Nicht nur Gnome haben kurze Beine

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von Oberstabsspieß Harry (DOG)
Online seit 06. 09. 2009
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 Außerdem kommen vor: Septimus EbelHumph MeckDwarf

Pünktlich zu Harrys zehnjährigem Wache-Jubiläum bekommt er unerwarteten Besuch aus der Heimat.

Dafür vergebene Note: 14

Boucherie Rouge, 21. Gruni, 9:12

Hallo Mama, hallo Paps,
ich hoffe, es geht euch gut. Haltet euch besser fest, damit ihr nicht gleich umkippt: Ich bin jetzt ein Wächter! Das ist jemand, der die Bösen bekämpft und auf die Leute in der Stadt aufpasst und ihnen hilft (nur den Bösen natürlich nicht, die bekämpft er ja). Manchmal vermisse ich euch und meine alte Schlafhöhle, aber eigentlich ist es hier toll, wenn man sich einmal an die Größe, den Gestank, das Wetter, die Bettler und das seltsame Essen gewöhnt hat...


Ein vorwitziger Sonnenstrahl, der es irgendwie geschafft hatte, sich seinen Weg durch den dunklen Vorhang zu bahnen, der ihn und seine Kameraden eigentlich aussperren sollte, stürzte sich zielsicher in Harrys rechtes Nasenloch und ließ den Gnom mit einem lauten "Ha-ha-ha-tschiiiii!" aus dem Schlaf fahren. Der Oberstabsspieß versuchte noch, ein paar geistige Bruchstücke des schnell zerrinnenden Traumes, in dem er eben noch gesteckt hatte, einzufangen, aber die Mühe war vergebens - und dabei war er gerade an der Stelle angelangt, wo er, Harry Hamsterschlächter, nach allerlei lebensgefährlichen Abenteuern und waghalsigen Unternehmungen, endlich die heißblütige Amazonenkriegerin befreit hatte und sie ihm in die Arme fiel, mit anderen Worten: gerade hätte der nicht jugendfreie Teil seines Traumes begonnen. Grummelnd spähte er durch den Vorhang und kniff die Augen zusammen, als ihn das Sonnenlicht blendete. Verdammt, schon so spät? Und das, nachdem Mac ihm gestern noch mehr als einmal eingetrichtert hatte, dass er die Wäscherei unbedingt während der gesamten Öffnungszeiten beobachten sollte. Hoffentlich hatte niemand bemerkt, dass er schon wieder verschlafen hatte...
Seufzend kletterte er aus dem Bett und schlüpfte durch den Vorhang nach draußen in sein Büro. Erst einmal eine Dusche und einen Kaffee, eine halbe Stunde mehr oder weniger spielte jetzt auch keine Rolle mehr. Schließlich half es den Ermittlungen ganz sicher nicht, wenn er während der Observierung einschlief.
Eine gute Seele hatte ihm wieder einen Becher mit heißem Wasser auf seinen Schreibtisch gestellt - auch wenn er von hier unten sehen konnte, dass das Wasser inzwischen kaum noch dampfte. Eine lauwarme Dusche musst also heute ausreichen. Er kletterte auf seinen Schreibtisch und zog sich die Unterwäsche aus, die er in einem unordentlichen Haufen neben den Zettelstapel auf dem Tisch knüllte. Langsam wurde es mal wieder Zeit, hier aufzuräumen - er konnte kaum noch über den Schreibtisch laufen, ohne über Berichte, Briefe, Memos, Memos zur Erinnerung an ausstehende Berichte, Briefe zur Erinnerung an unbeantwortete Memos und Berichte über ungelesene Briefe zu stolpern.
Mit dem rechten Fuß schob er ein Erinnerungsmemo des Kommandeurs (Betreff: "Raumbelegung Pseudopolisplatz") ein Stückchen weiter Richtung Papierkorb und stutzte, als darunter ein kleines Hauspost-Kuvert sichtbar wurde, auf dem ein Name sowie mehrere handschriftliche Notizen sichtbar wurden.
Das erste, was ihm auffiel, war der Name.
Das zweite, was ihm auffiel, war die Klebenotiz unter dem Namen: "Evtl. Harry gemeint? Haben ja sonst keinen OStSp hier -Kannich"
Das dritte, was ihm auffiel, war der Eingangsstempel über dem Namen - der Brief war schon vor etwa zwei Wochen hier angekommen und hatte die vergangene Zeit offensichtlich dazu genutzt, sich ein gemütliches kleines Versteck zwischen all den Briefen auf Harrys Schreibtisch zu basteln.
Aufgeregt riss der Gnom das Kuvert auf und zog es mit beiden Händen aus dem Umschlag. Es war eine Klacker-Nachricht, in Kannichguts Handschrift auf Wache-Briefpapier geschrieben, und der Absender war eine Klackerstation irgendwo in der Sto-Ebene:

SAG DEINER MASCHINE, DASS SIE UNSEREM SOHN BESCHEID SAGEN SOLL, DASS WIR IHN AM EINUNDZWANZIGSTEN GRUNI BESUCHEN KOMMEN, JA? ER ARBEITET IN ANKH-MORPORK, BEI DER WACHE.


Plötzlicher Schrecken fuhr dem Gnom durch die Glieder. Er musste sich gar nicht erst das aktuelle Datum ins Gedächtnis rufen, um zu einem nahe liegenden Schluss zu kommen - dafür war er zu bewandert in den Regeln der narrativen Kausalität: Das Gesetz der unvermeidbaren Situationskomik verlangte, dass ein verspätet gelesener Brief sich immer auf ein Ereignis bezieht, das unmittelbar nach dem Zeitpunkt liegt, an dem dieser Brief gelesen wird. Und das hieß, dass seine Eltern inzwischen sicher am Wachhaus am Pseudopolisplatz angekommen waren.
Schnell sprang er wieder vom Tisch, wobei er in seiner Eile gegen die Wassertasse stieß , so dass ein Teil ihres Inhalts auf den Schreibtisch floss. Harry achtete nicht darauf, sondern lief zurück in sein Puppenhaus, schlüpfte in seine Uniform und rannte aus dem Büro. Zurück blieb ein Umschlag, auf dem ein im Wasser verschwimmender Empfängername stand:

Herr Oberstabsspieß Harmonius van den Wagenvoor
Stadtwache
Ankh-Morpork



Pseudopolisplatz, 21. Gruni, 9:52

Hallo Mama, hallo Paps,
ihr könnt stolz auch mich sein, denn heute habe ich meinen ersten Verbrecher gefangen. Er hatte eine wertvolle Halskette gestohlen, aber ich habe ihn über die Dächer verfolgt und ihn in einem Schwertkampf besiegt. Kommandeur Rince sagt, dass das für einen Gefreiten (so heißt man, wenn man als Wächter gerade angefangen hat) eine tolle Leistung war. ...


