Ron Kleinschuh war voller Erwartungen in den heutigen Tag, weshalb er schon um fünf Uhr aufstand. Sehr zur Freude seiner Freundin Daniela.
Heute war sein erster Arbeitstag und er wollte die Wache nicht enttäuschen. Er stand also auf und begab sich hinunter in die Küche, um sich einen ordentlichen Schwarztee zu Gemüte zu führen. Als der Teekessel pfiff, schenkte er sich eine Tasse ein und setzte sich.
Er malte sich den heutigen Tag aus und war sich nicht sicher, was genau seine Ausbilderin Kathiopeja von ihm erwarten würde. Trost spendete ihm, dass auch andere Rekruten ihren ersten Tag absolvieren würden und dass er seinen Freund Ron Wanderdüne sehen würde.
Mit diesen Gedanken verließ er seine Wohnung. Die Sonne stach ihm ins Gesicht und er konnte Möwen hören, die über dem Ankh kreisten.
Es waren schon einige Leute unterwegs, die ihrer Arbeit nachgingen.Da er schon so aufgeregt war, schlug er den direkten Weg durch die Schatten ein, um möglichst schnell beim Wachhaus sein zu können.
Er ging über das Freudenpflaster, wo Freier der Nacht aus den letzten Bastionen moralischer Unsittlichkeit, die in Ankh-Morpork recht weit verbreitet war, schlüpften.
Sie beäugten ihn misstrauisch, doch ließen sie ihn in Ruhe.
Weiter ging er durch die Betrug-und-Schwindel-Straße, wo vermutlich das örtliche Gebäude der Diebesgilde zu finden war.
Er bog dann doch noch zum Ankh in die Affenstraße ein, ihm war nämlich bewusst geworden zu welch verbotener Zeit er eigentlich aufgestanden war.
Am Ankh herrschte reger Morgenverkehr. Kutschen rasten in mörderischem Tempo vorbei, wenn sie nicht gerade in einem der vielen Staus stehen mussten. Nachtwächter standen noch an den Kreuzungen und regelten den Verkehr, der sich über die Brücken zwängte.
Ron ging am Ufer entlang und beobachtete die Handelsschiffe, die an den Docks anlegten. Sie waren ziemlich voll beladen mit allerlei exotischen Waren der restlichen Rundwelt. Normale Schiffe in einer normalen Welt gingen bei solch einer Last vermutlich unter, doch der zähflüssige Ankh verhinderte dies mit einer gewissen Beflissenheit.
Als er an der Unbesonnenheitsstraße vorbei schlenderte, wandte er sich vom Flussgeschehen ab und bog in die Straße ein.
An der Kröselstraße waren schon früh Händler aufgetaucht, die ihr Vieh auf dem großen Platz vor dem Wachhaus zusammen trieben, um es dort zu verkaufen. Schon jetzt wurde gefeilscht, nicht um das Vieh, sondern um den besten Platz zum Verkauf der Tiere. Dort lagen Kühe, anderenorts blökten Schafe, wieder woanders konnte man Gänsehälse ausmachen.
Die Tiere schienen es ihren Besitzern gleich machen zu müssen und zischten oder blökten sich gegenseitig an.
Aber dort gab es auch Hunde und Katzen, sowie Spinnen, Echsen, Nilpferde und überhaupt normale Pferde. Die ganzen verschiedenen Töne und Rufe fügten sich im harmonischen Konzert wie jeden Morgen in der Stadt zu einem großen Konzert zusammen und schufen die für Ankh-Morpork typische Atmosphäre.
Ron riss seinen Blick nur zögerlich los und betrat das Wachhaus. Es waren noch nicht viele anwesend, außer den Nachtwächtern.
"Rekrut Ron Kleinschuh meldet sich zum Dienst", salutierte er, als er vor dem Tresen stand.
Dann stieg er die Treppe hinauf in den ersten Stock und betrat das Rekrutenbüro.
"Morgen Ron, Kathiopeja ist leider noch nicht da", schmunzelte der Dienst habende Aufseher, "und sie wird heute auch nicht erscheinen. Sie erwartet ihren Trupp am Galgen vor dem Hide Park um sechs Uhr."
Ron bedankte sich rasch und wandte sich ab.
Er überlegte, was er jetzt machen sollte. In seinen Gedanken wurde er unterbrochen von Ron Wanderdüne, der gerade zur Tür hereinkam und ihn begrüßte.
"Auch schon so früh da? Hey, wart mal, ich kenn 'n neuen Witz: Was ist der Unterschied zwischen einer Frau und einem Nilpferd?"
Ron schwieg und sah seinen neuen Freund fragend an.
Dessen verschlafenes Gesicht verzog sich nun zu einem breiten Grinsen.
"Also. Das eine hat einen fetten Arsch und ein großes Maul und das andere lebt in Afrika!"
Ron Kleinschuh brach in einem Lachkrampf fast zusammen.
"Der is genial. Wo hast du den denn her?", kam prustend aus ihm hervor.
"Von meiner Frau!"
"Wie von deiner Frau?", er musste erneut auflachen.
"Ja sie hat ihn mir mit 'Mann' erzählt und da hab ich mir gedacht das passt auf Frauen viel besser.", meinte Wanderdüne.
