Winterwind

Bisher hat keiner bewertet.

von Wächter Jakob Fluss (GRUND)
Online seit 25. 12. 2009
PDF-Version

Für Rekruten (erste Mission):
Streife gehen gehört zum Wächterleben dazu. Beim ersten Mal kommt natürlich dein Ausbilder mit. Dann kann ja gar nichts schief gehen, oder?

Dafür vergebene Note: 11

Städte... Lebewesen unterschiedlichster Art, Gesinnung, und Interessen finden sich in einem begrenzten Gebiet zusammen. Um zu konkurrieren, zu Leben, aneinander zu verdienen, nicht allein zu sein oder auch nur um eine gemeinsamen Raum in einer unwirklich erscheinenden Welt zu bewohnen.
Es bilden sich Viertel, so gern man auch zusammen ist, man ist es am liebsten mit den Seinen, es bleiben die anderen. Die welche nicht dazugehören. Sie bilden eigene Viertel mit eigenen Lebensweisen, sei es um die Bräuche ihrer Väter zu leben oder um sich von denen im anderen Viertel abzugrenzen.
Der Zusammenhalt einer Stadt ist eine komplizierte Formel aus Ethiken, Umwelteinflüssen, Sozialen Netzen, der Grundstimmung und unter anderem aus der Wache. Einer Institution Viertelübergreifender Aufsicht. Der Zusammenhalt aller funktioniert unter dem Schmieröl der Gesetze, Erlässe und des geltenden Rechtes. Der Wächter als solcher ist das Auge der Stadt, ihre Hand und in Summe auch Ihr Wille. So manch ein Monarch musste sein Haupt bereits beugen, geputscht von der eigenen Stadt ... mithilfe ihrer Wache.

Der Winter umfing Ank-Morpork auf seine Art, der Schmutz, die Abfälle und die Kadaver der liegen gebliebenen wurden von einem klinischen Weiß bedeckt. Sanft flockig fielen die winzigen Kristalle bereits seit Tagen vom Himmel. Im ständigen Wettstreit mit dem Abfall der Stadtbewohner. Als wolle die Stadt ihre Bewohner zur Räson bringen leiteten die Häuser den Wind durch ihre Gassen. Aufgrund der engen Bebauung, existierten einige Gassen in denen eine leichte Brise, zu einem anhaltenden Sturm mit schneidender Kälte, aufbrausen konnte. In einer dieser Gassen begegnen wir erneut Jakob Fluss. Behutsam bewegt er sich durch den knöchelhohen Schnee, eingehüllt in einen abgenutzten Mantel, dessen Metallapplikationen ihn angesichts der Kälte zu keinem unbedingt bevorzugten Begleiter machen. Mit hochgezogenen Schultern versuchte sich das frierende Bündel, eines Wächters so klein wie möglich zu machen um dem eisigen Wind so wenig wie möglich Angriffsfläche zu bieten.
Ja, ja Wärme entsteht im Herzen auch wenn es kalt ist
murmelte er mit klappernden Zähnen. Die wenigen Bürger der Stadt welche sich genötigt sahen bei diesem Wetter vor die Tür zu gehen, gingen zielstrebig ihren Geschäften nach.
Schlechte Zeiten für Diebe
Der Wind brachte weitere Schneeflocken heran, in einem Schauer aus nadelspitzen Eiskristallen gingen sie in den verhärmten Gesichtern der Anwesenden nieder.
Ha, selbst die Assassinen dürften bei diesem Wetter auf den Dächern festfrieren.
Sein Blick schweifte über das jungfräuliche Weiß des frischen Schnees, zu den wohl verschlossenen Haustüren, der beheizten Häuser dieser Straße. Ein kleiner Hund, unter dem Neuschnee kaum zu erkennen, saß vor einer der Türen, sein Schwanz wedelte nicht mehr, auch bewegte sich sein Körper nicht, weder im Atemrhythmus noch mit dem Wind. Sein Blick, glasig und leer auf die Tür gerichtet. Drinnen saß eine Familie dicht beim Kaminfeuer beisammen, um den Geschichten der Großmutter zu zuhören, die Ihren Enkel auf ihrem Schoss beherbergte, während sie dem etwa 6-jährigen Jungen vorlas. Einem aufmerksamen Beobachter entging nicht das Aufblitzen von Schuld in den Augen des kleinen Jungen während er verlegen ab und zu in Richtung der Tür blickte.
Der beste Freund des Menschen, je nach Außentemperatur.
Kälte fand den Weg in das Herz eines Menschen, eines Wächters.