Der diensthabende Wächter am Tresen staunte zwar, als sich die Tür öffnete und ein mit Obst und Blumen verzierter, breitkrempiger Hut auf zwei Beinen die Wachstube betrat, aber schließlich war dies Ankh-Morpork, da musste schon mehr passieren, um einen Wächter aus der Fassung zu bringen.
"Guten Tag, Herr Mensch", grüßte der Hut mit der Stimme einer älteren Dame.
"Guten Tag, Frau... Hut", entgegnete der Wächter. "Was kann ich für Sie tun?"
"Hut? Mein Name ist Wagenvoor, Margarethe van den Wagenvoor. Ich suche meinen Sohn."
"Es tut mir Leid, Frau Wagenvoor, aber ich habe hier keinen anderen Hu-" der Wächter stockte. Erst jetzt fiel ihm das Augenpaar auf, dass unter der Hutkrempe fast von ein paar Weintrauben verdeckt wurde - und das, neben den Farnblättern, das schien ein Arm zu sein. Er sah genauer hin, und aus dem Hut auf Beinen wurde eine Gnomin, die einen Hut trug, der bestimmt doppelt so hoch war wie sie.
"Wer ist denn Ihr Sohn?", fing der Wächter von vorne an.
"Harmonius. Harmonius van den Wagenvoor. Er ist... " - die Gnomin zog einen Zettel aus einer Falte ihres fliederfarbenen Kleides und sah darauf - "Ober-Stabs-Spieß-und-Rechte-Hand-des-Kompagnons".
"Des Kommandeurs, Liebes", sagte eine dünne Stimme von der Tür. Ein zweiter Gnom hatte das Wachhaus betreten, dessen gnomenhoher Zylinder verglichen mit dem Hut der Frau geradezu zurückhaltend wirkte.
"Rasmus!", rief die Frau aus. "Du solltest doch auf unser Gepäck aufpassen!"
Der Gnom nickte nur stumm und wandte sich wieder zur Tür. Er war es offensichtlich gewohnt, sich von seiner Frau herumscheuchen zu lassen.
"Es tut mir Leid, Frau Wagenvoor, aber hier arbeitet kein Gnom namens Harmonius", erklärte der Wächter. Der Stellvertreter des Kommandeurs ist Rogi Feinstich, eine Igorina."
"Und" - die Gnomin sah erneut auf ihren Zettel - "die Rechte-Hand?"
"Die rechte Hand von Rogi Feinstich gehört auch keinem Gnom, wenn sie sie nicht inzwischen ausgetauscht hat", entgegnete der Wächter und fuhr nachdenklich fort: "Ich glaube, das wäre auch mit den Anschlüssen schwierig, oder? Ich glaube nicht, dass Gnomen und Menschen kompatible Hände haben."
Die Gnomin sah in verständnislos an und wollte gerade zu einer Antwort ansetzen, als sich die Tür erneut öffnete, und ein atemloser und ungewaschener Harry mit abstehenden Haaren und in schlecht sitzender Uniform in den Raum stürzte. Die Gnomin sah sich um, breitete die Arme aus und warf sich geradezu auf ihn, als wolle sie ihn zerquetschen: "Moooooooooooni!"


Fuchsbau, 21. Gruni, 11:15

Hallo Mama, hallo Paps,
schön, dass es Tante Ingeborg wieder besser geht. Grüßt sie ganz herzlich von mir!
Und ja, es gibt auch noch andere Gnome in der Wache (als ich dort angefangen hatte, war ich der erste, aber inzwischen gibt es noch mehr). Und ja, Mama, es ist auch ein nettes Mädchen dabei. Sie heißt Venezia, und wir haben schon zusammen gearbeitet. Vielleicht kann ich sie euch ja mal vorstellen, wenn ihr zu Besuch kommt? ...


"Und deine Cousine, die Anneliese, fragt auch ständig nach dir - ein bildhübsches Mädchen ist sie geworden, die Anneliese, du solltest sie mal treffen, ich bin sicher, sie würde dir gefallen, oder was meinst du, Rasmus?" - Harrys Mutter holte nur kurz Pause zum Luft holen und fuhr dann fort, bevor ihr Mann auch nur daran hätte denken können, zu antworten: "Und weil du doch immer so viele gute Dinge erzählst von der Stadt und deiner Arbeit hier und all den Freunden, die du hier hast, dachten wir uns, zu deinem zehnjährigen Jubiläum kommen wir dich einfach mal besuchen. Und hier sind wir!"
Die drei Gnome saßen im Fuchsbau, dem einzigen Gnomenlokal der Stadt. Seit Don Krimpik Knurblich seine Kaschemme an einen Nachfolger verkauft hatte, war es hier deutlich einladender geworden: Der neue Besitzer sorgte mit viel Farbe und vielen Glühwürmchen für eine gemütliche Atmosphäre. An einer Wand stand sogar eine Art Aquarium mit ein paar Fischchen[1].
Harry hatte das Gepäck seiner Eltern ins Boucherie bringen lassen und war dann mit ihnen gleich hierher gegangen. In seinem Kopf raste es - all die Übertreibungen und kleinen Flunkereien, die er sich in den letzten zehn Jahren so ausgedacht hatte, prasselten auf ihn herab. Hatte er das wirklich behauptet? Und das? Du lieber Himmel, aber das konnte sie ihm doch nicht wirklich geglaubt haben, oder?
"...auch wenn ich zugeben muss", fuhr seine Mutter inzwischen fort und hieb dabei auf ihr Spitzmausfilet ein, "dass ich es mir nicht so... dreckig vorgestellt habe. Aber Menschen riechen das wahrscheinlich nicht, weil ihre Nasen so weit vom Boden weg sind, oder? Jedenfalls, wie ich schon deinem Vater sagte..."
Harry hörte seiner Mutter mit einem halben Ohr zu, während sie alle Ereignisse wiedergab, die ihr, ihrer Verwandtschaft, guten sowie weniger guten Bekannten und überhaupt jedem einzelnen Gnom in ihrer heimatlichen Hügelsiedlung in den letzten zehn Jahren zugestoßen waren.
Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis sie schließlich eine Pause machte und ihren Sohn auffordernd ansah: "Aber jetzt sitz doch nicht die ganze Zeit hier so still wie eine Kellerassel herum. Erzähl doch auch mal was! Dein Vater und ich wollen doch alles darüber hören, was du in der letzten Zeit erlebt hast - schließlich kann kein anderer Gnom von sich behaupten, Ehrenbürger Ankh-Morporks zu sein."
Harry schluckte. An diese Geschichte konnte er sich gar nicht mehr erinnern. "Eh- Ehrenbürger?"
"Wurdest du nicht zum Ehrenbürger ernannt, nachdem du den Dämonenbeschwörer besiegt hattest, der ein Portal in die... in die Kellerdimensionen geöffnet hatte?"
"Kerkerdimensionen", korrigierte Harry. "Aber..."
"Nun ist mal gut mit deiner Bescheidenheit", fiel ihm seine Mutter ins Wort. "Also, was ist, zeigst du uns jetzt die Stadt? Und dabei erzählst du uns dann alles - ich freue mich schon darauf, Havelock, Mustrum und deine anderen Freunde kennenzulernen."
"Ich muss aber doch arbeiten", protestierte Harry und suchte fieberhaft nach einem Ausweg. "Wie wäre es, wenn ich euch jetzt erst mal mit nach Hause nehme, ihr macht es euch gemütlich, und morgen zeige ich euch dann alles, ja?" Im Geiste sendete er ein Stoßgebet an Stan, den Gott der Prahler und Aufschneider[2], dass dieser ihm einen Weg aus dem Schlamassel zeigen möge.


Boucherie Rouge, 21. Gruni, 14:38

Hallo Mama, hallo Paps,
heute bin ich vom Patrizier - das ist so eine Art Bürgermeister - gelobt worden. Er hat mir eine Medalie Medalli einen Orden gegeben, weil ich so tapfer war, als ich die Drachenkultisten besiegt habe. Er sagt, er wird mich im Auge behalten, weil aus mir noch mal was werden könnte, und ich soll ihn Havelock nennen (so heißt er nämlich mit Vornamen) ...