Wenig später ging er mit Wanderdüne hinunter in die Umkleide und legte seine Uniform an. Sie hatte schon einige Beulen und glänzte nicht mehr so wie sie es vielleicht einmal früher getan hatte. Außerdem hatte sie zwei Löcher im Brustharnisch, was ihn dazu bewegte sich zu fragen, wie weit er von einer Armbrust entfernt getroffen werden musste, um nicht so zu enden, wie der arme Rekrut, der vor ihm diese Uniform getragen hatte.
Als sie sich ausgerüstet hatten, ging er mit Wanderdüne in den Eingangsbereich, wo sich der restliche Trupp bereits langsam einfand.
"Gut, ich denk wir wärn komplett", meinte einer von ihnen und sah die anderen viel sagend an.
Es breitete sich eine jener Stillen aus, die nicht gänzlich ohne Geräusche waren, denn Ron kratzte abwesend mit den Nägel an seiner Uniform herum. Das Resultat war ein nervtötendes leises Kratzen und als Wanderdüne es nicht mehr aushielt, unterbrach er die "Stille" und trat selbstsicher durch die Tür hinaus auf die Kröselstraße. Die anderen folgten ihm nicht ganz so sicher und traten hinter ihm hinaus ins helle Licht der aufgehenden Sonne.
Der Platz hatte sich inzwischen so stark gefüllt, dass Händler ihr Vieh peitschen mussten, um noch einen Platz am Rand zu ergattern. Vermutlich flossen auch Schmiergelder, doch das war Sache der D.O.G. und nicht der Rekruten.
Sie gingen also zum kleben gebliebenen Platz und dann durch die Ulmenstraße, wo der Verkehr mittlerweile endgültig stand. Danach durch die Schatten.
Auf der Ankh-Brücke standen die Karren und Kutschen noch
mehr, als in der Ulmenstraße. In diesem Fall war es eher eine Art von Rückwärts fahren als von Stehen.
Also kämpften sie sich durch die dicht aneinander stehenden Karren, die schwer bepackt zu den Märkten unterwegs waren, auf die andere Seite des Flusses durch.
In einem besonders heiklen Fall mussten sie sogar nachhelfen und einem mürrischen kleinen, fetten Mann, der bestimmt Sonderanfertigungen für seinen Vorbau brauchte, ihren Ausweis mit purer Entschlossenheit und Selbstsicherheit von Rekruten unter die knollige, rot-blaue, tropfende Nase zu heben.
Der Vorfall verärgerte Wanderdüne so sehr, dass eine hübsche bis unnatürliche Färbung auf seinem Gesicht zum Vorschein kam.
Vor ihnen ragte nun drohend der Galgen auf. Es war eine ironische, fast paradoxe Stimmung, der Galgen als Instrument das Leben einiger unerwünschter Bürger Ankh-Morporks frühzeitig zu beenden
[1], und auf der anderen Seite das fröhliche Ankh-Morpork.
Als Betrachter von außerhalb konnte man den stetigen Fluss aus actio und reactio erkennen. Leute stießen zusammen und es folgten wirre Beschimpfungen, wenn es Zwerge waren und höfliche Entschuldigungen wenn es Assassinen waren. Oder ein Dieb stahl ohne Erlaubnis und wurde verfolgt, jemand fiel in den Ankh und es machte nicht
platsch, sondern
plumps und er sank langsam zum Grund.
Etwas geschah und es folgte eine Reaktion. So waren die Gesetze der Natur.
Aber nur einmal im Leben kann es sein, dass keine Reaktion geschieht:
Man hört plötzlich ÄHEM. Man möchte einen Gegenstand greifen, doch statt ihn zu fassen, greift man hindurch. Man versteht und nun
hört man auch das ÄHEM, WILLST DU MICH NUN BEGLEITEN.
Tod behandelte seine Kunden immer so freundlich es ging.
Ron wandte sich vom Treiben der Stadt ab und folgte seinem Freund Wanderdüne, einem Zwerg und dem dritten, den er als untot einstufte. Vielleicht lag es daran, dass aus seinem Hinterkopf hin und wieder Augen starrten oder daran, dass grüner Staub aus seiner Hose rieselte. Er beschloss, dass beide Hinweise eindeutig waren.
Unter dem Galgen stand Kathiopeja. Sie hatte einen Ziegenschlauch bei sich und nahm hin und wieder einen Schluck daraus. Ron stieg plötzlich ein ungewisser Kaffeegeruch in die Nase, so dass er willkürlich niesen musste.
Als sie angekommen waren, warf sie einen prüfenden Blick auf ihre vier Rekruten.
"Morgen! Ich begrüße euch heute zum ersten Armbrusttraining!", sagte sie fast ein bisschen zu laut und der oder die Untote wich instinktiv einen Schritt zurück.
Ron schien es, als erwartete sie eine ganz bestimmte Reaktion. Diese blieb aber anscheinend aus, denn als die Rekruten sie nur fragend anstarrten, konnte er mitverfolgen, wie ein leichter Rotton auf ihre Wangen trat. Sie schluckte nur unmerklich, drehte sich auf der Stelle um und ging zu einem Bündel das im Hide Park im Gras lag.
Die Rekruten gingen ihr nach kurzem Zögern nach und blieben stehen, als sie das Bündel vom Boden aufhob. Aus Stoffwirrwar holte sie für jeden eine kleine Armbrust hervor. Sie waren schon ziemlich abgegriffen und ausgeleiert, wie Ron schon von weitem sah. Sie waren so lang wie der Unterarm und leicht zu verstecken, ideal für die Stadt.
