Was wie ein normaler Ermittlungsfall in der Narrengilde beginnt, schlägt schlagartig zu einer tödlichen Reise.
[23:26] Harmony4172: wann spielt diese single? ^^
[23:26] neuerDaemon: *g*
[23:26] neuerDaemon: damals
[23:26] Harmony4172: ah ^^
Dafür vergebene Note: 13
There's a place right where blue sky is torn by dark clouds. Where sunshine ends and the storm begins. In this ragged line of deadly darkness, where lifebringing rain becomes a storm destroying crops, villages, humans, in this border between being and was, lies a secret, placed there by the Ancient, who now are called Gods. To find the secret one has to travel to where the line fills the full length of the horizont, into a land of storms, of tortured soil, to people whose tribes know nothing but the cruelty of that line, which they call the Câva Nâtra, the den of snakes.
Nur ein Schritt. Viele Meter unter ihm bewegte sich träg und massig der Ankh. Eiskalter Wind umstob ihn, harte Schneekristalle stachen in die raue, gerötete Haut seines Gesichts. Dunkelheit war um ihn, vor ihm, unter ihm. Der Sturm wurde heftiger, sein Mantel flatterte, die Laternen waren längst ausgeblasen. Die Brüstung hinter ihm war schneebedeckt, der schmale Sims, auf dem er noch stand, glatt und eisig. Nur ein Schritt. Diese Nacht, grausam mit Frost die Steine brechend, reißend mit blinden Armen die letzte Wärme raubend, war es nun. Er sah nach unten, flüsterte etwas und die Nacht endete.
Es gibt einen Ort gerade dort, wo blauer Himmel von dunklen Wolken zerrissen wird. Wo Sonnenschein endet und der Sturm beginnt. In dieser ausgerissenen Linie tödlicher Dunkelheit, in der lebensbringender Regen zum Sturm wird, der Ernten, Dörfer, Menschen zerstört, in dieser Grenze zwischen Sein und Gewesen, liegt ein Geheimnis, dorthin gesetzt von den Alten, welche heute Götter genannt werden. Um das Geheimnis zu finden, muss man dorthin reisen, wo diese Linie den gesamten Horizont füllt, in ein Land der Stürme, der gemarterten Erde, zu einem Volk dessen Stämme nichts anderes kennen, als die Grausamkeit dieser Linie, die es Câva Nâtra nennt, die Schlangenhöhle.
Das Boucherie Rouge lag im kalten, kraftlosen Sonnenschein des Wintermorgens. Dicke Wolken stiegen vor dem Mund der kleinen Frau auf, die bibbernd über die Dachterrasse der Dienststelle huschte und die wackelnde Außentreppe hinunterstieg. Ihr langes, rotes Haare war leicht feucht und schickte sich bereits jetzt an, zu gefrieren. Die kleine, noch geschlossene Blüte in mitten der dichten Locken disharmonierte beinahe schmerzhaft mit dem Farbton der Haare. Dalja Blecher öffnete die Tür zum ersten Obergeschoß und betrat schnell den Flur. Sie knallte die Tür zu und fröstelte. Sie stapfte den Gang herunter, bog um die Ecke und stieß die letzte Tür auf. Hatscha al Nasa schaute überrascht auf, als die Gefreite in ihr Büro trat.
"Warum genau", begann die Eintretende. "Ist es meine Aufgabe, die Nachrichtenanlage zu überwachen, wenn wir einen Telekommunikationsexperten in der Abteilung haben?" Sie schauderte ein letztes Mal und ließ sich dann auf den freien Stuhl fallen. Hatscha seufzte.
"Dalja. Ich habe das doch schon oft erkl-"
"Ja, ja", unterbrach die andere Wächterin. "Bruder Laudes ist nicht geeignet. Unfähig. Vertrottelt." Sie winkte ab. "Und deswegen muss ich bei dieser Kälte aufs Dach klettern und die Tauben vom First holen und ihnen die Nachrichten abnehmen", sie knallte eine kleine Metallröhre auf den Schreibtisch. "Aber das eine sage ich dir-"
"Wie wäre es", unterbrach dieses Mal die stellvertretende Abteilungsleiterin. "Wenn du das alles dem Hauptmann erzählst?" Dalja zuckte zusammen und sah den Chief-Korporal dann mit großen Augen an.
"Dem Hauptmann?", fragte sie. "Du meinst- du meinst dem Abteilungsleiter? Er ist hier?" Hatscha schob ihr langsam die Nachrichtenkapsel über den Schreibtisch zu.
"Er ist heute Morgen pünktlich zum Dienst erschienen und hat seine Arbeit aufgenommen. Mittlerweile dürfte es recht warm in seinem Büro sein. Geh nur rüber und beschwer dich bei ihm direkt."
