Mord ist in Ankh-Morpork nichts Ungewöhnliches. Doch es gibt immer wieder Fälle, die die Wächter nicht unberührt lassen. Das ist einer davon.
Dafür vergebene Note: 12
Erster Teil - Irrungen, WirrungenLieber Calfredyn,
es ist nun schon ein paar Wochen her, seitdem ich dir den letzten Brief geschrieben habe.[1] Ich habe inzwischen einiges über den Kommandeur herausgefunden und glaube, dass es noch schlimmer ist wie ich dachte. Ich habe ihn im Verdacht irgendetwas gegen die Wache zu planen, vielleicht sogar gegen die Stadtregierung. Deshalb traue ihm nicht über den Weg. Zum Glück habe ich ja kaum etwas mit ihm zu tun.
Mir geht es gerade nicht sehr gut. Der letzte Fall, wie wir Wächter sagen, hat mich ziemlich mitgenommen. Es war wirklich nicht sehr angenehm. Und dabei war ich doch nur am Rande damit beschäftigt um Informationen zu sammeln."Ruppert ag LochMoloch ließ den Bleistift sinken und starrte auf die große Standuhr neben der Tür, die gleichmäßig tickte. Sein Augen folgten dem Pendel. Hin und her - hin und her - hin und her ... seine Gedanken kehrten an den Moment zurück, an dem er Roland Treibmich zum ersten Mal gesehen hatte.
***Roland Treibmich hatte seine kleine Bühne auf einem kleinen, namenlosen Platz zwischen der Traumichgasse und dem Kümmerdichpfad. Das Viertel nahe des Viehmarkts war nicht besonders reich, aber die Menschen hier waren auch nicht so arm wie die Bewohner der benachbarten Unbesonnenheitsstraße. Es war ein recht friedliches Fleckchen inmitten der Riesenstadt Ankh-Morpork, das lediglich den Nachteil hatte nicht nur den Gestank des Flusses abzubekommen, sondern auch noch den des Schlachthofes.
Treibmich hatte seine letzte Vorstellung beendet und sammelte die Münzen aus seinem kleinen Koffer zusammen. Es war ein guter Tag gewesen und der hatte heute etwas mehr als einen Dollar eingenommen. Er schmunzelte vergnügt als er die Centstücke in seinen Geldbeutel klimpern ließ. Nicht viele Geschichtenerzähler in der Stadt waren so erfolgreich wie er, aber es gab auch niemanden sonst, der über und über mit Bildern bedeckt gewesen wäre und der damit seine ohnehin schon lebhaften Geschichten auch noch illustrieren konnte. Natürlich gab es viele Menschen die tätowiert waren, aber niemand war so meisterhaft bebildert wie Roland. Wenn er Muskeln anspannte oder Glieder leicht verdrehte, dann sah es aus als ob die Figuren auf seinem Körper eigenes Leben hätten. Lediglich ein Streifen seines rechten Oberarms war stets mit einer Manschette bedeckt, die er grundsätzlich niemals ablegte
[2]. Er hatte das Gerücht verbreitet, dass das von der Anstandsliga des Viertels kategorisch verlangt worden wäre und das Gerücht hatte sich als sehr förderlich für seinen Erfolg gezeigt, denn vor allem die Kinder unter seinen Zuhörern waren immer voller Neugierde was sich darunter wohl verbergen mochte und hofften unentwegt darauf, dass sich die Binde einmal lösen oder doch zumindest verschieben mochte.
Er sah sich noch einmal um, um sich zu vergewissern, dass er nichts vergessen hatte und machte sich dann auf den Heimweg. In der Nacht würden einige Bettler unter seiner kleinen Holzbühne schlafen. So war er sicher, dass er sie am nächsten Morgen unbeschädigt vorfinden würde und die Bettler hatten eine trockene Schlafgelegenheit.
Ein Mann in Uniform der Stadtwache trat auf ihn zu.
"Guten Tag, Herr. Ich bin Ruppert ag LochMoloch, Vektor der Stadtwache. Ich habe dir zugehört und fand deine Geschichte aus dem llamedonischen Hochland ausgesprochen spannend."
Roland musterte den Wächter und hob die Augenbrauen als er den Rock bemerkte, den dieser trug. Ruppert kannte diesen Blick allmählich und sagte schnell: "Das ist kein Rock, das ist ein Kilt und in meiner Heimat tragen alle Männer einen Kilt."
Treibmich lachte. "Was es alles gibt auf der Scheibenwelt!"
Ruppert grinste schief und lud den Geschichtenerzähler zu einem Kaffee ein. "Ich würde dir ja gerne etwas anderes anbieten, aber ich bin im Dienst", sagte er entschuldigend.
"O nein, Kaffee ist schon recht. Ich trinke selten Alkohol. Es versaut einem die Stimme, weißt du, Herr ag LochMoloch! Manchmal einen guten Whisky, aber nur in Maßen, nur in Maßen!"
[3]Die beiden Männer setzten sich in eine kleine Kneipe und bekamen einen typischen Ankh-Morpork-Kaffee serviert. Stark, bitter und mit einem Hauch von Kloake.
***In einem kleinen aber sehr exklusiven Laden in der Hochkantstraße betrachtete Lady Brompter die Lampen, die ihr der Besitzer des Ladens vorgelegt hatte.
"Nein, Henry, ich suche etwas anderes. Nicht das übliche. Ich bitte dich! Klatschianische Seide mit achatenen Stickereien, wie peinlich. Dieselben sah ich bei Lady Käsedick auf ihrem letzten Empfang schon vor einem Monat."
Sie sah hochnäsig durch ihr Lorgnon auf den gehetzt wirkenden Ladenbesitzer.
"Mylady, das ist das ... aber ich bekomme, ja bestimmt in der nächsten Woche, da bekomme ich etwas ganz neues herein. Wenn eure Ladyschaft ... oder ich kann auch ..."
Lady Brompter drehte sich wortlos um und verließ den Laden.
Henry Traggut ließ sich enttäuscht auf einen niedrigen Hocker fallen. Fahrig schob er die spärlichen Haare aus der Stirn und schlug dann die Hände vors Gesicht. Er stöhnte laut auf, so laut, dass eine Frau, die im Hinterzimmer arbeitete herauskam.
"Was ist los Henry, geht es dir nicht gut?" Sie ließ sich an der Seite ihres Mannes auf die Knie nieder und legte besorgt ihren Arm um ihn. Er schaute sie an und schüttelte den Kopf.
"Diese hochnäsige Schnepfe ..."
"Du meinst Lady Brompter?"
"Genau, dieses Miststück hat an unserer neuen Lampenkollektion nur herum gemeckert. Angeblich hat sie sie schon bei den Käsedicks gesehen. Und du weißt ja was sie für eine Klatschbase ist. Sie wird uns ruinieren. Ach, wäre ich doch nur bei der Klatschianischen Fremdenlegion geblieben."
"Aber Henry, mach dir keine Sorgen. Wir sind immer noch das führende Geschäft diesseits des Ankh. Daran kann auch Lady Brompter nichts ändern."
"Und wenn sie bei Fozzywick einkauft? Oder bei Krugschlächters? Wenn sich das herumspricht, dann sind wir ruiniert."
"Aber Henry, sie hat doch noch gar nicht dort eingekauft. Jetzt mach dich nicht verrückt."
"Verrückt! Marthe, ich mache mir Sorgen. Um das Geschäft, um dich!"
Er sprang auf, lief aus dem Laden und ließ eine besorgte Marthe Traggut zurück.
***Oberfeldwebel Rea Dubiata saß auf einem Stuhl neben ihrem Schreibtisch. Sie hatte die rechte Hand verbunden, die sie sich bei einem unglücklichen Sturz in der Kantine verstaucht hatte. Der Kommandeur hatte sie aufgefordert eine kurze Mitarbeiterbeurteilung für alle SEALS zu schreiben. Es standen einige Wächter turnusgemäß zur Beförderung an, aber Breguyar wollte noch auf die Bewertungen durch die Abteilungsleiter warten. Um diese lästige Sache zu erledigen, hatte sie sich einen der beiden Rekruten vom Wachetresen kommen lassen und diktierte ihm nun ihre Ergebnisse.
