Explosive Konzepte

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von Hauptgefreiter Sebulon, Sohn des Samax (RUM)
Online seit 01. 11. 2009
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Diese Single ist Mischlingswesen,
zur Hälfte Prosa und halb Poesie,
ich schlage euch vor es laut zu lesen,
sonst findet ihr vielleicht die Reime nie.

Dafür vergebene Note: 12

"Wie lange haben wir noch?", fragte Elwin und sah immer wieder nervös auf die Taschenuhr.
"Ich habe ein Wort für dich", sagte Roy und sprach betont langsam weiter: "Alle verdammte Zeit der Welt."
Kurze Stille folgte, als Elwin zählte. Dann sagte er triumphierend: "Das sind drei."


Flüsternd standen, Bart an Bart, Zwerge: Samaxsohn und Goldwart, weit genug in einer Eck', damit Sebulons Kollege Jack nicht hörte, was sie leise sprachen.
"Er wird, äh, nur wieder lachen!"
"Willst du zu Gästen denn nicht höflich sein?"
"Nein, äh, nein, und nochmals, äh, nein. Zumal du ihn irrig für einen, äh, Gast hältst."
"Sag ihm doch einfach, woran du bastelst!"
Der Kasten, in dem hunderte Nadeln steckten, war unscheinbar, stank aber nach Insekten; diverse mechanische Kleinigkeiten ragten aus fünf von seinen sechs Seiten.
Die beiden Zwerge wechselten Blicke.
"Erklär' vielleicht nicht alles, nur kleine Stücke."
Braggasch blickte ihn freudlos an, drehte sich um und murrte dann:
"Tja, dies ist eine, äh, Spinnenfalle."
"Bursche, hast du sie noch alle?", grinste Jack, "Ein Spinnenmagnet!"
"Ich wusste doch, dass er's nicht, äh, versteht!"
"Gib ihm doch bitte etwas Zeit. Er hatte noch keine Gelegenheit ..."
Jack unterbrach ihn: "Du sagst, das ist nur eine mechanische Apparatur zum Festsetzen von Krabbeltieren?"
"Äh, Spinnen. Ja. Das Anvisieren der Insekten wird noch modifiziert, damit das Opfer demobilisiert und nicht sofort, getötet, äh, wird", statuierte Braggasch und errötete.
"Aber warum?"
"Du kannst dir ja gar nicht ausmalen, wieviel UU-Studenten zahlen, um Hand an 'ne lebende Spinne zu legen", grinste Sebulon.
"Na, meinetwegen, ..."
Es klopfte heftig. Lilli trat ein und Horatius begann im Befehlston zu schrei'n: "RUM'ler in den Besprechungsraum!" Und ohne sich weiter umzuschau'n verließ sie wieder das Büro (ihr Dämon, freilich, ebenso).

"Bei RUM ist es Zeit für tiefgreifende Veränderung! Wir brauchen Reputationsverbesserung!", rief der aufgebrachte Abteilungsleiter. "So geht es auf keinen Fall weiter! Die Hälfte der Bürger dieser Stadt haben uns RUMler gründlich satt."
Sebulon grinste: "Man kann also sagen, dass sich die Verbrecher - dank uns - weniger wagen."
"Oder dass uns die Gauner von Herzen lieben, weil gewisse Leute immer die Falschen kriegen", spottete Jack mit Blick auf seinen Kollegen.
"Es ist Besseres an den Tag zu legen", schloss der Leiter grimmig die Einleitung. "Vorschläge? Glimbal?"
"Keine Neuerung, Sir. Ich denke, mit gezielteren Absprachen könnte man einiges besser machen ..."
Tödliche Blicke von den Kollegen trafen den Gefreiten. Er seufzte verlegen.
"Bessere Vorschläge nehm ich gern entgegen", lächelte der Abteilungsleiter.
Amok Laufen bemerkte heiter: "Tja, wir könnten uns wie GRUND zu Übungszwecken ein Trampolin holen."
"So ein selten dämlicher Schund", flüsterte Jack. "GRUND? Der will uns doch verkohlen."[1]
"Kein schlechter Gedanke, Gefreiter Laufen. Du weißt aber, wir können nichts Großes kaufen; das Budget ist begrenzt", meinte Romulus. "Gibt's sonst keine Einfälle, dann komm ich zum Schluss: Wir haben kein Geld für ein Trampolin; also müssen wir Konsequenzen zieh'n. Von nun an heißt die Devise: Freundlichkeit! Jeder Wächter sei hilfsbereit, kein unnötiges Brüllen gegen Zivilisten! Ihr seid stolze Polizisten; ab heute ist Effizienz erbeten, und zwar freundlich! Weggetreten."
Seine Rede endete kaum, da verließ man schon den Raum.