Dann nahm Kath, wie Ron sie im Stillen nannte, die Bolzen und nahm sich selbst eine Armbrust. Sie ging voraus und hielt bei einer kleinen Baumgruppe inne.
"Vorne seht ihr die Zielscheiben", meinte Kathiopeja. Doch sie wurde unterbrochen, bevor sie zu Ende reden konnte.
"Dürfen wir jetzt schießen?", fragte Ron eifrig.
"Ich werde euch nun theoretisch zeigen wie das geht.", sie überhörte beflissentlich Rons Bemerkung. "Außerdem werde ich von euch Disziplin und Gehorsam verlangen. Im Gegenzug könnt ihr mir vertrauen."
Sie lächelte die Rekruten an und Ron schien es ein zweites Mal, als wartete sie auf eine
Reaktion.
"Fangen wir an!", meinte seine Ausbilderin. "Als erstes wird überprüft, ob der Holm stabil ist und keine Risse aufweist."
KnackKaths Gesicht verlor wieder etwas an Farbe, die es vorhin so mühevoll erlangt hatte. Sie verdrehte die Augen und sah zum Himmel. Ihre Lippen bewegten sich kurz, dann sah sie zu Boden und hielt sich die Hände vor's Gesicht.
"Also gut.", sagte sie so ruhig, dass man meinen konnte, sie hätte es Zuhause etwas länger als nötig geübt.
"Bitte führt eure Inspektion nicht so wie euer Kamerad hier aus."
Ron, der voller Faszination jeden Muskel im Gesicht von Kath eingehend beobachtet hatte, wandte seine Blick zu dem Untoten hin. Es war ein
Er beschloss Ron, um sich weitere Unannehmlichkeiten ersparen zu können.
Der Untote hielt seine Armbrust in beiden Händen, doch eines fiel auf: Sie hatte einen unübersehbaren Knick kurz nach dem Abzug. Er hatte wohl die Stabilität mit der Elastizität verwechselt und hatte diese getestet. Er war nun zu dem Ergebnis gekommen, dass diese Armbrust nicht für den Gebrauch geeignet gewesen wäre. Als er den Blick seiner Ausbilderin bemerkte, sah er schnell zu Boden. Das heißt nicht, dass er zu Boden
sah, sondern dass er vielmehr betroffen zum Himmel starrte.
Ron war gebannt von der Anatomie des Kopfs seines Kamerads und verkniff sich ein Lachen. Wanderdüne krümmte sich bereits, seitdem der Untote seine Armbrust zerbrochen hatte.
"Ich zeige euch nun, wie man sie richtig überprüft.", sagte Kath betont ruhig und vermied dabei einen Blick auf den Untoten, der nun an eine traurige, weiße Spinne erinnerte.
Wanderdüne prustete erneut los und richtete damit die Aufmerksamkeit der Übrigen auf sich. Kath wurde nicht mehr beachtet, da Wanderdüne nun den Boden erreicht hatte und sich dort weiter krümmte.
"Ich will, dass ihr mir zuhört.", sagte Kath kühl.
In den Köpfen der Rekruten wurde die Information verarbeitet. Aus einem Grund, den sie nicht kannten drehten sie sich instinktiv wieder zu ihrer Ausbilderin und versuchten möglichst aufmerksam zu wirken.
"Ihr untersucht also die Armbrust auf
allgemeine Mängel. Dann stellt ihr den Fuß in diese Schlaufe.", sie zeigte auf die metallene Schlinge an der Spitze der Armbrust.
Ron langweilte sich. Bei den Assassinen hatte er das alles schon geübt und für sein Befinden auch nicht zu wenig. Seine Gedanken schweiften zu seiner Frau.
Seine Frau lag in einem seidenen Nachthemd auf dem Bett Zuhause. Sie spielte mit dem mit Spitzen besetzten Saum des leichten Kleids und griff dann verführerisch zu einem Glas mit etwas Rum und Eiswürfeln. Als sie einen Schluck genommen hatte, räkelte sie sich wieder auf das Bett. Er konnte sehen, wie sie langsam mit der Hand über ihre wohl geformten..."Ron Kleinschuh, salutieren!", schrie ihn Kath hochrot an. Ron hob ziemlich verwirrt die Hand und verfehlte seine Schläfe, was Wanderdüne zum Anlass nahm sich erneut zu krümmen.
"Ma'am, es tut mir Leid, aber ich...", fing er an.
"Dir tut gleich was ganz anderes Leid, wenn sie mir nicht sofort aufmerksam zuhören", schrie Kath immer noch.
Eigentlich wollte Ron wieder fasziniert die nun höchst interessante Färbung ihres Gesichts näher begutachten, doch er wollte sie nicht noch unnötig reizen.
Er schob die Brust vor und salutierte nun so zackig, wie er es nie für möglich gehalten hätte.
"Dann spannt ihr die Sehne so", fuhr Kath fort und und zeigte ihnen
wie sie die Sehne spannen sollten.
Die Rekruten folgten ihrem Beispiel. Ron stellte seinen Fuß in die besagte Schlaufe und zog an der Sehne.
Nicht die Sehne rutschte ihm plötzlich aus der Hand und peitschte zurück, sondern die Armbrust entzog sich dem Druck seines Fußes und entwickelte ein erstaunliches Eigenleben. Sie flog auf sein Gesicht zu.