"Die Gefreite Wind scheint mit ihrer Ausbildung überfordert zu sein. Sie macht kaum Anstrengungen sie zu beenden und ist häufig zerstreut.
Hast du das?"
Edward von Dort nickte und Rea seufzte. "Ich habe dich etwas gefragt, Rekrut von Dort."
"Ja, ich weiss."
"Hat dir deine Ausbilderin nicht beigebracht wie du mit einer Vorgesetzten zu reden hast?" Reas Stimme klang scharf. Edward sah auf und zuckte zusammen als er ihren eisigen Blick sah. Er sprang auf und salutierte "Entschuldigung, Mä'am, ich war in Gedanken, Mä'am. Soll nicht wieder vorkommen, Mä'am. Ja, Mä'am, ich habe alles notiert, Mä'am.
'... ist heufik zerstroit', hast du diktiert, Mä'am."
"Schon gut, setz sich wieder. Mal sehen, wen haben wir denn da noch. Ach ja, Ruppert. Also schreib ..."
***"So, ich muss nun weiter. Es war schön mit dir zu plaudern, Roland, aber ich muss jetzt zurück ins Wachhaus. Wenn ich wieder einmal hier Streife gehe, dann sehen wir uns."
Ruppert stand auf und reichte Roland die Hand.
"Danke für den Kaffee, Ruppert! War nett dich kennen zu lernen! Gibt einem gleich ein ganz anderes Bild von der Wache!" Er lachte und die beiden Männer gingen auseinander.
Ruppert warf schnell einen Blick ins Wachhaus in der Kröselstraße und ging dann am Rand der Schatten zur Glatten Gasse und über die Ankh-Brücke auf die Götterinsel. Auf dem Weg in sein Büro lief er seiner Abteilungsleiterin, Oberfeldwebel Rea Dubiata, in die Arme. Sie sah ihn mit einem harter Blick an. "Gefreiter LochMoloch, du wartest in meinem Büro auf mich! Ich bin in einer viertel Stunde zurück."
Ruppert, der ahnte was kam, salutierte wortlos und ging in das Büro seiner Chefin.
Als sie nach etwas mehr als einer halben Stunde zurückkam saß er auf dem Stuhl vor ihrem Schreibtisch und schlief. Rea hob die Augenbrauen und seufzte. Einerseits mochte sie den gut aussehenden jungen Mann, andererseits ging er ihr immer wieder auf die Nerven. Natürlich hatte sie bemerkt, dass er sie heimlich anhimmelte und sie war unter ihrer Uniform Frau genug um das schmeichelhaft zu finden. Und er war immerhin klug genug auf jegliche Annäherungsversuche zu verzichten, das gefiel ihr ebenfalls.
Sie setzte sich leise hinter ihren Schreibtisch und begann laut raschelnd Papiere zu sortieren. Ruppert schreckte hoch, sah Dubiata vor sich sitzen und sprang auf. Verlegen salutierte er und wusste nicht was er sagen sollte.
"Nun, ausgeschlafen, Gefreiter?", fragte Rea mit kalter Stimme.
"Ja, Mä'am, es tut mir Leid, entschuldige bitte."
"LochMoloch, du nimmst dir allmählich etwas viel heraus. Das muss ein Ende haben."
"Entschuldigung, ich verstehe nicht was ..."
"So, du verstehst nicht? Na gut. Ich hatte dich für klüger gehalten. Wie du willst. Erstens wird das mit deinem Whisky aufhören. Kein Alkohol mehr in deinem Büro, keiner in deinem Rucksack, wenn du im Dienst bist."
"Aber, Mä'am, ich trinke doch nicht ..."
"So, Du trinkst nicht im Dienst? Und wer lag neulich vollkommen besoffen im Hof?"
[4]Ruppert schluckte. So kannte er Rea gar nicht.
"Zweitens bist du heute schon wieder allein auf Streife gegangen. Du weißt genau, dass du mit einem Kollegen unterwegs sein sollst."
"Damien war heute eingeteilt, aber er hat sich krank gemeldet. Und da dachte ich ..."
"Du sollst nicht denken! Und außerdem neigst du dazu die Routen zu verlassen. Du weißt genau, was das bedeutet."
"Ich habe nicht daran gedacht ..."
"Du sollst aber denken! Ich habe dich nicht ausgebildet, damit du in irgendeiner Gasse umgebracht wirst. Klar?"
"Ja, Mä'am", murmelte er kleinlaut und senkte den Blick.
"Und dann schläfst du auch noch in meinem Büro ein. Also, das ist ja wohl die Höhe!"
Am liebsten wäre Ruppert im Boden versunken. Seine Gedanken rasten. Er stellte sich vor sie zu umarmen, ihr seine Liebe zu gestehen, sie zu küssen und dann in den Ankh zu springen. Er sah sich aus der Wache ausgestoßen und gezwungen die Stadt zu verlassen. Vor seinen Augen entstand das Bild von ihm selber im Gefängnis. Am liebsten wäre er aus dem Büro gestürmt und hätte sich irgendwo versteckt. Aber er blieb mit knallrotem Kopf stehen und wartete ab was sie ihm noch alles vorwerfen würde. Er fuhr sich mit der Hand unter den Kragen seines Hemdes und merkte wie er schwitzte.
Rea sah ihn an und amüsierte sich köstlich, behielt aber ihren strengen Gesichtsausdruck bei.
"Was hast du dazu zu sagen, Gefreiter?"
"Ähhh-hmmm."
"Ja, ich höre?"
"Es tut mir Leid, Mä'am. Mehr kann ich nicht sagen. Es ist nur ..."
"Ja?"
"Also, das mit dem Betrunkensein hatte doch dienstliche Gründe. Wir haben einen unwilligen Informanten unter Alkohol gesetzt und ich musste mittrinken."
Rea schnaubte.
"Und unterwegs ist doch bis jetzt nie was richtig Schlimmes passiert und da dach..., da meinte ich eben einfach so losgehen zu müssen. Weil wir ja Präsenz zeigen sollen, Mä'am."
Der letzte Satz klang selbst in seinen Ohren etwas peinlich.
"Und weil noch nie etwas passiert ist, denkst du, dass das immer so ist. Wie oft habe ich dir schon gesagt, dass du bis jetzt einfach nur Glück hattest? Aber nein, der Herr Gefreite weiss ja alles besser. Nun denn, ich überlege mir noch wie ich dich bestrafe. Vielleicht ein Gespräch mit Bregs, ich meine mit Kommandeur Breguyar?"
Ruppert erschrak. Er hatte aus dem Klatsch in der Wache bisher nur sehr seltsame Dinge, auch erschreckende, über den Kommandeur gehört. Und seit einem Fall, in dem beide gemeinsam im Einsatz waren, hegte er gegen den Kommandanten den Verdacht, er wäre an einer Verschwörung beteiligt.
"Nein, Mä'am, bitte, es wird nicht wieder vorkommen." Seine Stimme klang so flehentlich, dass Rea einen Moment lang dachte, er hätte Angst vor Breguyar.
"Na gut, aber es war das letzte Mal. Du wirst diese Woche permanent Bereitschaftsdienst haben, also in deiner sonst dienstfreien Zeit hier sein und bei Bedarf einspringen. Verstanden?"
Ruppert atmete auf. "Ja, Mä'am, danke, Mä'am."
Er salutierte und hoffte ein Lächeln in ihrem Gesicht zu finden, aber den Gefallen tat sie ihm nicht.
"Abtreten!", schnarrte sie und Ruppert verließ geknickt ihr Büro.