Die beiden unauffällig gekleideten Männer kletterten nebeneinander über den Zaun hinter dem Wohnhaus.
"Bist du sicher", meinte Elwin, "dass wir ..."
"Ja, verdammt. Kletter weiter."
"Aber wenn wir es nicht mehr raus schaffen ..."
"Halt den Mund und klettere."
"Sag mal ..."
"Was?!"
Elwin musterte ihn. "Wo hast du du eigentlich die Bombe?"
Entgeistert blickte Roy seinen Kumpanen an. Beide Blicke wanderten abwärts.
"Du Idiot!"


Ein bläuliches Knöllchen landete auf dem Tisch des Püschologen.
"Was ist das für'n Wisch?", fragte Kadwallader vom Nachbartisch - da kam im selben Moment aus dem Rohr bei ihm ein identisches Knöllchen hervor.

Kohd Dreiunddfürrzig.
Seid so näht unt schauigt mal in der
Wasserbrettgasse / Ecke Paradies rein.
Priorität Türkiehs.

"Türkis? Das heißt die ganze Abteilung", fluchte Sebulon. "Los, Beeilung! Wir müssen in die Wasserbrettgasse."
Janders seufzte: "Wie ich diese Hektik hasse ..."

Den Pömpel hatte Ebel mit Seil umwunden und mit seinem Gürtel fest verbunden. Nun spannte der Gnom einen winzigen Bogen.
"Aufstiegschancen? Das war gelogen! Wenn ich das hier überlebe, weiß ich schon, wem ich nen Denkzettel gebe! Für so einen Aufstieg gibt der mir nur Strick samt Klostampfer - und sagt dann: 'Herr Ebel, viel Glück'", murmelte er. "Wie professionell. Tja, wenn ich heut falle, dann wenigstens schnell."
Sicherlich, die Abteilungsvampire verwandelten sich in fliegende Tiere - doch sich tragen lassen? Unter seiner Würde. Da war diese Mauer die kleinere Hürde.
Er zielte auf das Dachgeschoss, fluchte leise und dann schoss er Pömpel und Seil dem Himmel entgegen.
"Aufstiegschancen? Na, von wegen!"
Er griff das Seil mit der rechten Hand und stemmte den linken Fuß gegen die Wand. Es gab einen Ruck und sein Gürtel begann rasch zu beschleunigen. Der Gnom hintendran.
Es machte -Plopp-, der Pömpel saß fest, wenn auch zu tief.
"Ich muss wohl den Rest irgendwie anders ersteigen. Na, erstmal beginnen, das wird sich schon zeigen."
Mit ziehen und strampeln ließ er Stück für Stück ein bisschen mehr Wand unter sich zurück.

Der Chief-Korporal Ophelia zischte: "Seid ihr endlich da. Wir haben alle gut zu tun; keine Zeit, sich auszuruh'n! Na, noch seid ihr ja nicht zu spät. Kadwallader, du hilfst Fred mit der Evakuation! Sebulon, schätz die Situation nach allen Seiten gründlich ein! Schlüpf in die Köpfe der Killer rein. Das Übliche."
"Wo ist denn die Leiche?", fragte der Zwerg routiniert.
"Thask sichert das Gelände", sagte sie irritiert. "Was tut das denn jetzt zur Sache? Du bist Püschologe in der Wache und wir brauchen dein Können, kapiert? Und zwar bevor das Haus explodiert!"
'Eine Bombe', dachte er, 'Das klingt ja nicht allzu schwer.'
"Was wissen wir noch ...?", begann er unumwunden, doch Ophelia war schon verschwunden.
'Soviel zu 'das wird nicht schwer' ... Los, doch, Mann, streng dich an!'
Wie ein aufgeschrecktes Tier lief Sebulon von da nach hier im Schatten des Hauses, das, so es ein Rachegott wollte, bald schon explodieren sollte.
"Ich muss mich wohl fragen, was mich bewegte, und wie ich wär', wenn ich Bomben legte ..."