Hauptmann Daemon Llanddcairfyn, Abteilungsleiter der Dienststelle zur Observierung von Gildenangelegenheiten und Gildenexperte, warf einen weiteren, Monate alten Bericht in den Kamin, das Feuer wurde kurz heller und heißer und fiel dann zurück in ein zögerliches Lodern. Die Hälfte des Schreibtischs war bereits von den liegengebliebenen Akten langer Abwesenheit befreit, nun hieß es etwas selektiver vorgehen. Er hatte stets darauf geachtet, aktuelle Akten zunächst noch in seinem Büro zu behalten, falls er vom Kommandeur gefragt würde, was gerade so anliege. Vor einigen Jahren hatte er einen Fall von Taschendiebstählen in der Gilde der Brokatweber dem Kommandeur gegenüber zur Hälfte erfinden müssen, während zwischen den Deckeln der Akte zum Fall, aus der er vorlas, lediglich leere Blätter lagen. Der Hauptmann griff nach einem dicken Bündel, das einige Minuten Wärme versprach. Die Abhandlung beschrieb eine aufwendige Observierung, die Harry bei den Brüdern langhalsiger Schwanenverehrer durchgeführt hatte. Minutiös hatte der Gnom die Gesänge und Rituale der Gruppe dokumentiert, deren Ergebnis war, dass die meisten Mitglieder die Sinnlosigkeit des Unterfangens einsahen und sich die Bruderschaft auflöste. Zufrieden brummte der Offizier und wandte sich zum Kamin, als es an der Tür klopfte. Schnell schlug Daemon die Akte auf und murmelte ein Herein, um gleich darauf in ein leises Flüstern zu verfallen, sich selbst das Protokoll vorlesend. Dalja Blecher betrat vorsichtig den Raum.
"großer Schwan mit langem Halse: Führe uns und sei uns Vierzehn Uhr Siebenunddreißig nah. Damit wir", er wandte sich wie sinnend um und sah auf. "Ah, Gefreite Wellblech. Schöne Blume." Die Wächterin sah ihren Abteilungsleiter fassungslos an. Mehrere Gedanken schossen ihr durch den Kopf. Der ist ja wirklich da. Ich heiße nicht Wellblech! Natürlich ist es eine schöne Blume, ich trage sie jeden Freitag. Das hättest du schon längst bemerken können, wenn du mal da gewesen wärst. Was sie sagte war:
"Langer Hals?", ihre Hand fuhr unwillkürlich an ihre Kehle.
"Nicht weiter wichtig", winkte der Hauptmann ab und setzte sich hinter den großen Schreibtisch. "Wie kann ich dir weiterhelfen?" Die Gefreite war noch immer verwirrt. Plötzlich schien es ihr ziemlich vermessen, sich bei dem eigentlich unbekannten Abteilungsleiter über so etwas Banales zu beschweren, wie ein morgendlicher Aufstieg auf die Dachterrasse. Seit ihrer Beförderung durch Kommandeur Breguyar hatte sie keinem so hohen Offizier mehr gegenüber gestanden. Wo hatte sie sich da nur reingeritten?
"Wichtige Taubennachricht!", rief sie auf, warf die Kapsel stürmisch in Daemons Richtung und rannte aus dem Büro. Der Offizier sah ihr stutzig hinterher und zuckte mit den Schultern.
"Na, wenn's wichtig ist", brummte er und öffnete die Metallröhre.
Die Narrengilde. Ein trauriger Ort, an dem es, was man auch immer glaubte, wenig zu lachen gab. Das Leben eines Narren war sehr ernst und die strengen Regeln der Gilde machten es nicht gerade einfacher, ohne Strafen und Züchtigungen durch die Ausbildung zu kommen. Die jungen Männer wurden hinter den dicken Mauern von den Freuden der Jugend weggeschlossen mit einem Haufen erbitterter, alter Männer, denen das Selbe widerfahren war. Ein dickes Regelwerk bestimmte genau, welcher Witz wann und wie erzählt werden durfte, welche Lachnummer zu welcher Gelegenheit angemessen war. Bei diesen Zuständen konnte es nicht verwundern, wenn einer von ihnen die Nerven verlor. Daemon brummte, als er über eine weitere Blutpfütze stieg und zum Spurensicherer trat.
"Wir haben bis jetzt drei Opfer und den Täter selbst gefunden", begann Magane, ohne sich nach ihm umzusehen und drehte ächzend die vor ihr liegende Leiche herum. "Aber Herr Weißgesicht sagte, dass mindestens ein Clown noch vermisst wird", sie stand schnell auf und wich vor der sich schnell ausbreitenden Blutlache zurück, die sich aus der Wunde der Leiche ergoss. "So eine Sauerei", fluchte sie und wandte sich um.
"Ach du bist da", rief sie erstaunt aus. "Na dann müsst ihr die Sache ja sehr ernst nehmen."
"Was ist passiert?", fragte der Hauptmann, ohne weiter auf die Anspielung des Korporals einzugehen. Magane deutete auf die Leiche und den leblosen Körper eines jungen Mannes, der in der Nähe an der Wand zusammengesackt saß.
"Tommi Flink. Ein Schüler der Gilde. Netter Junge, gute Noten im Tortenwerfen und Trampolinspringen sagen die anderen", sie stieg über die auslaufende Leiche und hob die starre Hand des jungen Mannes. Darin wurde ein langes Messer sichtbar. Am Ende des Knaufs war ein lachendes Clownsgesicht angebracht.
"Heute Morgen beim Zubereiten des Fröhlichen Löffelbiskuits entschied er sich offenbar die Karriere als Narr an den Nagel zu hängen und es als Metzger zu versuchen. Er kam durch das halbe Gebäude, erwischte mehrere Schüler und einen Lehrer bis er sich hier das Messer selbst drei Mal in die Brust rammte."
"Er hat sich die Klinge drei Mal selbst in die Brust gestoßen?", fragte der Offizier ungläubig. "Wie ist das möglich?"
"Das werden wir herausfinden", erklärte die Tatortwächterin. "Unsere Gerichtsmediziner sind schon sehr gespannt."