***Kommandeur Breguyar saß an seinem Schreibtisch und fertigte die Beförderungsurkunden aus. Gerade war er bei SEALS angekommen und sah die Reas Papiere durch. Lea Wind und Ruppert von Himmelfleck wären eigentlich mit einer Beförderung an der Reihe gewesen, aber Reas Bewertung der beiden war eindeutig.
"
'... ist heufik zerstroit'", murmelte er vor sich hin und grinste. Er wusste natürlich, dass die Abteilungsleiterin das nicht selber geschrieben hatte. Er murmelte weiter vor sich hin: "Na, dann wird Gefreite Wind noch etwas warten müssen. Und hier Ruppert ag LochMoloch. Mal sehen. 'Gefreiter ag LochMoloch hat kuthe Anlaken mietgehbracht. Ich muß darauf hienweißen, dass er ein sehr feiger Vektor geworden ist.'"
Breguyar hob erstaunt die Augenbrauen. Feige? Na, das würde man ihm erst austreiben müssen bevor ihn befördern konnte. Aber seltsam war es schon, denn bei einem gemeinsamen Einsatz hatte der Gefreite nicht wie ein Feigling gewirkt
[5]. Er beschloss bei Gelegenheit Rea genauer dazu zu befragen und vergaß es dann wieder.
***"Nun gut, Henry, weil du es bist und weil du mir damals aus der Scheiße geholfen hast."
"Danke, Zieher, ich wusste, dass ich mich auf dich verlassen kann. Du hast mich gerettet."
Zieher lachte. Er war ein großer, fetter Mann, aus dessen von wulstigen Fettmassen umgebenen Augen es geschäftig blitzte.
"Nun ja, Henry, und wir werden beide gut daran verdienen." Er stand mühsam auf und ging zu einer Truhe, deren Deckel mit einem großen Vorhängeschloss gesichert war. Den Schlüssel trug er an einer Stahlkette um den massigen Hals. Er öffnete das Schloss und holte ein hölzernes Kästchen aus der Truhe. Darin lagen mehrere dünne Messer und blitzen im schwachen Licht der kleinen Lampe, die den Raum erhellte.
***Am Ende der Strafwoche war Ruppert vollkommen erschöpft. Nach zwölf Stunden regulärer Schicht hatte er jeden Tag vielleicht drei oder vier Stunden Schlaf gefunden. Immer wieder wurde er geweckt und musste zu einem Einsatz. Vielleicht hatte Oberfeldwebel Dubiata etwas durchblicken lassen oder es war eine ungewöhnlich hektische Woche gewesen. Auf jeden Fall wollte er nicht mehr riskieren so etwas noch einmal durchzumachen.
Er ging langsam in das Büro seiner Abteilungsleiterin und klopfte an.
"Herein!"
Ruppert trat ein und salutiere müde.
"Ich wollte mich nur abmelden, Oberfeldwebel. Das war jetzt die Schicht nach dem Bereitschaftsdienst."
Rea musterte ihn besorgt. Sein Gesicht war schmaler geworden und er hatte Schatten unter den Augen. Sein sonst so munteren Augen wirkten müde und überhaupt strahlte er eine große Traurigkeit aus. Keine Spur von der heimlichen Anhimmelei. Sie seufzte und ging zu ihm. Als sie die Hand auf seine Schulter legen wollte zuckte er unwillkürlich zusammen als erwarte er, dass sie ihn schlagen würde. Rea trat einen Schritt zurück und war verwirrt. Auch darüber, dass sie verwirrt war.
"Ist gut, Ruppert. Geh heim und schlaf dich aus. Und nimm dir morgen frei, es war eine harte Woche."
"Ja, Mä'am, danke, Mä'am. Aber ich glaube, ich komme doch lieber zur normalen Schicht."
Er salutierte und ging schleppend aus dem Büro. Rea sah ihm ratlos nach und setzte sich dann wieder an ihren Schreibtisch.
Als Ruppert nach Hause kam, lag ein Brief vor seiner Tür. Er kam aus Llamedos, von seinem ältesten Bruder, Calfredyn. Er nahm ihn mit in seine kleine Wohnung und setzte sich auf die Bettkante. Sollte er ihn gleich lesen oder lieber erst dann, wenn er wieder wach war? Die Neugier siegte und er öffnete den Brief.
"Mein lieber Rupp, hier sind die neuesten Begebenheiten aus der Heimat. Vater hat sich bei der Bärenjagd den Arm gebrochen als er in eine Felsspalte gestürzt ist. Viel schlimmer ist aber, dass mein Hund Sorgy sich sogar beide Vorderpfoten gebrochen hat als Vater auf ihn fiel. Weil er sich aber auch das Genick gebrochen hat, also Sorgy, nicht Vater, sind die gebrochenen Vorderpfoten auch nicht weiter schlimm. Aber er war ein so toller Hund und er fand stets die besten Hasen. Schade, dass Vater nicht als erster in die Spalte stürzte. Aber da er ja nun einmal Sorgy daraus retten wollte als er abrutschte, also deshalb kann ich ihm nicht wirklich böse dafür sein. Es geht ihm übrigens ganz gut, also Vater, nicht Sorgy, der ja tot ist, und er lässt dich grüßen. Ich meine Vater lässt dich grüßen.
Melissa, die unsere Schwester ist, hat ein Kind bekommen wie das ja zu erwarten war mit ihrem dicken Bauch und so. Der Bote von ihr war aber ziemlich betrunken und so konnte er uns nicht sagen ob es ein Junge oder ein Mädchen ist. Also kann ich dir noch gar nicht sagen ob du Onkel oder Tante geworden bist. Aber ganz egal, wir haben das Ereignis gefeiert. Sogar Vater hat mitgehalten. Schade nur, dass er sich nach der Feier auch noch den anderen Arm gebrochen hat, als er über unseren besten Zuchteber gestolpert ist. Aber dem Schwein ist nichts passiert. Also ich meine den Eber, nicht Vater ...Ruppert ließ den Brief sinken schüttelte lächelnd den Kopf. Sein großer Bruder war eine Seele von Mensch und würde nach dem Tod des Vaters, den sie beide sehr verehrten, den Clan sehr gut anführen. Aber beim Briefeschreiben versagte er stets vollkommen. Immer noch lächelnd sank Ruppert um und fiel in tiefen Schlaf.
Als er aufwachte war es schon dunkel und er erschrak. Aber ein Blick auf die Uhr beruhigte ihn schnell wieder. Er hatte nur zehn Stunden geschlafen und musste erst in einer guten Stunde wieder zum Dienst antreten. Er bedauerte nun, dass er Dubiatas Angebot ausgeschlagen hatte. Er wusste selber nicht, warum er das getan hatte. Es musste wohl an seiner Übermüdung gelegen haben. Er zog seine zerknitterte Uniform aus und wusch sich gründlich an der großen Waschschüssel, die auf einem kleinen Tisch neben seinem Bett stand. Danach fühlte er sich besser und suchte sich frische Wäsche heraus. Er atmete tief durch, warf einen bedauernden Blick auf Calfredyns Brief, der zerknittert auf dem Bett lag und den er erst später zu Ende lesen konnte. Nach einem kurzen Besuch bei Olof, seinem Stammcafé, betrat er halbwegs wach das Wachhaus
[6] und schaute auf den Dienstplan. Er lächelte. Rea hatte ihn heute für den Innendienst eingetragen. Das bedeutete, wenn er Glück hatte, konnte er endlich in seinem Büro die aufgelaufenen Berichte fertig schreiben. Er holte sich einen Kaffee aus der Kantine und betrat mit dem dampfenden Becher in der Hand sein Büro.
Damien saß an seinem Schreibtisch und nickte Ruppert grüßend zu. Ruppert hatte sich inzwischen an das kreideweiße Aussehen seines Kollegen gewöhnt, wenn er auch am Anfang immer wieder heimlich auf ihn gestarrt hatte. In einem Traum hatte er ihn einmal gesehen, wie er abgehackte Tanzbewegungen vollführt hatte, in einen schwarz-glitzernden Anzug gehüllt, und mit schriller Stimme gesungen hatte. Diese Bild ließ ihn nicht mehr los und vor seinem inneren Auge musste er sich den Hauptgefreiten, der eigentlich ein netter Kerl war, immer wieder so vorstellen.