KnackEr heulte auf und hielt sich die Hände vor's Gesicht. Aus seinem Mund tropfte Blut und fiel ins grüne Gras. Auch sein Gesicht wurde rot, doch in diesem Fall wollte er es lieber nicht beobachten. Es wäre ohnehin anatomisch beziehungsweise physisch unmöglich gewesen.
Kath sah aus, als wären sie ihre ersten Rekruten, die sich so ungeschickt benahmen.
Man konnte ein leichtes Vibrieren in ihrem thaumaturgischen Umfeld wahrnehmen. Sie war einem Schreikrampf wohl recht nahe. Doch sie entschied sich letzten Endes doch dafür die Sache mit Stillschweigen zu übergießen.
Ron fingerte unterdessen ungeübt mit Daumen und Zeigefinger in seinem Mund herum, während die anderen ihm gebannt dabei zusahen.
Das wäre wohl ein weiterer Grund für Kath gewesen, ihrer Kehle freien Lauf zu lassen.
Mit einem letzten Knirschen und einem leisen Seufzer holte Ron einen seiner unteren Eckzähne hervor und betrachtete ihn wehmütig, dann schob er ihn sorgfältig ein.
"Also...ich meine...wie wäre es, wenn ich es einfach nochmal versuchen würde...ich bin doch nur abgerutscht.", brachte Ron hervor, als er Kath's Gesicht erblickte.
"Wenn dir irgendwann die Zähne gänzlich ausgegangen sind, dann ist es eh egal wie oft du es noch probierst.", kommentierte ihn Kath.
Ron war beschämt, denn er hatte eigentlich vorgehabt ihr sein Können zu zeigen. Dass er nun für einige Zeit der Trottel vom Dienst sein würde, hatte er sich nicht vorgestellt. Einzig und allein tröstete ihn, dass er vor seiner Ausbilderin noch nicht damit geprahlt hatte, bei der Assassinenschule die Grundausbildung für den Umgang mit Armbrüsten absolviert zu haben.
Das Gras war aber auch verdammt noch mal nass, dachte er bei sich.
Die Rekruten widmeten nun wieder ihre gesamte Aufmerksamkeit der Forgesetzten, da sie sonst nichts ablenkte. Der Zwerg war derjenige, der die meisten Ambitionen mit sich brachte, um sich mit der Armbrust auseinandersetzen.
Den Untoten jedoch interessierte schon bald wieder das blühende Leben im Hide Park. Zurzeit beobachtete er eine besonders ausgefallene Libelle, die gerade über einer Dotterblume schwebte und die eher einer schwangeren Hummel glich, als einer eleganten Libelle.
Ron und sein Freund Wanderdüne versuchten dagegen nicht mehr weiter aufzufallen und hörten möglichst aufmerksam zu.
Bis die Sonne ihren Zenit über der runden Welt zu ihren...Strahlenenden (wie soll man auch bei Sonnen von Füßen reden können?) erreicht hatte, absolvierten die Rekruten mit mehr oder weniger großem Erfolg ihr Schießen auf Zielscheiben.
"Ihr habt jetzt frei bis um Zwei. Danach will ich euch versammelt im Wachhaus antreffen!", beendete sie mit einem erleichterten Unterton in ihrer zitternden Stimme das Training.
Ron wandte sich an Wanderdüne und sie verstanden sich in diesem Fall auch ohne Worte. Beide wussten, dass der jeweils andere vorgeschlagen hätte zum Curry Garten zu gehen, also ließen sie das Vorschlagen einfach aus. Das ist in etwa so ähnlich, wie wenn man einem Zeitungslesenden in vollem Ernst versichern würde er lese Zeitung. So gingen sie intuitiv durch den Hide Park in Richtung Parkweg.
"Mann, das war heut echt genial, was du für 'ne Aktion abgeliefert hast!", fing Wanderdüne an.
"Ich weiß nicht was du unter genial verstehst...aber mir war's einfach nur peinlich und ein Zahn fehlt mir jetzt auch!"
"Ach und weh getan hat's dir nicht?", hakte Wanderdüne nach.
"Oh auf die Tour willst du's?"
"Nee, im Ernst, der Untote war doch wirklich zum Lachen."
"Oder hast du das Gesicht von Kath geseh'n? Das war herrlich zu beobachten.", meinte Ron.
"Ach genial. Naja ich finde wir sollten jetzt in den Curry Garten geh'n, meinst du nicht auch?"
"Oh ja, wollt ich auch schon vorschlagen." sagte Ron und bog auf den Parkweg ein.
"Was denkst du will sie von uns heut Nachmittag?", erwiderte Wanderdüne.
"Ich weiß nicht so genau. Mit Armbrustschießen nimmt sie uns denk ich nicht mehr dran..."
"Nein, aber vielleicht 'Umgang mit Passanten' oder 'Streife'."
"Möglich ja, aber möglicherweise auch 'Umgang mit einer neuen Waffengattung'."
Sie bogen am Ende des Parkwegs in den kühnen Weg und bestaunten den duftenden Apothekergarten. An ihm entlang gelangten sie zum Ankh, den sie schon von weitem gerochen hatten.
Als sie die schlechte Brücke passiert hatten, sagte Ron: "Ich möchte vielleicht nochmal auf die Götterinsel zum neuen Wachhaus, außerdem find' ich den Palast so schön."
