starr da und starrte den Hund an, weil ich unfähig dazu war auch nur irgendetwas an mir in Bewegung zu setzen und seien es die Augen. Dass ich meinen Blick vom Hund nicht lassen konnte, war nun natürlich am ungünstigsten, denn jeder weiß, dass man einen Hund nur noch mehr provoziert, wenn man ihm in die Augen guckt. In diesem Fall sah er mir zwar in die Augen aber die Wirkung war die selbe. Es schienen Minuten vergangen zu sein, in denen wir uns einfach nur anstarrten und er mich in verschiedenen Tonlagen, die immer wütender wurden, anknurrte.
Wenn ich jetzt so darüber nachdenke, frage ich mich, warum er sich nicht gleich auf mich gestürzt hatte.
Da ertönte ein rettendes Pfeifen und eine Stimme, die rief: "Jado! Bei Fuß!" Jado gehorchte, was mich aufatmen ließ. Als ich mich umsah, um herauszufinden, wem die Stimme gehörte, musste ich feststellen, dass der Hundebesitzer leider zusammen mit seinem Hund auf mich zu kam. Aus gutem Grund, denn es war der Lance-Korporal. Ich riss mich halbwegs zusammen, salutierte und sagte: "Guten Morgen, Sör!"
"Guten Morgen, Rekrutin vom Silberwald! Wie ich sehe, bist du erfreulicherweise pünktlich."
"Natürlich, Sör, ich versuche immer pünktlich zu sein."
"Keine unqualifizierten Bemerkungen bitte! Ist alles in Ordnung? Du wirkst etwas blass. Ich hoffe, das hat keine Auswirkungen auf die Streife, denn du wirst alle Sinne brauchen."
Nachdem ich versuchte, eine Antwort ohne unqualifizierte Bemerkungen zu finden, stammelte ich: "Sör ... ich bitte um Verzeihung. Es ist nur ..., Ihr Hund ..., ich denke, er mag mich nicht besonders."
Er sah belustigt drein und fragte: "Hast du Katzen?"
"Ja, Sör, eine."
"Dann ist das normal. Er wird dich nie mögen."
Ich dachte nur: 'Na toll!' Zog es aber vor, nichts zu sagen, denn alles, was mir in diesem Moment durch den Kopf schoss, wäre unqualifiziert gewesen. Statt dessen vereiste ich sichtbar aus Versehen meinen linken Handschuh bei dem Versuch, mich zusammenzureißen, da Jado mich schon wieder ununterbrochen mit einem Ich-hasse-Katzen-und dich-auch-Blick anstarrte.
Lance-Korporal Sebulon sah erst meine linke Hand und dann mich überrascht an: "Wie hast du das gemacht?"
"Ich weiß es nicht, Sör. Das passiert einfach. Kann das nicht kontrollieren." nuschelte ich kleinlaut.
"Hmm ... ist das so." Er lächelte und meinte dann: "Gehen wir. Folge mir einfach und halte Auren und Ohgen ..., ich meine natürlich Augen und Ohren nach ungewöhnlichen Vorkommnissen offen! Wir werden von hier aus durch den Park und dann weiter die Düstergutstraße entlanggehen, nach links abbiegen und uns in der Ankhstraße etwas umsehen. Der Rest wird sich finden."