"Hey, Ruppert, du sollst gleich zu Chefin kommen, hat sie gesagt." Damien grinste.
Ruppert stellte seinen Kaffeebecher auf den Schreibtisch und seufzte.
"Danke, Kollege. Hat sie gesagt was sie will?"
"Nö, keine Ahnung. Aber falls es dich beruhigt, sie hat nicht gefunkelt."
Ruppert musste lachen. Reas zorniges Augenfunkeln war berüchtigt.
"Na, dann ist ja gut."
Vor ihrer Tür holte er tief Luft und klopfte an.
"Herein!"
Er betrat ihr Büro und salutierte. Rea stand mit einem Wasserspeier an ihrem Schreibtisch.
"Ah, Ruppert, gut, dass du kommst." Sie musterte ihn und war zufrieden mit seinem Aussehen. "Das ist Obergefreiter Huitztli Pochtli, Gerichtsmediziner bei den Susen. Er hat mir einen Obduktionsbericht gebracht und ich habe mir gedacht, es wird Zeit dich in die unerfreulichen Dinge des Wächterdaseins einzuführen. Du wirst dir die Leiche ansehen und versuchen mir zu erklären was geschehen ist."
"Aber, Mä'am, was haben wir denn ..."
Rea unterbrach ihn. "Bjorn und Ettark haben ihn, na ja ... gefunden. Es ist also gewissermaßen unsere Leiche. Genausogut hättest du ihn finden können. Schau ihn dir also an!"
Der Gerichtsmediziner ging zur Tür und sah Ruppert auffordernd an. Der folgte ihm gehorsam.
"Was ist so besonderes an der Leiche?", fragte er den Wasserspeier.
"Das wirst du schon sehen. Ich soll dir nichts verraten hat der Oberfeldwebel gesagt. Also lass dich überraschen."
Sie betraten die Pathologie. Auf den Stahltischen lagen unter Tüchern verborgen regungslose Körper. Ruppert hatte in seinem Leben schon einige Tote gesehen; dennoch beschlich ihn ein unbehagliches Gefühl als er diese ordentlich aufgereihten Gestalten sah.
"So, und hier ist nun unser Prachtstück", sagte der Wasserspeier und schlug die Decke soweit zurück, dass das Gesicht zu sehen war. Ruppert erschrak - er kannte den Mann.
"Aber, aber das ist ja der Geschichtenerzähler. Roland, Roland Irgendwas!"
"Du kennst ihn? Na, das spart uns ja einiges an Arbeit."
"Wie ... Wo ...?"
Der Gerichtsmediziner studierte seine Notizen.
"Hmm, er wurde in der Nähe des Viehmarkts in einer Lagerhalle gefunden. Sehr ordentlich mit einem Messerstich getötet. Genau zwischen die Rippen in die linke Herzkammer. Er war sofort tot. Allerdings ist das auch das einzig Saubere an der Sache."
Huitzli zögerte kurz und zog dann mit einem Ruck die Decke von der Leiche. Ruppert wich zurück und würgte. Vor ihm lag ein mehr als nur nackter Körper - man hatte Roland vom Hals bis zu den Knöcheln die Haut abgezogen.
***Henry Traggut stellte die neuen Lampen in eine dunkel ausgeschlagene Glasvitrine und schaute sehr selbstgefällig drein. Er hatte einen guten Riecher für ausgefallene Ware und er wusste, dass sein neues Sortiment einmalig war. Er hatte ein Billett an Lady Brompter geschickt und sie eingeladen sich die neue Kollektion anzuschauen. So wie er sie kannte war sie zu neugierig um nicht zu kommen. Außerdem hatten vorsichtige Fragen ergeben, dass sie bei keinem seiner Konkurrenten eingekauft hatte. Er freute sich schon auf ihr Gesicht und erinnerte sich daran wie er vor zwei Wochen vollkommen verzweifelt aus seinem Laden gelaufen war. Er war durch den Hide Park gelaufen und dann irgendwie über die Ankh-Brücke in die etwas helleren Teile der Schatten gelaufen. Hier war er wieder ruhiger geworden. Auf einem Platz hatte er einem Geschichtenerzähler zugehört und zugesehen wie der seine Geschichten mit Bildern, die auf seinen Körper tätowiert waren, untermalt hatte. Da war ihm 'die' Idee gekommen und er hatte seinen alten Kumpel Zieher aufgesucht. Und das Ergebnis stand nun vor ihm. Zieher hatte ganze Arbeit geleistet.
***Die Hauptgefreite Lilli Baum kam langsam die Treppe hinauf. Sie war so tief in ihre Gedanken versunken, dass sie den auf der Treppe sitzenden Ruppert erst gar nicht wahrnahm. Der war aus der Pathologie gewankt, dann hatten ihn die Kräfte verlassen. Er zitterte und hielt seine Knie umschlungen.
Lilli stapfte an ihm vorbei, zögerte dann aber und ging die Treppe wieder herunter. Sie stuppste ihn an und Ruppert sah zu ihr auf. Vor ihm stand eine mittelgroße, mittelstämmige Fischverkäuferin mit schulterlangem, mittelbraunen Haar. Dass sie Fischverkäuferin war konnte er riechen.
Ruppert war froh über die Ablenkung und stand mit immer noch weichen Knien auf. "Kann ich dir helfen?"
Lilli schüttelte den Kopf, zückte einen Zettel aus ihrer Schürze und begann ... langsam ... zu ... schreiben. "Ich binne auhch Wächter. Whier khenen uhns."
Ruppert las verwirrt den Text und sah Lilli noch einmal genauer an. Stimmt, sie waren sich einmal begegnet, damals, als er den Werwolf zum Patrizier gebracht hatte.
"Stimmt, ja, wir haben uns mal gesehen." Er lächelte gezwungen. "Sei mir bitte nicht böse, aber mir geht es nicht so gut. Ich brauche etwas Ruhe."
Lilli nickte. Ruhe? Damit konnte sie ihm dienen. Sie zog ihn die Treppe herunter und bugsierte ihn an einen Tisch in die Ecke der Kantine, etwas Abseits vom Gemurmel der anwesenden Wächter.
"... und jetzt liegt er so da oben. Und die ganze Haut ist weg. Es ist so schrecklich." Ruppert machte den Eindruck als würde er gleich anfangen zu weinen. Er umklammerte seinen Kaffeebecher und zitterte immer noch heftig. Lilli sah ihn mitleidig an und stellte sich vor wie sich ein Baum wohl fühlen würde, wenn ihm die Rinde abgezogen würde. Wie grausam! Gut, dass der Mann vorher gefällt, nein, getötet worden war. Sie klopfte ihrem Kollegen freundlich auf die Schulter und sah ihn an. Eigentlich sah er sehr nett aus - für jemanden ohne Blätter, wie sie gleich einschränkte - die Traurigkeit und der Schmerz in seinem Gesicht bewegten etwas in ihr. Leicht verwirrt stand sie auf, klopfte noch einmal auf seine Schulter und verließ langsam die Kantine. Ruppert starrte noch immer in seinen Kaffeebecher und bemerkte gar nicht, dass Lilli nicht mehr da war.
Nachdem sich Ruppert wieder gefasst hatte (und er erstaunt bemerkte, dass er allein am Tisch saß) war er spornstreichs zu Oberfeldwebel Dubiata gegangen und hatte gebeten an den Ermittlungen im Mordfall teilnehmen zu dürfen.
Rea hatte ihn gemustert und dann genickt.
"RUM hat darum gebeten, dass wir uns etwas umhören sollen im Viertel. Laut Dienstplan ist Sara jetzt frei. Ihr geht zu zweit", die beiden letzten Worte betonte sie sehr nachdrücklich, "Und ich will keine Heldentaten, verstanden?"
