Entspannungstechniken und was davon zu halten ist

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von Obergefreiter Huitztli Pochtli (SUSI)
Online seit 01. 11. 2009
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Eine Zigarre ist manchmal einfach nur eine Zigarre, sagt die Psychologie. Ob das auch auf andere Gegenstände zutrifft?

Dafür vergebene Note: 12

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Sonntag, 3. Spuni im Jahr der hysterischen Blattlaus

Grunzke senkte den kleinen Löffel vorsichtig in seine Kaffeetasse und beobachtet gebannt, wie die braune Flüssigkeit langsam die Zuckerkristalle einfärbte. Ganz allmählich kroch die braune Feuchtigkeit bis zur Spitze des kleinen Zuckerhügels auf seinem Löffel, stetig und unaufhaltsam, wie die Eroberung durch eine unüberwindliche Armee.
Ein dezentes Klopfen riss ihn aus seiner Betrachtung. Er seufzte. Nie war es ihm vergönnt, diese Momente der Stille auszukosten.
"Herein!", schnarrte er missmutig.
Ein Igor betrat die kleine Bibliothek. Aus der Ferne entsprach sein Aussehen im Wesentlichen den üblichen Erwartungen, die man an einen Igor stellt: Schlurfender Gang, etwas untersetzt, dunkler Anzug, nebst Weste und ein weißes Hemd mit schwarzer Krawatte. Nicht zu vergessen, das traditionelle Lispeln. Sobald er näher trat, offenbarte er eine seltsame Absonderlichkeit. Narben bedeckten die sichtbaren Köperteile, was an sich nichts Ungewöhnliches darstellte. Er schien jedoch ein Faible für Symmetrie entwickelt zu haben, dass in seinem Fall schon eher an Besessenheit grenzte. Jede Narbe auf der einen Körperhälfte hatte ihre Entsprechung auf der gegenüberliegenden Seite. Alles in Allem ein recht irritierender Anblick.
"Nummer Fieben ist foeben eingetroffen, Herr."
Grunzke nickte nur und widmete sich wieder seinem Kaffee. Die Dinge kamen ins Rollen und der Hauch eines Lächelns stahl sich in seine Mundwinkel. Er war gespannt, ob die Bemühungen von Nummer Sieben um eine Reputationsverbesserung nach dessen letzte Fehlschlägen Früchte tragen würden.

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Huitztli hockte auf dem First des Daches von Blöömsche & Söhne und besah sich die heraufziehende Abenddämmerung.
"Sie haben alle so komisch geguckt, weißt du? Ich meine, ich bin mir nicht sicher, aber es sah einfach nicht A-PEH-TIET-LIECH für sie aus."
"Du weißt schon, dass wir hier über einen entfernten Verwandten von mir reden, oder?", gab Gurr zurück und putzte sein Gefieder, während er auf Huitztlis Schulter saß.
"Ich konnte doch nicht ahnen, dass es dein Cousin 4. Grades Hubert war, den mir die Marktfrau da verkauft hat. Er hätte sich ja schließlich dazu äußern können."
"Klar, mit zugebundenem Schnabel ist so was ja auch supereinfach."
"Die Marktfrau sagte mir, dass sie das macht, damit die Vögel nicht den Grossstadtdreck fressen, der überall rum liegt."
"Ach, was solls. Ich konnte Hubert eh noch nie leiden."
Gurr schlug mit den Flügeln und legte sie dann wieder an.
Gemeinsam schwiegen sie und starrten durch den Dunst auf die Sonnenscheibe, die langsam hinter dem Häusermeer verschwand.
Huitztli fasste den Entschluss, professionelle Hilfe zu suchen. Und er wusste auch schon, wen er fragen würde.

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Etwa zur selben Zeit andernorts in Ankh-Morpork
"Das war die ... die ... hirnrissigste Idee, die ich in meiner Karriere als Unternehmer je gehört habe!", ereiferte sich einer.
Das Wort Unternehmer sprach er dabei so aus, als ob er es nicht ganz so ernst damit meinte.
"Es ist wagemutig, Nummer Sechs, dass muss man ihm lassen. Wenn er schon untergeht, dann mit Pauken und Trompeten."
"Ja, Nummer Eins, und mit einem nicht unerheblichen Teil unseres Geldes. Die Ausrüstung wird immerhin zweihundert Dollar verschlingen.", gab ein kleiner Mann zu bedenken. Seine Statur drängte einem selbst in der Anonymität ihrer kleinen hermetischen Gruppe, die Assoziation mit dem Begriff Buchhalter auf.
"Nummer Fünf, du hast natürlich Recht. Aber: wenn wir Erfolg haben, werden die Informationen, die wir geliefert bekommen, von unschätzbarem Wert für uns sein."
Die Männer sahen von einem zu anderen und durchdachten das Für und Wider der Argumente.
"Ich denke", hub einer der Männer an, der schweigsam die ganze Zeit über im Schatten außerhalb der fahlen Lampe über dem filzbezogenen Tisch in ihrer Mitte gesessen hatte, "dass der potentielle Misserfolg, sollte es einen solchen geben, dann ganz allein auf der Seite von Nummer Sieben liegen wird."
Die übrigen nickten langsam und lächelten süffisant.
Einzig Nummer Fünf rang innerlich mit seiner Buchhalterseele. Es schmerzte ihn persönlich, wenn Geld für unsinnigen Quatsch ausgegeben wurde.


Donnerstag, 7. Spuni im Jahr der hysterischen Blattlaus

Nummer Sieben befestigte seine Abschussapparatur auf dem Fahnenmast des Nachbarhauses des Wachegebäudes am Pseudopolisplatz. Das Gerät erinnerte an eine Armbrust, nur dass der Bolzen viel dicker war und anstelle einer Spitze einen Gummisauger aufwies.
Sorgfältig ölte Nummer Sieben das kleine Rädchen, über welches die Fahnenschnur lief. Dann zog er an der Schnur und die Armbrust wanderte bis zur Spitze.