"Ich denke das lässt sich machen. Ich finde die Architektur vom absolut-bekloppten-Johnson einfach unübertrefflich. Das Spiel mit den Formen und Geraden..."
"Naja ich finde eher er spielt mit dem Leben anderer Leute. Seine Bauten sind nämlich nicht wirklich auf ein mögliches Schildkrötenbeben ausgerichtet. Es könnte ja sein, dass Groß A'Tuin einmal Verdauungsschwierigkeiten hat."
"Es geht ja auch nicht um das Leben des Patriziers, sondern um die Schönheit des Palastes."
"Das melde ich umgehend dem Patrizier. Höchst persönlich", grinste Ron.
Sie bogen in die glatte Gasse ein und überquerten die Ponen Brücke.
"Das Wachhaus am Pseudopolisplatz ist wirklich nicht zu verachten. Es ist viel größer als das in der Kröselstraße, aber lass uns weitergehn ich hab Hunger!", meinte Wanderdüne.
"Na gut."
Über die Messing Brücke verließen sie die Götterinsel und erreichten den Park des Palastes. Von Hunger getrieben verweilten sie aber auch dort nicht ewig und verließen das Regierungsviertel über die Filigranstraße. Die Architektur vom absolut-bekloppten-Johnson konnte man eben nicht eine Ewigkeit lang bewundern.
"Ankh-Morpork ist doch herrlich, oder?", meinte Wanderdüne, als sie in die kurze Straße bogen.
"Ich finde die Menschen und vor allem ihr Handeln so faszinierend. Wie viel Zeit bleibt uns eigentlich noch?", erwiderte Ron.
"Jetzt dürfte es so 12 Uhr sein, denk ich. Wieso?"
"Du weißt doch, dass meine Freundin ein kleines Vermögen von ihrem Urgroßonkel geerbt hat. Sie hat auch die Wohnung in der Sirupminenstraße gekauft. Ich fühl mich manchmal wie ein Schmarotzer, weißt du? Ich hab nämlich kein Geld und verdiene auch wenig. Aber warst du schon mal im Waffenladen hinter der Unsichtbaren Universität? Da gibt es eine wunderschön gearbeitete Armbrust, aber ich hatte nie Geld sie mir zu kaufen, doch jetzt hab ich ja Daniela. Ich finde aber, dass es dann 'rüberkommen würde, als würde ich sie ausnutzen. Verstehst du? Aber die Armbrust ist nicht irgendeine. Man schnallt sie an den Unterarm und kann sie mühelos verdeckt unter den Ärmel schieben. Man klappt sie einfach zusammen. Ausgelöst wird sie mit einer Schnur, die am Zeigefinger befestigt wird. Is' das nicht genial?"
Sie bogen in die Gottesstraße ein.
"Naja ist das nicht etwas zu früh? Heute hast du dich angestellt als hättest du noch nie 'ne Armbrust gesehen."
"Ach komm, du weißt genau, dass das am nassen Gras lag."
"Trotzdem. Aprospos, wie spannt man eigentlich deine tolle Armbrust?"
"Man streckt einfach den Arm an dem die Armbrust befestigt ist ganz durch und spannt mit der anderen Hand die Sehne."
"Und das soll funktionieren?"
"Natürlich. Der Ladenbesitzer hat's mir vorgemacht."
Sie erreichten den Curry Garten und setzten sich an einen freien Platz.
"Und du denkst nicht, dass der Ladenbesitzer etwas kräftigere Arme hatte als du?"
"Das ist doch lächerlich.", versuchte er es abzustreiten und bestellte das Essen.
Sein Freund Wanderdüne sah ihn lächelnd an.
"Also gut er war nicht gerade schmächtig.", gab er zu.
"Na also, ich denke wenn du deiner Freundin als Dankeschön einen schönen Abend schenkst, weiß sie, dass du sie liebst und nicht ausnutzen willst."
"Und was schlägst du vor?"
"Keine Ahnung, las dir was einfallen."
Das Essen wurde serviert.
"So einfach ist das gar nicht.", meinte er, "Aber ich könnte mir Geld von der Bank abholen und mir die Armbrust einfach kaufen."
"Wenn du unbedingt willst, können wir ja noch nach dem Essen hingehen.", schlug Wanderdüne vor.
"Das ist eine sehr gute Idee.", erwiderte er, während er eine besonders große Nudel in Angriff nahm.
Als sie fertig gegessen hatten, verließen sie den Curry Garten und machten sich auf zur Bank in der kurzen Straße.
Ron ging zum Schalter, während sein Freund respektvoll draußen wartete.
"Hallo, ich würde gerne 50 Dollar vom Konto meiner Freundin abheben."
"So einfach ist das nicht, Herrrr.", schnarrte der fette Mann hinter dem Schalter, der abwesend vorbei fliegende Mücken mit seinen Augen verfolgte, "Allerdings können sie etwas abheben, wenn sie die Sicherheitsfrage beantworten und sich ausweisen können."
"Ich bin Rekrut bei der Wache von Ankh-Morpork, Ron Kleinschuh. Ich wohne in der Sirupminenstraße 23, zusammen mit meiner Freundin."
Er zeigte dem rundlichen Mann seine Papiere.
"Naguut. Ich stelle dir nuun die Sicherheitsfrage: Waaaas war die peinlichste Situation im Leben deiner Freundin?"