Ruppert nickte. "Ja, Mä'am, völlig verstanden. Wir hören uns um und ... wer ist eigentlich Sara?"
"Du kennst sie nicht? Sie ist Vektor in Ausbildung und schon länger bei uns als du überhaupt in der Wache bist. Seltsam."
Ruppert dachte nach und erinnerte sich vage an eine schlanke, unscheinbare Gestalt. Sollte das Sara sein?
"Sie dürfte in ihrem Büro sein, Sara Gutmut, Büro 4."
Ruppert klopfte an die Tür von Büro Nummer 4. Auf ein undeutliches Nuscheln hin trat er ein. Eine schlanke Frau, einige Jahre älter als er, saß hinter ihrem Schreibtisch und sah neugierig den eintretenden Kollegen an.
"Hallo, ich bin Ruppert ag ..."
"LochMoloch, ich weiss", sagte sie lächelnd. "Ich bin Sara, Sara Gutmut. Auch Hallo!"
Sie stand auf und reichte ihm die Hand.
Ruppert mochte sie auf Anhieb.
"Die Chefin hat mich geschickt. Wir sollen ein wenig im Viertel beim Viehmarkt herumschnüffeln."
Sara zog die Augenbraue hoch. "Herumschnüffeln?"
"Ein paar Fragen stellen. Da ist ein Mann ermordet worden und ... ach, komm einfach mit. Ich lad' dich auf einen Kaffee ein und erzähl dir alles."
"Gibt's auch Kuchen?" Sara grinste ihren Kollegen an und Ruppert musste lachen.
"Den verdammt besten in der ganzen Stadt", behauptete er.
"Ich habe ja erst gedacht du spinnst, aber hier gibt es wirklich den besten Kuchen der ganzen Stadt." Sara aß bereits das dritte Stück Apfelkuchen für das Olof, der Wirt von "Bei Olof" bekannt war. "Das war zwar ein ganz schöner Umweg, aber es hat sich wirklich gelohnt."
Ruppert beugte sich vor und sagte halblaut: "Na ja, und wir sollen uns ein wenig umhören. Nicht unbedingt ermitteln, denn das ist nicht unsere Aufgabe. Aber vielleicht sagen mir die Leute mehr als den Kollegen. Immerhin bin ich dort öfter schon zu sehen gewesen und viele haben mich wegen meines Kilts angesprochen." Jetzt erst fiel ihm auf, dass Sara gar keine Anspielung auf seine Kleidung gemacht hatte und das rechnete er ihr hoch an.
"Ich finde deinen Kilt schick. Ich mag es zwar irgendwie mehr schwarz, aber das dunkle Rot hat auch was. Wie hat Rea auf das Muster reagiert?"
"Ich glaube, sie hat es unter kulturelle Besonderheiten abgelegt. So wie die Zwerge mit ihren Helmen."
"Ob ich auch ..?"
Ruppert sah sie indigniert an. "Also Sara, eine anständige Frau, also in Llamedos, also zumindest bei uns im Hochland, ähm, ja, also eine anständige Frau trägt dort keinen Kilt. Entweder Hosen oder knöchellange Kleider."
Sara lachte schallend. "Ich meine doch nur ob ich auch mal ein leichtes Muster wagen sollte. Außerdem - woher willst du wissen, dass ich eine anständige Frau bin?" Sie lächelte ihn kokett an.
Er grinste zurück. Doch, er mochte sie wirklich.
"Gibt es hier auch einen Abort oder so was?" Sara sah ihn fragend an und Ruppert zeigte mit dem Kinn auf eine Tür neben dem Tresen. Während sie fort war, holte er Calfredyns Brief aus seiner Tasche und las ihn fertig.
Meine beiden Söhne, die, von denen du der Onkel bist, wachsen heran und sind sehr artige Jungs und sie müssen im Haushalt mithelfen. Neulich haben sie ihrer Mutter bei der Wäsche geholfen. Sie haben sie in einen Korb gelegt und am Waschplatz aufgehängt. Da war ich ganz schön stolz auf die beiden.
Onkel Maggot hat sich auch wieder verheiratet. Sie ist so alt wie er und man sieht ihr an, dass sie einmal jung gewesen ist. Ich glaube die beiden werden glücklich. Sie heißt Cathrin und er ist so verliebt in sie, dass er ihr ein heizbares Frauenzimmer auf seiner Burg geschenkt hat. Wir glauben, dass er noch einen Erben haben möchte aber bisher ist nur ihre Zofe schwanger geworden. Sie ist nämlich mit dem Kutscher von ihm verheiratet und seine Frau ist ja auch schon über fünfzig. Also ich meine Cathrin ist über fünfzig und die ist nicht mit dem Kutscher sondern mit Onkel Maggot verheiratet.
Aber was soll ich alles noch schreiben? Komm doch mal wieder nach Hause. Ich mache Schluss, das ist das Ende.
Dein Calfredyn***Nachdenklich standen die beiden Vektoren vor der kleinen Bühne des Geschichtenerzählers. Einige Holzbretter fehlten bereits und es war abzusehen, dass der Rest auch bald neue Verwendung in irgendwelchen Häusern oder schlicht als Brennholz finden würde. Die Bettler würden sich eine andere Unterkunft suchen müssen.
"Hier hat er also gearbeitet. Hier habe ich ihn kennengelernt und dort drüben", Ruppert zeigte auf eine Taverne, "haben wir uns unterhalten."
"Weißt du wo er wohnte und wo man ihn gefunden hat?"
"Er hat in der Tabakstraße gewohnt. Ein Zimmer in der Wohnung eines alten Mannes. Und gefunden hat man ihn in einem Lagerhaus an der Kröselstraße. Die Kollegen von RUM haben versucht herauszufinden ob ihn jemand gesehen hat aber sie haben nichts herausgefunden. Sein Vermieter ist fast blind und taub und jammert nun, dass er keinen Mieter mehr hat. Aber gesehen hat er ihn ohnehin selten.
Die Lagerarbeiter, die Bjorn und Ettark gerufen haben, haben ebenfalls nichts gesehen. Roland lag in einer Kiste und wäre da nicht ...", Ruppert stockte, "... und wäre da nicht Blut rausgelaufen, dann wäre die Kiste nach Überwald geschickt worden."
"Nach Überwald?"
"Ja, in dem Lagerhaus wird Fracht von und nach Bumms gelagert."
"Ob das von Bedeutung ist?"
"Wohl kaum. Die wollten nur die Leiche verschwinden lassen."
"Die?"
"Die Mörder. Oder meinetwegen auch nur DER Mörder."
"Hmhm, und nun?"
"Hören wir uns ein wenig um."
Zur gleichen Zeit saßen die RUM-Püschologin Frän From und die Ermittlerin Ayure Namida in einem Büro des Wachhauses am Pseudopolisplatz und berieten über denselben Fall.
"Ich denke, wenn wir die Haut finden, dann haben wir auch den Mörder."
Frän Fromm hob die Augenbrauen und sah Ayure irritiert an, die das Offensichtliche aussprach.
"Klar", gestand die Ermittlerin ein, "das ist offensichtlich. Aber wo sollen wir sonst anknüpfen? Wenn die SEALS keine Zeugen auftreiben haben wir nur die Leiche und das was ihr ganz eindeutig fehlt. Der Mann hatte offenbar keine Feinde und auch keine Freunde. Bei den Näherinnen war er selten und angeblich ein anspruchsloser und anstandslos zahlender Gast. Der Kerl war scheinbar so unschuldig und harmlos wie ein Kind."
"Wenn wir nur wüssten, warum ihm die Haut abgezogen wurde."
"Tja, wenn wir das nur wüssten."
Zwei Wochen späterKamillus Schimmlersohn saß mit Gleißende Libelle auf einer Bank im Hide Park und die beiden unterhielten sich angeregt.
"... und dann hat mir Bjorn erzählt, dass dem Kerl die ganze Haut abgezogen worden war. Muss wohl ein schlimmer Anblick gewesen sein."