"Hier arbeitest du also?" Harrys Mutter betrachtete die Fassade des Boucherie Rouge geringschätzig. "Sieht gar nicht wie ein Wachhaus aus."
"Das... ist Tarnung", versuchte Harry zu erklären. "Es ist eine Art... geheime Wache. Hier arbeiten... geheime Wächter, genau. An der Kaffer nennt man das. Wundert euch also nicht, wenn es darin ein bisschen... ähm... ungewöhnlich zu sein scheint, ja? Und... Mama?"
"Was ist denn, Moni?"
"Nenn mich bitte nicht Moni, in Ordnung?"

Sie betraten das Gebäude und wollten sich gerade daran machen, die ersten Stufen zum ersten Stock zu erklimmen, als Frau Palm mit einem ihrer Mädchen am Arm aus einem Zimmer kam.
"-wirklich genug von diesen blöden Vorschlägen", knurrte das Oberhaupt der Näherinnengilde gerade und fuchtelte mit einem Zettel herum. "Hier: 50 Cent Überlängenzuschlag? Ab wie vielen Minuten willst du den denn bitte nehmen?"
Ich dachte eher an Zenti-" setzte das Mädchen an, aber Frau Palm schnitt ihr das Wort ab. "Blödsinn! Hier, nimm den Wisch wieder mit und mach dich wieder an die Arbeit, ja?" Sie wandte sich ab und wollte wieder gehen, als ihr Blick auf Harry fiel.
"Oh, hallo Herr Oberstabsspieß!", meinte sie schmunzelnd. Frau Palm schaffte es jedes Mal, Harrys Dienstgrad exakt so auszusprechen, als wäre er die Bezeichnung von etwas, was man im hinteren Regal von "Lucy Lieblichs Emporium für Verheiratete und Junggesellen" finden würde. "Ilona-Verona hat neulich nach dir gefragt. Sie würde sich sicher freuen, wenn du mal bei ihr vorbei schaust."
Harry konnte den neugierigen Blick seiner Mutter im Nacken spüren wie ein glühendes Eisen. "Danke... ein anderes Mal", murmelte er. "Ich muss leider-"
"Und du hast Besuch mitgebracht? Lass mich raten - deine Eltern, richtig? Ja, die Familienähnlichkeit ist unverkennbar." Sie hielt Harrys Eltern einen einladenden Zeigefinger hin, den beide nach etwas Zögern schüttelten. "Hallo, ich bin die Rosie Palm."
"Margarethe van den Wagenvoor", entgegnete Harrys Mutter mit einem Kopfnicken. "Arbeiten Sie hier?"
"Ja", bestätigte die Näherinnen. "Mir und meinen Mädchen gehört das Erdgeschoss hier."
"Äh... Mama?", unterbrach Harry, der eine ganze Welle peinlich-humoristischer Missverständnisse nahen spürte. "Frau Palm ist keine Wächterin. Die Wache ist oben, das ist ist..."
"...ein Puff, richtig?", setzte seine Mutter den Satz fort. "Ja, die Strumpfhosen und Strapse waren Hinweis genug." Sie sah amüsiert die Reaktion ihres Sohnes an, bevor sie fortfuhr: "Jetzt mach den Mund wieder zu, Mon... äh... Harry. Bloß weil ich eine alte Landgnomin bin, heißt das nicht, dass ich hinter dem Mond wohne."
"Äh", stammelte Harry. "Öh."
"Nrgh", fuhr er fort.
"Warum... warum unterhaltet ihr euch hier nicht ein bisschen?", fragte er schließlich. Ich schaue oben nach dem Rechten und richte euch ein Zimmer in meinem Büro ein. Ich bin sicher, Frau Palm wird gerne ein bisschen mit euch über... äh... Hutmode und so plaudern, oder, Frau Palm?"
Die Näherin deutete Harrys bittenden Blick korrekt und lächelte breit. "Aber sicher doch. Ich bin sicher, ich habe auch noch ein Tässchen Tee für Sie beide."

Harry eilte die Treppe hoch und stürmte ein sein Büro, wo ein Kollege die Koffer seiner Eltern bereits abgestellt hatte. Im Puppenhaus herrschte - wie eigentlich immer - das reinste Chaos. Er musste hier für Ordnung sorgen - und zwar schnell. Schmutzige Wäsche - in den Korb. Freddy-Frettchentöter-Buch - ins Regal. Nein, das war voll. Also unters Bett. Da lag schmutzige Wäsche. In den Korb damit. Der Bücherstapel in der Ecke - Decke drüber. Und jetzt...
Der Gnom hielt inne und drehte sich um, als es an die Bürotür klopfte. "Harry?" Es war die Stimme von Humph MeckDwarf, dem Abteilungsleiter der DOG.
Harry warf noch eine partnerlose Socke, die auf seinem Schreibtischstuhl gelegen hatte, unter das Bett und drehte sich dann um. "Ja?"
Humph öffnete die Tür und sah herein. Er sah nicht gerade freundlich aus. "Du bist hier? Hättest du nicht schon lange bei der Wäscherei sein sollen?"
Harry verzog seine Mundwinkel. Seit Tagen observierte er ein angesehenes Mitglied der Gilde der achatenen Wäscher, weil der Verdacht bestand, dass sie für die hiesige Yakuza Geldwäsche betrieben. Er konnte sich wirklich interessantere Aufgaben vorstellen.
"Ja", erwiderte er. "Aber ich habe überraschend Besuch bekommen."
"Das habe ich mitbekommen", meinte Humph nickend und deutete auf die Gnomenkoffer, die im Raum standen. "Und du bringst sie hierher?"
"Ich... öh... ja", druckste Harry herum. "Ich meine... ich wohne schließlich hier. Und das Puppenhaus ist groß genug, dass ich einen Raum als Gästezimmer einrichten kann - nur für ein paar Tage. Das geht doch, oder?"
Sein Abteilungsleiter runzelte die Stirn. "Gut. Ich werte das heute mal als freien Tag, den ich die von deinen Überstunden abziehe. Aber ab morgen sorgst du dafür, dass deine Gäste sich selbst beschäftigen, und sich vom Wachebetrieb fernhalten, ja? Und du selbst bist ab morgen wieder an der Yakuza-Sache dran."
Harry nickte eifrig, und Humph schloss grummelnd die Tür hinter sich. Der Gnom schaute noch einmal in die Puppenstube, vergewisserte sich, dass das gröbste Chaos nicht mehr sichtbar war, und machte sich dann auf den Weg, seine Mutter von Frau Palm loszureißen, bevor letztere peinliche Details über ihn und Ilona-Verona verriet[3].


Puppenstube, 21. Gruni, 17:50

Hallo Mama, hallo Paps,
vielen Dank für euren Brief. Keine Sorge Mama, da war nichts mit mir und Venezia, und du musst auch keine Angst haben, dass ich mir etwas antue, weil sie nicht mehr bei der Wache ist. Wirklich nicht. Es freut mich zu hören, dass es Anneliese gut geht, und wenn sie mich besuchen möchte, dann darf sie das gerne tun, aber ich verstehe nicht, wieso ich sie deswegen zu mir einladen soll?
Wie dem auch sei, ihr wolltet doch gerne ein Bild von mir mit einem berühmten Morporkianer haben. Anbei schicke ich euch eine Ikonographie (das ist ein Bild, das von einem Dämon gemalt wurde - er hat es für euch extra klein gemacht, ich hoffe, es gefällt euch). Es zeigt mich mit Herrn Schnapper, der ist ein wichtiger Mensch hier in der Stadt. Havelock hatte leider keine Zeit, aber Herr Schnapper ist fast genau so wichtig. Er ist für den Handel in Ankh-Morpork zuständig. Auf dem Bild trägt er die klassische Händlertracht der Stadt. ...