Mehrere Häuser weiter konnte dem geneigten Beobachter ein weiters Schauspiel des menschlichen Wintererlebens zuteil werden. Die Stimmen der Bewohner waren selbst durch den Wind noch zu hören, so schrill und voller Selbstzweifel erklangen sie.
Aber Liebling sieh dich doch um uns geht es gut wir habe ein Haus, ein warmes noch dazu, ein Auskommen.
War es das wofür ich dich geheiratet habe ... für ein Auskommen?
Aber wir lieben uns doch.
Tun wir das noch ? Wir kommen doch nicht weiter ... damals als du noch der Junge und kräftige Arzt warst, aufstrebend, erfolgreich.
Liebling das bin ich doch heute auch noch für dich ... siehe wir haben ein Haus ich sorge für unser Auskommen, ich bin bei dir.
Aber will ich das ? ... All die Jahre, du wirst dicker ... die 4-5 Patienten die du noch hast sind alt und schrullig, sie zahlen nicht oder selten. Ich hab einfach mehr vom Leben erwartet.
Es ist so kurz ... und ich kann will es nicht mehr mit dir teilen. Es gibt so vieles das mir entgeht, so viel nachzuholen.
Aber ... Susanne was ... wird aus mir, all das, das Haus, unser Leben. Ich hab das steht's für dich getan, für uns.
Ich, ich kann nicht mehr ... mein Leben ist mehr Wert als all das. Ich gehe.

Mit einem schwungvollen Knall schloss sich die Wohnzimmertür, zurück blieben in all der Wärme des Kamins, erkaltete Gefühle ein zerbrochenes Herz und mehr Frost als das Feuer zu vertreiben mochte.
Trotz der Wärme ... so kalt
Seine Füße trugen ihn weiter die Strasse hinauf in ein anderes Viertel dieser Stadt. Die Fenster leuchteten hier weniger, es gab kaum Kerzen, einige waren vernagelt. Die Türen der Behausungen erwiesen sich als praktischer, robuster ohne Schnörkel. Der wenige Rauch kroch hier nicht aus den Schornsteinen auf den Dächern sonder aus den Löchern an Stellen wo sich einst Ziegel befanden und der Sturm seine reiche Beute fort getragen hatte.

An einem anderen Ort der Stadt, in einem kleinen Häuschen der Mumpitzgasse unweit des Galgens. Schnee bedeckte das Spitzdach, Eiszapfen wanden sich kristallklar die Dachrinne hinab und bildeten beinahe stützende Säulen. Die Fenster des Hauses von innen warm erleuchtet, von außen umrandet vom zärtlichen Weiß eines zurückgedrängten Winters. Ein Schaukelstuhl vor dem gut beheizten Kamin, kündete durch ein harmonisch regelmäßiges Quietschen von der Anwesenheit, einer vielleicht bekannten Dame. Sehnsuchtsvoll blickten Ihre Augen in die knisternden Flammen des offenen Kamins. Ihre Hände wärmten sich an einer großen Tasse heißer Schokolade. Aus den zu einem unscheinbaren Lächeln verzogenen Mundwinkeln ließ sich eventuell auf einen guten Schuss in der heißen Tasse schließen. Der Schaukelstuhl bewegte sich im ruhigen Rhythmus ihres Atems. Erinnerungen fluteten ihren Geist.
Es gibt nichts ... nein, mein Herz, es gibt nichts ... Wärme, ein Haus, Gewissheit nichts womit du mich verführen, ja gar verlocken könntest
Nichts
Ihre Stimme erklang sanft, sie brachte den Schnee zum schmelzen, das Eis zum Tauen und die Flammen zum lodern. Doch den Geist überzeugte sie nicht.
Jakob, hast dein eignes Blut vergossen um mir zu trotzen. Entdecktest meine Taten und konntest mich doch deiner Gerechtigkeit nicht überführen
Der Ton veränderte sich Ärger und Groll gesellten sich hinzu.
Doch du hast Sorge in mein Gemüt gesät.
Ein unter Umständen sehr unflätiger Fluch entglitt ihren Lippen. Wütend fuhr die grade zu zierliche Gestalt aus ihrer anmutigen Ruhehaltung hervor, griff sich einen Mantel und trat hinaus in den Winter.
Dieb, stahlst mir die Ruhe meines Daseins durch deine Neugier