"Wir werden sterben. Wir werden alle sterben. Oh, wir werden alle sterben. Wir werden ..."
"Kannst du bitte für einen Moment den Mund halten, damit ich mich konzentrieren kann?", zischte Roy.
Eingeschnappt und mit verschränkten Armen, doch noch immer mit Panik in der Stimme, zischte Elwin: "Ich habe das Recht, meiner Meinung Ausdruck zu verleihen."
"Und ich bin kurz davor, meine Faust in deinen 'Ausdruck' zu stecken!"
Vor ihm lag die Bombe geöffnet auf dem Boden. Verschiedene Fläschchen mit bunten Flüssigkeiten lagen darin, sie waren grob mit Seil aneinander gebunden. Mit leicht zitternder Hand begann Roy, ein längeres Stück des Seils abzurollen und im Gang auszulegen.


Es klopften an Türen im zweiten Stock: Pyronekdan und Amok.
"Es ist wie ein dämlicher Spießrutenlauf: Niemand reagiert, und niemand macht auf. Ich frage mich: Warum nicht FROG? Warum wir? Selbstmordkommandos sind deren Revier."
Pyronekdan seufzte. "Das war nicht abzwenden. Die sind grad' ne Geiselnahme beenden."
Amok nickte: "Die sind beschäftigt, gut, versteh' ich. Aber ..."
"Weißt du, ich halte uns durchaus für fähig, in dieser Sache nicht zu verlieren. Können wir uns jetzt auf den Dschob konzentrieren?"
Amok deutete an, dass er verstand und rief: "Hallo? Ist hier noch jemand?"

"In einer halben Stunde, nein, weniger noch, wird hier nichts mehr sein", grollte Romulus, "und du hast nur eine vage Ahnung von der Statur des verdammten Bösewichts?"
"Ich würde sagen: besser als nichts", sagte Mina, "wenn wir ihn packen, erkennen wir ihn deutlich am Stiernacken. Richtig, Sebu?"
Der Zwerg sah zu Boden und nickte betreten. "Ein Bombenleger mit Führungsqualitäten. Ich bin mir sicher, Romulus, dass die Beschreibung passen muss."
Mit der Hand schlug der Werwolf gegen die Wand. "Hast du jemals einen am Nacken erkannt? So schlecht war noch kein Vorschlag von dir!"
"Sir, was erwartest du von mir? Ich habe nichts, worauf ich mich stützen kann. Ich weiß nicht mal, ob der Bomber ein Mann, ja nicht einmal zu welcher Spezies er zählt!"
Romulus lächelte gequält. "Wenn wir etwas bess'res hätten, müssten wir gerade niemanden retten. Weitermachen, Samaxsohn", sagte er und war schon im vollen Sprint, um seinen Kollegen beim Evakuieren zur Hand zu gehen.

"Niemalf!", lispelte Frau Büttelbeck und warf nach den Wächtern mit Essbesteck.
Mimosa schwenkte ein Taschentuch und begann einen Vermittlungsversuch: "Frau Büttelbeck, bitte, sieh doch ein, wir wollen dir nur helfen ..."
"Nein! Ich bin in diefem Hauf geboren und ich finde ef unverfroren, daff ihr hier einbrecht um mich fu entführen! Wagt ef ja nicht, mich fu berühren! Ich freie!"
"Frau Erna Büttelbeck, das Haus wird zerstört ..."
"Oh, da habe ich mich wohl verhört. Mir fien, alf wolltet ihr mich einfüchtern."
"Mitnichten", meinte Jack Narrator nüchtern, "Wir sind diejenigen, die danach streben, dass Leute wie du auch morgen noch leben."[2]
"Ihr bleibt gefälligft fort! - Ef ift an der Feit, ich höre fie."
"Wen?"
"Die Ewigkeit!" Frau Büttelbeck streckte die Arme aus und lachte. "Franf-Juftuf, ich komme nach Hauf!"
Die Wächter zögerten nicht, sie griffen sie unter den Achseln und schliffen die keifende Erna munter aus ihrer Wohnung die Treppe hinunter.

