Der Überlebende

Bisher hat keiner bewertet.

von Lance-Korporal Sebulon, Sohn des Samax (RUM)
Online seit 06. 12. 2009
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 Außerdem kommt vor: Nyria Maior

Als ich begann, in der Stadtwache zu schreiben, wunderte ich mich, dass hier keine aktuellen Kurzgeschichten zu finden waren. Im Gegenteil: Geschichten bekamen ab einer gewissen Seitenzahl scheinbar höhere Wertschätzung. Also entschloss ich mich, euch mal eine ordentliche Kurzgeschichte eigener Produktion niederzuschreiben. Auch, um zu sehen, wie ihr dazu konstruktive Kritik gebt.

Dafür vergebene Note: 11

Sie stehen im Verhörraum. Rekrutin Nyria Maior hat den Federkiel beiseite gelegt. Sie sieht dem Spektakel neugierig zu.
"Und dann explodierte das erste Fass?", fragt Sebulon. Er versucht, endlich Antworten zu bekommen.
Der Mann nickt widerwillig. "Zwei gleichzeitig." Er atmet schwer. "Direkt an der Tür. Die Splitter flogen durch die Luft. Alle haben geschrien! Es war so ... laut!" Ein Zucken geht durch seinen Körper.
"Beruhige dich."
Er zittert.
Der Zwerg versucht, ihm die Hand auf die Schulter zu legen. Vergeblich. "Setz dich doch", sagt er stattdessen.
Sie setzen sich wieder. Nyria nimmt das Protokoll auf. Sie lächelt. Er hat eine komische Nase, findet sie. 'Wie eine Rübe.'
"Was hat sie gesagt?", fragt Samax' Sohn den Mann.
Seine Augen sind grün, seine Haut noch schwarz vom Ruß. Man hat ihn gleich zur Befragung hergebracht. Er riecht etwas angekokelt, findet Nyria.
"Dass wir ruhig bleiben sollen." Er schluchzt. "Aber es waren so viele Geiseln da! Was sollte ich -"
"Beruhige dich."
Ungeduldig tippt die Rekrutin mit der Federspitze auf Papier. Sie wünscht sich eine Zigarettenpause. Den Geruch von Verkohltem mag sie, findet ihn stimulierend.
Der Mann versucht langsamer zu atmen. "Dann sind die drei Trolle rein. Haben alles geholt. Große Säcke waren das. Die haben ne Weile gebraucht, dafür."
"Du hast noch immer in der Ecke gesessen?"
"Hatte ja Angst. Hab ich jetzt noch immer - Verdammt, meine Mutter würde sich schämen."
Gedanklich stimmt Nyria ihm zu.
"Was passierte dann?", fragt Sebulon. Seine Hände sind gefaltet.
Es dauert, bevor er antwortet. "Nichts. Wir haben eben gewartet. Es wurde nicht weniger. Teufelauch, nicht weniger!"
Da steht er wieder. Seine Faust lässt den Tisch krachen.
Der Zwerg hält ihn am Arm. "Sei vernünftig. Du bist nicht gestorben."
Der Überlebende bedeckt die Augen. "Ich nicht", flüstert er, "aber die anderen. Keine Ahnung, wie viele. Das dritte Fass, es hätte nicht explodieren dürfen!"
Zwischen den Fingern ihrer linken Hand rollt Nyria ein Blatt. Es ist leer. Sie bemerkt es nicht; sie denkt an ihre Pause.
"Gibt es", fragt er, "andere Überlebende?"
Der Püschologe sieht ihm ernst in die Augen. "Wir wissen es noch nicht."
"Ich verstehe."
Der Mann reibt sich die Augen. Er sieht müde aus. 'Bestimmt braucht er auch eine Pause. Eine Pause wäre für alle gut.'
"Wie ist es passiert?", fragt Sebulon.
Der Mann schweigt. Die Rekrutin setzt zu ihrer Anfrage an. Er unterbricht sie. "Die haben mit den Säcken das Gold rausgetragen." Fast flüstert er. "An den Geiseln vorbei."
"Und dann?"
"Einer war nervös. Hat rauchen wollen", haucht der Mann. Seine Stimme wird lauter, wandelt sich zu hysterischem Schreien. "Und dann ist alles in Flammen aufgegangen. Überall war Feuer! Und es stank nach Fleisch!" Hilfesuchend gleitet sein wirrer Blick durch das Zimmer.