Zwischenzeitlich im Wachhaus am Pseudopolisplatz
Kommandeur Breguyar tippte sich zum Gruß mit zwei Fingern an die Schläfe, als er den Wachetresen am Haupteingang passierte. Die beiden wachhabenden Rekruten waren aufgesprungen und hatten sich beim Salutieren beinahe das Kreuz verrenkt. Bregs grinste und strebte der Treppe zu. Aus der Kantine erklangen die üblichen Geräusche. Stöhnende Wächter, die das immerwährende Stammessen Hackbraten monierten, eine zeternde Frau Piepenstengel, die das als Affront gegen sich sah. Nein, die vergangene Nacht war einfach zu erholsam gewesen, als dass ihn das tangiert hätte. Leichtfüssig brachte er die letzten Stufe zum ersten Stock hinter sich und wandte sich dann nach rechts. Ein dumpfes Wumm aus dem FROG-Labor ließ etwas Kalk von den Wänden rieseln und machte deutlich, dass hier schon schwer gearbeitet wurde.
Zwei Stufen auf einmal nehmend hüpfte Araghast die Treppe zum zweiten Stockwerk hinauf und er begann eine nicht näher zu definierende Melodie zu summen. Jack Narrator trat eben aus dem Büro, als der Kommandeur die zweite Etage erreichte.
"Morgen Jack! Alles senkrecht?", fragte er jovial und bog nach links Richtung Büro ab.
Jack wusste gar nicht, was er sagen sollte. So hatte er den Kommandeur nur selten erlebt. Eigentlich noch nie, wenn er es sich genauer überlegte.
Bregs tänzelte in sein Büro und schnupperte kurz.
"Na, hier muss mal gelüftet werden. Der Mief von Wochen hängt hier drin.", sagte er halblaut und öffnete das schmutzbedeckte Fenster. Dabei fegte er einen Stapel Bücher vom Fensterbrett, die ihm Sillybos vor einigen Wochen in der stillen Hoffnung in die Hand gedrückt hatte, dem Kommandeur gennuanische Philisophieansätze etwas näher bringen zu können. Bregs bückte sich nach den Büchern und entging dabei nur knapp einem Gegenstand, der durch das Fenster geflogen kam - freilich, ohne dies überhaupt zu bemerken. Ein plötzlicher Luftzug knallte die Bürotür hinter dem Gegenstand zu, wodurch dieser die Wirkungsstätte des Kommandeurs auch gleich wieder verlassen hatte. Bregs indes pfiff ein paar schräge Töne, die man nur mit sehr großem Wohlwollen als Liedchen interpretieren konnte, schwang sich auf seinen Stuhl und legte die Füße hoch. Schon der Titel eines der Bücher klang nicht nach viel Spaß und den hatte der Kommandeur bei der Lektüre auch nicht gerade verspürt. Die geistige Rückwärtsrolle - wie man seine Aggressionen unter Kontrolle bringt, wenn der bürokratische Wahnsinn droht. Bregs verzog das Gesicht und warf das Buch auf seinen Schreibtisch. Er gab sich alle Mühe, den Ratschlägen des Autors zu folgen und seiner gewohnten negativen Stimmung nicht nachzugeben.
Er schloss die Augen, verschränkte die Hände hinter dem Kopf und atmete tief ein und aus.

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"Bist du sicher, dass es nichts Ansteckendes ist?", fragte Ettark Bergig den Obergefreiten Huitztli Pochtli und zog zweifelnd die Brauen zusammen. Huitztli schabte mit der Klaue über seine Wange.
"Werde ich sterben?", fragte er nervös.
"Ganz sicher sogar!"
Ettarks Augen weiteten sich entsetzt.
"Aber erst in ca. 30 bis 40 Jahren, wenn du weiterhin vorsichtig bist. Dein Nacken ist einfach nur sehr stark gerötet, beinahe entzündet, würde ich sagen. Seit wann hast du das denn?"
"Ich denke, seit Vorgestern. Es hat angefangen, nachdem ich mich mit Chi Petto bei diesem Achatenerin getroffenen hatte. Du weist schon, die in der Imbissbude ganz in der Nähe arbeitet."
Huitztli nickte.
"Ein Gast war wohl unzufrieden mit seinem Essen. Er brüllte irgendwas auf achatenisch und warf den Gewürzständer um, der auf einem der Tische stand. Meine Klamotten waren komplett eingesaut."
"Lass mich raten: du hast das Zeug mit den Händen abgewischt."
Ettarks offener Blick bestätigte Huitztlis Vermutung.
"Hast du dann später deinen Nacken berührt?"
Ettark machte eine unwillkürliche Handbewegung nach seinem Hals.
"Nein, nicht!", hielt ihn Huitztli auf und zog Ettarks behandschuhte Hand zu sich herunter.
Er schnupperte kurz an der Innenfläche.
"Ein leichter Essiggeruch. Dachte ich es mir doch."
"Ja, was denn?", fragte Ettark gespannt und schaute bedauernd auf seine schon leicht abgewetzten Handschuhe.
"Die Gewürze, die du erwähnt hast. Eines davon dürfte wohl Ombal-Solek gewesen sein. Übersetzt heißt das so viel wie ..."
"... heißel als die Hölle Gelwülz.", vollendete Chi Petto feixend, während er lässig am Türrahmen lehnte.
"Genau.", bestätigte der Gerichtmediziner, "Du kannst froh sein, dass du es nicht in die Augen gerieben hast."
"Was mache ich denn jetzt? In der Abteilung nennen sie mich alle schon Stiernacken!", jammerte der Informantenkontakter.
"Geh mal zu Rogi oder Rea. Die geben dir eine kühlende Salbe. Und schmeiß die Handschuhe weg."
Ettark betrachtete seine geliebtes Kleidungsstücke. Viele schöne Erinnerungen verband er damit. Seufzend verließ er die Sektion.
"El wild sie nicht wegwelfen. Dafül hängt el viel zu sehl dalan.", bemerkte Chi Petto lakonisch.
"Dann kann ich ihm auch nicht helfen.", gab Huitztli zurück und zuckte mit den Schultern.

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Das Quietschen der Räder kratzte an Adalgrim Eiseles Nerven. Als Zwerg war es ihm zuwider, wenn Ausrüstungsmaterial nicht gepflegt wurde. Er machte eine geistige Notiz, später die Räder zu ölen. Auf seiner Posttour durch den zweiten Stock des Wachhauses am Pseudopolisplatz stolperte der Rekrut über einen nur allzu bekannten Gegenstand. Er starrte auf den Pömpel und sah sich dann im Gang um. Weit und breit war niemand zu sehen. Vielleicht hatten Handwerker den Pömpel hier verloren, mutmaßte er. Ob er ihn in die Asservatenkammer bringen sollte? Immerhin war er nicht Teil eines Verbrechens, soweit ihm bekannt war. Er schien zudem neu und unbenutzt zu sein. Er beschloss, den Pömpel aufzubewahren, bis sich sein rechtmäßiger Besitzer meldete. Und ihn auszuleihen, denn endlich hatte er das Werkzeug gefunden, dass er brauchte, um den verstopften Abfluss im Abort in der Kröselstraße wieder frei zu bekommen. Schon seit Tagen mussten sich die Rekruten mit einem Eimer behelfen.

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Ettark wusste nicht, auf wen er wütender sein sollte. Auf sich, wegen seiner Unbedachtheit, auf den Typen, der ihn mit der Sauce bekleckert hatte oder auf Chi Petto, weil er sich offenbar köstlich darüber zu amüsieren schien.
Er blickte auf seine Handschuhe. So viele Erinnerungen verband er mit ihnen. Sowas warf man doch nicht einfach weg.
In der Messe wischte die Putzfrau gerade die Tische ab und Ettark bemerkte den großen Mülleimer direkt neben der Eingangstür. Er war noch nicht geleert worden. Einem spontanen Entschluss folgend, zog er die Handschuhe aus und warf sie in den Behälter.
Die Putzfrau würde den Eimer gleich leeren und dann wären sie endgültig weg. Besser ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende, dachte er bei sich.