Also gingen wir los. Er redete nicht viel und ich auch nicht. Ich wusste einfach nicht, was ich hätte sagen sollen. Delilah ließ sich auch nicht blicken, als wir den Park verließen, vermutlich, weil auch sie keine Hunde mag. [2] Das hatte auch etwas gutes: Ich musste keine Erklärung dafür finden, warum meine Katze mit zur Arbeit gekommen war. Schließlich konnte ich schlecht sagen, dass sie mich überredet hatte und ich nicht einmal Diskussionen gegen meine Katze gewinnen konnte. Mal abgesehen davon, dass ich heute noch nicht wissen wollte, was der Lance-Korporal davon halten würde, dass ich die Fähigkeit besaß, mit Katzen zu reden. Es war schlimm genug, dass ich dieses Vereisen nicht im Griff hatte und es nicht einmal erklären konnte! Denn mittlerweile hatte ich auch meinen rechten Handschuh eingefroren, so waren meine Hände bewegungsunfähig. Gerade als ich dachte: 'Zum Glück muss ich sie jetzt nicht benutzen!', wäre ich am liebsten doch in der Lage gewesen, mein Schwert zu ziehen - denn plötzlich standen vor uns drei zwielichtige Typen in zerrissenen dreckigen Klamotten, die so groß waren, dass sie mit uns hätten Klonk spielen können[3].
"Oho, zwei kleine Wächter!" rief einer von ihnen und grinste spöttisch. Er hatte lange, ungekämmte schwarze Haare und strahlende blaue Augen.
Mein Vorgesetzter und ich sahen uns kurz an und schienen beide das selbe zu denken: 'Klein?! Geistig bestimmt größer als du!'
"Jaha", sagte ein anderer mit kurzen schwarzen Haaren, undefinierbar dunklen Augen und Bart, "ich wollte schon immer mal wissen, was Wächter so in den vielen Taschen ihrer Uniformen mit sich herum tragen!"
Vom dritten, der gar nichts sagte, sah ich nur noch blonde Haare, während er sich angriffslustig auf meinen Ausbilder stürzte. Ich wollte ja sehr gern helfen, nur leider hinderten mich meine durch Frost unbeweglichen Hände daran, mein Schwert zu ziehen und im Nahkampf ohne Waffe war ich leider grottenschlecht. Außerdem stürzte sich auch einer der anderen gleich darauf auf mich. Total überrumpelt von dem, was hier gerade passierte, ging ich zu Boden und nachdem der Gedanke 'Wo ist eigentlich dieser Hund, wenn man ihn brauchen könnte?' in Windeseile durch meinen Kopf gefegt war, wurde mir schwarz vor Augen.

~~~In einer Höhle, ebenfalls eine halbe Stunde entfernt von Ankh-Morpork,südöstlich der Stadt~~~


Als ich wieder aufwachte und die Augen aufschlug, sah ich nur völlige Finsternis, deshalb machte ich sie wieder zu. Mein Kopf fühlte sich an, als hätte dieser Schläger seine Faust in meiner Schädeldecke vergessen, was mich darin hinderte, klare Gedanken zu fassen. Ich versuchte es trotzdem und das erste, was ich feststellte, war, dass mir meine Uniformjacke, meine Handschuhe und mein Schwert abgenommen worden waren. Zum Glück hatte ich noch meine normalen Sachen darunter angelassen. Dann fing ich an zu erfühlen, worauf ich lag. Meine rechte Hand ertastete kalten, unregelmäßigen, harten Fels. Mit der linken Hand fühlte ich auch erst Fels und dann ... etwas warmes und weiches! 'Noch eine Hand!' dachte ich. 'Das ist nicht meine Hand,...' dachte ich blödsinniger Weise weiter, 'sondern ...'.
"Sör ... Sebulon?", fragte ich halblaut, nachdem ich plötzlich meine Stimme wiedergefunden hatte. Etwa eine Sekunde später landete etwas Schweres, Lebendiges mit vier Beinen auf meinem Oberkörper, sodass mir die Luft weg blieb.
"Argh! Ja ... äh ... könnte ich bitte meine Hand wieder haben?" hörte ich neben mir den Lance-Korporal fragen.
Nun, zu irgendetwas musste es gut sein eine Frau zu sein: laut der Hitze, die sich plötzlich in meinem Gesicht ausbreitete, lief ich rot an - zum Glück sah er das nicht - denn ich hatte nicht bemerkt, dass ich mich vor Schreck fest in die Hand meines Vorgesetzten gekrallt hatte, ließ gleichzeitig seine Hand wieder los, hielt noch immer die Luft an und rief: "Was zum Teufel ist das?!"
Dann verließ das Tier meinen Brustkorb mit einem plötzlichen Sprung und ich hörte neben mir, dort wo sich mein Ausbilder befand, ein Schlecken. Gleich darauf sagte dieser: "Ist gut, Jado, ich freu mich ja auch, dich zu sehen, auch wenn ich dich nicht sehe aber jetzt: aus!"
Es hätte mich jetzt beruhigen können, dass es nur Jado war, der mich eben fast zu Tode erschreckt hatte. Andererseits konnte der mich nicht besonders leiden. Jedenfalls hatte ich Angst, einfach weil er ein Hund und noch dazu in meiner Nähe war und ich nicht sehen konnte, wo er sich gerade befand. Ich konnte leider auch nicht genau orten, wie weit sein Hecheln von mir entfernt war.
Trotzdem fragte ich mit zitternder Stimme: "Sör, ist ... alles in ... Ordnung ... mit Ihnen?"
"Abgesehen von den Kopfschmerzen und davon, dass ich meinen Fuß nicht bewegen kann, ich nichts sehe, außerdem gern wüsste, wo wir - und warum gerade wir - hier sind und wie wir hier her kamen beziehungsweise wieder weg kommen: ja."
"Naja, mir geht's da ähnlich. Meinem Fuß geht es zwar gut aber dafür weiß ich nicht, wann ihr Hund sich zum nächsten Mal wieder auf mich stürzt."
Gleich darauf dachte ich: 'Hoffentlich war das jetzt nicht schon wieder unqualifiziert.'
"Lantania, übertreib es nicht! Jado ist doch nicht bösartig, er mag nur keine Katzen. Also ... irgendwelche Vorschläge?"
