Nicht jeder bei der Stadtwache hat eine finstere, geheimnisvolle und düstere Vergangenheit - Jargon ist ein gutes Beispiel.
Dafür vergebene Note: 10
Werfen wir einen Blick in Jargons Vergangenheit, und was sich zu jener Zeit so abspielte:
Es war Nacht. Die Finsternis, die zu besagter Tageszeit in den Schatten lag, war zu jener Stunde nahezu undurchdringlich. Nichtsdestotrotz waren die Straßen einigermaßen belebt. Es gab viele Menschen, die Nachts einiges zu tun hatten. Tagsüber konnte man nicht allem gerecht werden, vor allem dann, wenn man bei seiner Arbeit nicht gesehen werden durfte. Diebe, Mörder, Betrüger und Bäcker waren an der Arbeit, gingen ihrem mehr oder weniger finsteren Gewerbe nach. Doch nicht nur die Arbeit war ein Grund, nur Nachts unterwegs zu sein. Richten wir unseren Blick auf eine kleine Gestalt in einem schmutzigen, langen Mantel...
Jargon huschte durch die finsteren Seitengassen, die von der Unbesonnenheitsstraße abzweigten.
Bloß nicht entdecken lassen, dachte er,
bloß nicht entdecken lassen ... Er war vorsichtig, stets darauf bedacht, in den - in diesem Falle noch dunkleren - dunklen Ecken zu bleiben. Sein Ziel war der Viehmarkt - meistens fand man dort verwertbare Reste, wie zum Beispiel Innereien aus den Schlachthäusern und vielleicht sogar etwas essbares Viehfutter.
[1] Zur gleichen Zeit war auch jemand Anderes wach. Er stand vor seinem Haus und hielt eine Pfeife in der Hand. Es war eine alte, hölzerne Pfeife mit einem metallenen Mundstück. Zyniker sagen, dass die Person das Metallstück speziell hat anfertigen lassen, weil Metall ähnlich wie Blut schmeckt. Andere sagen, dass es damals eben noch keine Mundstücke aus Bein gab. Wie dem auch sei, der Mann stand vor seinem Haus und schien auf etwas zu warten. Still lauschte er dem Läuten der Glocken, die gerade ein Uhr schlugen. Einige Tauben flogen über ihn hinweg. Schließlich erspähte der Mann jemanden, der auf ihn zukam.
"H- haben sie vielleicht -"
"Nein! Verschwinde, Junge!"
Eine Tür wurde zugeschlagen und Jargon fiel in den Dreck.
Warum versuche ich es eigentlich immer wieder?, dachte er und rappelte sich auf.
So langsam sollte ich es besser wissen.Bis jetzt hatte er ein wenig Grünzeug und den Rest eines Rinderknochens entdeckt, was er beides in einem alten, schmutzigen Stoffbeutel aufbewahrte.
Mal sehen, dachte er und kratzte sich am Kopf,
bis jetzt war ich bei Faust und Fuß
, Schenkelbach
und Rinderschlacht
gewesen. Ich versuch's mal bei Eher Schlacht als Recht
. Naja.Anstatt den Neuankömmling zu begrüßen, fragte der Mann: "Hast du Lampenöl dabei, Leo?"
"Ja, hab ich."
"Und die Streichhölzer?"
"Ja, die auch. Denkst du wirklich, ich bin so vergesslich, Markus?"
"Gut, dann los."
Die beiden Männer betraten einen Schuppen. Trotz seines hohen Alters war er noch gut erhalten, nur einige Spinnen hatten ihn sich als Heimatstätte ausgesucht. Der Holzboden knarrte leise, als die beiden hinein traten. Leo schloss die Tür hinter sich, stellte seine kleine Tasche ab und entnahm ihr eine kleine, lederne Flasche. Markus hatte eine Petroleumlampe von einem Tisch genommen, und nun füllte sein Kumpan eine Flüssigkeit hinein. Dann wurde die Lampe entzündet. Beide blinzelten im Licht.