"Ich weiß es. Sie sprang mit 16 nackt in den Ankh und versank nicht."
"Die Aantwort ist korrekt formulieert, Herrrr.", meinte sein Gegenüber und reichte ihm eine 50 Dollar Note heraus.
Ron bedankte sich und verließ die Bank.
"Hast du das Geld?", fragte Wanderdüne, als Ron aus dem Gebäude wieder heraus kam
"Ja. 50 Dollar!", strahlte er.
"Dann nix wie los!"
Die Freunde gingen über die Gottesstraße und vorbei am Palast in die Pfirsichblütenstraße.
"Warst du eigentlich schon mal
in der unsichtbaren Universität?", fragte ihn Wanderdüne.
"Nee, du?"
"Ja einmal, war auf 'nem Schulausflug als ich grad in die Stadt gekommen bin. Aber ich kann mich nur noch an total verrückte Typen mit Spitzen Hüten erinnern. Total durchgeknallt."
"Genau das hab ich mir immer vorgestellt, total verrückte alte Früchtchen, die in der unsichtbaren Universität zu Trockenobst verschrumpeln."
Sie hatten das Ende der Pfirsichblütebstraße erreicht und hielten nun auf den Waffenladen zu.
Wanderdüne hielt seinem Kumpel die Tür zu dem alten Laden auf und Ron betrat den muffigen Raum. Es roch nach altem Öl, so ähnlich wie in Radwerkstätten, welche aber noch lange nicht im zeitlichen Multiversum der Scheibenwelt auftauchen werden. Außerdem war es dunkel, da nur einige Fenster vorhanden waren.
Ron schaute sich aufmerksam um und erblickte einen Mann. Er stand hinter einer Theke und war klein. Man sah nur seinen Kopf über der Theke. Die Haare waren aalglatt über die Glatze gestrichen, und rochen vermutlich nach Ankh. Die Augen waren klein und vom fleischigen Rest seines Gesichts umrahmt. Der Mann lächelte die beiden Rekruten durch einen dichten Bart an und legte gleichzeitig beide Hände mit sichtlicher Mühe auf die Theke vor sich. An ihnen hatte ein wohl recht unbegabter Gott recht dicke Finger angebracht. Ron konnte plötzlich eine visuelle Verbindung zu T.M.S.I.D.R. Schnapper's reichlichem Angebot herstellen.
Sie traten näher und Ron spähte über die Ladentheke. Er sah keinen Boden. Wenig später wurde ihm auch der Grund dafür zu Teil. Der Grund war der Mann.
"Einen schönen guten Tag.", begrüßte er ihn.
"Die Ehre is' ganz meinerseits, Herr.", meinte der Ladenbesitzer.
"Also, haben sie noch die Armbrust, wegen der ich schon einmal da war?"
"Aber natürlich Herr."
"Gut ich würde sie gerne kaufen."
"In Ordnung.", sagte der Mann.
Es erklang für fast eine Minute eine so ohrenbetäubende Stille, dass Ron es fast nicht aushielt.
"Ähm...verkaufen sie mir diese auch?"
"Natürlich.", grinste der Mann. Es war ein erwartungsvolles Grinsen.
Ron hätte gern einen Knopf gedrückt, um der neuerlichen Stille zu entkommen, doch er suchte vergebens.
"Verkaufen Sie ihm diese Armbrust
jetzt?", fragte Wanderdüne den dicken Mann, da er dessen Gesprächsweise nun durchschaut hatte. Der fette Mann schien wohl sehr genau auf den Sinn jedes einzelnen Wortes zu achten.
"Warum sagen sie das nicht gleich?", grinste er die beiden breit und vor allem rhetorisch an.
Der Mann zwängte sich durch die Hintertür und erschien wenige Augenblicke später wieder mit der Armbrust.
Sie war aus dunklem, lackiertem Holz gefertigt. Anders als normale Armbrüste war der Holm dieser ziemlich dünn, um sich an den Arm zu schmiegen. Am Holm waren Lederriemen befestigt, aber ansonsten sah sie recht normal aus.
Der Mann führte sie vor. Er befestigte die Armbrust an seinem Unterarm, wobei die Riemen nur knapp ausreichten. Dann stellte er den Fuß in den Bügel und spannte die Armbrust mit der anderen Hand. Nun legte er einen Bolzen ein.
"So jetzt ist sie schussbereit. Wenn ihr geschossen habt und wollt die Armbrust wieder verschwinden lassen, dann müsst ihr sie nur zusammenklappen."
Er nahm den Bolzen wieder heraus und löste die Befestigung des Bogens, um ihn dann an den Holm zu klappen.
"Eine Besonderheit habe ich noch. Beachtet bitte das vordere Ende der Armbrust."
Nun drückte er einen kleinen Knopf am Holm der Armbrust und ein zweischneidiges Messer kam an der Spitze der Armbrust zum Vorschein.
"Hiermit ist man natürlich bestens gerüstet für den Nahkampf."
Sein Arm schwang hin und her, während das Klappmesser über seiner Faust gefährlich blitzte.
Nun ließ er Armbrust unter seinem Ärmel verschwinden und schaute die Beiden erwartungsvoll an. Wanderdüne schien sehr beeindruckt und begutachtete nun die Armbrust begeistert.
"Wow!", seufzten die beiden Rekruten gleichzeitig.