In einer anderen Strasse ließ sich ein einsamer Rekrut der Stadtwache vom Winterwind führen, er kämpfte nicht mehr gegen die kalten abertausende von Nadeln an, sein Rücken hatte schon mehr tragen müssen als ihn dieser Wind zusetzen konnte. Unter einer leichter werdenden Schneedecke fand er ein kleines Mädchen ... ihr Atem war schon vor einiger Zeit verstummt, die Augen starr in den Himmel gerichtet, das Kleidchen ärmlich, dünn und starr vor Frost. Ihre Haare ein Gewirr aus Eiskristallen, ihre Lippen nur noch zwei blaue Striche in einem kreidebleichen Gesicht. In Ihren Händen hielt sie einen kleinen Sumpfdrachen, Marke: "Feueranzünder", mit einem kleinen exorbitanten Preisschildchen. Offensichtlich gestohlen. Der kleine Drache war tot, sie hatte ihn versucht zu wärmen, aber der kleine Drachling ward der Kälte schneller erlegen als Sie.
Warum.......
So sinnentleert die Frage auch schien, er stellte sie dem Winter, der Kälte, der Stadt und dem was er für menschlich hielt. Die Antwort kam schneidend und in einer nie erlebten Kälte von innen. Für die Eltern, für die Familie. Wie im Traum nahm er die Kleine in die Arme, von ihr ging nur noch Kälte aus. Seine Füße folgten einem Weg den eigentlich nur sie kennen konnte. In eine Wohnung unter vielen, robuste Außentür, karge Wände, keine Bilder, kaum Bücher, drei Stühle, ein Tisch, zwei Betten im selben Raum ein Ofen. Kein Feuer brannte in ihm. Der Vater war nicht im Hause vermutlich versuchte er etwas Essbares zu organisieren. Die Mutter lag in einem der Betten, kalt wie ihr Mädchen.
Warum hast du deine Tochter allein dort hinaus geschickt ?
Die Antwort gab ihm nur der Wind, aus diesen Wänden sprach kein Leben mehr. Eines der wenigen Bücher war
"Das Werk Ohms" allerhand Seiten waren herausgerissen um das Feuer im Ofen zu entfachen, es brannte nie. Kein Gott, kein Wächter und auch kein Nachbar hatte sich dieser Menschen angenommen. Nur die Kälte, der Wind und der Schnee. Er bettete das Mädchen bei ihrer Mutter. Entfachte ein kleines Feuer mithilfe seiner Zündhölzer, der Vater sollte wenigstens ein wenig stolz sein auf seine Tochter wenn er je heimkehrte. Das Feuer reichte kaum aus, um das schwere Eisen des Ofens zu erwärmen. Jakob beseitigte mit Hilfe der Flammen alle Hinweise auf den toten Sumpfdrachen und verließ die Wohnung. Auf der Straße war es nicht die allgegenwärtige Kälte des Winters welche ihn umfing, es war ein grausamer Stich in seinem Herzen, Blut sammelte sich in seiner Nase und dem Rachenraum, er hustete.