Montag, 11. Spuni im Jahr der hysterischen Blattlaus

"Irgendetwas stimmt mit unserem Kommandeur nicht. Er benimmt sich schon seit Tagen so ... seltsam.", sagte Humpf MeckDwarf leise zu Daemon Llanddcairfyn, während er sich seine Tasse füllte, "Selbst, als ich ihm sagte, dass wir im Fall dieses Kunstraubes keinerlei Spuren gefunden haben und das nach über einer Woche, hat er weiter gelächelt."
"Ist mir auch schon aufgefallen. Ich habe mir schon überlegt, ob er wieder heimlich trinkt, aber er riecht nicht danach. Ob er Drogen nimmt?", rätselte der Dobermann und legte eine Zimtschnecke auf seinen Teller.
"Keine Ahnung, aber es macht mir Angst!", stellte Meck fest.
Oberleutnant Pismire hatte ein paar Kaffeestückchen spendiert und sie nach dem wöchentlichen Treffen der Abteilungsleiter mit dem Kommandeur in die Kantine eingeladen. Er zuckte hilflos mit den Schultern.
"Erst dachte ich, er meint es ironisch, als er die Einladung von Lord Vetinari erhielt und meinte 'Na, mal schauen, was der gute Havelock auf dem Herzen hat'. Aber inzwischen mache ich mir wirklich Sorgen!"
Mit einem Lächeln und einer dampfenden Tasse Kakao in der Hand gesellte sich Sillybos zu ihnen.
"Ich kam nicht umhin, eure Unterhaltung mitzuverfolgen. Und ich kann euch beruhigen."
"So?", fragte Dae erstaunt.
"Der Kommandeur bemüht sich nur, die Thesen von Freudhold von Sanftleben umzusetzen. Ich habe ihm sein Buch ans Herz gelegt."
"Also mich erinnert er derzeit mehr an den Lachenden Lord Skapula.", bemerkte Meck trocken.

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Kathiopeja blätterte durch die Personalakten der Neuzugänge. Vielversprechendes schien nun wirklich nicht dabei zu sein. Zumindest würde die Zeit zeigen, wieviel Spreu sich vom Weizen trennen mochte.
Drei Menschen, ein Gnom und sogar eine Mumie waren dabei.
"Na das kann ja heiter werden.", seufzte sie halblaut.
In den letzten Tagen hatte sie immer öfter daran gedacht, zu SUSI zurück zu kehren. Bislang hatte jedoch ihr Pflichtgefühl sie daran gehindert, diesen Wunsch in die Tat umzusetzen.
Nun, vielleicht in einem halben Jahr, wer weiß., dachte sie bei sich.

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Huitztli schob die Tür zum Atelier ein Stück auf und steckte den Kopf durch den Spalt. Der Raum war angefüllt mit Steinen aller Art und eine Schicht bröckligen Marmors bedeckte den Boden. Nach dem Fiasko mit der gefüllten Gans, hatte er sich geschworen, nicht zu ruhen, bis es ihm gelungen war, die Sache endlich richtig hin zu bekommen.
Vor allem schien seine Kameraden das Aussehen abgeschreckt zu haben. Seinen Versuch, bei Frau Piepenstengel Rat einzuholen, hatte diese indes rüde abgewiesen, etwas von Spionage gerufen und die Tür zugeknallt. Sie hatte zwar noch viel mehr gesagt, aber das war durch die geschlossene Tür nicht mehr zu verstehen gewesen.
"Ha .... Hallo?", fragte der Wasserspeier zaghaft, erhielt jedoch keine Antwort.
Ein leises Schaben war aus einer Ecke der kleinen Halle zu vernehmen, die Quelle ließ sich aber nicht erkennen.
Huitztli setzte vorsichtig einen Fuß vor den anderen, bis er das Künstlerwerkstattäquivalent einer Lichtung erreichte. Auf einem Podest hatten sich eine Menge Personen in Pose geworfen, die ein Zwerg lautstark zu dirigieren versuchte. Immer wieder griff er sich theatralisch an die Stirn und schüttelte in gespieltem Entsetzen den Kopf, um im nächsten Moment wieder zeternd hin und her zu springen und die Figuren endlich in die Positionen zu bringen, die ihm vorschwebte.
"Tilit und Evaporit! Ihr dürft nicht zu nah beieinander stehen! Man hält euch sonst nur noch für einen Haufen Geröll! Etwas auseinander rücken! NEIN! Nicht so viel, dass sieht doch jetzt wieder aus, wie bei einer Kontinentalverschiebung! Fräulein Dula, sie haben sich bewegt! Ich habe es genau gesehen! Es ist mir egal, ob ihnen das Kreuz wehtut! Immerhin bezahle ich sie! Herr Kannenbieger! Hören sie auf, ihren Bart zu flechten, dass ist in diesem Arrangement nicht vorgesehen! Meine Güte, mit welchem Material ich heutzutage arbeiten muss! Warum strafen mich die Götter nur so?"
Huitztli hatte die Mitte der Werkstatt erreicht und schaute gebannt zu. Der Zwerg drehte sich unvermittelt um und erstarrte, als er den Wasserspeier sah.
"Wer bist du denn? Nein, sag nichts. Bestimmt hat dich die Agentur geschickt. Ich habe denen doch schon tausendmal gesagt, dass die Modelle pünktlich erscheinen sollen und nicht nacheinander, wie es jedem passt!"
"Äh...", versuchte der Gerichtsmediziner einzuwenden. Er kam jedoch nicht weit.
"Egal, stell dich zwischen Tilit und Evaporit."
"Tilit und Evaporit?", echote Huitztli.
"Nun mach schon.", gab der Zwerg ungeduldig zurück und schob den Wasserspeier auf das Podest zwischen zwei Trolle.
"Ich Evaporit bin.", sagte der eine.
"Und ich Tilit. Wir Zwillinge sind."
"Äh ... angenehm.", sagte Huitztli und bemühte sich seine Verwirrung zu verbergen.
Die beiden Trolle sahen sich kein Bisschen ähnlich.
"Er ist ein wenig ... angespannt könnte man meinen, oder?", sagte er halblaut und nickte mit dem Kopf in Richtung des Zwergs, der gerade einen Zombi und einen Vampir anblökte.
"Ach, das normal für Bortel ist. Er es nicht so meinen. Er eben großer Künstler ist."
Huitztli schaute beide ungläubig an.
"Herr Wasserspeier, wenn sie sich bitte an Tilit lehnen würden. Nein, nein ... irgendwie nicht so ganz das Richtige. Bitte knien sich hin. Heben sie den rechten Arm in Richtung von Tilits Brust, die andere halten sie bitte an ihr Herz."
"Äh ... Wasserspeier haben kein Her..."
"SO BLEIBEN!", donnerte der Zwerg und huschte zurück zu einem Gipsblock, den er mit einem Schabeisen bearbeitete.
Innerhalb kürzester Zeit hüllte ihn ein Nebel aus Gipspulver ein, so dass er kaum noch auszumachen war.
Eine halbe Stunde später trat er schwer atmend zurück und betrachtete kritisch sein Werk.
"Das wars. Ich danke ihnen allen.", sagte er und lupfte kurz sein Barett.