Harry sah es seiner Mutter an, dass ihr trotz seiner Bemühungen sein Büro und seine Wohnung noch immer deutlich zu unordentlich waren. "Wenn Anneliese das sehen würde, dann würde sie genau das gleiche sagen", hatte sie naserümpfend erklärt. "Überhaupt, du solltest sie einfach mal hierher einladen. Sie freut sich sicher, und eine weibliche Note tut dieser Rumpelkammer sicher gut."
"Ja, Mutter", hatte er darauf so unverbindlich wie möglich geantwortet.
Er hatte einen Kollegen losgeschickt, etwas Kaffee und Kuchen zu besorgen, den Kaffee dann in für diesen Zweck umfunktionierte Fingerhüte gegossen und von dem Kuchen ein paar würfelzuckerstückchengroße Stücke abgeschnitten, und jetzt saßen sie zu dritt im Wohnzimmer der Puppenstube. Seine Mutter war alles an Kritik losgeworden, was ihr für den Augenblick eingefallen war[4], und so blieb ihm derzeit leider nichts anderes übrig, als über sich selbst zu erzählen.
"Ich würde ja gerne mehr erzählen", meinte er, "aber das meiste davon ist leider total geheim. Deswegen arbeite ich ja auch hier. Wie gesagt, das ist das Wachhaus für Geheimaufgaben. Und meine Aufgaben sind sogar so geheim, dass selbst die meisten von meinen Kollegen hier gar nicht wissen, was ich in Wirklichkeit mache." Das schien seine Eltern gebührend zu beeindrucken. "Ihr müsst sie also gar nicht erst fragen", setzte er hinzu. "Sie würden euch sowieso nur irgendwelchen Blödsinn von Standardaufträgen - Observierungen und so - erzählen."
"Dann kannst du uns gar nicht sagen, was du machst? In denen Briefen klang das immer so spannend", meinte seine Mutter.
"Nun ja... morgen zum Beispiel habe ich einen wichtigen Termin mit vielen hochrangigen Persönlichkeiten der Stadt. Ich-"
"Oh, das klingt ja spannend. Ist der Patrizier auch dabei?", unterbrach seine Mutter sofort.
"Äh... ja, natürlich ist er auch dabei. Aber worum es geht, darf ich leider nicht sagen - und ich fürchte, das heißt, dass ihr morgen die Stadt auf eigene Faust erkunden müsst."
"Ach, das ist gar kein Problem", meinte seine Mutter. "Wir schauen uns einfach die Sehenswürdigkeiten an, nicht wahr, Rasmus? Den Turm zum Beispiel, dessen Fassade du hochgeklettert bist, um den Drachen zu erlegen... wie hieß der noch?"
"Der Drache? Ach ja, der Drache. Der hieß... öh..." Harry stöberte fieberhaft in seinem Gedächtnis. Hatte er dem Drachen einen Namen gegeben?
"Nein, du Dummerchen. Der Turm!"
"Das war" - oh Stan, nicht auch das noch - "der Kunstturm, Mutter. Aber... äh... als ich ihn hochgeklettert bin, da war er noch nicht ganz so hoch. Die Zauberer haben ihn inzwischen... verlängert, ja, genau. Nur, damit ihr euch nicht wundert, wie ich es geschafft habe, einen 300 Meter hohen Turm hochzuklettern."
"Ich bin jedenfalls gespannt", meinte Harrys Mutter. "Ich habe mir einen genauen Plan gemacht, welche Orte, von denen du so erzählt hast, wir uns alles angucken müssen. Das wird sicher spannend - meinst du nicht auch, Rasmus? Also, mach dir keine Sorgen um uns, wir kommen schon zurecht."
Stan, steh mir bei, war alles, was Harry denken konnte.


Puppenstube, 22. Gruni, 7:30

Hallo Mama, hallo Paps,
vielen Dank für euren Brief. Sicher kann ich euch gerne mal zu mir einladen, aber zur Zeit ist das ein bisschen schwierig. Ich muss mich um den Serifen von Al-Khali kümmern, der in einer wichtigen diplomatischen Mission in der Stadt ist. Ich bin für seine Sicherheit verantwortlich und es hat Morddrohungen gegeben, deswegen habe ich leider keine Zeit dafür. Aber ich melde mich wieder, versprochen. Vielleicht hat Anneliese dann ja auch Zeit. ...


Als Harry am nächsten Morgen aufwachte, wunderte er sich nicht, dass seine Mutter schon wach war und sowohl in der Puppenstube als auch draußen im Büro diverse Möbel um- und die Zimmer aufgeräumt hatte. Als er halbherzig protestierte, wurde er nur freundlich, aber bestimmt, aus seinem Schlafzimmer vertrieben: "Geh mal zu deinem Vater, Kaffee trinken, ich mache nur noch schnell dein Bett und komme dann nach."
Sein Vater saß tatsächlich draußen auf dem Schreibtisch und trank von dem Kaffee, den Daemon freundlicherweise ins Büro gebracht hatte. Als er seinen Sohn sah, hob er den Fingerhut und nickte ihm lächelnd zu.
Harry setzte sich dazu und fühlte sich auf unerklärliche Art in seine Kindheit zurück versetzt. Solange er zurück denken konnte, war er früher morgens auf diese stumme Art von seinem Vater begrüßt worden, während seine Mutter irgendwo in einem anderen Raum der Wohnhöhle ihren allmorgendlichen Putztätigkeiten nachging.
Wie in den ersten vierzig Jahren seines Lebens erwiderte Harry das Nicken automatisch mit einem Nicken seinerseits. Ein bisschen Zeit alleine mit seinem Vater war eine echte Erholung, verglichen mit den endlosen Monologen seiner Mutter. Eine Gelegenheit, zu schweigen und seinen Gedanken nachzugehen.
Seine Mutter hatte ihm noch nicht verraten, wie lange sie bleiben wollten, und je länger sie blieben, um so größer würde die Wahrscheinlichkeit werden, dass sie herausfanden, wie wenig seine ganzen Geschichten mit der Realität zu tun hatten. Vielleicht... vielleicht konnte er ein paar von seinen Kollegen dazu bringen, seine Aussagen zu untermauern?
Es klopfte an der Tür, und gleich darauf steckte ein missmutig dreinblickender Humph seinen Kopf in den Raum. "Harry, bist du immer noch hier? Die Wäscher machen um acht Uhr auf, und ich glaube kaum, dass du weniger als eine halbe Stunde bis zu 'der weise Li Se' brauchst."
Harry sprang auf. "Bin schon unterwegs! Paps, ich muss los zu dem Termin, von dem ich euch erzählt habe. Macht euch einen schönen Tag, ja?" Er nickte Humph zu, der die Tür wieder schloss, und fuhr dann fort: "Schaut euch einfach in der Stadt um, ich lasse euch ein bisschen Geld und meinen Geldrucksack hier. Tut mir nur den Gefallen und stört meine Kollegen nicht unnötig bei ihrer Arbeit, ja?"


Wäscherei Der weise Li Se, 22. Gruni, 11:30 Uhr

Hallo Mama, hallo Paps,
vielen Dank für euren Brief. Natürlich würde ich mich über euren Besuch freuen, aber der Drache, von dem ich euch in meinem letzten Brief berichtet habe, hat in der Stadt leider viel Schaden angerichtet, so dass die Wache derzeit viel zu tun hat, um Plünderungen und ähnliches zu verhindern. Es wäre hier für euch nicht sicher, ganz besonders, da die Bruderschaft, die den Drachen beschworen hat, mir Rache geschworen hat, und euch sicher gerne als Druckmittel einsetzen würde. Aber ich bin sicher, in ein paar Monaten ist hier alles wieder in Ordnung, und dann würde ich mich sehr über euren Besuch freuen. ...