"So, jetzt bin ich fast fertig", sagte Roy. "Reich mir bitte die Schreibfeder."
"Hier, bitte", sagte Elwin. "Ich frage mich, warum wir diese Bombe legen sollen, wenn es eigentlich völlig egal ist, ob sie hochgeht oder nicht."
"Weil sie von dem Diebstahl in Kleinschuh's Goldschmiede ablenkt. Genau wie - und jetzt das gedrillte Stück Metall. Danke - wie die Geiselnahme in der Oper. Hast du dem Boss denn gar nicht zugehört?"
Die Tür öffnete sich knarrend.
"Hey, wer seid ihr?", fragte ein stämmiger Mann verblüfft.
"Na also", grinste Elwin und zog ein Messer. "Nun kann ich mich doch noch nützlich machen."


Während die Abteilung sich eifrig mühte, das Haus mit aller vorhandenen Güte und Freundlichkeit zu leeren, hatten Samaxsohn und Mina Nachtschatten sorgfältig auf allen Fluren nach mehr oder weniger sichtbaren Spuren einer Bombenlegung zu schauen.
"Wie mag man wohl eine Bombe bauen?", fragte Mina, "Mit Selbstmorddämonen?"
"Vermutlich würde sich das nicht lohnen. Dämonen haben sich gerade verteuert, seit der Patrizier sie besteuert."
Sie traten durch eine halboffene Tür. "Dann braucht man sicher Magie dafür ..."
Mit einem mal hielt sie Sebulons Arm. Kräftig. Sein Gesicht wurde warm und er spürte Trolle in seinem Bauch. [3]
"Sebu, sag, riechst du das auch? ... oh, das ist gar nicht gut!"
Sie zeigte auf eine Lache.
"B...!", tat Sebulon unachtsam kund, sogleich schlug er sich auf den Mund, drehte sich weg von der Leiche und sah besorgt zur erstarrten Mina, die unendlich langsam ein Taschentuch griff und sich damit die Nase zukniff.
"Geht's?"
"Muss." Sie atmete schwer. "Dem Duft nach ist es noch nicht lange her."
Er nahm ihre Hand und drückte sie sacht. "Lass uns kurz schau'n, was der Tote hier macht."

Der Fundbericht würde später sagen:
Wie auch immer es sich zugetragen hat, dass dieser nackte Junge starb, seine bläuliche Zunge hing weit heraus, als die Wächter M. von Nachtschatten und S. Samaxsohn ihn gesichtet hatten.
Von Kopf bis Fuß war vom Leichnam die Haut ein wenig, naja, aufgeraut, wie wenn man ein Tier gerbt. An Beinen und Armen war er tätowiert, könnt' man meinen, doch waren die Schnitte frisch, unverheilt.
Von Nachtschatten schätzt, man hat sich beeilt und die Haut des Opfers derart geteilt, bevor die Leichenstarre begann und das Blut nicht mehr richtig gerann.
Die Identifizierung war nicht gegeben. Falls seine Verwandten noch am Leben sind, hätten auch sie ihn nicht erkannt.
Soweit der sichere Tatbestand.