Da ich seit einiger Zeit schon die Augen offen hatte und noch immer nur schwarz sah, kam ich zu dem Schluss, dass kein Funken Licht in diese, dem felsigen Boden nach zu urteilen, Höhle gelangte.
"Ich werde mich mal um... tasten, Sör.", sagte ich und kniete mich hin. "Würden Sie mir aber bitte den Gefallen tun und Jado festhalten? Dann kann ich mich besser auf das, was ich nicht sehe, konzentrieren."
"Der Hund ist nass. Wenn ich ihn festhalte, kuschelt er mir zu viel und ich möchte jetzt nicht nass werden!"
"Natürlich, Sör." Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch kroch ich los. Immer wieder fragte ich meinen verletzten Vorgesetzten irgendwelche mehr oder weniger sinnlosen Fragen, nur um zu wissen, wie weit ich etwa schon gekommen war. Zwischendurch hatte ich einmal kurz festgestellt, dass ich sogar hätte stehen können aber in Anbetracht der Tatsache, dass ich eventuell aus der Decke hervorstehende Felsvorsprünge nicht gesehen hätte und meine Kopfschmerzen nicht noch verschlimmern wollte, blieb ich lieber auf den Knien. Plötzlich fiel mir etwas ein:
"Sör, ich glaube, es hat keinen Sinn, dass ich noch länger hier rumkrieche. So finde ich nichts. Aber ... ähm ... sagten Sie vorhin, Ihr Hund sei nass?"
"Ja, sagte ich." hörte ich den Zwerg von weiter weg antworten, als ich gedacht hatte.
"Das heißt, dass er hier von allein reingekommen und vorher draußen durch den vielen Schnee gelaufen ist. Dann kann er uns doch bestimmt auch wieder rausbringen. Sie halten ihn am Halsband fest und ich mich an Ihnen. Was denken Sie, Sör?"
Er stöhnte: "Lantania, du vergisst, ich kann nicht laufen. Aber die Idee an sich ist gut. Nur wirst du allein mit Jado gehen, dir draußen entweder Licht oder Hilfe oder beides besorgen und mich dann bitte hier noch abholen."
"Aber Sör, ... Jado ..."
"Rekrutin Lantania, das ist ein Befehl! Und ich versichere dir, Jado wird dir nichts tun. Schließlich bist du keine Katze, das hat er mittlerweile durchaus verstanden."
"Natürlich, Sör." Auf Grund des Tonfalls, den mein Ausbilder eben angeschlagen hatte, salutierte ich. Mir war in diesem Moment nicht bewusst, dass er die Geste sowieso nicht sehen konnte.
Ich kroch zu den beiden zurück und nahm des Hundes Halsband in die Hand. Dieser schien verstanden zu haben, was wir von ihm erwarteten und lief los. Ich folgte ihm, noch immer innerlich wiederstrebend.

Ich war draußen. Endlich! Als erstes, als ich bei frischer Luft im Schnee stand, musste ich feststellen, dass es Nacht war. Immerhin war es eine sternenklare Nacht mit Vollmond und deshalb nicht annähernd so dunkel, wie es in der Höhle gewesen war.
'Ich darf gar nicht daran denken, dass ich da nochmal rein muss! Schließlich muss ich Lance-Korporal Sebulon da noch rausholen.'
Bevor ich Jados Halsband so schnell wie möglich losließ, streichelte ich ihn kurz. Denn nur durch ihn waren wir hier draußen und er hatte mich, seit klar war, dass er mich führen musste, kein einziges Mal mehr angeknurrt.
"Aber glaub nicht, dass ich dir jetzt vertraue!"
Da hörte ich Schritte im Schnee auf mich zustapfen und gleich darauf stand Alois Kühn [4] neben mir. Er hatte eine Fackel dabei.
"Lantania, du bist ja schon draußen!" rief er überrascht. "Ist der Lance-Korporal bei dir?"
Jetzt war ich an der Reihe, überrascht zu antworten:
"Nein, sein Hund hat mich rausgeführt. Woher weißt du denn, dass wir hier sind?"
"Vor dem Wachhaus sind irgendwann am späten Nachmittag zwei Uniformjacken mit euren Dienstmarken drin aufgetaucht. Dabei lag auch eine Lizenz, euch zu überfallen und zu verschleppen, und weißt du warum? Anscheinend als Warnung für die Wache, sich nicht zu sehr in die Angelegenheiten der Assasienen- und Diebesgilde einzumischen. Außerdem lag noch ein Zettel dabei, dass wir euch hier in dieser Höhle finden, aus der ihr ohne Hilfe angeblich nicht mehr heraus kommt. Da haben sie mich losgeschickt, um euch zu retten."
Erst dachte ich: 'Verdammt, dann brauchen wir ja nichtmal zu ermitteln, weil's in dem Sinn keine Straftat war. Manche Gesetze sind echt das bescheuerteste der Welt!' aber sagte nur: "Ohne Jado wäre ich jetzt auch nicht hier. Aber ich bin sehr froh, dass du hier bist, danke Alois! Und es ist auch sehr gut, dass du eine Fackel dabei hast, da drin ist echt stockduster. Hilfst du mir, meinen Ausbilder zu befreien? Er hat sich am Fuß verletzt und kann nicht laufen. Ich nehme an, dass das vorhin im Kampf passiert ist. Weiß es aber nicht, hat er mir nicht gesagt."
"Klar. Deshalb bin ich doch hier." erwiderte er.
"Haben sie dich wirklich allein losgeschickt?, fragte ich zweifelnd. "Ich meine, das hätte auch eine Falle sein können, dann hättest du jetzt vielleicht auch noch ein Problem."
Der Wächter schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn: "Oh nein! Das hab ich völlig vergessen! Chief-Korporal Feinstich und Lance-Korporal Kathiopeja sind dort hinten in einer der Baumgruppen und warten auf mich. Ich sollte ja nur mal die Lage um die Höhle herum peilen und ihnen dann Bericht erstatten."
"Hast du doch jetzt.", antwortete ich grinsend. "Am besten gehst du schnell berichten, kommst dann zurück und wir holen Jado sein Herrchen da raus. Moment ... Wo ist denn dieses Tier schon wieder? Ich trau ihm einfach nicht!"