An einer anderen Stelle der Stadt, weit entfernt in der Nähe des hell erleuchteten Wachhauses. Eine manchen wohlbekannte Dame schwebte grade zu durch den Zorn des Winters. In einen wohligen Mantel gehüllt konnte ihr weder der Wind noch die beißende Kälte etwas anhaben. Zudem färbte ihre eigene Wut ihre Wangen.
Wo mochte sich ein Wächter wie er herumtreiben, in einer Stadt wie dieser. Praktisch überall.
Einem inneren Instinkt folgend begann sie an dem Ort wo er nicht sein konnte.
Sie betrat das Wachhaus, frierende Gesellen tummelten sich am Wachetresen und so mancher Pöbel machte sich deutlich bemerkbar.
Nein sperrt mich ein, ich war es ... die Zellen sind hoffentlich warm.
Ein junger Rekrut verteidigte wacker den Ofen des Gebäudes und die anscheinend heiß begehrten Zellen.
"Gläu-mou-r" übernahm die Geschicke der Anwesenden. Eine zuckersüße Frauenstimme trällerte mit der Melodie junger paarungswilliger Frühlingsvögel eine Frage in das aufnahmebereite Ohr des Rekruten.
Nein kein Problem junges Fräulein ...Fluss ... ja er ist auf Patrouille ... nein, nie allein, dieser Zwerg ... Sebulon ist mit ihm unterwegs
Woran zu erkennen? Nun ja der eine bewegt sich wie 12 Tage ohne Schlaf der andere sieht aus wie 12 Tage ohne Schlaf. Kleiner Scherz ...
Sie kannte nun das Viertel, in dem sein Weg begann.

Weitere Gassen und ein paar größere Straßen später. In einer selbst für diese Jahreszeit verdächtig ruhigen Gasse, fast könnte man von einer finsteren Gasse sprechen, jedoch färbte der Schnee selbst eine schmutzige Stadt wie Ankh-Morpork in das weiß der Unschuld. Ein Röcheln aus dem Schnee sowie eine schnell versickernde Lache frischen, warmen Blutes zeugten von einer Tat, welche die Aufmerksamkeit eines Wächters erforderte.
Langsam und mit der Kälte, trotzendem aufgerichteten Körper betrat Jakob die Gasse, im Geiste seinen Wagemut verfluchend. Hatte er sich doch seines Partners schon zu Beginn der Patrouille entledigt.
Nun, was habt ihr hier vollbracht ?
Verzieh dich Wächter ... das haben wir bereits geregelt
Eine kräftige Stimme mit boshaften Unterton antwortete ihm.
Ein kurzer Blick verriet ihm folgende Situation. Der eine, verblutend im Schnee, der andere gebeugt über seiner Beute.
Leg deine Klinge nieder !
Was willst du tun Wächter ?
Verachtung presste die Frage zwischen den Zähnen des Bürgers hervor.
Alarm schlagen, deinem Opfer zu Hilfe eilen und dich vernehmen.
Hier wurde der Gerechtigkeit bereits genüge getan der Dieb ist tot, verzieh dich.
Gab es eine Quittung?
Ein Notizblock wanderte in seine Linke die feuchten Seiten waren steif gefroren, doch mit einem spitzen Bleistift lies sich zu mindestens noch grob gravieren.
Blutrünstig erhob sich der Blick des wachsamen und anscheinend wehrhaften Bürgers.
Kapierst du es nicht ... hier sind wir fertig !
Nein mein Freund sind wir nicht.
Eine Schneewehe erfüllte die Gasse mit nadelspitzen Eiskristallen. Starr blieb der Blick des Wächters auf den Augen des Bürgers.
Zerknirscht schien sich dieser der anwesenden Autorität zu beugen.
Brot stahl dieser dreiste Lump, meine Vorräte wollte er ergaunern.
Ein Griff an den Hals des Diebes zeigte, dass er nun zumindest in wärmeren Gefilden zugegen war. Er trug weder eine Lizenz noch sonstige Dokumente bei sich, seine Kleidung war abgetragen und zerlumpt, kaum den Temperaturen angemessen. Der wehrhafte Bürger jedoch trug einen Mantel und war seines Standes angemessen gekleidet, eine silberne Kette auf seinem sich wölbenden Bauch, führte augenscheinlich zu einer Taschenuhr. In seinen behandschuhten Händen hielt er ein Springmesser. Anscheinend eines dieser heimtückischen Modelle welche am Unterarm getragen und mithilfe einer gespannten Feder schwungvoll und meist überraschend hervorschnellen können.
Sein Beutesack scheint mir nicht all zu groß.
Niemand bestiehlt mich, hörst du Wächter, niemand!
Zorn erfüllte die Stimme des Bürgers. Als er sich nun deutlich an Jakob wandte.