Harry schaute zum wiederholten Male auf die Turmuhr der nahe gelegenen Diebesgilde. Aln die Langeweile des Observierens hatte er sich inzwischen ja gewöhnt, aber meistens geschah zumindest ein bisschen etwas, das Aufmerksamkeit verdiente, und wenn es nur ein Bettler oder ein streunender Hund war. Die Gasse, in der sich die Wäscherei befand, war jedoch so leer und uninteressant, dass der einzige Eintrag, den er bisher im Observierungsprotokoll getätigt hatte, eine Amsel betraf, die kurz mit dem Gedanken gespielt hatte, die Regenrinne, die Harrys Beobachtungsposten darstellte, nach Nistmaterial zu durchsuchen.
Die Wäscherei war so heruntergekommen, und lag in einer so verwahrlosten Gegend, dass allein dies sie schon auf Anhieb verdächtig machte. Nein, korrigierte Harry sich. Niemand würde einen so offensichtlichen Ort für Organisierte Kriminalität nutzen, insofern trug diese Art von Auffälligkeit schon wieder dazu bei, jeglichen Verdacht von diesem Ort fortzulenken.
Aber wie dem auch sein mochte, bisher waren Li Se und sein Assistent heute noch von niemandem besucht worden, und die Ereignislosigkeit begann den Gnom zu ermüden. Hinzu kam der stetig steigende Druck in seiner Blasengegend - der ärgste Feind eines jeden Observierers.

Irgendwo hoch oben auf den Gipfeln von Cori Celesti fiel der Blick von Inzidenzia, der Göttin der Dramaturgie und der kleinen, aber plot-relevanten Zufälle, auf den kleinen Gnom. Mit ihrem Gespür für Klischees erkannte sie nutzte sie die Gelegenheit...

Zwei kleine Gestalten schreiten auf die Wäscherei zu - genau in dem Moment, in dem Harry weiter oben auf dem Dach des gegenüberliegenden Hauses mit anderen, höchst persönlichen Dingen beschäftigt ist. Wäre er aufmerksamer, und würde die Amsel nicht in einem benachbarten Baum gerade ein Liedchen trällern, könnte er folgenden Dialog zwischen ihnen hören:
"Bist du sicher, dass wir hier richtig sind?"
"Ja, da vorne steht es doch: 'Der weise Li Se'. Genau, wie Monis Kollege es gesagt hatte."
"Aber das sieht nicht aus wie ein Ort, wo sich die wichtigsten Persönlichkeiten Ankh-Morporks treffen würden, Liebste."
"Vielleicht ist es einfach... wie sagte Moni? An der Kaffer? Jetzt komm schon, ich möchte den Patrizier sehen!"
Die beiden Gestalten - eine halb gezogen von der anderen - betreten die Wäscherei in dem Moment, in dem Harry sein Geschäft beendet hat und sich wieder zur Straße dreht. Inzidenzia nickt zufrieden, und wir verlassen unseren Beobachtungsposten um zu schauen, wir es im Inneren des Gebäudes weitergeht...

Li Se sah auf, als die Ladenglocke klingelte. Von seiner Position hinter dem Tresen sah er, wie die Tür sich wieder schloss, aber niemand war zu sehen.
"Hat es geklingelt?", fragte er, an seinen Assistenten Tsu Dum gewandt.
"Oh Meister der blütenweißen Sauberkeit, zwei Gestalten von minimaler Größe haben den Raum betreten und stehen vor Euch am Tisch", entgegnete dieser, ohne vom Kreuzworträtsel der Times aufzuschauen.
Li Se erhob sich von seinem Stuhl, um besser über den Tresen schauen zu können, und sah auf zwei nervös dreinschauende Gnome herab.
"Womit kann diesel bescheidene Geschäftsmann Ihnen zu Hilfe sein, oh welte Kunden kleinel Statul?", fragte er auf morporkianisch.
"Äh... guten Tag. Wir sind auf der Suche nach Oberstabsspieß Harmonius van den Wagenvoor, entgegnete die Gnomin. "Er soll hier einen Termin haben."
"Wir sind seine Eltern", fügte der männliche Gnom zur Erklärung hinzu.
Li Se sah verständnislos auf die beiden herunter, als Tsu Dum ihm am Ärmel zupfte. "Oh Herr der Bergfrische, es klingt, als meinten die beiden puppengleichen Gestalten jeden Wächter, welcher seit Tagen immer wieder vom Dach gegenüber in unsere Richtung späht."
Li Se dachte kurz nach. "Ihl Sohn, den Sie suchen, ist also ein Wächtel?"
Die Gnomin holte entrüstet Luft und setzte zu einer Erwiderung an, doch ihr Mann unterbrach sie: "Er meint sicher Wächter, Liebes, nicht Wichtel."
"Ach so. Na gut. Ja, er ist Wächter. Einer der berühmtesten und wichtigsten der ganzen Wache, und die rechte Hand des Kommandeurs obendrein!"
Der alte Wäscher reagierte schnell, und ehe die beiden Gnome wussten, wie ihnen geschah, hatte sich der Wäschekorb schon über sie gestülpt.


Wäscherei Der weise Li Se, 22. Gruni, 12:40 Uhr

Hallo Mama, hallo Paps,
ich bin dazu überredet worden, meine herausragenden Talente (so drückt unser Kommandeur sich immer aus) an die nächste Generation von Wächtern weiterzugeben, und somit bin ich jetzt Ausbilder. Das heißt, dass ich nicht mehr so oft dazu komme, meine Kollegen bei der Jagd nach Verbrechern zu unterstützen, aber ich glaube, dass die Rekruten, die ich ausbilde, sehr gut dazu geeignet sind, einmal so gute Wächter zu werden wie ich selbst. Das heißt leider auch, dass ich zur Zeit nur wenig Zeit für mich selbst habe, also wäre es wohl besser, wenn ihr euren Besuch noch ein wenig verschieben könntet, bis meine Ausbilderzeit vorbei ist. Ich freue mich schon darauf, euch endlich wieder zu sehen! ...


Harry gähnte verstohlen. Noch fünf weitere Stunden, bis er Feierabend machen konnte, und immer noch war nichts, aber auch gar nichts, passiert. Inzwischen hätte er sich sogar über die Gegenwart der Amsel gefreut, doch selbst diese hatte den Baum inzwischen wieder verlassen.
Plötzlich öffnete sich die Tür der Wäscherei, und eine Hand langte heraus. Sie hielt eine Untertasse oder einen kleinen Teller, auf dem etwas lag. Der Teller wurde vor der Tür abgestellt, die Hand zog sich zurück und die Tür schloss sich wieder.
Harry hob sein Fernglas an die Augen, um sich das Objekt auf dem Teller genauer anschauen zu können. Es war ein Glückskeks, neben dem ein kleiner Zettel lag, dessen Aufschrift aus der Entfernung nicht zu lesen war.
Er sah sich um. Die Gasse war nach wie vor menschenleer. Für wen dieser Teller auch gedacht war, noch war niemand zu sehen.
Kurzentschlossen verließ er seinen Posten und huschte im Schutze einiger Sträucher zur Wäscherei. Am Teller angekommen, konnte er den in schnörkeliger Kalligraphie geschriebenen Text auf dem Zettel lesen:

Dem Gnom, der zuschaut.
Kirschblüten fallen im Wind.
Hat er nicht Hunger?


