Endlich war es achtzehn Uhr! Zu-arm-für-einen-Namen hatte sich schon den ganzen Tag vor lauter Aufregung in Ankh-Morpork rumgetrieben, ohne recht zu wissen, was er tun sollte, so aufgeregt war er. Heute war endlich der Tag, an dem er die Gedanken seines großen Vorbildes E. Manuel Kantholz in die Tat umsetzen konnte
[1]. Die letzte halbe Stunde war er schon vor dem Wachhaus in der Kröselstraße herumgelungert bis er enlich die Turmuhr achtzehn mal schlagen hörte. Er betrat die Wache, deren Tür glücklicherweise über eine Katzenklappe verfügte, und blickte sich um.
Wenn man den Raum betrat, stieß man direkt auf einen großen Tresen. Die rechte Seite war etwas niedriger, so dass auch Zwerge gesehen wurden und es gab eine Leiter, auf der Gnome auf den Tresen klettern konnten. Zu-arm-für-einen-Namen kletterte hoch und sah, dass drei Wächter an einem Tisch am anderen Ende des Raumes saßen und igendetwas schrieben. Einige Schritte von ihm entfernt entdeckte der Gnom eine Klingel und trat dagegen. Die Antwort der Klingel war ein schönes "Pling!". Die Wächter blickten von ihren Papieren auf und eine Menschenfrau kam auf ihn zu.
"Was kann ich für dich tun?" fragte sie.
"Ich bin Zu-arm-für-einen-Namen und möchte bitte Fähnrich Kanndra sprechen", antwortete er stolz, "Ich soll heute meine Grundausbildung beginnen!"
"Glum, sag doch bitte Kanndra Bescheid, dass der Gnom Zu-arm-für-einen-Namen da ist.", rief die Frau nach hinten
[2].
Einige Minuten später erschien eine große Frau und kam auf den Gnom zu. Sie führte ihn durch das Wachhaus in ihr Büro. Obwohl er eigentlich ein sehr gutes Orientierungsvermögen hatte
[3], verlor er schon nach wenigen von Kanndras Schritten die Orientierung, so aufgeregt war er.
Als sie schließlich in einem Büro halt machten, setzte sie sich auf ihren Bürostuhl. Mit einer Geste bot sie dem Gnom an, über den Stuhl auf den Schreibtisch zu klettern.
"Du bist also," sagte sie, " Zu-arm-für-einen-Namen. Das Bewerbungsgespräch hat ja Lance-Korporal Kathiopeja mit dir geführt. Was sie schreibt scheint ganz vielversprechend zu sein. Ich werde dich jetzt vereidigen. Von da an bist du Mitglied der Wache und hast mich fortan mit Ma'm anzureden. Ich werde dir in allen Etappen deiner Ausbildung zur Seite stehen. Zögere nicht, mich um Hilfe zu bitten. Wollen wir loslegen?"
Der Gnom nickte ernst und Kanndra reichte ihm ein kleines Blatt Papier. Der Gnom sprach feierlich "Ich, Zu-arm-für-einen-Namen, schwöre feierlich, die Gesetze und Verordnungen der Stadt Ankh-Morpork zu wahren, dem öffentlichen Vertrauen zu dienen und die Untertanen Seiner/Ihrer (Unzutreffendes streichen) Majestät (Name des regierenden Monarchen) ohne Furcht, Begünstigungen und Rücksicht auf die persönliche Sicherheit zu verteidigen.
Ich schwöre weiterhin, Übeltäter zu verfolgen, die Unschuldigen zu schützen und, falls notwendig, mein Leben für die obengenannten Pflichten zu geben.
Den Segen der Götter für den König/die Königin (Unzutreffendes streichen)".
Nach dieser feierlichen Zeremonie blickte der Fähnrich deutlich entspannter drein und reichte dem deuen Rekruten den kleinen Finger.
"So, dein erster Auftrag wird sein, mit dem Gefreiten Schmelz das Große Stadttor zu bewachen. Das heißt 'bewachen' ist in deinem Fall ein wenig zu hoch gegriffen. Du wirst ihn einfach bei seiner Arbeit begleiten und ihm über die Schulter schauen. Allzu schwierig dürfte das nicht werden. Zuerst schauen wir noch in der Aservatenkammer vorbei und kleiden dich ein."
Eine halbe Stunde später betraten der Gnom und seine Ausbilderin den Gemeinschaftsraum der SEALS.
Einige Wächter saßen mehr oder weniger beschäftigt im Raum und warteten, dass die Schicht beginnen würde. Kanndra ging auf einen jungen, etwas blassen Mann mit schwarzen Haaren und einer spitzen Nase zu.
"Gefreiter de Morgue, das ist Wächter Zu-arm-für-einen-Namen. Er hat heute seinen ersten Tag bei uns. Da du heute das große Stadttor bewachen wirst, wird Zu-arm-für-einen-Namen dich begleiten. Bitte zeig ihm, was es bedeutet ein SEAL der Stadwache zu sein. Nimm ihn aber auch nicht zu hart ran, wir wollen ihn noch behalten". Mit diesen Worten und einem Lächeln auf den Lippen verließ sie den Raum und überließ die beiden ihrem Schicksal.