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Ettark saß an seinem Platz im Büro 103. Amalarie und Miriel waren anscheinend unterwegs und er hatte das Büro verwaist vorgefunden. Mit dem Bericht vor sich, war er nicht wirklich viel weiter gekommen. Er gab sich einen Ruck und griff nach dem Blatt, um noch einmal die paar Sätze durchzulesen, die er bis jetzt zu Papier gebracht hatte. Seine Augen schweiften jedoch wieder ab und blieben an seinen bloßen Händen hängen. Er kam sich richtig nackt vor. Er fühlte sich, als habe er einen Teil seiner selbst verloren. Genauso hätte er sich einen Fuß abhacken können.
Ruckartig stand er auf und verließ das Büro. Er musste hier raus, an die frische Luft. Er musste den Kopf frei bekommen.

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Der Haufen auf dem Podest war unmittelbar nach den erlösenden Worten des Meisters in ein befreiendes Geplapper ausgebrochen, hatte sich wortreich voneinander verabschiedet und schließlich verlaufen.
Nur noch Huitztli war zurück geblieben und besah sich nun interessiert das Ergebnis der Bemühungen des Künstlers.
Der Zwerg hatte eine Plastik aus dem Gipsblock geschnitzt, die dem Original sehr nahe kam. Freilich war die Darstellung übertrieben und Huitztli bemerkte, dass seine ausgestreckte Linke offenbar eine Fackel hielt.
"Du bist noch hier, wie ich sehe.", sagte der Zwerg unvermittelt, "Dein Geld bekommst du von der Agentur."
"Ich bin kein Modell."
"Nicht?"
"Nein, ich bin", Huitztli holte seine Dienstmarke hervor, "Obergefreiter Pochtli von der Stadtwache."
"Das nenne ich mal eine Überraschung. Irgendwie ist mir das jetzt ein bischen peinlich, aber wenn mich die Muse in ihrem unbarmherzigen Griff hat, bin ich nur noch ihr williges Werkzeug."
Huitztlis Gesichtsausdruck war eine Maske der Unverständnisses.
"Ich meine, dass ich dich vorhin dazu genötigt habe, einen Platz in dem Ensemble einzunehmen."
Er wies mit der Hand auf das Podest.
"Ach so, das ist nicht weiter tragisch.", grinste der Wasserspeier, "Das war eine sehr interessante Erfahrung."
"Was kann ich für die Wache tun?"
"Oh, das ist kein offizieller Besuch. Ich bin privat hier, weil ich professionelle Hilfe brauche."
"Professionelle Hilfe? Bist du auch Künstler?"
"Äh ... nein, eher nicht. Ich bin Gerichtsmediziner."
"Oh. Du hast den Tod also sprichwörtlich tagtäglich vor Augen."
Huitztli nickte.
"Das muss eine ganz intensive Erfahrung sein.", geriet der Zwerg ins Schwärmen.
"Ich brauche Hilfe, was die ..."
Huitztli überlegte. Das Wort Zubereitung erschien ihm hier die falsche Vokabel zu sein.
"... das Arrangement eines ... Objektes anbelangt."
"Wie meinst du das?", hakte Bortel nach.
"Nun, ich veranstaltete ein Treffen unter Kollegen und präsentierte meine ... Arbeit. Ich hatte den Eindruck, dass sie das Aussehen des ... nun ... Vogels nicht ansprach."
Zweifel keimten in Huitztli, ob er hier an der richtigen Adresse war.
"Einen Vogel zu gestalten ist sehr schwer. Da hast du dir ja gleich das Komplizierteste ausgesucht, dass es für einen Künstler gibt. Körpergestaltung ist außerordentlich schwierig.", nickte der Meister anerkennend.


Dienstag, 2. Sektober im Jahr der hysterischen Blattlaus

Die in schwarz gekleideten Männer waren um einen kleinen Tisch versammelt. In seiner Mitte stand ein würfelförmiger Kasten aus dessen Oberseite ein halbkugelförmiges Objekt ragte, dass entfernt an ein feinmaschiges Sieb erinnerte.
"Das ist es also?"
"Ja, Nummer Eins. Das ist der Empfänger, das Empfangsmoduhl. Allerneueste Dämonen-gestützte Übertragungstechnik. Diese Dämonen werden in einem Geheimverfahren geklont. Mit ihm", er klopfte leicht auf den Kasten, "holen wir in regelmäßigen Abständen die Berichte ab, die >Lauschender Stock<, wie wir das andere Gerät nennen, aufnimmt."
"Und wie nennt ihr das Empfangsmodul? Plapperndes Teesieb?", spottete ein anderer Mann.
Nummer Sieben warf ihm einen wütenden Blick zu.
"Bitte, bitte, Nummer Drei. Wir wollen doch keine voreiligen Schlüsse ziehen. Nummer Sieben hat so viel Enthusiasmus für diese Sache gezeigt."
"Und eine nicht unerhebliche Summe unseres Geldes.", ergänzte Nummer Fünf feindselig.
Die Männer nahmen auf den Stühlen Platz, die um den Tisch herum aufgestellt waren.
"Bitte, Nummer Sieben.", sagte Nummer Eins jovial, "Es ist deine Vorstellung."
Der Angesprochene beugte sich vor und legte einen kleinen Hebel an der Seite des Würfels um. Ein surrendes Geräusch erklang und das halbkugelförmige Objekt setzte sich langsam in Bewegung. Es richtete sich senkrecht auf und begann sich dann kontinuierlich zu drehen, wobei piepsende Geräusche erklangen.
Nummer Sieben räusperte sich.
"Nummer Eins, in Kürze werden wir den ersten Geheimbericht aus dem Büro des Kommandeurs der Stadtwache erhalten."
"Wir sind alle sehr gespannt, Nummer Sieben..."

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Ettark hob den Deckel der Mülltonne und spähte hinein. Sie musste vor Kurzem geleert worden sein, denn der Boden war deutlich zu sehen. Verzweifelt stocherte er trotzdem darin herum, aber seine geliebten Handschuhe wollten sich einfach nicht einstellen. Er trabte aus dem Hof und sah nach Rechts und Links.
Dann folgte er den Spuren frischen Abfalls, dessen Qualität sich von dem Unrat älteren Datums deutlich abhob.