Seine Freundin hörte aufmerksam zu.
"Ist das eine geheime Information?"
"Äh, ich weiss nicht, ich glaube nicht. Ich meine, es hat ja da die Lagerarbeiter gegeben und so. Die Geschichte wird bestimmt schon im Viertel herumerzählt."
"Kami, sei nicht böse, aber die Story
muss ich unbedingt schreiben. Warum hast du mir nicht früher davon erzählt?" Sie stand auf, sah ihn vorwurfsvoll an und ließ den etwas belämmert aussehenden Kamillus auf der Bank sitzen.
***"Nett, wirklich nett. Die würden sich wunderbar auf meinem Buffet machen. Henry, ich habe schon immer gesagt, dass du das beste Fachgeschäft in der Stadt bist." Lady Brompter rauschte von Vitrine zu Vitrine.
"Mistvieh! Ich bin das beste Geschäft. In ihren Augen bin ich noch nicht mal ein Mensch", dachte Traggut verärgert, aber er dienerte fleißig vor seiner reichen Kundin, die sich schließlich für ein halbes Dutzend Lampen entschieden hatte. Harry hatte noch schnell die Preis erhöht um ihr die herablassende Art heimzuzahlen, aber er wusste genau, dass Menschen wie sie das gar nicht bemerken würden. Sie würde zahlen was er verlangte. Das verlangte ihr Obleß-Obliesch.
***
Bestialischer Leichenfund im Viehmarkt!
Opfer bis unter die Haut ausgezogen!
Was tut die Wache?
Ein grauenhafter Fund sorgt im kleinen Viertel zwischen Viehmarkt und Ankh für großes Aufsehen. Der allseits beliebte und bekannte Geschichtenerzähler Roland Treibmich (46), wurde all seiner Habe und der Haut beraubt in einem Lagerhaus nahe der Kröselstraße gefunden. Lagerarbeiter Viktor Graugans (22) und sein Vorgesetzter Holunder Biertrüb (52) machten die schreckliche Entdeckung, als sie nachsehen wollten warum aus einer Versandkiste Blut tropfte. Holunder Biertrüb (52) berichtete der Times exklusiv von dem grauenhaften Fund. "Es war ein grauenhafter Fund, den wir da gefunden haben. Es kommt öfter vor, dass aus einer Kiste Blut tropft. Ich meine, wir liefern ja allerhand Spezialitäten nach Überwald. Da kann schon mal eine Flasche aufplatzen oder ein Krug oder so. Aber so etwas habe ich noch nie gesehen. Das war ganz bestimmt kein normaler Versand, haben wir uns gedacht, weil nämlich auf den Papieren der Kiste stand, dass da Armbrüste von Burlich und Starkimarm drinnen gewesen haben sein sollten."
Roland Treibmich (47) war dafür bekannt, dass sein Körper mit Szenen aus den Geschichten, die er zu erzählen pflegte, bebildert war.
Über die Hintergründe der scheußlichen Tat konnten wir noch nichts erfahren. Die Stadtwache ermittelt intensiv, so wurde uns zumindest mitgeteilt.
Mehr über Roland Treibmich (46) auf Seite drei. Eine Auswahl seiner Geschichten auf Seite fünf. Stimmen aus dem urbanen Umfeld auf Seite sieben."
Lady Brompter ließ die Zeitung sinken und starrte auf den geschmackvoll dekorierten Tisch, auf dem als helle Glanzpunkte die neuen Lampen leuchteten. Zwar war sie durch ihren Mann mit dem Konzept der Ausbeutung von Menschen vertraut und fand es durchaus auch in Ordnung, dass Personen (in diesem Zusammenhang dachte sie nicht von "Menschen") auch einmal ihre Gesundheit oder auch das Leben einbüßen konnten. Für dieses Risiko wurden sie ja bezahlt, na ja zumindest in der Regel. Wenn auch nicht sonderlich üppig. Aber besser als gar nichts. Oder?
Aber ... so etwas auf ihrem Tisch. Wie unhygienisch!
"Samuel!"
Ein dunkel gekleideter, schon etwas älterer Mann trat lautlos ein und verbeugte sich.
"M'Lady?"
"Schicke sofort einen Diener zu dieser unmöglichen Stadtwache und lasse ihn mitteilen, dass ich unverzüglich einen Offizier hier zu sehen wünsche. Sollte das nicht ausreichen, soll er noch sagen, dass es sich um diesen Mordfall aus der Times handelt.
Und entferne diese häßlichen Lampen vom Tisch!"
***Ayure Namida wollte gerade an die Tür des herrschaftlichen Hauses in der Teekuchenstraße klopfen, als sie ein großer Mann ansprach.
"Was willst du denn bei den Brompters?"
Sie sah sich erstaunt um und musterte den Mann. Irgendwo hatte sie ihn schon gesehen, aber sie konnte sich nicht erinnern ... doch, na klar, das war doch dieser Werwolf, der aus der Wache geflogen war. In seiner Zivilkleidung hatte sie ihn fast nicht erkannt. Außerdem war er viel dünner geworden.
"Ich habe hier dienstlich zu tun", sagte sie zurückhaltend. Immerhin hatte er einen anderen Wächter ermordet - nachdem was so erzählt wurde.
"Na viel Spaß. Ich wohne gleich da drüben und kenne diese Brompters als ziemlich arrogantes Pack." Er nickte ihr lächelnd zu und ging weiter.
Sie sah ihm kurz nach und schüttelte dann den Kopf. Komischer Kerl. Dann hob sie den Türklopfer und ließ ihn fallen. Eine junge Frau öffnete und sah sie an.
"Was is' denn?"
"Lady Brompter hat gebeten, dass die Stadtwache bei ihr vorbeischaut."
Die Frau sah Ayure an und flüsterte dann: "Bitte, das is' nich' böse gemeint, aber ... kannst du bitte zum Dienstboteneingang um die Ecke gehen? Sonst bekomm' ich Ärger."
Ayu wollte erst widersprechen, aber als sie das unglückliche Gesicht der Frau sah, die bestimmt noch etwas jünger war als sie selbst, nickte sie nur und ging. Als sie zu dem Nebeneingang kam stand er schon offen und das Hausmädchen stand in der Tür. Verlegen wischte sie sich die Hände an ihrer Schürze ab.
"Komm bitte 'rein. Samuel hat schon gesagt, dass jemand von der Stadtwache kommen wird und hat au' gesagt, dass ich ihn nich' zum Haupteingang hereinlassen darf."
Sie sah Ayu ängstlich an.
"Ach, ist schon in Ordnung. Macht ja nichts. Wie heißt du?"
"Ich bin Emma."
"Nur Emma?"
"Emma Lauchblatt."
"Hmm, Emma, wie ist denn diese Lady Brompter so?"
Die beiden gingen über eine Treppe hinauf in den ersten Stock.
"Ach, sie is' schon in Ordnung. Sie schlägt mich nich' obwohl ..."
"Obwohl .. was?"
"Ach nichts, 's 'is nur weil ... Nein, is' nichts."
Ayure sah Emma an und bemerkte wie verhärmt und irgendwie auch verschämt sie aussah. Sie legte ihr die Hand auf die Schulter. "Komm schon, sag es nur. Danach geht es dir besser."
"Ach, es war nur am Anfang schlimm."
"Mit der Lady?"
"Nein mit dem Lord un' sei'm Sohn. Da hab' ich viel geweint. Aber mittlerweil' hab' ich mich dran gewöhnt."
Ayu wurde mulmig im Magen. Aber sie fragte weiter: "Was ist mit dem Lord und seinem Sohn? Was haben sie gemacht?"
Emmas Gesicht wurde hart als sie stehen blieb und sich zu der Obergefreiten umsah. "Na was wohl? Wenn sie sich langweilen oder besoffen sind, dann kommense oft zu mir aufs Zimmer. Meistens immer nur einer, aber auch mal beide Herrschaften zusammen. So, jetz' weißt du es."