"Sehr gute Vorarbeit", bemerkte Daemon. "Es scheint kaum etwas für mich zu tun zu sein, außer auf eure Ergebnisse zu warten. Da kann man sich als Gildenexperte in aller Ruhe zurücklehnen und- Fass das nicht an!" Er stolperte schnell zu ihr und griff nach ihrem Handgelenk. Maganes Hand schwebte kurz vor einem Strick, der in den Raum hinein hing. Erschrocken sah die junge Frau den Offizier an.
"Eine Tortenfalle", hauchte der leise mit einem Blick zur Decke und führte die Hand der Wächterin ganz langsam weg von dem Seil. Er schob Magane langsam an die Wand hinter ihr, wobei sie auf die lange, blutige Klinge trat, und stieß dann leicht an den Strick. Krachend öffnete sich eine Luke in der Decke und in einem rot-cremefarbenden Schwall stürzte eine mit einer großen Menge Tortenmasse verklebte Leiche in den Raum und knallte schmatzend auf den Boden.
"H'", machte Magane. "Da ist der fehlende Clown also."
"Meine Schminke ist getrocknet und es blättert mir von Kinn", Avalania sang leise vor sich hin, als sie die Leiche des Täters mit einer großen Schere öffnete. "Ich ersauf meine Sorgen in Whisky und Gin." Erst querverlaufendes Gewebe, die Zwergin griff zum Skalpell. "Die Peitsche des Dompteurs knallt niemals mehr", dann längsverlaufende Muskeln. Die Gerichtsmedizinerin machte einen langen Schnitt. "Die Löwen grollen nicht und sie grämen sich sehr."
Avalania musste ein wenig kräftiger ziehen, um den Brustkorb ganz zu öffnen. Sie hatte bereits die Wunden der Messereinstiche gesichtet, bevor sie an die innere Untersuchung gegangen war. Tatsächlich stimmten die Winkel, um die Aussagen zu bestätigen, dass Tommi Flink sich die tödlichen Verletzungen selbst zugefügt hatte. Die Tiefe der Einstiche ließ jedoch darauf schließen, dass dabei eine ganz beträchtliche Kraft aufgewendet worden war. Bei allen drei Stößen.
"Jetzt sind alle still und sie kommen zu schau'n", summte Avalania weiter und griff vorsichtig in den Körper. "Hebt eure Gläser auf den Tod eines Clown." Sie hob die beiden Lungenflügel heraus und legte sie auf eine Schale. Vorsichtig schnitt sie das Organ auseinander. "Laaalala, lalala, lalalah", machte sie und stutzte plötzlich. "Was ist denn das?", fragte sie und legte den Kopf auf die Seite.
Herr Weißgesicht war ein bitterer Mann. Er sah den Wächter durch sein weißes Makeup mit kalten Augen an. Daemon hätte lieber Lord Witwenmacher und Herrn Schräg gleichzeitig gegenüber gesessen, als in diesem dunklen Büro mit den Gemälden berühmter Clowns an den Wänden zu sein.
"Tommi Flink", sagte der Gildenboss langsam und betont. "War ein guter Schüler. Stets pünktlich, stets in - korrekter Weise gekleidet. Er lernte seine Witze gut."
Der Hauptmann nickte langsam und wartete. Eine Stille entstand.
"Gibt es mehr über ihn zu wissen?", fragte der Llamedône schließlich. "Seine Familie? Hatte er Freunde in der Gilde?" Herr Weißgesicht sah ihn ruhig an.
"Freundschaften sind in unserer Gilde - selten. Und was eine Familie angeht", der Narr sah den Wächter kalt an. "Die Gilde war Tommi Flinks Familie." Das Gespräch ging noch ein paar Minuten in ähnlicher Weise weiter. Tommi Flink hatte weder zu Lehrern noch Mitschülern engeren Kontakt, war nie auffällig gewesen und in der letzten Stunde seines Lebens hatte er an einem Backunterricht teilgenommen, in dem klassische Clowngebäcke zubereitet wurden.
Avalania zupfte winzige Krümel von den klebrigen Bronchien und ließ sie auf eine Schale fallen. Als sie ein kleines Häufchen zusammenhatte, trug sie die Schale zum Fenster und nahm eine Lupe zur Hand. Die Krümel sahen aus wie kleingeriebene Blätter, fast wie eine Teemischung.
"Wie kommt das in seine Lungen?", sie roch vorsichtig daran. Trotz der anderen Gerüche in der Gerichtsmedizin war so nah an der Schale ein würziger Geruch wahrzunehmen. "Hat er das Zeug eingeatmet?" Die Gerichtsmedizinerin untersuchte die Krümel eine Zeit lang. Es schien sich um eine Mischung unterschiedlicher Kräuter zu handeln, nicht alle konnte sie identifizieren. Schließlich griff sie zum Skalpell und schnitt tief in die Kehle des toten Amokläufers. Avalania nickte und schrieb ihre Entdeckung in den Bericht.