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Nimh ad Orbh saß in der Messe und machte sich über eine Portion Hackbraten her. Sie diskutierte gerade lebhaft mit Charlie Holm. Neben dem Aushang der wöchentlichen Menükarte der Kantine, hatten sie die Aufforderung der Abteilungsleiter gelesen, Verbesserungsvorschläge für den Betriebsablauf einzureichen.
"Rahmbohliehn", formulierte sie undeutlich.
"Was?"
Nimh kaute hastig und schluckte den Bissen herunter.
"Trampolin", wiederholt sie, "Ein mobiles Trampolin. Das wäre doch eine tolle Idee."
"Wie soll ein Trampolin den FROGS bei ihrer Arbeit helfen?", fragte Charlie Holm verwirrt.
"Na, sie könnten es doch benutzen, um über irgendwelche Mauern zu spähen.", gab Nihm etwas pikiert zurück.
"Das ist doch auffällig, wie ein stinkender Hering auf einer Sahnetorte. Man würde die Späher sofort bemerken."
"Hmm... das hat Braggasch vorhin auch gesagt.", gab Nihm kleinlaut zu. Sie beschloss, ihre Idee noch etwas reifen zu lassen.

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Das Piepsen erstarb. Die silbrige Halbkugel stellte ihre Rotationsbewegungen ein und klappte wieder herunter. Der kleine Hebel stellte sich von alleine wieder in seine Ausgangsposition zurück.
Mit leicht zittrigen Fingern klappte Nummer Sieben eine kleine Konsole auf der gegenüberliegenden Seite aus dem Kästchen. Drei Knöpfe wurden darauf sichtbar. Er drehte einen davon nach links und aus dem Gitter an der Seite drangen merkwürdige Geräusche.
"!ecuaslaizepS ni ettaR redeiw eiN !rettöG hO ... ffppffffrreefpfpfprffrrfrfrffR ... ffppffffrreefpfpfprffrrfrfrffrffppffffrreefpfpfprffrrF ... rfrffrffP ... pffffrreefpfpfprffrrfrfrf ... frffppffffrreefpfpfprffrrfrfrffrffppffffrreefpfpfprffrrfrfrffrrrf ... ppolg ... tfffffff ... hcstulp ... pulg ... ffolp ... peif ... nhöts ... lephcsurg ... rrahcs ... ppalk ... zrank ... leppirt ..."
"Der Dämon spult das empfangene Material erst einmal auf Anfang zurück, das wird leider einen Moment dauern. Der Dämon im Lauschenden Stock hat anscheinend mehr Informationen gesammelt, als wir zu hoffen gewagt haben.", bemerkte Nummer Sieben voller Erleichterung.
"Wie lange denn?", fragte einer der anderen Männer.
"Der Anzeige nach noch gut zwanzig Minuten, Nummer Fünf."

Nach etwa dreißig Minuten und dem wohl längsten Furz in der Geschichte der Abwässer von Ankh-Morpork, hatten sich zwei Dinge im Raum grundlegend verändert:
Der Kasten auf der Tischmitte war nur noch ein kleiner Haufen aus braunen Holzsplittern und etwas Messing. Und in der Hierarchie der Organisation war es zu einer minimalen Verschiebung gekommen. Nummer Acht war einen Platz vorgerückt.

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Bregs erwachte erschrocken und richtete sich auf. Die Kerzen auf seinem Schreibtisch waren beinahe vollständig herunter gebrannt. Aber auch im düsteren Licht konnte er deutlich erkennen, dass sich der Stapel unbearbeiteter Berichte nicht wirklich verringert hatte. Dabei war sein Traum so wunderbar gewesen. Die Reporte hatten sich einer nach dem anderen in die Lüfte erhoben, die Schreibfeder war immer wieder in das Tintenfass getaucht und hatte von selbst Notizen und Anmerkungen in die Berichte eingefügt. Schließlich waren sie auf den >Erledigt< Stapel geflattert, der sich rasch gefüllt hatte. Ein lautes Klopfen an der Tür hatte ihn schließlich aus dem Schlaf gerissen.
Adalgrim Eisele trat durch die Tür.
"Guten Tag, Herr Kommandeur.", salutierte er mit einem Bündel Berichtsmappen unter dem Arm.
"Ich bringe die Post."
Bregs grunzte nur gereizt, als er sah, dass der Eingangskorb allmählich begann, dem Kunstturm Konkurrenz zu machen, während sich im Ausgangskorb Staub zu sammeln begann.
Sein Blick veranlasste Adalgrim quasi innerhalb derselben Armbewegung erneut zu salutieren und die Tür rasch hinter sich zu schließen.

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Der Kutscher hielt den Karren an, als er Ettark um die Ecke kommen sah. Ohne Hast stieg er ab und tat so, als müsse er etwas an der Deichsel kontrollieren.
"He, Du!", rief Ettark.
Der Mann erschrak, versuchte jedoch ruhig zu bleiben und arbeitete sich zum Heck des Wagens vor.
"He, ich muss mit dir reden!", rief Ettark erneut.
Der Mann drehte sich um und ging langsam fort. Als er einige Meter zwischen sich und den Karren gebracht hatte, begann er zu rennen und bog schon nach wenigen Augenblicken um die Ecke.
Ettark stutzte. Hatte er den Typen erschreckt? War er womöglich schüchtern? Vielleicht hatte er sich erinnert, dass er eine Tonne zu leeren vergessen hatte und wollte das nachholen. Er zuckte mit den Schultern und schwang sich auf die Ladefläche. Er brauchte nur eine kurze Zeit der Suche, als er erfreut einen seiner Handschuhe unter dem Unrat hervorzog. Die Reste einer Bananenschale und eines Eis klebten daran. Der Zwilling machte sich jedoch rar und wollte sich nicht zeigen. Mit angehaltenem Atem und leicht angeekelt, stocherte er mit einem kurzen Stock in dem Haufen herum und zog ihn etwas auseinander. Seine angestrengte Miene wich jähem Erstaunen, als ihm eine Hand entgegen fiel.


Mittwoch, 3. Sektober im Jahr der hysterischen Blattlaus

Lazia Harmonie brütete über einem Oduktionsbericht. Allein schon die blumige Formulierungskunst Avalania von Gilgorys erregte ein vages Unbehagen in ihr. Sie hoffte, dass die Ikonographien nicht wirklich von Interesse für den Fall waren und seufzte erleichtert auf, als sie als Todesursache Stichverletzung und Vergiftung las. Es war also nicht notwendig, sich das mit Sicherheit grausige Bild anzusehen. Sie klappte den Bericht zu, brachte den Stempel auf dem Deckel an, zeichnete den Laufzettel gegen und legte den Report auf den Stapel zu den anderen.