Langsam fiel der mit einigen Zeilen gravierte Notizblock in den Schnee, das Springmesser streifte Jakob an der linken Wange, das hervortretende Blut gefror fast augenblicklich als er seinen Körper lockerte und in eine Abwehrhaltung ging.
Du hättest verschwinden sollen ... Rekrut, der Tod eines Diebes interessiert keinen.
Den nächsten Stoß konnte Herr Fluss noch parieren. Ein Stilett erschien in den Händen des wackeren Bürgers.
Wir haben uns unseren Stand nicht erkämpft, um ihn uns von Hunden wie diesen stehlen zu lassen.
Den zweiten Stich konnte er nicht mehr ablenken die Kälte saß ihm zu stark in den Gliedern. Wie besessen schlug der Mörder auf ihn ein. Jakob versuchte sich hauptsächlich auf die Klinge des Stiletts zu konzentrieren.
War es das wert, Bürger, ein Leben für ein Brot und ein paar Nüsse?
Brachte er keuchend zwischen seinen blutenden Lippen hervor.
Hier geht es um das Prinzip! Ihr Wächter seit doch gar nicht fähig ... mit ihnen allen klarzukommen. Ihr gebt ihnen eine warme Zelle und einen Pott voll Fraß.
Und ihr ... was gebt ihr ihnen? Ein kleiner Augenblick der Klarheit. Eine kurze Gewichtsverlagerung der Ferse und schon schoss ein etwa eine Handspanne langen Dolch aus Jakobs Stiefelspitze hervor. Ein Hieb mit aller Kraft brachte das Ungetüm auf Abstand. Der nachfolgende Tritt ließ den Bürger zusammensacken.
Wir sondern sie aus, Rekrut, wir lösen solche Probleme endgültig.
Der Tritt hätte nicht tödlich sein sollen, doch die Augen des zusammensackenden Bürgers sprachen eine andere Sprache. Bei dem Versuch ihn aufzufangen, versetzte er Jakob einen letzten Stoß. Schwärze sickerte von den Rändern seines Sichtfeldes über den Schnee bis ihn die Dunkelheit geistiger Umnachtung willkommen hieß.

Es war nicht schwer, die möglichen Aufenthaltsorte einzuschränken, zumindest nicht für eine Dame. In einer Taverne fand sie zumindest den Zwerg, schlafend, einen Tee vor sich stehend. Der Tee war kalt, also mussten die beiden sich vor einiger Zeit getrennt haben. Sebulon, Sohn des Samax stand auf der Marke des träumenden Zwerges. Der Tee hatte einen etwas starken Geruch nach ...
Jakob, Jakob, du schleichst wohl lieber allein durch die Straßen.
Der Tee verschwand und sie bestellte einen wohl platzierten klatschianischen Kaffee. Der Geruch würde sein Übriges tun.
Stahlst mir die Ruhe und bringst mich um den Tag, Herr Fluss, auf das dir die Götter Gnade zuteil werden lassen wenn ich dich finde.
Sie trat hinaus und ließ sich vom Wind führen, las in der Stadt und überließ es ihren Füssen eine Spur aufzunehmen.