Verdammt! War seine Deckung aufgeflogen? Wie lange wussten sie schon, dass sie beobachtet wurden, und was sollte dieser Glückskeks?"
Aus der Wäscherei war kein Geräusch zu hören. Harry zögerte kurz, dann packte er den Glückskeks mit beiden Armen und riss ihn auf. Der Zettel im Inneren entfaltete sich, und er las folgende Botschaft:

Del weise Mann weiß, dass el keine Tlicks velsuchen sollte, wenn wil seine Elteln in unselel Gewalt haben.

Drei Gedanken zogen im Abstand von wenigen Millisekunden durch Harrys Kopf.
Der erste: Wer schreibt in einem achatenen Akzent?
Der zweite: Das ist ein seltsamer Text für einen Glückskeks.
Der dritte, der die beiden vorhergegangenen sofort wieder verdrängte: Oh, Scheiße!

Die beiden Achatener im Inneren der Wäscherei schienen ihn bereits erwartet zu haben. "Guten Tag, Hell Gnom", begrüßte der ältere der beiden - Li Se - ihn, als er die Tür aufstieß.
So viele Fragen und noch mehr Flüche gingen dem Gnom durch den Kopf, dass er sich nicht für einen davon entscheiden konnte und nur stumm und sprachlos im Eingang stehen blieb.
"Die Legeln sind ganz einfach", erklärte Li Se mit einem höflichen Lächeln. "Sie geben uns bis heute um Mittelnacht alls Infolmationen, die die Wache übel die Yakuza besitzt. Außeldem welden Sie Ihlen Einfluss bei del Wache dazu nutzen, dass die Elmittlungen gegen die Yakuza entwedel eingstellt odel abel in eine falsche Lichtung gelenkt welden. Wenn wil mit Ihlel Koopelation zuflieden sind, dann... dann sehen wil weitel. Andelnfalls welden Ihle Elteln unsele Waschvollichtungen nähel kennenlelnen, als ihnen lieb sein dülfte."
"Meinen... Einfluss?"
"Tun Sie nicht so naiv. Wil wissen, dass Sie die lechte Hand des Kommandeuls sind und del eigentliche Entscheidungstlägel del Wache."
Harry schluckte. "Aber..."
"Kein abel. Bis Mittelnacht - und wenn wil bis dahin andele Wächtel als Sie sehen, dann welden wil Ihle Elteln zu ihlen Ahnen schicken."


Ankh-Morpork, 22. Gruni, 13:20 Uhr

Hallo Mama, hallo Paps,
seit kurzem bin ich Bogenschütze in der Elite-Einheit der Wache. Mein Ausbilder hat gesagt, ich sei ein Naturtalent, wie er noch keines zuvor gesehen hat. Vor einigen Wochen habe ich einen Einsatz bei einer Geiselnahme geleitet und es ist mir gelungen, mit meinem Pfeil den Anführer der Geiselnehmer durch ein Astloch hindurch außer Gefächt Gefecht zu setzen. Die anderen haben sich dann ergeben und wurden von meinen Kollegen überwältigt. Der Patrizier hat mir dafür seine Hochachtung ausgesprochen ...


Mehr oder weniger ziellos irrte Harry durch die Straßen der Stadt. Was sollte er jetzt tun? Was hatte ihm seine große Klappe da nur eingebrockt? Li Se sah nicht so aus, als hätte er leere Drohungen ausgesprochen. Wenn er seine Kollegen heranzog, riskierte er das Leben seiner Eltern, aber wie sollte der die Yakuza-Ermittlungen, in die die Wache abteilungsübergreifend schon mehrere Monate Ermittlungsarbeit investiert hatte, stoppen?
Was hätte Freddy Frettchentöter in so einer Situation gemacht? In "Freddy Frettchentöter im Netz der Todestarantel" hatten die Schergen des Spinnenkönigs die Prinzessin des Schilfwaldreiches entführt, um Freddy zu zwingen, ihnen das Geheimnis des lebensspendenden Schilfrohrsaftes zu enthüllen. Freddy war darauf natürlich nicht eingegangen, sondern hatte sich todesmutig in das Netz des Spinnenkönigs gewagt und die Prinzessin eigenhändig befreit.
Nur war er nicht Freddy Frettchentöter, und dies war kein Roman, bei dem feststand, dass der Held am Ende siegen würde... aber was hatte er sonst für eine Option?


Wäscherei Der weise Li Se, 22. Gruni, 22:30

Hallo Mama, hallo Paps,
vielen Dank für die lieben Geburtstagsgrüße. Ihr habt recht, Socken kann man nie genug haben. Und nein, meine Uniform hält einen im Winter nicht sehr warm, also vielen Dank auch für den Schal. Ich muss noch nachfragen, ob ich den im Dienst tragen darf, aber er sieht sehr warm aus.
Nein, ich habe kein nettes Gnomenmädchen kennengelernt. Saiyana, von der ich euch ja schon mal erzählt hatte, hat die Wache leider bereits wieder verlassen. Und nein Mama, sie hatte zwar bei mir in der Wohnung gewohnt, aber nur weil sie keine andere Unterkunft hatte. Sie hatte ihr eigenes Zimmer.
Was gibt es sonst neues? Nun, die Wache hat inzwischen wieder einmal einen neuen Kommandeur, nachdem der letzte diesen Posten aufgegeben hatte. Natürlich hat man mich gefragt, ob ich Interesse an dem Posten gehabt hätte, aber ihr kennt mich - ich bin ein Gnom der Tat, bei so einem Schreibtischjob würde ich einrosten. Außerdem brauchen meine Kollegen mich auf der Straße - deswegen habe ich abgelehnt. Aber natürlich habe ich dem neuen Kommandeur versprochen, dass er sich bei Problemen jederzeit an mich wenden kann, damit ich ihm mit meinem reichhaltigen Erfahrungsschatz zur Seite stehe. ...


Eine schmale Mondsichel stand über der Stadt. In der Dunkelheit sind in der Gasse nur noch die Umrisse der Häuser zu sehen. Die Stille wird nur gelegentlich von den üblichen ankh-morporkianischen Nachtgeräuschen - Eulen, Betrunkenen, Mördern - unterbrochen. Aus einigen Fenstern dringt ein schwacher Lichtschein, nicht jedoch aus der Wäscherei, wo alles dunkel ist. Ein Obdachloser hat sich den Eingang als Schlafplatz ausgesucht und schnarcht leise. Doch halt - nicht alles ist dunkel. Durch ein auf Bodenhöhe gelegenes Kellerfenster scheint ein flackerndes Kerzenlicht, und ein aufmerksamer Lauscher hätte wohl achatene Stimmen zu hören vermocht...
Der Gnom pirscht sich in der Dunkelheit an das Fenster heran. Von dem Betrunkenen und einer frühen Fledermaus abgesehen, die irgendwo über den Dächern auf Insektenfang ging, war die Gasse so leer wie den ganzen Tag, und die Dunkelheit verbarg ihn fast vollständig.
Das Kellerfenster war vergittert, aber kein Hindernis für einen Gnom. Trotzdem blieb er erst einmal draußen. Es wäre ungeschickt gewesen, sich direkt in die Höhle des Löwen zu wagen. Stattdessen kauerte er sich davor und sah vorsichtig hinein.