"Gibt es schon was Neues zu dem Mord an dem Tätowierten?", fragte Romulus von Grauhaar wenig später auf dem Flur im Vorbeigehen. Laiza blickte ihn nur fragend an.
"Na, du weißt schon, der Typ mit dem Gemälde auf dem Allerwertesten."
Er deutete mit dem Daumen über seinen Rücken nach unten.
"Äh... nein, noch nichts.", gab sie hastig zurück.
"Halte mich bitte auf dem Laufenden. Muss schnell rüber zu den FROGs, Einsatzbesprechung."
Romulus hastete davon.
Laiza überlegte, da hatte sie die Akte wohl doch etwas zu voreilig abgestempelt. Sie eilte zurück in ihr Büro und kam gerade noch rechtzeitig. Rekrut Adalgrim Eisele hatte sich den Aktenberg gerade aus dem Ausgangskörbchen gefischt und wuchtete sie auf den kleinen Postkarren.
"Ha! Die brauche ich doch nochmal. Danke Rekrut.", sagte sie erleichtert und blätterte in dem Bericht.
Auffällige Tatauierung auf linker Gesäßhälfte las sie.
Tatauierung? Kein Wunder, dass ihr das nicht aufgefallen war. Wer wusste denn schon, was eine Tatauierung war? Sie griff nach den Bildern und fand das Gesuchte. Die Aufnahme zeigte neben einer Verbrennung einige ineinander verschlungene Striche, die wohl Buchstaben darstellen sollten.

"Du hast doch diesen Typen vom Müllkarren obduziert.", sagte Laiza, als sie in die Sektion gehetzt kam.
Avalania von Gilgory drehte sich überrascht um.
"Äh, ja...?"
"Ist er noch hier?"
"Öhm... Ja, soweit ich weiß, ist der Tote noch nicht abgeholt worden. Er liegt in Fach Drei."
Ava nickte in Richtung des Kühlfaches.
Laiza schritt forsch zu den Kühlfächern und öffnete die Klappe mit einem Ruck. Dann holte ihr Ekel, den vorausgeeilten Ermittlerdrang ein und sie merkte erschrocken, wo sie eigentlich war und was sie hier überhaupt tat.
Ava war ihr hinterher gegangen und sah interessiert zu.
"Kann ich dir helfen?", fragte sie nach einem kurzen Moment.
"Wenn ... du so nett wärst...?", sagte sie langsam, "... Danke!"
Ava zog die Schublade mit dem Leichnam heraus und deckte ihn auf.
Laiza inspizierte derweil die Decke.
"Ich habe auf der Aufnahme, die du gemacht hast, von der Tätowierung meine ich, etwas gesehen. Ich muss mir das noch mal genauer anschauen. Leider..."
"OK."
Ava packe den Körper an der linken Körperhälfte und wuchtete ihn zu Seite.
"Reicht das so?"
Laiza zwang den Blick nach unten auf den kalten Körper.
"Ja, danke."
Laiza sah genauer hin. Neben den ineinander verschachtelten Buchstaben, war noch etwas zu erkennen, dass zum Teil verbrannt schien.
Sie ergriff einen Lappen und wischte angewidert über die Stelle. Ein Querstrich mit einem abwärtsgerichteten Haken an der rechten Seite wurde sichtbar.
Der Rest war durch die Verbrennung unkenntlich geworden. Dieser kleine Rest genügte aber, um zu schließen, dass es die Ziffer Sieben sein musste.
"Hat der Tote noch an anderen Stellen Verbrennungen?"
"Nein, keine. Das ist die Einzige."
Nun war sich Laiza sicher. Hier hatte jemand versucht, etwas zu entfernen. Aber warum?


Freitag, 5. Sektober im Jahr der hysterischen Blattlaus

"Was wissen wir bis jetzt?", knurrte Bregs gereizt.
"Nicht viel, ehrlich gesagt. Er ist infolge einer vergifteten Klinge erstickt, soviel wissen wir. Die Verbrennung an der Tätowierung war wohl nicht ausreichend genug gewesen, zumindest konnte man die Zahl Sieben erkennen. Wofür V.A.L. steht, wissen wir nicht."
"Was ist mit dem Fuhrunternehmer, dem der Mülltransporter gehört? Habt ihr ihn mal unter die Lupe genommen?"
"Ja, haben wir. Ist aber eine Sackgasse. R. E. Zeigckling und Söhne, R. E. steht für Richard Emanuel. Alte renommierte Firma. Macht das bereits in der fünften Generation. Den Karren haben sie gestern Mittag als gestohlen gemeldet. Zu der Zeit hat Ettark den Toten auf dem Karren entdeckt."
"Na super! Wir haben also nichts weiter, als das Offensichtliche. Wir stehen da, wie die Anfänger!", fluchte Bregs laut und drosch mit der Faust auf den Tisch.
Silly zuckte etwas zusammen, bemühte sich aber darum, es nicht zu zeigen. Seine Buchempfehlung schien beim Kommandeur nicht die nachhaltige Wirkung erzielt zu haben, die er sich erhofft hatte.
Es irritierte ihn, dass im Gegensatz zu ihm, Pismire, Meck und Dae sehr zufriedene Gesichter machten. Endlich hatten sie ihren alten Kommandeur wieder.

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"Bregs ist verständlicherweise sauer. Wir haben nicht das Geringste heraus bekommen. Aber, was sollen wir denn machen? Zu Frau Kuchen gehen?", sagte Kolumbini seufzend.
Huitztli stocherte in seinem Salat und forschte umständlich nach Dingen, die er dort lieber nicht zu finden hoffte.
"Hat Ettark gesagt, wo er die Handschuhe gefunden hat?", fragte der Wasserspeier unvermittelt.
"Na auf dem Karren, das weißt du doch."
"Nein, ich meine, hat er sie über oder unter der Leiche gefunden?"
"Warum sollte das eine Rolle spielen?", fragte Kolumbini verwirrt und biss in seine Pizza.
"Wenn die Handschuhe und auch der andere Müll aus der Wache unter der Leiche gelegen haben, dann hat er sie zwischen der Wache und ..."
"... der Stelle an der Ettark den Karrendieb aufgescheucht hat, aufgeladen.", beendete Kolumbini erfreut den Satz, "Das dürfte unsere Suche doch etwas einschränken."

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Drei Stunden danach saß Kolumbini im Büro von Romulus von Grauhaar.
"Mit Hilfe der Rekruten haben wir die möglichen Wegstrecken, die er Müllkarren zurückgelegt haben könnte ah-nah-lüh-siehrt.", buchstabierte der Korporal sorgfältig.
"Und?"
"Wir haben alle Informanten kontaktiert, die derzeit für die Wache arbeiten. Wir haben außerdem alle verfügbaren Späher im Einsatz. Dummerweise wissen wir nicht genau, wonach es eigentlich Ausschau zu halten gilt. Ich habe den Männern gesagt, sie sollen einfach alles melden, was nach verdächtigem Verhalten aussieht."
"Ich hoffe, du filterst die Berichte. Verdächtiges Verhalten? Das trifft hier in Ankh-Morpork auf jeden zweiten Bürger zu, wenn nicht auf jeden, uns alle eingeschlossen."