Das Licht kehrte zurück und mit ihm der Frost, eisige Krallen breiteten sich in seiner Bauchgegend aus. Neben ihm der unbescholtene Bürger, um eines Brotes und ein paar Nüsse wegen seines Lebens erleichtert. Der Dieb, längst vom Schnee verschlungen, von weißen Kristallen voller Reinheit und Unschuld bedeckt. Mühsam raffte der Rekrut seine Glieder empor. Die Kälte in seinem Torso schien sich weiter auszubreiten. Es machte kaum noch einen Unterschied. Er würde Hilfe brauchen. Doch wollte er sie? Bei dem Bürger fand er einen Anhänger, gefrorenes Blut klebte an Ihm, in seinem Inneren fand sich eine Ikonographie, ein Mädchen, vielleicht seine Tochter. Das Gesicht schien bekannt, nur waren ihre Lippen bereits blau als er sie fand. Eine gravierte Notiz an einen Wächter hinterlassend verließ der bedrückte Rekrut den Ort des Geschehens.
Wofür ... konnte weder den Hund, noch das Mädchen, noch den Vater retten, hab einen Bürger getötet.
Einen Bürger, dem man seine Nahrung gestohlen hatte ... Wozu?
Für Gerechtigkeit? Für das Gesetz?
Was für ein Gesetz lässt ein Mädchen im Schnee sterben, einen Vater zum Dieb und einen Wächter zum Mörder werden?
In einem Anflug wiederkehrenden Lebens richtete er sich auf und verließ die Stadt. Soweit ihn seine Füße trugen ging er hinaus, unbeachtet vorbei an den wenigen Karren, die zügig in Richtung der Stadt fuhren. Immer weiter hinein fort von den Menschen, ihren Gesetzen, steht's den Minusgraden folgend.

Verbitterung sprach aus dieser Stadt, oder auch aus der Spur, der sie folgte. Ein in sich gekrümmter Herr, vor einem erloschenen Kamin, der offenbar wenig Neigung zeigte, das Feuer neu zu entfachen. Ein erfrorener Hund, anscheinend vorsichtig in eine Schneewehe gedrängt. Bis hin zu einer Wohnung erfüllt von wohliger Wärme, doch bewohnt vom Tod, die Leiche eines Mädchens in den Armen ihrer Mutter.
Oh Jakob.
Zuletzt fanden sich die Spuren eines Kampfes, mehrere Wächter hatten sich bereits versammelt.
Hey, halte die Laterne nicht so dicht an den Block, die Schrift taut uns sonst weg. Rekrut Fluss war wohl hier am Werk.
Fluss ... der hält sich auch mal draußen auf, hab ihn bisher nur am Tresen gesehen.
Oder im Archiv mit Besen und Eimer bewaffnet. Schau dir die zwei hier mal an, übel ...übel.
Ach sei froh, dass es kalt ist. Wenn die "Susen" hier fertig sind, können wir das Blut einfach wegschaufeln.
Sie hinterließ einen Hinweis, der diese Wächter zu einer Wohnung führen würde, zumindest wäre es dort äußerlich wärmer.
Jakob, Jakob ... wohin führen deine Wege ?

Sie führten ihn zu einem See außerhalb der Stadt.
Die Kälte des Sees konnte ihm nun nichts mehr anhaben, sein Herz war kälter, die Bewegungen kamen langsam, jedoch entschlossen. Sämtliche Wärme war aus seiner Seele entwichen, nur in seinem Körper pumpte ein pflichtbewusstes Herz noch zähes Blut durch die Adern, widerwillig holten seine Lungen den Sauerstoff aus der Kälte und versorgten einen getöteten Geist mit Leben. Es war egal. Alles. Ob er nun als Wächter unter ihnen weilte, ob er Recht vertrat oder Unrecht. Es machte nichts aus. Sie starben, ihre Herzen wurden kalt. Nichts, es gab nichts was er dagegen tun konnte. Sie scheiterten an sich selbst an Ihren Wünschen, Erwartungen und der Gier. Er konnte vielleicht mitspielen. Die Karriereleiter erklimmen, in Höhen, wo Moral egal wurde, wo es nur um Zahlen ging, die nichts fühlten und kaum etwas aussagten. Aber das wäre nicht er.
Somit entschied er sich für die Kälte, wie er sich einst für die Dunkelheit entschieden hatte. Nach den heutigen Erlebnissen wusste er, wie ehrlich sie war. Die Kälte. Ein kleiner Teil am Ufer des Sees war vom Eis befreit worden. Offensichtlich hatte jemand ein fast vergessenes Boot eingeholt. Zumindest wiesen die Schleifspuren im Schnee darauf hin, dass etwas Schweres aus dem See an Land gezogen wurde. Die Abdrücke könnten von Trollen stammen. Aber das spielte keine Rolle mehr. Das Wasser des Sees umfing ihn und er spürte es kaum. Seine Kleider sogen es langsam auf und zogen ihn in die Tiefe.