Sebulon runzelt die Stirn. "Gerettet hast du niemanden. Hast du es überhaupt versucht?"
"Nein", flüstert er.
"Warum?"
Die Hände des Überlebenden zittern.
"Hast du es nicht kommen sehen?"
Er schließt die Augen.
"Warst du zu feige?"
"Kann sie nicht ausstehen. Kann sie einfach nicht ausstehen!"
"Wen?"
"Sie!" Sein Finger zeigt ziellos im Zimmer herum.
'Jetzt ist er ganz hin.', denkt Nyria.
"Alle?", fragt Sebulon ernst.
Sein Finger bleibt stehen, deutet auf die Wand. "Sie allen voran. Dreckspack", flucht der Mann und spuckt aus. Seine Rübe bebt vor Zorn.
Vor seinem inneren Auge sieht er sie. Sie trägt rot. Er kann nicht verstehen, was sie an dieser Farbe findet. Oder warum alle auf sie hören. Vielleicht liegt das an der gespannten Armbrust, die sie auf eine Geisel gerichtet hält. Ihr ist alles egal. Außer Gold, Gold zählt, nur Gold, immer mehr Gold.
Trolle stampfen an ihr vorbei.
Sie sagt: "Wir haben fast alles."
Und dann wird es gleißend hell durch die Fässer.
Es klopft. Braggasch betritt den Raum, beinahe schwelt er noch.
'Schon wieder ein Kleiner', denkt Nyria. 'Muss irgendwo ein Nest sein.'
Der Überlebende blinzelt. Er scheint wieder da zu sein, fürs Erste.
"Das ist Lance-Korporal Goldwart", stellt Sebulon vor.
"Äh", machte der.
"Wir kennen uns. Hat mich rausgelassen", sagt der Überlebende ohne Dankbarkeit.
"Ist das so", meint der Püschologe.
'Natürlich ist es so.' Die Rekrutin ist dies alles leid. Ob man sich beschweren kann, wenn man abgeordnet wurde, um diesem Zwerg mit dem Protokoll zu helfen?
"Äh, Rogi hat ihn verarztet.", sagt Braggasch. "Valdimier und Kamillus sind dann noch, äh, rein; drei oder vier mal. Ärgerliche Sache. Wären wir FROG, äh, fünf Minuten eher in Position, äh, gewesen, hätten wir ..."
"Kann ich dir helfen, Braggasch?", fragt Sebulon. Er wirkt gereizt.
"Oh, äh, hast du, äh, etwas herausbekommen?", will Goldwart wissen. "Über den, äh, Bastard, der all die Leute auf dem, äh, Gewissen hat?" Er legt ein Blatt auf den Tisch. Es ist bemalt.
Nyria nimmt es. Der Grundriss des Hauses. Scheint Braggasch selbst gezeichnet zu haben. Sie hat ihn sich größer vorgestellt.
"Die Brandursache, den Schuldigen noch nicht. Lässt du uns wieder allein?"
"Äh, ja. Entschuldige. Ich, äh, muss ja noch meinen, äh, Report schreiben. Viel Glück, äh, Sebu."
Er geht. Nyria wünscht sich, mitgehen zu können.
Der Püschologe und der Überlebende sehen sich in die Augen.
"Du hast gehört, was wir wissen müssen. Wenn wir das hier hinter uns haben, kannst du dich ausruhen und waschen. Wir werden dir neue Kleidung geben. Aber zuerst brauchen wir alle Fakten."
Die Nase des Mannes ist ganz rot. Verdächtig rot. Fast wie eine Tomate. 'Gedünstete Tomate', denkt Nyria, 'das wäre jetzt das Richtige. Und eine Zigarette zum Nachtisch.'
"Bitte, für das Protokoll: Wer war verantwortlich für ..."
"Ich möchte mit meinem Anwalt sprechen", sagt er fest.
"Du wolltest kooperieren", behauptet Sebulon.
"Und jetzt will ich mit einem verdammten Anwalt sprechen." Seine grünen Augen sind fast so rot wie seine Nase. Er hält sich nur noch mit Mühe zurück. Sie kann es riechen.
Der Zwerg nickt. "Dann befragen wir dich später weiter."
'Wenn es ein später gibt', denkt Nyria und nickt. Wer weiß schon, ob jemand nach einem solchen Tag den Nächsten noch erleben will? Vor allem, wenn er so stimulierend nach Verzweiflung riecht.
Sie legt das Protokoll beiseite, erhebt sich und geht rauchen.
Zählt als Patch-Mission für den Püschologe-Patch.