Dienstag, 9. Sektober im Jahr der hysterischen Blattlaus

Harry erwischte Kolumbini, als dieser eben sein Büro im zweiten Stock verließ.
"Ah, Fred. Hast du mal eine Minute?"
Der Korporal schaute überrascht erst zu einer jungen Frau in Schwarz und dann nach unten.
"Oh, hallo Harry, klar. Kommt rein.", wies er mit der rechten Hand in den Raum, den er sich mit Kadwallader Janders und Sebulon teilte.
"Ähm ... mir wäre ein etwas diskreterer Ort lieber.", gab Harry zurück.
"OK, wenn du ... ihr meint. 201 ist derzeit leer."
Kolumibini ging voraus und öffnete die Tür. Abgestandene Luft begrüßte sie.
Die junge Frau schaute erst ängstlich in den Raum und trat dann durch die Tür.
Kolumbini schloss die Tür und zeigte auf einen Stuhl, doch die Dame mochte sich offenbar nicht setzen.
"Grte hier hat eine Beobachtung gemacht, die uns vielleicht weiterhelfen kann."
"Fräulein Grete, setzen sie sich bitte. Sie müssen keine Angst haben, das hier ist nicht offiziell.", versuchte Kolumbini einen neuen Anlauf.
"Es heißt Grte, vielen Dank."
"Gr'Te also.", versuchte er zu wiederholen, was ihm jedoch nicht recht gelingen wollte. Ein Blick in Harrys Gesicht sagte ihm, dass er besser keine Fragen nach der Herkunft des Namens stellen sollte.
"Harry ist immer gut zu uns gewesen und wir wissen, dass es sich gehört, den einen oder anderen Gefallen zu erwidern. Kundeninformationen sind vertraulich und Frau Palm hat kein Verständnis dafür, wenn diese Regel missachtet wird.
In diesem Fall sollen wir jedoch eine Ausnahme machen, hat sie mir gesagt."
Kolumbini sagte nichts, gab aber durch seine Geste zu verstehen, dass sie fortfahren solle.
"Sagi, einer meiner besten Kunden, hat seine ... Verabredungen schon seit über einer Woche nicht mehr wahrgenommen."
"Und das ist wichtig für uns weil...?", hakte Fred nach.
"Eigentlich heißt er Ersager, Wollv Ersager.", sagte sie zaghaft und blickte dabei zu Boden.
Fred hatte das Gefühl, dass dieser Ersager mehr für sie bedeutete, als sie zu offenbaren gewillt war.
"Ich verstehe immer noch nicht.", schaute Kolumbini irritiert zu Harry, der auf den Tisch geklettert war.
"Grte hat mir gesagt, dass er vor etwa zwei Wochen anfing, sich merkwürdig zu benehmen."
"Merkwürdiger als unser Kommandeur kann es nicht gewesen sein.", scherzte Kolumbini halblaut.
Er verstummte, als er Harrys säuerlichen Gesichtsausdruck sah.
"Er hatte eigentlich nie Probleme mit Nacktheit und so was. Und auf einmal will er seine Unterwäsche anbehalten."
Kolumbini runzelte die Stirn und machte Harry gegenüber Gesten, die soviel bedeuteten, wie Was hat das mit mir zu tun?
"Bei unserem letzten Treffen habe ich gesehen, dass er so was Komisches auf seinem süßen kleinen ... stehen hatte.", sie zeigte zögerlich auf ihr Hinterteil.
"Buchstaben und eine Zahl etwa?", fragte der Korporal, auf einmal hellhörig geworden.
Sie nickte.
"Seit einer Woche ist er nicht mehr aufgetaucht.", wiederholte sie.
"Vielleicht hat er sich eine andere gesucht.", gab Fred zu bedenken.
"Er hat aber seine Brieftasche bei mir vergessen und sie seitdem nicht abgeholt."
Sie holte eine Geldbörse hervor und legte sie auf den Tisch. Kolumbini untersuchte sie. Neben einigen Dollars, kam eine Quittung von Schenkels Dömon-O-rama zum Vorschein.
"Den sollten wir uns mal anschauen.", meine Harry und tippte mit dem Fuß an den Zettel.