Persönlicher Nachtrag: Das Vernehmen des Täters, falls ihn jemand festnehmen sollte, wäre für mich wie Finderlohn.
Gezeichnet: Sebulon Samaxsohn

Nur mit Mühe bewahrte er Haltung.
"Diese Art morbider Körpergestaltung verletzt alles Zwergische in mir."
"Da geht's mir ganz genau wie dir."
Blinzelnd sah er zu Mina empor. Dann lächelte er, denn es kam ihm so vor, wie ein großer Schritt in der Geschichtsschreibung interspeziistischer Verständigung.
Die beiden Wächter bemerkten es kaum, als Septimus Ebel in den Raum gerannt kam und die beiden sah. Verwirrt blieb er, sich räuspernd, stehen: "Na, wen haben wir denn da? Den ha'm sie ja übel zurückgelassen."
"Wir können es auch nicht richtig fassen."
"Keine Zeit, Frän hat sie entdeckt. Und dabei war sie gut versteckt - kommt mit, seht selbst", sprach Ebel ruhelos und stürmte bereits wieder los.

Romulus' befehlenden Umgangston erkannte der Püschologe schon, bevor er um die Ecke lief.
Der Abteilungsleiter rief: "Was heißt das?"
"Sir, dass wir es nicht verstehen. Anstatt zu versuchen das Ding zu entschärfen sollte man es aus dem Fenster werfen."
Glimbal unterbrach die beiden: "Das sollten wir, denke ich tunlichst vermeiden! Der Kasten ist darauf angelegt, dass man ihn nicht sonderlich weit bewegt."
"Gefreiter, ich weiß nicht, was du damit sagst."
"Sir, auch wenn du es nicht magst: Ich befürchte, wenn ich den Kasten verrücke, reißt uns die Bombe in kleine Stücke."
Sebulons Blick glitt zur Apparatur, die leise klickte und klapperte. Stur redete weiter, er hörte ihn nicht. Sebulon blinzelte, als helles Licht aus der Maschine drang. Ihm war, als würde ihr Aufbau ihm offenbar. "Ich kann sie entschärfen", flüsterte er.
In diesem Moment sprach niemand mehr. Das Gros der Abteilung sah ihn an.
"Was?"
"Wirklich?"
"Meinst du, dass er's kann?"
"Niemals!"
"Woher hast du denn das Wissen?"
Sebulon seufzte. "Ich weiß einfach, dass es geht. Fragt nicht wie. Ich brauche ein Messer - und meiner Einschätzung nach wäre es besser, wenn ihr euch schon mal in Sicherheit bringt, falls mir der Versuch misslingt."
"Ich brauch keine Helden!", knurrte Romulus.
Ophelia stutzte. "Pfiffikus, schaffst du's im Ernst? Dass du alleine die Bombe entkernst? Ich meine, ohne Detonation?"
"Natürlich ohne Explosion." Der Püschologe nickte fest. "Das heißt: Ich kann, wenn man mich lässt."
"Rom", sagte sie, "ich vertrau' diesem Mann - Zwerg - wenn er mir sagt, dass er's kann. Wer, meinst du, versteht schon mehr vom Basteln bei Raub und Mord, als er?"
Romulus runzelte die Stirn und fluchte. "Himmel auch und Zwirn!" Zögerlich griff er zum Dolch und führte den Knauf zum Zwerg, der ihn stolz berührte. "Samaxsohn, dieses gute Stück möchte ich unversehrt zurück. Verstanden?"
"Jawohl, Sir."
"Raus mit euch, schnell!", rief er zur Mannschaft. "Das ist ein Befehl!"