"Das macht dann 25,3456 Dollar.", grunzte der Mann im Kassiererton.
"Is' das ein Witz?", fragte ihn Ron ungläubig.
"Na gut machen wir 25 Dollar, weil sie's sind!", zwinkerte er.
"Schon besser.", meinte Ron und gab ihm das Geld.
"Auf Wiedersehen!", rief der Dicke ihnen hoffnungsvoll nach, als sie den Laden verließen.
"Man, das Ding is' der Hammer, ehrlich. Das wär mir auch 25 Dollar wert.", rief Wanderdüne fröhlich, als sie über die Messingbrücke gingen.
Ron trug die Armbrust am Arm unter seinem Ärmel und verspürte ein stetiges Jucken, sie sofort auszuprobieren.
"Aber echt. Ich würd sie so gern sofort ausprobieren."
"Naja den Leuten hier würde das sicher nicht so gut gefallen.", schmunzelte sein Kumpel.
Um kurz nach zwei trafen sie verspätet im Wachhaus ein, wo schon der Rest mit Kath wartete. Sie tippte mit dem Stiefel ungeduldig, als sie das Wachhaus betraten. Die Beiden setzten die unschuldigste Miene auf, die sie erzeugen konnten ohne loszulachen.
Ron hatte das Gefühl, dass er Wanderdüne schon ewig kannte. Sie kamen beide zu spät und machten alles zusammen. Er fühlte sich so glücklich.
"Könnt ihr mir das erklären.", schnauzte Kath sie an, doch Ron sah ein flüchtiges Lächeln über ihr Gesicht huschen.
"Also...wir...äh...", fing Ron an.
"Wir...ähm...kommen gerade vom Essen zurück und haben uns schröklichst verirrt in den verwinkelten Straßen dieser Stadt.", meinte Wanderdüne mit der Mimik und Gestik eines uralten Professors.
"Genau. Genau so war's. Diese verflixten Straßen aber auch.", pflichtete er ihm bei.
Ron war froh über die gute Ausrede seines Kumpels.
"Schon gut, Jungs. Ihr ward ja nicht so arg verspätet. Aber ich will, dass ihr in Zukunft pünktlicher seid.", sagte Kath mahnend.
"Jawohl Ma'am.", sagten sie im Chor, während sie sie schuldig zu Boden blickten.
"Ich werde euch nun zeigen, wie ihr jemanden mithilfe einer Armbrust verhaften könnt, Rekruten.", sagte sie zum Trupp.
Sie traten hinter ihr aus dem Wachhaus und Kath schritt voran Richtung Steinbruchweg.
Der Zwerg mühte sich zu Kath aufzuholen und fragte sie schwer atmend: "Wen verhaften wir denn?"
"Einen kleinen Fisch. Ein Dieb, der ohne Lizenz drei wirklich anschauliche Auberginen geklaut hat. Er heißt Reg Stiehlviel."
"Oh.", erwiderte der Zwerg. Er hatte wohl mehr erwartet.
"Unser Opfer heißt Reg Stiehlviel und wohnt in der Gänsetorstraße. Das wissen wir von der Abteilung RUM, die die neuesten Informationen über unlizensierten Diebe erhalten hat. Wir werden nicht anklopfen, sondern ich werde die Tür ordnungsgemäß öffnen...", ließ Kath für alle verlauten.
"Was sie wohl mit ordnungsgemäß meint?", fragte Ron sich und Wanderdüne.
"...und mit erhobener Armbrust das Haus betreten. Er wohnt im Erdgeschoss. Ich werde ihn stellen und ihr seht zu und prägt es euch für später ein. Verstanden?", fuhr Kath unbeirrt fort.
Wenig später stand die Gruppe vor Hausnummer 34 in der Gänsetorstraße. Ron und Wanderdüne sahen an der schmutzigen Fassade nach oben und beobachteten dann wieder interessiert das weitere Vorgehen von Kath.
Sie schob die Hände in die Tasche und holte einen Satz Dietriche hervor.
"Ich hatte mir eigentlich etwas anderes unter ordnungsgemäß vorgestellt.", meinte Wanderdüne enttäuscht.
"Wem sagst du das?", kam die Antwort.
Kath öffnete mit geübten Händen die Tür und betrat das Haus. Die Rekruten folgten ihr und beobachteten gespannt die Tür im Erdgeschoss, die vermutlich zur Wohnung des Diebes gehörte. Kath öffnete auch diese Tür
ordnungsgemäß und lief nun in die Wohnung. Der Rest folgte ihr hastig.
"Hände hoch! Ich habe eine Armbrust!", hörten sie Kath schreien.
"Ich werde sie auch benutzen, falls es nötig sein sollte! Setz dich auf den Boden! Sofort! Rekrut Wanderdüne die Handschellen!", bellte ihre Ausbilderin.
Wanderdüne trat vor und legte dem Dieb auf Kathiopejas Befehl hin die Handschellen an.
Er hatte blondes, verfilztes langes Haar und war nicht sehr groß. Er trug nichts besonderes. Einen zerlumpten Mantel und ein Paar zerschlissene Stiefel, die schon sehr viel mitgemacht haben mussten.
Sie führten den verärgerten Dieb ab und verließen das Haus.
Ron schien es, als wäre er schon öfter verhaftet worden. Er wirkte relativ gelassen.