Li Se rührte in einem großen Bottich mit Seifenlauge herum, über dem in etwa eineinhalb Metern Höhe zwei kleine gefesselte und geknebelte Gestalten an einer Wäscheleine hingen.
"Noch eineinhalb Stunden hat Ihl Sohn Zeit", erzählte er ihnen im Plauderton. "Ich hoffe sehl fül Sie, dass ihm etwas an Ihnen liegt." Er schüttete noch etwas Pulver aus einer Kartonschachtel in den Bottich und rührte, bis sich Schaum bildete. Ein seifig-betäubender Geruch stieg aus dem Wasser auf. Die beiden Gnome rührten sich nicht, und ihre Augen waren halb geschlossen.
"Seid Ihr sicher, dass der Wachmann von kleiner Statur nicht versuchen wird, seine Eltern zu befreien, oh General des Bergfrühlings?", fragte Tsu Dum, der damit beschäftigt war, einige Tücher zu mangeln, auf achatenisch.
"Ich denke nicht, dass er das tun wird", erwiderte der Alte. "Und wenn doch, dann wird er, sobald er hier eindringt, feststellen, dass wir immer noch die Oberhand haben." Er dachte kurz nach. "Nimm die Frau und binde sie auf der Wäschemangel fest, ja? Keine Sorge, sie wird nicht aufwachen."

Von seinem Beobachtungsposten aus sah der Wächter, wie eine der beiden Gestalten - er konnte nicht erkennen, welche - von der Wäscheleine genommen und dann auf einer der Walzen der Wäschemangel festgebunden wurde. Urghs war alles, was er denken konnte.
Nun gut... zumindest waren die beiden gerade abgelenkt. Mit einer raschen Bewegung tauchte er zwischen den Gitterstäben hindurch und ließ sich auf der anderen Seite auf den Boden fallen, wo er gleich hinter einem Wäschekorb in Deckung ging.
Die beiden Achatener ließen Harrys Eltern kaum eine Sekunde aus den Augen, immer wieder glitt ihr Blick von der Mutter zum Vater und von dort zur Eingangstür. Der Gnom konnte ihre Nervosität beinahe spüren - das war keine gute Voraussetzung für eine Geiselbefreiung.

"Aber wieso kommt er denn nicht, oh Meister der Zitruskraft?" Tsu Dum wippte nervös von einem Fuß auf den anderen.
"Er hat noch eine Stunde Zeit - glaub mir, er wird kommen. Und in den Informationen, die er uns geben wird, wird sicher die eine oder andere Perle verborgen sein, die wir nutzen können, um dem Syndikat unsere Bedingungen für unsere Dienste diktieren zu können. Ich spüre es, dieser Gnom wird uns reich machen!"
"Nur, wenn nicht entweder die Wache oder das Syndikat uns erwischt, oh Meister der Meeresfrische. Seid ihr sicher, dass-"
"Ich bin sicher, mein treuer Assistent. Halte nur zu mir, und du wirst deinen Anteil an dem, was das Syndikat uns geben wird, bekommen."
Tsu Dum sah ihn zweifelnd an, sagte jedoch nichts weiter.
Die beiden standen eine Weile schweigend neben den beiden gefesselten Gnomen, bis sie das Läuten der Eingangsglocke hörten. "Es geht los!", zischte Li Se seinem Assistenten zu. "Wenn dir irgend etwas seltsam vorkommt, töte zuerst den Mann. Dann dürfte dem kleinen Wächter die Lust auf weitere Tricks vergehen."
Der alte Wäscher warf noch einen Blick auf die an der Wäschemangel festgebundene Gnomin und schritt dann mit festen Schritten die Treppe ins Erdgeschoss hinauf. Er betrat den Ladenraum und ging geradewegs zur Eingangstür. Kein Geräusch war zu hören. Er zögerte kurz, dann öffnete er die Tür...
"Hier bin ich", sagte Harry, mit einem großen Stapel Papier im Arm. "Wo sind meine Eltern?"

Septimus Ebel, der Gnom unten im Keller, wartete geduldig auf seinen Einsatz. Wie sie vermutet hatten, war einer der beiden auf Harrys Klingeln hin hochgegangen, aber der andere bei den beiden Geiseln geblieben. Noch ein kleines bisschen Geduld...
Hinter dem Wäschekorb und einem Karton mit Waschmittel versteckt blickte er in Richtung Tsu Dum, der seinerseits nervös zur Treppe schaute. Die Luft roch nach Seife - ob die wohl biologisch abbaubar war? Septimus bezweifelte das. Die beiden Kidnapper waren also auch noch Umweltverschmutzer, was auf gewisse Art gnau so schlimm war.

Harry trat mit den Akten in den Innenraum der Wäscherei und hielt sie nach oben. "Hier. Das ist alles, was wir an Informationen haben."
Li Se nahm die Mappe entgegen und legte sie auf den Tresen. "Wil welden sehen, kleinel Mann del umfangleichen Infolmationen. Wenn diese Papiele hilfleich sind, dann besteht noch Hoffnung fül Ihle Eltern... abel machen Sie bitte die Tül zu, ja?"
Während der Wäscher sich über die Papiere beugte, gab Harry der Tür einen Stoß, so dass sie wieder zufiel. Die Ladenglocke klingelte...

...und Septimus gab dem Waschpulver-Karton einen Stoß, so dass er umkippte und der Inhalt sich über den Boden des Waschkellers verteilte. Tsu Dum fuhr herum und starrte in die Richtung des Gnoms, der schnell wieder hinter dem Wäschekorb Deckung gefunden hatte.
"Wer ist da?", rief der Assistent in den Keller. "Keine Bewegung, oder die Gnome..."
Die Fledermaus, die durch den Eingang im Erdgeschoss geflogen war, als Li Se mit der Inspektion der Papiere begonnen hatte, tauchte ungesehen unter der Kellerdecke entlang und änderte noch in der Luft ihre Gestalt, so dass der Assistent, mit dem plötzlich im Keller aufgetauchten Gewicht von Valdimier van Varwald konfrontiert, zu Boden ging.

Li Ses Kopf fuhr ruckartig hoch. Was auch immer da unten gerade passiert war, es klang nicht gut. Diese Papiere, auf der anderen Seite... die waren gut. Viel zu gut, als dass es sich um kurzfristige Fälschungen handeln konnte. Mit einem Satz war er über den Gnom hinweg und stieß die Ausgangstür auf. Mit diesen Informationen brauchte er die Wäscherei nicht mehr. Was die Wache über die Yakuza wusste, war ausreichend, um ihm ein dauerhaftes Einkommen zu...
Der vermeintliche Bettler vor dem Eingang richtete sich mit Schwung auf, und der alte Wäscher spürte den schmerzhaften Hieb eines Standard-Stadtwache-Schlagstocks zwischen den Beinen. Mit Tränen in den Augen fiel er vornüber gekrümmt auf den Boden.

Vorsichtig band Valdimier die beiden benommenen Gnome los. "Geht es Ihnen gut?", fragte er.
"Wir... ich..." Harrys Mutter sah aus halb geöffneten Augen in seine Richtung. Offensichtlich war sie noch benommen, aber mit etwas frischer Luft würde sie bald wieder zu sich kommen.
"Alles in Ordnung, Sie sind in Sicherheit", beruhigte Sie der Vampir. "Ich bin ein Kollege von Ihrem Sohn."
"Von Moni?" Die Augen öffneten sich etwas weiter, während der Feldwebel die beiden Gnome aus dem Keller trug. "Ist er hier?"
"Ja, er wartet oben. Er... hat den Einsatz geleitet."
"Mein Moni..." Harrys Mutter lächelte. "Was ist mit dem Patrizier und den anderen Persönlichkeiten? Geht es denen gut?"
"Der Pa- oh ja, natürlich. Dank dem Einsatz Ihres Sohnes haben die rechtzeitig erfahren, dass das hier eine Falle war, und sind gar nicht erst zu diesem Treffen gekommen." Der Vampir versuchte vergebens, sich ein Grinsen zu verkneifen. Dafür schuldete Harry ihnen etwas - und das nicht zu knapp.