Jargon war auf dem Weg nach Hause. Er hatte - und er konnte sein Glück kaum fassen - ein ganzes - leider totes - Huhn entdeckt, das nun zusammen mit den anderen beiden Sachen in seinem Beutel lag. Er beeilte sich nicht, er hatte genug Zeit. Leider war er auch ein wenig unvorsichtig.
"Also, wo soll die Kiste sein, Markus?"
"Im Keller, glaub ich."
"Was? Das Ding hat 'nen Keller? Wusst' ich gar nicht."
"Tja." Der zweite Sprecher zwinkerte dem ersten zu, der die Lampe hielt.
"Wenn man weiß, wo man suchen muss, ist es ganz leicht, Leo."
Markus, der noch immer seine Pfeife in der Hand hielt, schob einen Stuhl beiseite und tastete den Boden darunter ab. Er fand eine Holzleiste, die sich etwas vom Boden abhob. Einen kurzen Ruck später sahen die beiden Männer auf ein viereckiges Kästchen hinab. Es lag ein großes Stück unterhalb des Bodens.
"Und wie komm' wir jetzt da dran?"
"Abwarten."
"Wer ist denn da so spät Nachts noch unterwegs, hm?"
Jargon erstarrte.
"Keine Sorge, wenn du mir dein Geld gleich gibst, lass' ich dich nicht lang leiden."
"U ... und wenn ich dir sage, dass ich k ... kein Geld habe?"
"Dann
werde ich dich lange leiden lassen."
Der Gassenjunge spürte die Präsenz von jemand, der direkt hinter ihm stand. Er reagierte blitzschnell, wirbelte herum, trat zu, drehte sich erneut um und rannte davon, seinen Beutel fest in der Hand.
Einige Meter hinter ihm lag der Räuber auf dem Boden und hielt sich eine bestimmte empfindliche Stelle.
"Aaaargh, warum unterschätze ich die auch immer ...", sagte er.
Der Kasten stand auf dem Boden, daneben lag eine Konstruktion aus Seilen und hölzernen Gelenken.
"Und? War das denn jetzt so schwer?"
"Nein. Egal, lass sie uns gleich aufmachen!"
"Jaja."
Markus hob den Deckel des Kastens.
"Ui.", murmelte der Leo.
In dem Kasten lagen Wertpapiere, Besitzurkunden und sogar eine Versich-äh-rung.
"Und wie teilen wir das Ganze auf?", fragte Markus.
"Ich würde sagen-", plötzlich ertönte ein metallisches Geräusch, "ich nehme alles, du haust ab."
"
Du verfluchter Mistkerl!"
"Uff!"
Jargon war schließlich zu Hause angekommen und hatte gerade die Tür geschlossen und sich dagegen gelehnt, um zu verschnaufen. Das mit dem Räuber passierte nicht zum ersten Mal. Warum glaubten die denn auch, dass es hier was zu holen gäbe? Wussten die denn nicht, dass hier die ärmsten Leute der Stadt lebten?
Kurze Zeit später stand Jargon in der Vorratskammer und sortierte das ergatterte Essen in die Regale ein. Diese waren streng unterteilt, es musste alles seine Ordnung haben. Nachdem der Junge das Essen auf die Fächer "Fleisch", "Gemüse", "Reste", "Frischfleisch" und "Notrationen"
[2] verteilt hatte, schlich er sich hinauf in sein Zimmer. Dort zog er seine Jacke aus, rieb sich kurz das Gesicht mit einem feuchten Handtuch ab und ließ sich auf sein Bett fallen.
Ein Kampf entbrannte. Markus war zwar unbewaffnet, aber erfahrener im Kampf. Sein Gegner hatte ein Schwert in der Hand, doch man merkte ihm an, dass er nicht gut damit umgehen konnte. Zu Beginn hatte sich Markus auf Leo gestürzt, bestrebt, dessen Kehle zuzudrücken, und ihn zu Boden geworfen. Doch letzterer konnte den Angreifer wegstoßen und rollte sich hastig zur Seite, das Schwert fest in der Hand.