Das Licht war schlecht und die Luft stand im Raum. Sebulon zitterte die Hand, in der er die Abteilungsleiterklinge hielt, während ihm hunderte, tausende Dinge durch den Kopf geschossen kamen. Bilder, Gesichter von Freunden, Namen, alle waren gegenwärtig.
Die Verschalung löste er fingerfertig, sah hinab auf Seile und einen Komplex von Knoten. Für einen Moment war er perplex, als Realitäten sich überlappten und Baupläne der Bombe vor ihm aufklappten.
"Rotes Seil," murmelte er, "Dann blau." -Schnipp- "Das war noch nicht schwer. Ich frag mich nur, wofür die Schrauben hier sind ..."
Er schreckte hoch. Sang da ein Kind?
"Annemarie, komm mit mir! Annemarie, zähl bis vier! Annemarie, wirst schon seh'n - Annemarie, bleib nicht steh'n!"[4]
Wie flüstern klang der Kindsgesang. Dem Püschologen wurde ums Herze bang, er sprang auf und rief laut: "Ist da jemand?"
"Edeltraut", kam's zurück im Kinderton. "Und du?"
"Ich bin Sebulon. Kleine, lauf runter, da sind Männer, die wissen Bescheid und geben dir eine ... Süßigkeit!"
"Von Fremden darf ich aber nichts nehmen, Herr Bulon. Du solltest dich was schämen, mir etwas böses zu wollen!"
Innerlich begann der RUM'ler zu grollen und ging dem Klang der Stimme entgegen.
"Na gut, na schön. Meinetwegen. Wichtig ist, dass du kurz runter gehst und nicht hier oben bleibst. Du Verstehst?"
"Aber Mama hat mir untersagt, ja zu sagen, wenn mich wer was fragt. Und ich muss die Tür bewachen."
"Da will deine Mutter ja viele Sachen", sagte er und schlich die Treppe empor. Nach zwei Etagen hielt er vor der Tür, hinter der die Kleine zu sein schien. "Bist du jetzt alleine?"
"Mama ist zur Arbeit, seit Stunden. Weißt du was? Ich hab ein Lied erfunden: Annemarie, zähl bis zehn! Annemarie, bleib nicht steh'n! Annemarie, schließ dich ein, Annemarie, lass keinen rein."
Sebulon seufzte. 'Ich hab keine Zeit für grob fahrlässige Sinnlosigkeit', dachte er. "Mach auf, oder ...!"
"Vergiss es!"
"Schön, du hast es so gewollt, Prinzesschen."
Er trat zurück, und mit Anlauf brach er krachend die Türe auf, wobei er gegen die Achtjährige stieß, die infolgedessen wie am Spieß zu brüllen begann und mit Wucht nach dem Wächter trat.
"Verflucht! Au, hör bitte auf, aah! Kind!"
"Behaupte bloß nicht, du wärst gut gesinnt! Ha, nimm das, und das! Und - das!"
Sie trat daneben; das kam ihm zupass. Er rollte geschickt zur Seite und stand, kam auf das Kind zugerannt, griff einen Fuß, zog ihn über den Kopf und Edeltrauts blondgelockter Schopf baumelte hilflos zum Boden hinunter.
"Herr Bulon? Bitte lass mich runter ..."
"Annemarie, Bahne frei, Annemarie, Kartoffelbrei!", rief Sebulon grimmig und rannte im Trab mit dem Kind die Treppe hinab.

"Miau" sprach die Katze.
Auf leisen Pfoten marschierte sie vorbei am Toten und nahm die Treppe wie im Flug, die sie hinauf zur Bombe trug. Ihre neugierige Blicke fielen auf das Bandknäul. Sie wollte spielen.

Sie sahen ihn schon durch die Treppenfenster. Beinah so, als sähen sie Gespenster, solch erstaunte Gesichter machten die RUM'ler.
"Was tut denn dieser Weltenbummler jetzt?"
"Er trägt ... zwei Besenstiele?"
"Kann sein - aber warum gleich so viele?"
"Befenftiele, lang und flicht, find gutef Feichen, oder nicht? Vielleicht hat'f der Burfe ja einfach gefafft?", vermutete Erna.
"Zweifelhaft. So schnell könnte nichtmal Norti verstehn, wie sie funktioniert, mal ganz abgesehn von ..."
In diesem Moment dehnte sich das Haus im oberen Teil deutlich aus - und Sebulon war noch nicht da.
"Runter!", rief Ophelia.
Balken bogen, Fensterglas klirrte, Splitter flogen, und die verwirrte Wächtertruppe warf sich in den Dreck. Dann kamen die Flammen.
"Ach du Freck", murmelte Frau Büttelbeck, "Daf Hauf fpeit Feuer. Darum war daf Fimmer fo teuer ..."
Eine mächtige Druckwelle näherte sich von der Schwelle des Hauses, hob die gliederlahme, von Drachen lispelnde alte Dame von den Füßen, sie machte, halb im Fliegen, eine Rückwärtsrolle und blieb flach liegen.
Alles war still.
Vorsichtig robbte Jack etwas näher an die (wie er fand: bekloppte) alte Erna heran.
"Bist du tot?", fragte er diplomatisch.
"Leider nicht, Burfe. Aber fo akrobatif habe ich mich fon feit Jahrfehnten nicht gefühlt. Mir feint, diefmal verzicht' ich auf eine Anfeige. Ich freibe keine. Und jetft hilf mir bitte auf die Beine."