Ayu blieb stehen und sah sie entsetzt an. "Aber warum lässt du dir das gefallen? Warum zeigst sie nicht an?"
Als Antwort bekam sie nur ein spöttisches Schnauben.
"Wirklich, du solltest ..."
"Was kann ich'n mach'n? Wenn ich mich wehr', dann setzten'se mich auf die Straße un' lachen mich aus. Un' meine ganze Familie is' von den Brompters abhängig. Wenn sie die Arbeit verlieren bin ich Schuld."
"Aber ..."
"Willkommen inner Wirklichkeit, Wächterin."
Ayu schluckte und wusste nichts mehr zu sagen.
Die beiden Frauen verließen das Treppenhaus und betraten einen dunkel getäfelten Korridor. Emma führte Ayure zu einer Tür und klopfte an. Sie trat ein, knickste und sagte: "Die Wächterin von der Stadtwache ist da Mylady."
"Sie soll reinkommen", hörte die Obergefreite eine Frauenstimme.
Emma knickste noch einmal und hielt die Tür für Ayu auf. Als die an ihr vorbeiging las sie eine stumme Bitte in den Augen des Dienstmädchens und sie nickte ihr, wie sie hoffte beruhigend, zu.
"Guten Tag! Ich bin Obergefreite Namida von ..."
Eine schlanke und für Ayu überraschend auch noch recht gut aussehende Frau in einem dunkelblauen Kleid unterbrach sie. "Ich hatte nach einem Offizier geschickt."
"Leider ermittelt kein Offizier in diesem Fall, M'äm und ..."
"Ich bin Lady Brompter, die Frau von Lord Brompter. Und ich erwarte von einer einfachen Wächterin die entsprechende Anrede. Ich werde mich bei deinem Vorgesetzten beschweren."
Sie drehte sich um und zog an einer Klingelschnur. Ayure wollte etwas sagen, aber Lady Brompter sah sie so abweisend an, dass die Wächterin kleinlaut schwieg.
Nach kurzer Zeit trat der Butler in das Zimmer und verneigte sich vor seiner Herrin.
"Da die Stadtwache es nicht für Nötig gehalten hat mir einen qualifizierteren Wächter als dieses junge Ding da zu schicken, kannst du versuchen ihr zu erklären was ich herausgefunden habe."
"Sehr wohl, Mylady."
Sie deutete mit dem Kinn auf die Tür und der Butler bedeutete Ayure, dass sie den Raum verlassen sollte. An der Tür sah sie sich noch einmal um und bemerkte, dass sich die Lady in einen Sessel gesetzt hatte und in einem Buch las. Offenbar existierte die junge Wächterin nicht mehr für sie.
"Na warte", dachte Ayu,
"das werde ich dir heimzahlen."***Ruppert und Sara waren in den letzten Tagen immer wieder durch das Viertel gegangen und hatten sich mit allen möglichen Leuten unterhalten. Viele wussten von dem grausigen Fund, aber niemand hatte etwas gesehen, gehört oder sonst wie bemerkt. Alle hatten den Geschichtenerzähler gekannt und die meisten waren erschüttert über seinen Tod.
In einer Zwergenbäckerei, der Inhaber hielt den Namen "Zwergenstübchens Backstube" offenbar für einen guten Namen, erfuhren sie, dass Treibmich ein regelmäßiger Kunde gewesen war, der auch immer etwas für die Bettler gekauft hatte
[7], die in der Nacht seine Bühne benutzt und damit auch bewacht hatten. In der Nacht, da er ermordet wurde, nahm er das Brot, brach es in zwei Stücke und sagte zu dem Bäcker, dass er noch einmal zur Bühne zurückkehren wollte, weil er vergessen hatte seinen "Untermietern" etwas mitzunehmen.
"Weißt du zufällig, wer seine 'Untermieter' waren?", wollte Sara von dem alten Bäckermeister wissen.
"O ja, das waren der Räudige Hans und der Schlurfende Gert. Ich glaube, sie haben einen neuen Unterschlupf hinten an den Piers in der Nähe der Fähre gefunden." Der graubärtige Bäcker schniefte etwas und meinte dann anklagend: "Es ist eine Schande, dass so ein netter Mensch umgebracht wird. Ich hoffe, dass ihr den Mörder endlich findet."
"O ja, das hoffen wir auch", meinte Ruppert und die beiden Wächter verließen die Bäckerei.
"Sollen wir die beiden suchen?", fragte Sara.
"Das habe ich mich auch schon gefragt. Ich glaube zwar nicht, dass sie uns weiterhelfen können, aber was sollen wir sonst machen?"
"Wir könnten Apfelkuchen essen", sagte Sara und lächelte Ruppert an.
***"Mylady kaufte diese Gegenstände beim Händler Traggut in der Hochkantstraße." Der Butler deutet mit einem Ausdruck des Abscheus auf die Lampen, die auf einem Tisch in einer Abstellkammer standen. "Nach der Lektüre des Artikels in der Times war ihr klar, dass sie das Opfer eines geschmacklosen Krämers geworden war und veranlasste mich die Wache zu informieren."
Ayure sah sich die Lampen an ohne sie anzufassen. Es war eindeutig tätowierte Haut. Sie musste schlucken und ihre Stimme zitterte als sie den Butler bat die Lampen einzupacken. Der nickte, holte einen Karton aus einem Regal und wickelte die Lampen in Lumpen und stellte sie vorsichtig in die Schachtel.
"Sag mal, Samuel?", fragte sie ihn vorsichtig.
"Obergefreite?"
"Wie sind denn die Brompters so. Ich meine, so als Mensch und so ..."
Der Butler sah sie erstaunt an. Dann meinte er etwas belehrend: "Lord und Lady Brompter sind sehr honorige Mitglieder der ankh-morporkianischen Oberschicht. Ihr Ruf ist ohne Tadel. Und voller Stolz kann ich sagen, dass ich hier seit zwanzig Jahren im Hause dienen darf ohne jemals etwas Nachteiliges bemerkt zu haben."
Ayu dachte an Emmas Bericht. "Und wie benehmen sie sich ihren Angestellten gegenüber?"
"Stets korrekt, das kann ich versichern. Darf ich erfahren in welchen Angelegenheiten du derartige Informationen benötigst?"
"Och, nur so, ich bin neugierig", antwortete sie gespielt fröhlich, nahm die Kiste und verließ das Haus, wobei sie, den Butler ignorierend, den Haupteingang benutzte.
***An den Piers herrschte dichtes Treiben. Schiffe wurden be- und entladen, Waren in die verschiedenen Lagerhäuser gebracht oder von dort auf Karren geladen und weiter transportiert. Viele Menschen, Trolle, Zwerge und andere Wesen aus allen Kontinenten schienen hier zusammen zu treffen und in mehr oder weniger gutem ankh-morporkianisch Geschäfte zu machen. Aus den Tavernen drang grölendes Gelächter, die besseren Gasthäuser hatten meist Trolle vor der Tür stehen, die nur anständige Gäste einließen, also solche, die nach Geld aussahen. An vielen Hausecken standen Verkäufer oder fliegende Handwerker und boten lautstark ihre Ware oder Dienstleistung an.
"Keeeeeesselfliiiicker!" Der Mann schlug lautstark mit einem Kammer auf einen alten Kupferkessel. "Keeeeeesselfliiiicker!"
GONGGGGG"Achatene Köstlichkeiten!" Hinter dem kleinen Garstand auf Rädern schüttelte ein verhutzelter Achate einen großen Schellenbaum, der noch schriller war als seine Stimme. "Achatene Köstlichkeiten!"
KLINGELLINGELLIIIIIING"Kummervoller Pudding!" Eine mächtig dicke Frau stand hinter einem großen Kessel dieser ankh-morporkianischen Spezialität und ließ ein Nudelholz immer wieder krachend auf die Tischplatte knallen. "Kummervoller Pudding!"