~~~etwa zwei Stunden später im Wachhaus am Pseudopolisplatz~~~


Zusammen mit meinem Vorgesetzten, der mittlerweile einen Verband um seinen Fuß hatte, saß ich in der Kantine. Mittlerweile war unsere Kleidung wieder durch die Uniform vervollständigt. Leider befand sich mein Schwert gegenwärtig immernoch bei seinem neuen Besitzer. Ich war mir nicht sicher, wie genau der Verlust des Schwertes die Existenz meiner Katze in meinem Leben beeinflusste[5].
Wir hatten beide Teetassen vor uns. Im Gegensatz zu der des Lance-Korporals war meine schon leer.
"Lantania, da wir unsere Streife noch nicht beendet haben, ich aber nicht mehr laufen kann, machst du bitte die Streife von Rogi und Alois Kühn mit. Die beiden gehen jeden Augenblick los. Sie sollten schon draußen stehen."
Ich sah ihn überrascht an, denn diese Anweisung kam wirklich sehr plötzlich. Erst wollte ich irgendetwas erwiedern, was eine Klage über meine noch immer vorhandenen lästigen Kopfschmerzen enthielt. Aber dann dachte ich, dass ich sie bestimmt gut verdrängen könnte, wenn Alois und seine Ausbilderin mich nur genug ablenkten. Also stand ich auf und sagte: "In Ordnung, Sör und gute Besserung."
Er lächelte: "Danke. Aber hast du nicht was vergessen?"
'Ups, salutieren war wohl eben noch dran!', dachte ich, holte dies mit einem begleitenden "Verzeihung, Sör." nach und verließ die Kantine.