"Der Tote hat im Rachenraum sowie im gesamten Respirationstrakt Rückstände der unten beschriebenen Substanz. Die ansonsten zusammengezogenen Bronchien lassen auf ein Einatmen der Substanz schließen. Ob dieses unter Gewaltanwendung oder freiwillig geschah, ist bisher nicht feststellbar. Einige der Rückstände sind schwarz verfärbt, was auf eine Inhalation mit eine Pfeife oder ähnlichem schließen lässt, welche die Mischung nicht vollständig verbrannt hat. Dass die Krümel zum Teil sehr heiß inhaliert wurden stützen ebenfalls Verbrennungen im Rachen. Die Zusammensetzung der Rückstände lässt keine direkten Rückschlüsse auf ihre Wirkung im Metabolismus zu. Die bisher identifizierten Substanzen dienen im Allgemeinen der Bewusstseinserweiterung, es gibt jedoch eine Reihe noch unbekannter Teile der Zusammensetzung, die diese Wirkung beeinflussen können."
Hauptmann Daemon Llanddcairfyn verließ die Narrengilde. Regenwolken zogen finster auf. Er blieb eine Weile still auf der Straße stehen. Bürger hasteten an ihm vorbei, suchten einen Unterstand. Langsam schlug er den Kragen hoch, als der das erste Donnergrollen über die Ebene auf die Stadt zurollte und krachend das Unwetter von einer Wahrscheinlichkeit zu einer Bestimmtheit machte. Der Bericht der Gerichtsmedizinerin und die darauf folgende Unterhaltung mit Herrn Weißgesicht hatten zunächst in einer Sackgasse geendet. Natürlich hatte sich das Gildenoberhaupt in keinster Weise zu irgendwelchem Drogenkonsum unter seinen Schülern geäußert. Und selbstverständlich war es nicht möglich gewesen, einen Blick in die Zelle des jungen Flink zu werfen. Aber wenn Drogen im Spiel waren, wusste der Wächter genau, zu wem er gehen musste. Beziehungsweise, wer wahrscheinlich schon auf dem Weg zu ihm war. Das Zischen kam aus der Gasse links von ihm, als die ersten, fetten Regentropfen auf die Straße platschten. Dieses Unwetter würde sich nicht mit einem einleitenden Regen aufhalten. Es würde über die Stadt herfallen und sie durchtränken, ihre Straßen unter Wasser setzen und den Dreck fortspülen. Daemon trat in die enge Gasse. Die Häuser neigten sich so stark aufeinander zu, dass es möglich war, hier einigermaßen trocken davon zu kommen. Der Wächter sah in die Düsternis. Es war nicht sein üblicher Kontakt, der ihn aufgesucht hatte. Der kleine, dürre Junge in dem dreckigen, abgerissenen Hemd sah ihn mit großen, aus dem schmutzigen Gesicht herausquellenden Augen an. Vorsichtig geduckt stand er vor ihm und zuckte zusammen, als ein weiterer Donnerschlag grollte.
"Wer bist du?", fragte der Offizier.
"Bist du der Hauptmann?", der Junge wich etwas zurück. Daemon nickte.
"Der bin ich. Schickt dich ein gemeinsamer Freund?" Der kleine Schmuggler lächelte erleichtert.
"Ja, ja", bestätigte er. "Ich soll dir von ihm etwas sagen." Der Hauptmann sah ihn erwartungsvoll an. Der Schmuggler räusperte sich.
"Er sagt: Lass die Finger davon", der Junge wich weiter zurück. Regen prasselte laut um sie herum, es wurde dunkler.
"Das ist ja", Daemon schnellte vor, griff den Kragen des Schmugglers und riß ihn zu sich. "Und jetzt sag mir, was du weißt." Der andere quiekte.
"Nichts. Ich weiß gar nicht. Ist eine gefährliche Sache. Besser, wenn man nichts weiß", er zappelte und versuchte sich los zu machen. Daemon seufzte und drückte den Jungen an die Hauswand, an der in Strömen das kalte Regenwasser herablief. Der Schmuggler fing an zu zittern und rang vergeblich mit dem Arm des Wächters.
"Was genau weißt du nicht?", fragte Daemon düster. Der Junge seufzte und gab den Widerstand auf. Zitternd sah er auf und flüsterte.
"Nur einen Namen. Wirklich. Mehr weiß ich nicht", er schluckte. Eiskaltes Wasser rann seinen Rücken herab, die Kälte der Wand schien ihm alle Wärme zu rauben. Regen und Tränen verwischten den Schmutz auf seinem Gesicht. "Es ist schon gefährlich, den Namen zu wissen", lamentierte er und schluckte noch einmal. "Ich weiß nicht, ob es eine Sache oder ein Ort oder ein Mann ist." Daemon sah ihn ausdruckslos an. Der Junge nickte und sagte schließlich.
"Câva Nâtra."
Der Junge hatte sich losgerissen und war in die Schwärze des Unwetters geflohen. Der Wächter sah ihm bedauernd hinterher. Es tat ihm leid, den Kleinen so behandelt zu haben. Fast so leid, wie die Tatsache, dass seine Information zunächst völlig wertlos war. Zwei Worte einer ihm unbekannten Sprache. Er sah sich schon Stunden in Bibliotheken und Archiven verbringen, bis er überhaupt eine Ahnung hatte, um welche Sprache es sich handelte. Er schloss seinen Mantel und trat auf die dichte Regenwand am Ende der Gasse zu. Direkt vor ihm bauten sich zwei Männer auf.
"Willkommen im Club", sagte eine Stimme nah an seinem Ohr. Dann wurde es schwarz.