Mittwärtiges Tor, 28. Gruni, 10:38

"Und schreib uns bald wieder - oder noch besser, komm uns endlich mal besuchen, ja? Anneliese würde sich riiiiiesig darüber freuen. Und wir natürlich auch, stimmt es nicht, Rasmus?"
"Ja, Liebes", nickte Harrys Vater. Sie standen bei der Kutschenstation des mittwärtigen Tores, und das Gepäck von Harrys Eltern war bereits in das Reisezimmer verladen worden[5], das bezugsbereit vor der Kutsche stand.
"Ja, Mutter", erwiderte Harry. "Ich schreibe euch bald - versprochen. Schade, dass ihr schon wieder abreisen müsst." Verwundert stellte er fest, dass er das auch wirklich meinte. In den letzten beiden Tagen hatte die Anwesenheit seiner Eltern ihm richtiggehend Spaß gemacht. Sicher, seine Mutter redete ohne Unterlass, in seiner Puppenstube stand kein Möbelstück mehr da, wo es einmal gestanden hatte, und die guten Ratschläge, die sie ihm gegeben hatte, reichten aus, um gleich ein halbes Dutzend Almanache zu füllen, aber nichtsdestotrotz... irgendwie würden ihm die beiden fehlen.
Seine Mutter drückte ihn an sich und gab ihm links und rechts einen schmatzenden Kuss auf die Wange. "Pass gut auf dich auf, Moni - und vielleicht klappt es ja beim nächsten Besuch, dass wir endlich mal deinen Freund, den Patrizier treffen können, was meinst du?"
"Ich... öh... ja, bestimmt. Ich werde sehen, was sich machen lässt."
"Wer weiß, vielleicht hast du ja bis dahin wirklich mal einen Drachen oder ein Tentakelmonster besiegt, was meinst du?"
"Ja, viel... Was?"
"Jetzt schau nicht so entgeistert. Das war ja herzallerliebst, wie deine Kollegen die ganzen letzten Tage mitgespielt haben, aber glaubst du wirklich, dass du deine alte Mutter anschwindeln kannst?"
Harry wurde purpurrot. "B... b...", stammelte er.
Seine Mutter lächelte breit. "Ich habe doch immer gesagt, dass diese Abenteuergeschichten nicht gut für dich sind. Du dachtest wohl, wenn du nicht als Wächter mindestens so viel erreichst wie dieser Freddy, könnten wir nicht stolz auf dich sein, wie?"
Der Gnom schwieg, und das Grinsen seiner Mutter wurde noch breiter. "Och, Moni. Das war mir immer klar, dass deine Geschichten ein bisschen übertrieben sein mussten. Und spätestens nach der Sache in der Wäscherei war ich mir da ganz sicher. Jetzt schau doch nicht so! Wir sind doch trotzdem stolz auf dich, stimmt es nicht, Rasmus?"
"Ganz bestimmt, Liebes." Harrys Vater nickte entschieden.
"Siehst du? Du bist ein hochrangiger Wächter, du hast sicher schon einige Erfolge gehabt, und du bist beliebt genug bei deinen Kollegen, dass sie alle einige Tage lang für dich so tun, als wärst du der wichtigste Wächter der Wache. Das ist doch ein sicheres Zeichen, dass diese Schundromane dich nicht völlig verdorben haben, oder etwa nicht? Also können wir doch zu recht stolz auf dich sein."
Sie breitete ihre Arme aus und Harry ließ sich bereitwillig umarmen. Er spürte, wie ihm die Augen feucht wurden. "Danke, Mama", murmelte er.
"Na schau. Du brauchst keine haarsträubenden Geschichten von Tentakelwesen in der Kanalisation oder von in Alpträumen hausenden Schreckgespenstern, damit wir dich mögen."
"Aber... aber die beiden Geschichten waren wirklich wahr!"
"Tsss. Jetzt ist langsam mal gut, ja?" Seine Mutter gab ihm noch einen dicken Schmatzer auf die Wange.
"'tschuldigung, aber dauert das noch lange?", unterbrach sie der Kutscher. "Ich muss langsam mal los."
"Einen Moment!" Harrys Mutter drückte ihren Sohn noch mal fest an sich. "Pass auf dich auf, ja?", wiederholte sie noch einmal. "Und wenn wir wieder zu Hause sind, dann..." Sie unterbrach sich und zog ein kleines, rechteckiges Stück Papier aus ihrer Handtasche. "Jetzt hätte ich das hier fast vergessen! Hier, das ist ein Bild von uns beiden und Anneliese, von Tante Ingeborgs Geburtstag. Ich hatte der Anneliese versprochen, dass ich dir das noch gebe. Du besuchst uns doch bald mal, hoffe ich? Wir würden uns alle sehr freuen." Sie drückte ihm die Ikonographie in die Hand, dann wandte sie sich ab und bestieg mit ihrem Mann das Reisezimmer, das vom Kutscher vorsichtig in das Gepäckfach der Kutsche gehoben wurde. Nachdem seine Passagiere sicher verstaut waren, stieg der Kutscher auf den Kutschbock, und der Wagen setzte sich langsam in Bewegung.
Harry schaute ihnen noch eine ganze Weile nach. Dann schaute er auf die Ikonographie, und von dort wieder zu dem Stadttor, durch das die Kutsche verschwunden war. Ja, er musste seine Eltern wirklich bald mal besuchen.
[1] Dass es sich um Silberfischchen handelte, störte den Eindruck etwas

[2] Es gab mehrere Götter, die sich für diesen Bereich zuständig fühlten, aber Stan war von ihnen allen nach eigener Aussage der mit Abstand fähigste, zuverlässigste und allgemein beste

[3] eine Näherin, die aus unerfindlichen Gründen Gefallen an Harry gefunden hatte, ihn "total süüüüüüüüüüüß!" fand und ihm immer mal wieder lieb gemeinte, aber kaum tragbare Puppenkleidung schenkte

[4] Chaos, Mangel an weiblicher Gegenwart (insbesondere solcher namens Anneliese), und seine Auswahl an Lektüre (ein Freddy-Frettchentöter-Buch hatte noch unter einem der Stühle gelegen, und seine Mutter hatte sich eine halbe Stunde über angebliche Schundromane ausgelassen - und dass Anneliese ihn sicher gerne mit wertvollerer Literatur vertraut machen würde)

[5] Das Reisezimmer für Gnome war eine Erfindung geschäftstüchtiger Kutscher - ein Gnom, der eine Reise antrat, konnte ein gemütlich eingerichtetes Pappkarton-großes Zimmer mieten, das mit diversen Annehmlichkeiten für längere Reisen ausgestattet war.

Zählt als Patch-Mission für den Terrier-Patch.



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Feedback:

Von Braggasch Goldwart

14.09.2009 18:26

Hervorragend! Du hast genau die richtige Mischung zwischen Spannung und Humor gefunden - und dabei noch einen großzügigen Blick auf Harrys Innenleben erlaubt. Hi und da hat sich ein kleiner Fehler eingemogelt, aber im Gesamtwerk betrachtet sind die verschwindend gering. Bin übrigens ein großer Fan des "General des Bergfrühlungs". :D

Von Sebulon, Sohn des Samax

14.09.2009 18:26

Aus meiner Sicht eine tolle Geschichte, die sich super liest.Trotzdem wäre ich über nen Zweitkorrektor froh, der Tippfehler und den einen oder anderen Formatierungsfehler beseitigt.Übrigens hab ich ne ganze Weile gebraucht, um rauszufinden, dass das jeweilige Datum nicht zum Brief gehört, sondern der Brief je eingeschoben ist. Da wäre ich für mehr Eindeutigkeit dankbar gewesen.

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