"Sebulon?", fragten verschiedene Stimmen.
"Hmpf."
Ihm war, als würde er glimmen und als wäre sein Rücken voll Nadeln.
"Junge, mir scheint, ich muss dich doch noch tadeln. Keine Helden! So hatten wir nicht gewettet."
"Hmpf?"
"Du hast es geschafft! Das Mädchen gerettet. Komm, gib mir wenigstens die Hand."
Der Zwerg hob den Arm, der vom vielen Verband doppelt so schwer war wie erwartet.
"Hmpf?"
"Wir haben, äh, ganz schön gewartet, dass du wieder aufwachst, äh, Gürtel", sagte Braggasch.
"Brmpf."
"Du bist ein Juwel! Hättest du nicht versucht, das Mädchen zu schützen ..."
Sebulon versuchte sich aufzustützen. "Ich habe versagt", brummte er betroffen.
"Du hast, äh, die richtige Wahl getroffen", lächtelte ihn sein Freund herzlich an. "Ehrlich. Weißt du, ich, äh, kann, zwar Spinnenfallen bauen, mit etwas Glück, aber, äh, Tote bring ich nicht zurück."
"Sie funktioniert?", fragte Sebulon begeistert. "Du hast das Ding tatsächlich gemeistert?"
"Du wirst sie, äh, schon zu sehen kriegen. Rogi sagt, du bleibst erstmal liegen."
"RUM wünscht dir Bess'rung, das soll ich erwähnen", sagte Romulus und unterdrückte ein Gähnen. "Goldwart, wir zwei werden uns jetzt ausruhen. Die Rohrpost kann ihn später interviewen, morgen ist noch genug Zeit dafür."
Er zwinkerte, dann gingen die beiden zur Tür.

Die beiden verließen die Wasserbrettgasse.
"Weißt du was? Ich konnte dich vorher nicht leiden", knurrte Roy, "aber jetzt verabscheue ich dich und deine Methoden von ganzem Herzen."
"Das musste raus", sagte Elwin und säuberte sein Messer von Blutspritzern. "Das Leben ist Kunst, sage ich immer."
Roy spuckte aus. "Ich bin froh, wenn wir wieder getrennte Wege gehen."
Langsam und schweigend schlenderten sie durch die düsteren Winkel der noch schlafenden Stadt.
"Ist dir schonmal aufgefallen", fragte Elwin unvermittelt, "dass du von hinten am Kopf wie ein Bulle aussiehst?"
"Hab mir noch nie über meinen Hinterkopf Gedanken gemacht. Hab wichtigeres zu tun. Zum Beispiel müssen wir noch den Hinweis auf unser explosives Experiment bei einem Wächter hinterlassen, bevor wir uns auftragsgemäß aus dem Staub machen. Am besten bei einem Rekruten. Die taugen nicht viel, vergessen unsere Gesichter noch bevor wir uns umgedreht haben, und überbringen die Geschichte mit der Bombe den richtigen Leuten."
Die ersten Strahlen des Tages durchdrangen den Nebel.
"Schau, Roy, der Tag hat schon angefangen. Was für ein geradezu lyrisches Licht ..."
"Finde ich nicht. Gibst du jetzt Ruh? Ich hab diese dreckige Stadt, die alles verunreinigt, gründlich satt!"
So gingen sie müde zum Stadttor entlang in den Morporkischen Sonnenaufgang.