Daemon wachte auf um gleich darauf einen Hustenanfall zu erleiden. Dicker Rauch wurde ihm entgegen geblasen. Als er wieder zu Atem kam, konnten seinen tränenden Augen einen Gestalt ausmachen, die ihm gegenüber in dem dunklen Raum stand. Der Boden unter ihm war dreckig, bestand jedoch auch aus großen, verlegten Steinplatten, und sein Husten hatte ein vages Echo hervorgerufen. Er schien sich in einer Art Halle zu befinden. Licht fiel in langen Strahlen durch Löcher in der hohen Decke und bildete feine Lichtsäulen im Rauch.
"Schön, dass du es geschafft hast, zu uns zu kommen", sagte der Mann vor ihm lakonisch. Er zog an einer Pfeife und blies weiteren Rauch in den Raum. "Wir wollten dir eine lange Suche ersparen. Deshalb hielten wir es für angebracht, dich sofort darauf zu bringen, was dem armen Clown passiert ist." Der Wächter rappelte sich auf und griff an seinen Gürtel. Messer und Pistolenarmbrust waren noch vorhanden, nicht, dass ihm letztere etwas genützt hätte, ungespannt und ungeladen im Holster unter seinem Mantel. Langsam löste er die Schnalle um den Griff des Messers.
"Herr Flink hat bedauerlicherweise eine überhöhte Dosis eines von uns eingeführten Mittels eingenommen", er nahm einen weiteren Zug aus der Pfeife und grinste den Wächter an, während er ihm wieder Rauch entgegen blies. Daemon blinzelte und schwankte etwas, warum erzählte der Mann ihm das alles? Wieso hatte er seine Waffen noch? "In geeigneter Menge führt es zur Bewusstseinserweiterung, Flink hingegen-", der Tabak in der Pfeife glühte rot auf und beschien das breite Gesicht des Sprechenden, während der Wächter unter seinem Mantel das Messer herauszog. "Wenn man unseren kleinen Import gut zerstößt und ordentlich anzündet, ist er relativ ungefährlich. Kritisch wird es erst, wenn ein unerfahrener Raucher zu heftig am Pfeifchen zieht und das Kraut nicht genug verbrannt hat." Daemon zog das Messer ganz und richtete es schwankend auf seinen Gegenüber. Doch der ging langsam auf ihn zu, die Pfeife im Mundwinkel, und streife den ausgestreckten Arm des Wächters langsam zu Seite. Wehrlos ließ der Hauptmann es geschehen und sah, wie neben dem Sprecher ein kleiner, schlaksiger Mann mit nervösem Blick auftauchte und einen kompliziert anmutende Apparatur heranschleppte. Über einem kleinen Kohlefeuer stand auf einem Gestell eine Art geschlossener Kessel, aus dem ein Schlauch führte. Dicker Rauch quoll aus dem Ende des Schlauchs, der ungewöhnlich aufgestülpt und weit war.
"Natürlich wäre es sehr unschön, wenn dieser gefährliche Aspekt unserer Einnahmequelle publik würde", fuhr der Mann fort und nahm dem Wächter langsam das Messer aus der Hand, ließ es fallen und griff ihm in den Nacken. Der Kleine hatte das Gestell ganz an die beiden herangeschleppt und verschwand schnell wieder im Dunkel der Halle. Der Sprecher nahm das qualmende Ende des Schlauchs und setzte des dem Wächter auf Nase und Mund. "Wir müssen daher jede Ermittlung in diese Richtung unterbinden." Daemon riss die Augen auf. Er hob kraftlos die Arme, versucht die Maske auf seinem Gesicht wegdrückten, doch der Griff des Manns hielt ihn fest. Matt lag die Hand des Offiziers auf dem Handgelenk des anderen. Die kleinen Augen des Mannes sahen ihm ausdruckslos in seine. Der Wächter begann zu zittern und verkrampfte jeden Muskel, als er schließlich tief und kräftig einatmete, den Rauch des Kessels in sich sog. Er spürte, wie der Rauch sich beißend in seine Lungen setzte, glühende Krümel sich heiß durch seine Kehle brannten, dann verlor er das Bewusstsein.
Sie lebte gerne hier. Im Inneren dieses Gebäudes war es warm, sicher, gemütlich. Sie wurde gehalten, versorgt. Man schmeichelte ihr, man las ihr jeden Wunsch von den Augen ab und bei alle dem war es kein eitler Schein, kein Heischen nach Aufstieg. Alles, was für sie geschah, geschah aus Liebe und Verehrung. Die kleine Kammer, die sie gern bewohnte, war weich und warm. Sie konnte kommen und gehen, wann sie wollte, war sich stets sicher, dass ihr die Tür immer offen stehen würde, sei es um für kurze Zeit das Gebäude zu verlassen, oder um zurück zu kehren, mit Gedanken, Erschöpfung, Trauer oder frohen Geschichten, um wieder dort sein zu können, gehalten zu werden. Sie wusste, dass es andere Kammern gab, andere Bewohner. Ein paar davon kannte sie, andere nicht. Sie sprachen in dem Gebäude nicht miteinander und außerhalb ging es um viele Dinge, doch nur sehr selten darum, dass sie dort gemeinsam wohnten. Und all das für eine kleine Bedingung. Dass sie niemals durch die kleine Tür am Ende des Ganges ging, nicht einmal daran denken würde, sie zu öffnen, um zu sehen, was dahinter lag. Welch lächerlich kleine Einschränkung.Daemon erwachte im Schlamm und Dreck einer Gasse. Waffen und Geldbeutel fehlten ihm jetzt, doch das war weitaus wahrscheinlicher das Werk eines Straßenjungen, als der Bande von Entführern, denen er zum Opfer gefallen war. Langsam rappelte er sich auf und hustete kurz. Sein Mantel hatte sich vollgesaugt, sein Hemd war verdreckt und mit Flecken seines Speichels und seiner Galle besudelt. Schwankend hievte er sich auf alle viere, keuchte und stemmte sich auf die Knie. Die Gasse drehte sich um ihn. Er fiel auf den Rücken und schloß die Augen.