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Huitztli Pochtli erreichte mit dem Wachekarren das Ladengeschäft in der Zuckgutgasse. Nichts deutete darauf hin, dass dies der Ort eines Verbrechens war. Nichts bis auf die Wächter, die vor dem Laden Wache standen.
Der Wasserspeier nickte Olga-Maria Inös zu, die den Eingang zu Geschäft blockierte. Sie trat zu Seite und er ging hindurch. Das Ladeninnere zum Teil verwüstet. Regale säumten die Wände. Die Objekte, die auf ihnen gestanden hatten, lagen auf dem Boden. Etliche Vitrinen waren zerschlagen worden.
"Raubüberfall?", fragte er den über einem leblosen Körper gebeugten Glimbal Stur.
Der Angesprochene wirbelte herum und salutierte, ehe er die Rangabzeichen bemerkte.
"Wir ... ich bin noch nicht sicher. Vielleicht."
"Wohl eher nicht." stellte Jack Narrator fest, der gerade aus dem Hinterzimmer trat.
"Was machst du denn hier?", fragte Huitztli verdutzt, "Ähm, Sir.", fügte er an.
"Eine Idee der Püschlogenvereinigung ausprobieren, Obergefreiter."
"Welche Idee denn?"
"Pro-Feiling. Ich feile an einem THÄ-TER-PRO-FIEL und zwar so lange, bis wir uns ein Bild von ihm machen können."
"Echt? Aber du weißt doch gar nicht, wie er aussieht?", wunderte sich der Gerichtsmediziner.
"Nun ja, steckt noch in den Kinderschuhen, muss ich zugeben. Aber es ist einen Versuch wert.", beharrte der Korporal, "Zumindest scheint eine Menge Wut im Spiel gewesen zu sein."
Er deutete auf die wahllos durcheinander gewürfelten Gegenstände dämonisch-betriebener Geräte. Etliche von ihnen waren zertrümmert worden.
"Nun, wollen doch mal sehen.", beugte sich Huitztli über den toten Körper eines Mannes hinter dem Tresen.
"Kannst du uns schon was sagen?", kam Kolumbinis Stimme von der Eingangstür her.
"Außer das er tot ist? Nein.", gab der Wasserspeier zurück.
"Du hast ihn doch noch gar nicht untersucht.", protestierte Glimbal.
"Nun, der zu Seite abgeknickte Hals ist ein guter Hinweis.", erwiderte er.
"Ach so.", sagte Glimbal kleinlaut und kritzelte auf seinen Block.
Der Gerichtsmediziner kniete sich neben den Toten.
"Er hat eine Platzwunde auf seinen Hinterkopf. Tot durch Einwirkung stumpfer Gewalt, würde ich meinen. Habt ihr sowas, wie einen dünnen Knüppel gefunden? Eher so etwas, wie einen Ast oder so?"
Glimbal schüttelte den Kopf.
"Nein, nichts derartiges. Auch nicht in der unmittelbaren Umgebung.", ergänzte Kolumbini.
Langsam wanderte der Korporal die Regalreihen entlang. Ein kleiner merkwürdig geformter schwarzer Kasten in der Mitte eines der Regale erregte seine Aufmerksamkeit. Er war nicht wie die anderen vom Regalbrett gefegt worden.
"Merkwürdig. Warum steht er noch hier?", wunderte sich der Korporal und versuchte den Kasten vom Regal zu nehmen.
Er ließ sich jedoch nicht bewegen. Er war anscheinend festgeschraubt.
Kolumbini sah sich um und griff sich einen Stuhl. Nachdem er darauf geklettert war, untersuchte er den Kasten genauer. Schließlich stellte er fest, dass er sich anheben ließ. Mit dem Kasten in Händen kletterte er vom Stuhl und stellte das Objekt auf den Tresen. Der Kasten war ein vielflächiger Körper mit insgesamt sechsundzwanzig Seiten. Fünf der Flächen in der Mitte des Kastens bestanden aus dunklem Glas.
"Was das wohl ist?"
Er klopfte auf die Oberseite. Der Deckel sprang auf und offenbarte ein Gitter und einen Schlitz.
"Passwort?", krähte ein grellgrüner Dämon.
"Ich habe keine Ahnung."
"Ohne Passwort, gibt es keine Bilder.", beharrte der Dämon.
Kolumbini holte seine Dienstmarke hervor und zeigte sie dem Dämon.
"Ja, und? Die kann jeder fälschen!"
"Und das hier auch?", drohte Jack und wedelte mit dem Schlagstock.
"Jack, bitte. Ich glaube nicht, dass sie das beeindruckt."
Der Dämon verschränkte die Arme und drehte Jack demonstrativ den Rücken zu.
"Vielleicht kann ich helfen.", meldete sich Huitztli, "Hier klemmt ein Zettel unter dem Tresen."
Er reichte ihn Kolumbini.
"Spinnenfalle", las er halblaut.
"Na, geht doch. Die Bilder brauchen einen Moment.", sagte der Dämon und verschwand in Inneren des Kastens.
Ein paar Minuten später hielt der Ermittler ein paar feuchte Ikonografien in den Händen. Es waren einige schwarz gekleidete Männer zu sehen, wie sie den Ladenbesitzer in die Mangel und das Geschäft auseinander nahmen.
"Den kenne ich!", rief Glimbal laut, der Kolumbini über die Schulter geschaut hatte.
"Woher denn?", fragte Jack.
"In der Nähe der Wache in der Kröselstraße gibt es einen Laden für Buchhalterbedarf. Ich habe ihn dort schon oft gesehen."

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"OK, ihr habt den Mann identifiziert und zum Versteck der Verschwörer verfolgt. Das wurde aber auch Zeit, dass ihr endlich mal Ergebnisse liefert! Warum hat das so lange gedauert?", fragte Bregs gereitzt.
"Er hat es Ophelia und Septimus nicht gerade leicht gemacht. Er ist so langsam gelaufen, dass man den Eindruck hatte, dass er für jeden Schritt die Abnutzung seiner Schuhe in Soll und Haben neu berechnet und verbucht. Er hat sich so viel Zeit gelassen, dass die Beiden Gefahr liefen, unterwegs zu verhungern.", sagte Romulus.
"Nun gut. Und weiter?"
Der Kommandeur trommelte mit den Fingern auf der Tischplatte.
"Wir haben ein Einsatzkommando der FROGs gerufen und die haben das Haus gestürmt."
"Wir trafen dort, neben dem Beschatteten, einige weitere Persönlichkeiten an, die auf den Ikonographien aus dem Laden waren. Ein paar von ihnen sind bisher noch nicht in Erscheinung getreten, andere wiederum füllen bereits ganze Aktenschränke im Archiv. Und: alle tragen eine Tätowierung auf ihrem Ar... Hintern."
"Und warum haben sie diesen Ladenbesitzer ...", Bregs sah auf den Bericht, "... diesen Schenkel umgebracht. Und diesen anderen Typen?"
"Wollv Ersager. Nun, wir wissen es nicht. Sie schweigen eisern. Keiner von ihnen hat bisher irgendetwas Brauchbares geliefert."
"Und was bedeutet diese Tätowierung nun?", hakte Bregs nach.
"Verbrecher aus Leidenschaft.", sagte Romulus Achsel zuckend.
Zählt als Patch-Mission für den Gerichtsmediziner-Patch.



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Feedback:

Von Braggasch Goldwart

01.12.2009 15:33

Ha, wie ärgerlich - das ist eine der wenigen Geschichten, die meiner Meinung nach länger sein könnten! :D Schade, das du ans Limit gebunden warst. Dennoch sehr schön, wenn auch etwas zerstückelt, damit meine ich, dass es Absätze gibt, die gar nichts mit der Geschichte zu tun haben, was nicht schlimm wäre, wenn nicht genau dieser Platz dem Plot gefehlt hätte. Außerdem frage ich mich, ob ds mit dem Baret ne Anspielung war... :P

Von Jargon Schneidgut

01.12.2009 15:33

Gute Geschichte! Die Handlung war zwar etwas.... hm, merkwürdig (Mir schien es, als hättest du es dir leicht gemacht... Verbrecher aus Leidenschaft?)aber die Umsetzung ist gelungen. Einige Schmunzelstellen haben das Ganze abgerundet, auch wenn ich zugeben muss, das es zwei, drei Rechtschreibfehler gab. Weiter so!

Von Sebulon, Sohn des Samax

01.12.2009 15:33

Wenn du mich fragst: Ganz klar die beste Pokalsingle in diesem Quartal.Schick, schick. :) (Wenn auch etwas verworren und rechtschreibtechnisch überarbeitbar.)

Von Ophelia Ziegenberger

01.12.2009 19:17

:) Top! Die Ansammlung der Eindrücke hat mir sehr gut gefallen, so eine Art Wachealltagskaleidoskop. Ich fand die V.A.L. eine originelle Idee, die dieses typisch ankh-morporkische Flair mit sich bringt. Der Pluspunkt schlechthin war für mich ja die ganze Nebenhandlung um den Kommandeur, da ich irgendwie den Eindruck habe, dass 'dessen' Position dazu führt, die Figur intime etwas abgehobener ins Abseits zu stellen und in den Geschichten weniger einzusetzen, was ich generell schade finde. Außerdem stellte ich mal wieder fest, dass ich Huitzli unbedingt auch mal in einer Geschichte einsetzen möchte - immerhin hat er sich als Figur ganz schön gemausert, er ist zum Begriff geworden.

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