"Das hat doch keinen Sinn, Markus!"
"Genau! Warum teilen wir nicht einfach?!"
Doch der erste Sprecher rappelte sich wortlos auf und zeigte drohend mit dem Schwert auf Markus.
"Verschwinde einfach, dann lasse ich dich in Ruhe!"
"Vergiss es, Leo! Ich habe dir hierzu verholfen, und jetzt willst du alles für dich?!"
Leo blickte zu Boden.
Will ich das? dachte er.
Ja."Na gut. Dann muss ich dich wohl töten!"
Jargon lag in seinem Bett und starrte an die Zimmerdecke. Würde er sein ganzes restliches Leben so verbringen? Würde er Tag für Tag vor Verbrechern weglaufen, nur um ein wenig vergammeltes Zeug nach Hause zu bringen. Seine Hand zerknüllte den Matratzenbezug.
Nein!, dachte er,
ich werde es zu etwas bringen!Und mit diesem Gedanken schlief er ein.
Leo sprang auf Markus zu, das Schwert hoch erhoben. Doch gerade, als er zuschlagen wollte, wich Markus zur Seite. Der Überrumpelte schlug ins Leere und verlor beinahe das Gleichgewicht. Dann bekam er einen heftigen Stoß in die Seite, fiel vorwärts ...
So wie es sich anhörte, hatten die Nachbarn Streit. Es rumpelte und krachte neben Herrn Scheibers Haus, der gerade neben seiner ebenfalls schlaflosen Frau im Bett lag.
"Verflucht, können die denn nicht mal ruhig sein, wenn sie gerade wieder heimkommen?!", murmelte er.
"Schatz-"
"Was ist?"
"Die Kampfers wohnen doch gar nicht mehr hier."
"Was?!"
... und riss während des Sturzes die Petroleumlampe vom Tisch. Als er unsanft auf dem Boden aufschlug, krachte die Lampe auf den Boden. Das Petroleum entzündete sich mit einem kaum hörbaren Zischen, Feuer loderte auf.
"Was hast du getan?!", rief Markus.
Die Flammen entzündeten in Windeseile den Holzboden der Hütte, verbrannten alten Staub und morsches Bauwerk.
Leo lag bewusstlos auf dem Boden.
"Verflucht!"
Schnell packte der Pfeifenbesitzer den Kasten mit den Wertpapieren und wollte zur Tür rennen, doch kurz davor packte ihn etwas am Fuß. Er fiel hin. Inzwischen stand bereits das ganze Haus in Flammen, nur einige Flächen auf dem Boden waren noch frei.
"Was zum ...?!", schrie Markus. Dann sah er, dass Leo seinen Fuß gepackt hatte. Er hatte den teuflischen Gesichtsausdruck eines Mannes, der wusste dass er sterben würde, aber zuvor wollte er noch jemand anderen töten.
"Lass los!", brüllte sein Opfer, und versuchte, sich aus dem Klammergriff zu befreien. Doch es war schon zu spät.
Zwei Tage später. Die Stadtwache hatte dem Fall keine besondere Beachtung geschenkt.
"Da wird einer nicht aufgepasst haben!", sagten die Wächter, als sie die Leichen abtransportierten.
"Hier brennt doch eh alles wie Zunder ..."
Als sie fort waren, sah Jargon einmal kurz in die Brandruine. Zwischen zwei verkohlten Holzlatten entdeckte er etwas glitzerndes, und er ging darauf zu. Als er es aufhob, erkannte er, was es war. Es war das eiserne Mundstück einer Pfeife.
[1] Jargons Mutter war schon immer der Meinung, dass Hafer viele Nährstoffe enthält.
[2] In diesem Fach wurde das aufbewahrt, was a) entweder lange haltbar oder b) nur im Notfall essbar war
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