[1] Tatsächlich macht Amok keinen Witz. Das Trampolin ist der neuste Besitz von GRUND. Man raunt sogar, dass mancher Rekrut mit einem gewissen Wagemut nicht nur die Standards exerziert, sondern auch Oi-Dong-Techniken probiert ...

[2] Mimosa jedoch dachte keck: 'Leben? Meinetwegen, aber ohne Besteck!'

[3] Das ist wohl eins dieser Liebesdinge: Menschen spüren Schmetterlinge, Zwerge haben stattdessen im Magen ein (selbst für sie) eher unsanftes Schlagen.

[4] Rick Berman möge mir verzeih'n - das Lied entstammte Deep Space Nine.

Zählt als Patch-Mission für den Püschologe-Patch.



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Feedback:

Von Braggasch Goldwart

01.12.2009 15:38

Das ärgerlichste an dieser single ist wohl, das man sie mehrfach lesen muss, um wirklich alle Feinheiten rauszuziehen. nach dem ersten lesen war ich, wie du weißt, nicht besonders begeistert, nach dem zwieten mal wurde ich mit den Reimen warm und das Dritte mal lesen war einfach fastzinierend. Dazu war der Fall noch spannend und gut gelöst. Respekt. :) Ich hätts trozdem dann auch in Versform geschrieben. ;)

Von Huitztli Pochtli

01.12.2009 15:38

Das Ganze erinnerte mich ein wenig an die Paulchen Panther TV-Serie, da wurde die Geschichte auch immer in Reimform erzählt.Auch wenn ich die Idee originell finde und es bestimmt nicht leicht war, das mit dem Reimen bis zum Ende durchzuhalten, war die Single doch recht anstrengend zu lesen.

Von Jargon Schneidgut

01.12.2009 15:38

Wundervoll! Einfach toll! Die Dichtkunst scheint dir zu liegen, deine Geschichte kann bei mir nur siegen. Dies Stück Poesie so schön, bekommt Punkte von mir, fünfzehn.

Von Kannichgut Zwiebel

01.12.2009 15:38

Die Story hier in Reimesform zu präsentier'n, find' ich enorm. Geklappt hat es nicht überall, doch bringt's das Kunstwerk nicht zu Fall. Die Handlung, leider, blieb ein Stück-weit hinter all der Form zurück.

Von Olga-Maria Inös

01.12.2009 15:38

Auf Sebulons Wunsch zitiere ich mich selbst: Mag sein, dass die Story nicht die allerbeste ist, aber durch die Reime hatte ich jede Menge Spaß am lesen.

Von Ophelia Ziegenberger

01.12.2009 15:38

Wie auch schon vorab gesagt: Generell finde ich es ein wenig unglücklich, dass die Single in Gedichtform gedacht ist, sich aber nicht durchgängig reimt, bzw. sehr viele unsaubere Verschiebungen drin sind. So etwas schmerzt mich vom Sprachlichen immer und ich denke dann, wenn schon denn schon konsequent durchziehen. Aber das ist ein generelles Problem bei inzwischen mehreren solcher eingereichten Singles und natürlich die jeweilige Entscheidung, des Schreibers, ob er selber damit zufrieden ist bzw. es vielleicht sogar bewusst so stehen lassen möchte. Ansonsten bleibt nicht viel zu sagen; die Single erfüllt alle Pokalkriterien.

Von Rea Dubiata

01.12.2009 15:38

Die Reimform hatte ihre Pros und Kontras. Teilweise war es echt super, weil es oft so wunderbar passte. dann waren leider Stellen die sehr holprig klangen. Irgendwie ging auch die Geschichte selbst dadurch ein wenig unter. Trotzdem hab ich mich fuer eine hoehere Bewertung entschieden, da es sehr viel Spass gemacht hat die Single zu lesen. :)

Von Sebulon, Sohn des Samax

01.12.2009 15:49

Vielen Dank - für die kontroversen Rückmeldungen. :)

(12 Punkte! Wuppie!)

@Braggasch: Es existiert eine Versformversion. Hättest nur fragen brauchen. Die parallel online zu stellen war aber eine lange Debatte, an deren Ende ich mich doch dagegen entschlossen habe.



*salutiert*

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