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Feedback:

Von Ophelia Ziegenberger

15.12.2009 22:36

Eine sehr erfrischende Single, da tatsächlich in Form einer Kurzgeschichte. ;) Mir persönlich hätten etwas mehr Informationen geholfen, zu verstehen, was genau dort vorgefallen ist. Dass es um einen missglückten Bankraub mit Geiselnahme gegangen ist, ist mir klar. Aber mich hätte eben nicht ausschließlich das Wer, sondern auch das Wie dahinter interessiert. Nicht in breit ausgewälzter Manier aber eben doch in einem oder zwei Sätzen mehr. Insgesamt sehr schöne Sache! Der Vollständigkeit halber und weil es Dir ja auch um eine Rückmeldung des Prinzips Kurzgeschichte wegen geht: Ich lese längere Geschichten - wenn sie gut geschrieben sind - einfach lieber, als kurze. Daher bleibt in meiner Wertung noch etwas Spielraum. Irgendwo möchte ich mir da noch eine Relation offen halten.

Von Breda Krulock

15.12.2009 22:36

Eine schöne Idee mal eine "richtige" Kurzgeschichte zu bringen. Sie fing mitten im Geschehen an und hörte auch mittendrin auf, das gefiel mir. Nur leider fehlte der Höhepunkt, der mir diese Geschichte im Gedächtnis bleiben lässt. Auch in einer typischen Kurzgeschichte erwarte ich, das es einen Spannungsbogen gibt der sich aufbaut und entweder in der Geschichte selbst noch endet oder aber meiner Phantasie den Weg weist, sie selbst zu beenden. Das ist in meinen Augen das essenzielle einer wahren Kurzgeschichte, eben ohne Vor-und Nachlauf. Bei deiner Geschichte kam es mir so vor, als ob du das KURZ vor allem auf die Wortzahl bezogen hast. Schade :(

Von Kannichgut Zwiebel

15.12.2009 22:36

Ordentlich ist das Handwerkszeug. Vom Inhalt her fand ich sie nur unterdurchschnittlich. Irritiert hat mich Nyrias Sinneswandel von Neugier zu Ungeduld. In einer kurzen Geschichte hat man nicht viel Zeit, die Motivation der Handelnden zu erklären. Umso wichtiger ist dann Konsequenz. Ich konnte ihre Einstellung nicht nachvollziehen.Das Ende kommt zu abrupt, damit wird es meiner Vorstellung von einem offenen Ende nicht gerecht. Mir fehlte zudem ein Knalleffekt.Die Geschichte wirkt mal eben hingeschrieben, aber "Eine Kurzgeschichte ist eine Geschichte, an der man sehr lange arbeiten muss, bis sie kurz ist." (Vicente Aleixandre)

Von Septimus Ebel

15.12.2009 22:36

Lieber Sebulon!Es ist eine schöne Idee, mal eine kurze Kurzgeschichte zu schreiben. Ich sage dir einfach ganz schnell und hoffentlich konstruktiv, was mir an deiner Geschichte gefehlt hat. 1) Du hast zwar Nyrias Eindrücke und Gedanken schön beschrieben, aber ich hätte es gut gefunden, wenn sie noch deutlicher dem Denken/Empfinden eines anderen Charakter gegenübergestellt gewesen wäre. 2) Ich hatte beim Lesen das Gefühl, diese Geschichte schön häufig gelesen zu haben. Wenn du beabsicht hast, eine typische Kurzgeschichte zu schreiben, ist dir das also gelungen. Aber es ist auch ein wenig langweilig, zugegeben. Mir hätte hier noch vor allem sprachlich deine persönliche Note gefehlt. 3) Bei einer so kurzen Story, musst du eine wirklich gute Pointe haben... und die fehlt M.E. leider.Also: Ein guter Einfall und sicher keine schlechte Umsetzung. Aber ich finde: Du solltest noch eine schreiben, denn ich glaube, dass du es besser kannst. Liebe Grüße!SeptimusP.S. Kleiner Tempusfehler: "Äh", machte er (Braggasch).

Von Braggasch Goldwart

15.12.2009 22:36

Ich gehe fest davon aus, dass diese story einen tieferen Hintergrund hat, sonst hättest du sie nicht geschrieben... aber ich finde ihn nicht.

Von Sebulon, Sohn des Samax

16.12.2009 12:22

Danke für die ausführlichen Rückmeldungen.

Vielleicht versuche ich mich tatsächlich im nächsten Jahr nochmal an einer Kurzgeschichte. Gerade sprudeln die Ideen zwar nur so, aber kurz (Im Sinne von an der Untergrenze von 1000 Worten, die man bewerten lassen kann) werden die eher nicht. ^^



Und an alle, die gerade frustriert sind, dass ich am Viel-schreiben bin: Sorry, ich kann nicht anders. Eigentlich müsste ich die Zeit auch für die Uni nutzen ...

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