Es gibt einen Ort gerade dort, wo blauer Himmel von dunklen Wolken zerrissen wird. Wo Sonnenschein endet und der Sturm beginnt. In dieser ausgerissenen Linie tödlicher Dunkelheit, in der lebensbringender Regen zum Sturm wird, der Ernten, Dörfer, Menschen zerstört, in dieser Grenze zwischen Sein und Gewesen, liegt ein Geheimnis, dorthin gesetzt von den Alten, welche heute Götter genannt werden. Um das Geheimnis zu finden, muss man dorthin reisen, wo diese Linie den gesamten Horizont füllt, in ein Land der Stürme, der gemarterten Erde, zu einem Volk dessen Stämme nichts anderes kennen, als die Grausamkeit dieser Linie, die es Câva Nâtra nennt, die Schlangenhöhle.
Der alte Mann schwebte fallend durch das schwarze Wasser. Stimmen flüsterten um ihn herum. Luftblasen stiegen an ihm vorbei an die ferne Oberfläche. Ruhig lag er auf dem Rücken, spürte die Blasen seine Finger umspielen, daran vorbeigleiten, ihnen entfliehen und nach oben verschwinden. Er hielt die Augen geschlossen, bis er die Ebene erreicht hatte. Hart brannte die rote Sonne auf die hart gebackene Lehmfläche. Breite Risse durchbrachen den Boden, Gestrüpp war in der Ferne zu erkennen, wenn er die Hand hob, um die Augen gegen das grelle Licht abzuschirmen. Die Luft war trocken und schwer zu atmen. Und ihm gegenüber lag das Wesen, das ihn hierher gebracht hatte. Als flacher Hügel lag es schwer atmend und vom Staub der Ebene bedeckt eine Tagesreise von ihm entfernt in dem zerstörten, schwarz gebrannten Kreis, den es bei seiner Ankunft hatte entstehen lassen. Eine Tagesreise und dennoch konnte Grem jede Einzelheit des abscheulichen Leibs erkennen, sah wie sich der Brustkorb bei jedem weiteren, kranken, schmerzhaften Atemzug hob, sah den Speichel aus dem offenen Mund mit den ausgetrockneten Lippen und den zerstörten Zähnen laufen. Er konnte seine eigenen Gesichtszüge wiedererkennen und die Gesichter von jedem, der in die Fänge des Wesens geraten war. Er machte sich auf den Weg zur Höhle.Die langen, blonden Haare kitzelten sein Gesicht und Daemon erwachte. Über ihm schwebte das Gesicht eines Engels und unter seinem Kopf konnte er die Wärme ihrer Oberschenkel spüren. Ihre weißen Hände streichelten seine Wangen. Er schloss die Augen und atmete ihren Geruch von Honig und Salbei, der in deutlichem Kontrast zu den Gerüchten stand, den er von sich und seiner Kleidung her wahrnahm. Er atmete tief ein, als sie sich über ihn beugte und seine Stirn küsste.
"Sie legen die, die sie erwischt haben, immer in diese Gasse. Sie ist nicht weit von der Halle", sagte ihre leise, weiche Stimme und küsste ein weiteres Mal seine Stirn. Er sah sie an und bemerkte jetzt, dass in ihren blauen Augen weite Pupillen saßen und das Weiß von roten Strähnen durchzogen war. Tief in diesen Spiegeln sah er weit entfernt sich selbst und seine eigenen Augen, die ähnlich aussahen.
"Du weißt, wo sie sich verstecken?", fragte er mit rauer Stimme und wünschte sich, ihre Lippen wieder zu spüren. Sie streichelte stattdessen sacht seine Wange.
"Es würde keinen Sinn machen, jetzt dorthin zu gehen. Du bist krank, verletzt. Bald wird die Wirkung voll einsetzen. Du solltest hier bleiben. Ich passe auf Dich auf", sie nahm sacht eine seiner Hände, beugte sich dabei kurz über sein Gesicht. Der Hauptmann atmete ein weiteres Mal ihren Duft tief in sich. Das Mädchen griff neben ihn und begann, langsam ein Seil um sein Handgelenk zu wickeln.
"Mach Dir keine Sorgen", sagte sie leise. "Die ersten beiden Tage sind schlimm. Dann lässt es nach." Sie nahm seine andere Hand. "Ich passe auf dich auf", wiederholte sie. Ihr weicher Körper schloß ihn ein, ihr Duft betörte ihn, das Licht in ihren Haaren versprach ihm Sicherheit und Ehrlichkeit. Dennoch richtete er sich auf.
"Ich muss herausfinden, wer diese Männer sind und woher sie diese Droge bekommen", erklärte er. Er sah sie traurig an, spürte, dass er zurück in ihren Schoß wollte, und verließ die kleine Wohnung, in die sie ihn gebracht hatte.