Endlich nach langer Jagd hatte sie ihn gefunden. An einem See ... Jakob, Jakob so wenig Theatralik. Dass dieser Wächter es aber auch nicht einsah, er war wichtig, er durfte nicht sterben, nicht auf diese Weise. Blödmann, Wut keimte in ihrer Seele auf und wärmte ihren Körper, ihre Wangen nahmen einen rötlichen Farbton an, als sie hastig von dem gemieteten Pferd stieg und auf den See zulief. Idiot, Idiot, und noch einmal Idiot. Was glaubte er eigentlich, ein weiterer Wächter, der nach Ermittlungen an ihrem Fall verschwand. Sie hatte die Unterlagen, die er ihr in jener Nacht brachte bereits verbrannt, aber es würde Nachforschungen geben und so lange er der einzige Wissende war blieb die Situation kontrollierbar. Geschwind bewegte sie sich zur einzig möglichen eisfreien Stelle des Sees. Ihr Götter ihr musstet ihm nun aber wirklich nicht noch die Möglichkeiten dazu schaffen.

Seine Kleidung zog ihn hinab, der Blick verschleierte sich durch die sich immer weiter entfernende Wasseroberfläche. Die Geräusche einer feindlichen, kalten Welt verstummten, nur das leise langsam werdende schlagen seines Herzens war noch zu vernehmen. Luftblasen drangen aus seinem Mund und er presste bewusst den letzten Sauerstoff aus seinen Lungen. Wenn die Welt für Menschen, für Leben nur Kälte übrig hätte dann wollte er selbst zu Kälte werden. Sein Verstand entglitt der bewussten Wahrnehmung, er empfand nichts und das Licht verschwand. Nicht einmal mehr die Dunkelheit nahm er wahr, farblose Abwesenheit von allen, von Schmerzen, von Wärme und Kälte, von Wünschen, von Gefühlen. Nichts, es gab, gibt, würde nichts mehr für ihn geben.

Etwas ergriff ihn, zog an ihm. Die Wasseroberfläche näherte sich wieder. Farben kehrten zurück, Schmerz flutete seinen Körper, es brannte in ihm, ein eisiges Feuer. Seine Lungen saugten die Luft in sich auf. Blutgefässe in Nase und Rachenraum platzen von der Gier nach Sauerstoff, tausende spitzer eisiger Nadeln drangen in seinem Brustkorb ein und aus ihm heraus, doch er konnte nicht schreien. Sein Mund, seine Stimmbänder versagten den Dienst. Ein warmer, anschmiegsamer Körper umfing ihn, drückte ihn an sich, brachte ... das Leid zu ihm zurück. Sein Mantel fiel von ihm, jemand zerschnitt seine Kleidung. Seine Stiefel. Ein sanftes Fell legt sich um seine kalte, erbleichte Haut. Blut, die Wärme bewegte sein Blut, es drang ihn aus Wunden aus der Nase, aus den Lungen, aus dem Rachen. Das gleißende Licht des Schnees brachte selbst seine Augen zum Bluten.