[1] Ganz besonderes Katzenfutter für Feinschmecker, das es nur in einem versteckten kleinen Laden irgendwo im Untergrund Ankh-Morporks gibt. Es ist nicht gerade billig und enthält Suchtmittel: Hat eine Katze das ein einziges Mal zwischen den Zähnen gehabt, frisst sie nichts anderes mehr. Leider wusste ich das nicht, bevor ich ihr die erste Dose gegeben hatte.

[2] Als ich nach Hause kam, wartete sie bereits ungeduldig auf mich, weil sie natürlich hunger hatte. Als ich sie fragte, warum sie denn schon zu Hause war, meinte sie: "Ich hab Angst. Ich geh auch nicht mehr raus!"
"Du und Angst? Wovor denn?" fragte ich ungläubig.
"Sag ich nicht. Ich hab eben Angst und dabei bleibt es." Daraufhin setzte sie sich demonstrativ vor den Küchenschrank und mauzte fordernd.

[3] Sie erweckten auch den Eindruck als würden sie über so etwas in der Art ernsthaft nachdenken! Obwohl ich als Mensch ja eigentlich dafür ungeeignet war.

[4] Ein mir sehr sympatischer Wächter, den ich während einer Sie-Muh-Lation einer Gefahrensituation kennen gelernt hatte.

[5] Siehe: im Traum an der Quelle.
Übrigens stellte sich später heraus, dass Delilah auch ohne das Schwert bei mir bleiben würde und auch sonst nichts passierte.




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Feedback:

Von Breda Krulock

16.02.2010 16:21

Hm, ich finde diese ganze "Ich-kann-mit-meiner-Katze-reden-die-auch-noch-meine-beste-Freundin-ist" Sache ein wenig verstörend und will mir nicht so recht gefallen. Aber das muss sie ja auch nicht, denn du wirst dir ja schon was dabeí gedacht haben (...außer das du im realen Leben sehr wahrscheinlich ein riesiger Katzen Freak bist ^^)Die Dialoge wirkten sehr steif, so würde sich niemand unterhalten. Auch nicht mit einer Katze ;) Les sie beim nächsten mal einfach laut vor, dann merkt man schnell, ob das Gespräch wirklich so stattfinden würde.Die Idee der Geschichte fand ich ganz gut, nur n bisschen holprig. Schön fand ich, daß du die Vergangenheit deines Charas eingebracht hast, so erfährt man gleich ein wenig mehr.

Von Braggasch Goldwart

16.02.2010 16:21

Nicht schlecht. Positives: der Humor, schöne Wort- und Situiationswitze. Ein durchtdachter Satzbau. Negatives: Recht konfus - teilweise hatte ich den anschein du schreibst einen Teil ohne zu wissen wie der nächste Satz aussieht, was ansich nciht schlimm ist, aber dafür sorgt, dass manche Dinge völlig sinnlos passieren und der Leser sich ab und zu nue orientieren muss. Persönliche Wertung: Ich bin kein Fan des Ich-stils, finde den Erzählerstil besser, der meiner Meinung nach auch die Art der geschichte mehr unterstützt hätte. Anfangs kam mir der Überfall viel zu rabiat, aber die Idee mit der Warnung der Gilden find ich gut - hätte man durchaus noch weiter ausbauen können. Großartig finde ich, dass Latania trotz oder gerade durch ihre Fähigkeiten so viele Probleme hat. Das Vereisen derart unpassend anzuwenden und das schwert direkt zu verlieren, war eine sehr gute Idee. In Zukunft würde ich mich sehr über eine single interessieren, die sich mit der Verganegheit Lantanias auseinandersetzt und erklärt, woher sie die Gabe des Katzenredens und des Vereisens hat und was der Hintergrund des geschenkten Schwerts ist.

Von Menélaos Schmelz

16.02.2010 16:21

Ich finde den Charakter hast du schön eingebracht und man hat viel über Lati erfahren. Auch wenn mir manche Passagen etwas zu ausführlich waren, Däumchen hoch. Ich bin auf weitere Szenarien gespannt.

Von Lantania vom Silberwald

22.02.2010 22:02

Danke für eure Anmerkungen und Tipps. Werd versuchen einiges davon in nächste Geschichten einzubringen, kann es aber bestimmt nicht euch allen recht machen.

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