Das Treffen zu organisieren war auch in seinem Zustand kein großes Problem gewesen und Freund Beuteltasche, einer der Unterbosse der Gilde der Schmuggler, Marodeure und Transporteure illegaler Waren, war in die leere Lagerhalle gekommen. Noch immer fielen helle Lichtbalken in die Finsternis und der Wächter ging davon aus, dass sich hinter den hellen Feldern die Helfer des Schmugglers versteckt hielten. Doch Beuteltasche erklärte ihm, dass sie allein seien.
"Diese Bande hat uns mehr oder weniger infiltriert. Wir werden schon mit ihnen zurecht kommen und sie wieder los werden, doch derzeit weiß ich nicht, wem ich trauen kann", der kleine Mann zuckte mit den Schultern. "Der Clown war ein bedauerlicher Zwischenfall. Wir wollten nicht, dass die Sache so öffentlich wird. Die Bande hat ihn sich geschnappt, als wir kurz nicht aufgepasst haben und ihm eine Überdosis verpasst haben. Wir wissen nicht, was sie damit erreichen wollten", Beuteltasche sah den Wächter an, der stumm ihm gegenüber stand. "Wenn du mich fragst, sind sie ein Rudel Tiere, die Spaß daran haben, andere mit dem Zeug abzufüllen um dann zu sehen, was passiert", er legte den Kopf schief. "So schweigsam heute, Hauptmann? Wie ungewöhnlich. Wie dem auch sei: Wir kümmern uns darum. Leg die Sache zu den Akten und in zwei, drei Wochen hat sich das alles erledigt. Schade wegen der Narren, aber was will man machen?" Der Schmuggler schwieg kurz, um dem Wächter Gelegenheit zu geben, etwas zu sagen. Stille entstand.
"Hör mal", versuchte es der kleine Mann noch einmal. "Ich will wirklich nicht, dass noch mehr passiert. Ein paar tote Narren sind schlimm genug. Wenn die Typen das nächste Mal einen von euch erwischen und wir einen Amoklauf im Wachhaus haben, sieht die Sache viel ernster aus." Daemon sah ihn kurz an. Dann brummte er kurz, jedoch nicht zustimmend und wandte sich ab. Langsam ging er zum Ausgang.
"Was suchst du, Hauptmann?", rief der Schmuggler ihm hinterher. "Dieses Zeug ist ein verdammtes Gift. Lass die Finger davon." Freund Beuteltasche ging einen Schritt vorwärts, zu dem Wächter, der stehen geblieben war. Das Licht flackerte über ihnen, harte Schatten zuckten über sie, durch die leere Halle. "Was willst du denn damit erreichen? Den Jungen machst du nicht damit lebendig, dass du dich umbringst. Es war ein Unfall, verstehst du? Niemand ist daran schuld!" Der kleine Schmuggler berührte Daemon von hinten an der Schulter. Der Hauptman rührte sich nicht. "Versteh doch. Niemand hat das gewollt. Wenn ich gewusst hätte, dass er es so übertreibt-" Der Wächter drehte sich um, blitzschnell sah Freund Beuteltasche im grellen, flackernden Licht das Gesicht, die wie toten Augen, die bleiche Haut. Er wollte zurückweichen, als er schon den Stahl spürte, der in ihn drang, seine Bauchdecke durchstieß und sein Inneres zerschnitt, spürte Blut und Sekrete sprudeln, den Schmerz zucken und sackte zusammen.
Das Blut klebte an ihm. Er schwankte durch leere Straßen, rutschte an Hauswänden entlang. Irgendwo verlor er den Dolch. Irgendwo taumelte er und viel in eine Pfütze. Als er die Wohnung erreichte, war sie leer. Die Seile lagen noch immer auf dem Bett, Abendlicht fiel in das kleine Zimmer. Auf dem Stuhl am Tisch in dem leeren Zimmer saß ein alter Mann.
"Grem", sagte Daemon. Der Alte nickte.
"Du siehst, man kann den Rauch atmen und dennoch ein hohes Alter erreichen", erklärte Grem. "Die Mischung ist der Weg zu einem Ort, den mein Volk seine ganze Geschichte lang sucht. Ein Weg durch die Wüste, die wir
Pérdidàta nennen", er seufzte. "Doch man muss sehr vorsichtig sein. Zuviel davon, zu oft davon, und der Geist erkennt das Ziel zu früh und verirrt sich in
Pérdidàta. Und die Wüste ist kein Ort, an dem man sich verirren sollte. Wahnsinn lauert dort", er sah den Wächter traurig an. "Du kannst nichts dafür. Es ist der Rauch, der in dir ist, der dich diese Dinge hat tun lassen." Er stand langsam auf und sah den Wächter aus roten Augen an. Friedlich legte er ihm die Hände auf die Schultern. "Ich werde dich durch die Wüste führen. Du musst die Höhle erreichen. Ich werde dich zu ihr führen."