Kurze Zeit später saß Zu-arm-für-einen-Namen auf der Schulter seines Kollegen, der wortlos auf das große Stadttor zuging. Von Anfang an hatte der Mensch auf den Gnom herunter geschaut
[4] und ihm klar gemacht, dass er ihn nur deswegen tragen würde, weil er nicht zu spät auf seinem Posten sein wollte. Der Gnom konnte erkennen, dass seine Laune noch schlechter wurde, als es zu regnen begann.
So bezogen sie in einer Nische des Tores posten. Der Regen war inzwischen so stark geworden, dass die beiden nicht einmal in der Mauerausbuchtung für Wächter trocken blieben
[5].
Nach einer Weile sagte de Mourgue: "So, wir müssen auch ab und zu mal Wagen kontrolieren, ob auch alles seine Ordnung hat. Wir werden uns jetzt mal diesen Wagen mit Weinfässern vornehmen".
Er ging auf besagten Wagen zu und sprach mit dem Kutscher. Der reichte einige Papiere und der Gefreite nickte.
Inzwischen war der Gnom beim Wagen angekommen. De Morgue bemerkte das und erteilte ihm gleich einen Auftrag: "Klettere doch bitte zwischen die Fässer und sieh nach, ob auch überall Wein drin ist. Es müsste genügen, wenn du den Korken oben am Fass öffnest und riechst."
Er tat wie ihm geheißen. Er kletterte auf den Wagen und die Fässer. Als er oben angekommen war ging er ganz nach hinten und zählte die Fässer. Es waren 26. Er ging zum ersten und löste den Korken. Dann beugte er sich über das Loch und atmete kräftig ein. Das Ergebnis war eindeutig: Wein. Mit dieser Taktik arbeitete er sich immer weiter nach vorne.
Als er beim 19. Fass war hörte er plötzlich einen lauten Schrei und schaute auf. Er sah, dass eine junge Frau, ca. 16 Jahre alt und sehr gut gekleidet am Boden lag. Außerdem sah er einen Mann in den Pferdepfad rennen. Zu-arm sprang vom Wagen und rannte zu seinem Kollegen, der schon bei dem Opfer des Überfalles war. Er sprach, gemessen an seiner Konversation mit dem Gnom, überraschend ruhig und freundlich.
Nach einer kurzen Konversation bemerkte er den Gnom und fuhr ihn an: "Warum hast du ihn nicht verfolgt?"
Das ließ der Gnom nicht auf sich sitzen: "Renn du doch mal jemandem nach, dessen Schritte weiter sind als du groß. Ich wünsch dir viel Spaß dabei".
Das Schien de Morgue einzuleuchten. Wesentlich ruhiger sagte er: "Der jungen Gräfin geht es so weit ganz gut, wenn man mal davon absieht, dass sie einen Schock hat. Wir scheinen es hier mit einem Fall von unlizensiertem Diebstahl zu tun zu haben. Hast du irgendetwas besonderes bemerkt?"
"Nur dass er in den Pferdepfad gerannt ist und dass er einen roten Umhang mit einem seltsamen Symbol darauf trug."
"Hmm, das ist nicht viel. Aber immerhin besser als gar nichts."
Er nahm einen Kleinen Kasten mit einer Taube darin. Er nahm einen Zettel und einen Stift, schrieb etwas darauf und steckte die Nachricht an das Bein der Taube.
"Die Taube wird den anderen Kollegen Bescheid geben. Sie werden den Täter suchen. Wir können hier nichts mehr machen, außer unsere Schicht zu beenden."
Der Rest der Nacht verging ereignislos. Zum großen Bedauern der beiden Wächter hörte der Regen nicht auf. Als sie in das Wachhaus zurück kamen erfuhren sie, dass der Täter geschnappt worden war.
Müde von diesem anstrengenden Tag nahm Zu-arm-für-einen-Namen die nächste Kutsche nach Hause
[6] und legte sich schlafen.
[1] Eigentlich war eine der Kernthesen Kantholz' gewesen, dass jeder das Recht, das ihm und allen anderen zustand selbst in die Hand nehmen sollte, aber Zu-arm-für-einen-Namen hatte dieses Kapitel nicht gelesen
[2] Zu-arm-für-einen-Namen konnte die Bindestriche mitlerweile so gut sprechen, dass selbst ein Troll sie bemerkte
[3] Was für einen Gnom auch unerlässlich ist, denn schließlich kann er nicht ohne weiteres den Himmel oder hohe Gebäude als Hife zu rate ziehen
[4] Und zwar nicht nur wegen des Größenunterschiedes
[5] wobei Zu-arm immer wieder von vorbeifahrenden Kutschen nass gespritzt wurde
[6] Er wohnte im größten Gnomenwohnblock von Ankh Morpork: Ein schlauer Mann hatte ein Zimmer seiner Wohnung eine Wohnanlage für Gnome verwandelt. Jetzt befanden sich ca. 25 Wohnungen in diesem Zimmer (leider hatte er nicht bedacht, dass Gnome nicht für Geld, sondern für Lebensmittel arbeiten. So bekommt er einmal im Monat 25 Scheiben Brot, 3 Liter Milch und 22 Liter Kaffee)
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