Sanfte, unglaublich weiche Lippen legten sich auf seine gesprungene kalten, bläulich verfärbten, vom eigenen Blut benetzten.
Warmer Atem drang in seine Lungen. Er schloss die Augen, doch da war keine Dunkelheit mehr, das Bedürfnis des Lebens gewann überhand. Er wollte mehr von dieser Wärme, von den Lippen, von dem Samt aus dem diese Haut zu bestehen schien. Wollte sie in sich aufnehmen. Sich damit vertreiben und sie sein, zu ihr werden, all diese Stärke in sich aufsaugen. Der Kuss endete so sanft wie er gekommen war.
Jakob du stirbst nicht, du wirst gebraucht, hier und in Zukunft.
Verständnislos blickte er auf die blutroten Lippen nahm die sanfte Stimme auf.
Du... Mörderin, hier ....Was ?
Shhh, was ich bin, sein werde oder war spielt jetzt keine Rolle. Hier geht es um dein Leben. Sieh mich an, schaue mir in Augen.

Und er versank in ihren Augen klar und blau wie das Meer, wie der See, in dem er sich versenken wollte, sah er sie vor sich. Doch sie nahmen ihn nicht auf, sie erfüllten ihn mit ... Sehnsucht.

Sie ließ ihn zurück mit einem Feuer, neuer Kleidung, warmen Schuhen und einer Wunde die nie heilen würde. Traurig blickte Jakob auf den See, der ihm nun verschlossen bleiben würde. Warme Tränen rannen aus seinen Augen, sein Blick hing in den Flammen des Feuers, doch die Leere war ihm entwichen. Sehnsucht lag in seinem Blick. Und sein Herz wärmte sich an dem Blut seiner Seele.

Geschwind führte sie das gemietete Pferd wieder zurück in die Stadt.
Danke Jakob, hast mir die Sorge geschenkt, ich hoffe du kommst mit der Sehnsucht klar.
Ein sarkastisches Lächeln umspielte ihre Lippen, als sie das Stadttor erreichte.

Tags darauf kehrte ein älterer Rekrut die Flure des Wachgebäudes, methodisch und genau, er hatte für jeden ein Lächeln und ein allzu offenes Ohr. Für die, welche es benötigten, hatte er auch einen überraschend warmen Kaffee dabei im praktischen "Halter für die schnelle Flucht"

Anmerkung des Autors: Frohe Weihnachten und viel Spaß mit der Hoffnung.^^



Für die Inhalte dieses Textes ist/sind alleine der/die Autor/en verantwortlich. Webmaster und Co-Webmaster behalten sich das Recht vor, inhaltlich fragwürdige Texte ersatzlos von der Homepage zu entfernen.

Feedback:

Von Kannichgut Zwiebel

13.01.2010 20:29

Schade, dass du wörtliche Rede irritierenderweise kursiv und nicht in Anführungszeichen geschrieben hast, das hat mich beim Lesen der Szene entfremdet und daher zu massivem Punktabzug verleitet. Und bitte keine Leerzeichen vor Satzende-Zeichen!Ansonsten gefällt mir dein Stil sehr gut und ich bin auf die nächsten deiner Geschichten gespannt.

Von Sebulon, Sohn des Samax

13.01.2010 20:29

Tja, wie ich dir schon schrieb:Es gibt echt ne Menge Szenenwechsel, mit denen man erstmal klarkommen muss (sobald man sich durch deine Rechtschreibung & Rede-Absatz-Formatierung gebissen hat), die mich überwältigt haben.Warum kommt gerade Sebulon mit (und nicht Kanndra, die dich ja ausbildet)? Klar, Sebulon kann man leichter loswerden - aber wie hast du ihn überzeugt?Und welche Konsequenzen hat das ganze in Bezug auf deinen Dschob bei der Wache?Kurz: Zu viele offene Fragen. Das kannst du besser.

Von Sebulon, Sohn des Samax

13.01.2010 23:01

Wat? 11 Punkte? Wow.

Respekt, mein Guter, das hätte ich nicht erwartet.

*Jakob durch die Haare wuschelt*

Wir sehen uns am Wochenende.

Die Stadtwache von Ankh-Morpork ist eine nicht-kommerzielle Fan-Aktivität. Technische Realisierung: Stadtwache.net 1999-2024 Impressum | Nutzungsbedingugnen | Datenschutzerklärung