Sie sah sich vorsichtig um. Der Flur war leer. Und er schien länger zu werden mit jedem Schritt, den sie auf die kleine Tür zuging. Sie schwankte leicht, stützte sich an der Wand ab und machte einen weiteren Schritt. Langsam näherte sich die Tür, wurde näher, aber kleiner. Schließlich stand sie davor. Kaum so hoch wie sie selbst war die Tür. Ein Messingknopf glänzte matt. Niemals darfst du durch diese Tür gehen. Sie griff langsam nach dem runden Knopf. LAutlos drehte er sich. Hitze ging plötzlich von den Rändern der Tür aus, hell glühte der Spalt auf, als sie sich langsam öffnete. Angelina wich nicht zurück, als die Tür aufschwang und sie in die Hölle starrte. Ein kurzer Balkon ragte in die rote, feuergefüllte Höhle, die sich zuckend und pulsierend vor ihr öffnete. Die Hitze war unvorstellbar. Heißer Wind knisterte an ihr vorbei, doch verletzte sie nicht. Das Feuer dieses Orts war nicht gemacht, um ihr zu schaden. Es war für jemand anderen bestimmt. Sie trat vor. Unter ihren Füßen öffnete sich der gähnende Schlund der Unterwelt und wieder pulsierten die gewaltigen, roten, feuchtglänzenden Wände der Hölle fern und langsam. Der rote Fluß zog an ihr vorbei und vor ihr in der heißen Luft, gefesselt mit glühenden Ketten, die in der Ferne gespannt verschwanden, hing er. Aus schmerzerfüllten Augen sah er zu ihr hinab, gemartert und geschlagen im Feuer, dass diesen Raum füllte. Angelina sah zu ihm auf und sah jeden einzelnen in ihm, den sie an das Bett gefesselt hatte.Die Wüste schien endlos. Der Alte, Grem, hatte ihn hierher geführt. Langsam hatte er den Wächter zum Bett geführt und als er dort lag, hatte der Alte eine Reihe Kräuter hervorgeholt und in einer kleinen Schale auf dem Tisch entzündet. Der harte Lehm knirschte unter seinen Stiefeln, als er über die aufgerissene, zerfurchte Ebene ging. Der Alte war voraus gegangen. Seine Stimme war bei ihm geblieben. Sie erzählte ihm von der langen Suche seines Volks, einer Suche nach Erkenntnis und einem Ende. Sie erzählte, dass Grem der letzte seines Stamms war, doch es andere gab, die die Suche fortführten. Die Droge war es, die den Weg aufzeigte, wenn man sie richtig anwendete. Zuviel jedoch zeigte sie den nicht vorbereiteten Augen zu früh und zu genau. Die Wüste musste durchschritten werden, bevor das Ende erreicht werden durfte. Niemand durfte die Câva Nâtra betreten, ohne Pérdidàta durchschritten zu haben, ohne ihre Prüfung bestanden zu haben. Viele hatten den Weg dutzende Male begonnen, bis sie die Höhle zum ersten Mal von weitem erkennen konnten.
"Doch du hast diese Versuche nicht", erklärte er. "Du hast den Weg bereits zu klar gesehen, um ihn jetzt nicht zu finden. Du gehst auf geradem Weg durch die Ebene des Verlusts, weil du den Pfad bereits kennst", erklärte er. "Ich hoffe, dass dir dies nicht zum Verhängnis wird. Die Câva Nâtra zu finden kann eine größere Prüfung sein, als ein Leben lang danach zu suchen."
Wolken zogen auf und hingen dunkel am Horizont über den roten Plateaus. Die Sonne sank. Hell glühte der Streifen Himmel zwischen Wolken und Bergen. Der Sturm kam.
Zeit verging.
"Begreifst du jetzt, was ich gemeint habe?", fragte der alte Mann und hielt sich am Mantelrevers seines Gegenübers fest, um vom Sturm nicht von dem kleinen Plateau getragen zu werden. "Die Câva Nâtra ist kein Ort auf dieser Welt. Du kannst eine Millionen Meilen gehen und wirst sie nicht erreichen.", Grem klopfte hart an die Stirn des Hauptmanns. "Die verdammte Schlangengrube ist da drin. In jedem von uns.", er würde von einem heftigen Windstoß erfasst und von dem Wächter weggeschleudert. Mit einem leisen Aufschrei fiel er auf den harten Boden, rollte und rutschte zur Kante der Ebene und fiel darüber. Daemon sah ihm teilnahmslos hinterher.
Daemon wachte in der kleinen Wohnung des Mädchens auf. Grem saß zusammengesackt auf dem Stuhl neben dem Bett. Er atmete nicht. Der Wächter schüttelte den Kopf. Das konnte nicht der Weg gewesen sein, von dem der Alte gesprochen hatte. Er sah zu dem Toten. Ein Lächeln lag auf dem leblosen Gesicht. Der Hauptmann stand auf und verließ das Gebäude.
Nur ein Schritt. Viele Meter unter ihm bewegte sich träg und massig der Ankh. Eiskalter Wind umstob ihn, harte Schneekristalle stachen in die raue, gerötete Haut seines Gesichts. Dunkelheit war um ihn, vor ihm, unter ihm. Der Sturm wurde heftiger, sein Mantel flatterte, die Laternen waren längst ausgeblasen. Die Brüstung hinter ihm war schneebedeckt, der schmale Sims, auf dem er noch stand, glatt und eisig. Nur ein Schritt. Diese Nacht, grausam mit Frost die Steine brechend, reißend mit blinden Armen die letzte Wärme raubend, war es nun. Er sah nach unten. Gesichter schwammen im langsamen Wasser unter den dichten Flocken. Manche erkannte er wieder, andere gingen stumm und mit geschlossenen Augen vor ihm unter, versanken in der eiskalten Finsternis des Flusses. Der Wächter flüsterte etwas und die Nacht endete.
Daemon wachte in der kleinen Wohnung des Mädchens auf. Seine Hand- und Fußgelenke waren gefesselt. Langsam beugte sich Angelina über ihn und sah ihm tief in die Augen. Zufrieden lächelte sie schließlich und begann, die Seile zu lösen.
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