Kath schob den Dieb vor sich her wie eine Rangierlok. Die umstehenden Leute beäugten sie allesamt mit skeptischen Blicken, doch Kath schritt unbeirrt weiter. Sie erreichten nun den Fünf-Wege Platz und mussten unvermittelt stehen bleiben. Das tägliche Verkehrschaos hatte in der Quirmstraße zugeschlagen und die Karren standen still auf den Straßen. Das war noch kein Grund als Fußgänger inne zu halten, doch wie immer versuchten Leute zu Fuß ihr Ziel weiterhin zu erreichen. Das produzierte Staus
zwischen den Karren. Man konnte alle Geräusche der Stadt auf einmal vernehmen und der Lärm stand in der Luft.
"Leute macht Platz. Ich habe eine Waffe und werde sie auch benutzen.", sagte Kath in den Lärm hinein.
Da alle gerufen hatten und versuchten möglichst laut zu sein stachen diese ruhigen Worte richtig ins Ohr. Es herrschte augenblicklich Stille. Jemand nieste, doch zwischendurch hätte man Gras wachsen hören können, falls eine Gräsersorte verbissen genug gewesen wäre, in Ankh-Morpork zu gedeihen.
Die Leute bildeten eine schmale Gasse und ließen die Wächter zögerlich passieren. Als sie die Steinbruchweg erreicht hatten, konnten sie hinter sich hören wie der gewaltige Streit um Straßenregeln fortgeführt wurde.
Sie erreichten das Wachhaus in der Kröselstraße und betraten es.
"So Rekruten. Ich will von euch morgen einen korrekten Bericht über das 'Verhaften mit einer Armbrust' in meinem Büro vorfinden. Euer Dienst ist für heute beendet und ich wünsche euch noch einen schönen Tag."
Der Trupp verabschiedete sich von ihrer Ausbilderin und ging zu den Umkleiden.
Ron zog sich um, verabschiedete sich von Wanderdüne und verließ das Wachhaus.
Als er aus dem Wachhaus trat, bemerkte er, dass nun der Viehmarkt deutlich leerer geworden war und der Geräuschpegel merklich gesunken war. Diesmal ging er aber über die Ulmenstraße und genoss den ängstlichen Blick der Leute, der auf seinem Arm haftete. Er hatte die Armbrust entklappt und trug sie an seinem rechten Arm.
Als er in der Sirupminenstraße angekommen war, blieb er vor der Hausnummer 23 stehen und seufzte kurz. Dann versteckte er seine Armbrust und trat ein. Im gleichen Moment schlugen die Glockentürme von Ankh-Morpork um die Wette. Er schloss, dass es noch ungefähr drei Minuten dauern würde, bis es tatsächlich vier Uhr am Nachmittag war.
Um sechs Uhr kam seine Freundin nach Hause.
"Hi, na wie war dein erster Tag?", fragte Daniela.
Bilder seines Tagtraums blitzten kurz vor ihm auf.
"Ganz gut, war sehr interessant.", grinste er.
"Ach du liebe Güte, sag mir sofort wie und wo du den Zahn verloren hast?"
"Also das war...so...ich...ach is egal, lange Geschichte.", versuchte er sich herauszureden.
"Nun ich habe Zeit.", lächelte sie ihn zynisch an.
Er seufzte.
"Nagut. Ich wollte heute eine Armbrust spannen, doch dann rutschte sie mir weg und flog geradewegs in mein Gesicht."
"Ich weiß doch was für ein genialer Tollpatsch du bist.", sagte sie mit Genugtuung während sie den Kopf schüttelte.
Sie trat auf ihn zu und umarmte ihn. Er war froh, dass sie nicht näher auf sein peinliches Erlebnis einging. Dann küsste er ihr zärtlich die Stirn, doch in diesem Moment fiel ihm plötzlich etwas ein. Etwas wichtiges.
"Schatz. Ich hab mir heute von deinem Geld eine besondere Armbrust gekauft. Für 25 Dollar. Und deshalb wollt ich mit dir heute Abend gerne auf den Haufen gehen. Sonnenschein und so."
"Ich wollte schon eine Erklärung dafür, dass du mich nicht vorher gefragt hast...", meinte sie verschwörerisch.
"Aber du könntest dein Vorgehen auch anders entschuldigen...", fügte sie hinzu und ihre Augen glitzerten verführerisch im Schein der tief stehenden Sonne.
Sie stellte sich auf ihre Zehenspitzen und küsste Ron. Er erwiderte den Kuss so leidenschaftlich er konnte und spürte ihre Hand an seinem Hemd. Sie zog ihn sanft zu sich auf die Couch, bis sich ihre Nasenspitzen fast berührten.
"Ich glaub ich habe mich doch umentschieden.", grinste Ron.
"Bin ich nicht Entschuldigung genug?", fragte sie rhetorisch.
"Oh doch."
Ein Paar saß eng aneinander geschmiegt auf dem Gipfel des Haufen. Es gab nichts romantischeres, als im Schein der Sonne und des Mondes die Stadt Ankh-Morpork in den Abendstunden zu betrachten.
Es waren Herr Nimmernich, der sich eine eigentlich-viel-zu-teure Bonbontüte gekauft hatte und seine Frau Elfriede.
[1] Pantomimen sah man hier selten baumeln, Havelock Vetinari bevorzugte eine giftigere Art, diese hinzurichten
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