KNALLWUMM"Basaltbruch! Schlemmerkreide"! Ein kleiner schwarzer Troll bot von einem Ochsenkarren ohne Ochsen diverse Granulate an und drehte dabei ein Stahlrohr immer wieder um, in dessen Inneren es lautstark raschelte.
[7a] "Nach-Acht-Uhr-Schieferplättchen"
RAUSCHRASCHELBRAUSDurch das Gedränge und den Lärm schoben sich Sara und Ruppert. Hier zwei bestimmte Bettler zu finden schien ein Ding der Unmöglichkeit zu sein.
GONGGGGGKLINGELLINGELLIIIIIINGKNALLKLINGONRASCHELWUMMRAUSCHRASCHELGONGGGBRAUS"Wie halten die denn den Lärm hier aus?", brüllte Sara.
"Keine Ahnung, vielleicht haben sie sich dran gewöhnt", schrie Ruppert zurück und schob einen zudringlichen Pastetenverkäufer zur Seite, der mit seiner Ware vor Rupperts Nase wedelte.
"Und wie wollen wir die beiden finden?", rief Sara.
Ruppert grinste nur und deutet auf einen Bettler, der an einer Hausecke stand und gelangweilt in der Nase bohrte. Die beiden schlenderten auf ihn zu und wurden misstrauisch beäugt.
"Stadtwache, nä?"
"Ganz genau, mein Freund."
"Freind? Haste ma fünf Cent, ma Freind?"
Ruppert griff in die Tasche und holte ein Fünfcentstück hervor. Der Bettler wollte danach greifen, aber Ruppert zog schnell die Hand zurück.
"Erst möchte ich was von dir wissen. Wo kann ich den Räudigen Hans und den Schlurfende Gert finden?"
Der Bettler kratze sich am Kopf und Sara sah voller Ekel, wie ihm Läuse über die Finger liefen. Unwillkürlich machte sie einen Schritt zurück, was ihr ein freches Grinsen einbrachte.
"Kenn ich nich."
"Kennst du doch."
"Nää, kenn ich nich."
"Es geht um den Mord an dem Geschichtenerzähler. Ich will sie doch nur was fragen."
"Ha'm de zwee was 'mit z'tu?"
"Nein, aber vielleicht haben sie etwas gesehen. Immerhin haben sie unter seiner Bühne geschlafen."
"Yau, wa'ne gute Kerl."
"Du kanntest ihn?"
"Ei yo, hab' yo och ma zug'hört. Hat nie nich drüber g'meckert."
"Also, wo sind die beiden nun?"
"Pier 18, unnerm Kran is'n Verschlach."
Ruppert reichte ihm die 5 Cent, aber der Bettler nahm sie nicht an. "Nein, vielen Dank, aber wenn ihr die Mistkerle zu fassen bekommt, dann ist mir das Lohn genug. Danke, dass ihr euch darum kümmert."
Sara sah ihn erstaunt an aber Ruppert sagte nur: "Wir bemühen uns. Danke für die Hilfe." Er nickte dem Bettler zu und die beiden gingen in die Richtung, in die der Mann gezeigt hatte.
"Der konnte ja doch richtig Hoch-Ankh-Morporkianisch", wunderte sich die Vektorin.
"Warum auch nicht. Er ist ja vermutlich hier aufgewachsen und wenn er die Bettlerschule besucht hat ..:"
"Bettlerschule? Lernen die da betteln?"
"Nicht nur. Glaub nur nicht alles was dir auf der Straße vorgespielt wird. Es heißt, dass Lord Vetinari viele Bettler unter seinen Informanten hat. Und er wird sich ja kaum auf Dummköpfe verlassen, oder? Viele sind gebildeter als der Durchschnittswächter."
"Was nicht viel heißen muss", warf Sara spöttisch ein.
Ruppert hob die Schulter und zeigte dann auf ein Holzschild an einem Gerüst. Groß stand "PIER XVIII" darauf.
***Ayure stellte die Kiste auf den Schreibtisch von Feldwebel Grauhaar.
"Sir, hier ist das Beweismaterial, dass mir die Brompter übergeben hat."
"Ja und, was ist drin? Hol es raus."
Ayu zögerte. "Es ist so ... eklig, Sir. Es ist die fehlende Haut."
Romulus hob eine Augenbraue und stand auf. Eröffnete die Kiste und holte die Lampen heraus.
"Hmm. Ziemlich geschmacklos. Meine Tante Miffy hatte auch so was in ihrem Wohnzimmer. Sie nannte es
'Erinnerungen an glückliche Jagden'. Ziemlich geschmacklos, aber das sagte ich wohl schon. Und das ist die fehlende Haut?"
"Nun ja, Sir. Ich denke schon. Wir brauchen nur jemanden, der das Opfer zu seinen Lebzeiten gekannt hat."
"Da gibt es doch diesen Vektor, den Rea auf Spurensuche geschickt hat. Lochvollkoch oder so."
Ayu grinste. "Der Typ mit dem Rock?"
"Genau der. Schau bitte mal nach ob er da ist. Wenn nicht, soll er sich sofort bei mir melden, wenn er ins Wachhaus kommt. Sag am Tresen Bescheid."
Die Obergefreite salutierte und verließ den Raum. Grauhaar sah sich die Lampen scheinbar unbewegt an und stellte sie dann leise seufzend in ein Regal. Offenbar gab es Dinge, die niemals aufhörten.
***Sara und Ruppert betraten das Wachhaus. Ruppert war über sich selbst verärgert. Natürlich hatten sie die beiden Bettler nicht in ihrem Verschlag angetroffen. Die waren unterwegs und würden erst Nachts wieder auftauchen. Also mussten sie später noch einmal zu den Piers gehen.
"Guck nicht so, Ruppert. Wir haben doch immerhin ein paar neue Informationen, die RUM vielleicht weiterhelfen können." Sara stuppste ihrem Kollegen mit dem Ellenbogen in die Seite. Der lachte und sagte: "Ja, du hast ja Recht. Aber Nachts ist es auf den Piers nicht so angenehm wie am Tag."
Der Rekrut am Tresen schaute auf und erkannte Ruppert.
"Ach, Gefreiter, ich soll dir ausrichten, dass du dich bei Feldwebel von Grauhaar melden sollst."
Ruppert nickte dankend und machte sich auf den Weg in den ersten Stock, während Sara in ihrem Büro gleich neben dem Wachetresen verschwand.
"Herein!", schnarrte der RUM Abteilungsleiter. Ruppert öffnete die Tür und salutierte.
"Sie haben mich bestellt, Sir?"
"Ja, du ermittelst doch in der Sache mit dem ermordeten Geschichtenerzähler, Lochvollkoch. Wir haben hier etwas, das du dir ansehen solltest."
"LochMoloch, Sir, Ruppert ag LochMolloch", korrigierte Ruppert automatisch und sah dann in das Regal auf das Grauhaar gedeutet hatte.
"Wie auch immer. Du hast den Mann gekannt. Erkennst du die Tätowierungen?"
Ruppert sah entsetzt auf die Lampenschirme und wich einen Schritt zurück.
"Es tut mir sehr Leid, aber schau sie dir bitte genau an, Gefreiter!"
Widerwillig trat Ruppert näher und nahm eine der Lampen aus dem Regal. Er drehte sie und musste mit einem Brechreiz kämpfen. Dann stellte er sie wieder hastig in das Regal, sorgsam darauf bedacht die Bespannung des Schirms nicht zu berühren und holte die nächste heraus. Der Feldwebel beobachtete ihn und nickte beifällig. Der Junge drehte nicht durch, sondern biss die Zähne zusammen.
Bleich wandte sich Ruppert wieder Grauhaar zu. "Nun, Sir, ich habe ihn nur einmal gesehen, aber ich glaube schon, dass es ... die Bilder sind."
"Gut, das genügt. Wir werden den Händler verhaften. Ich denke, du kannst dann die Ermittlungen einstellen."
"Wir wollten noch ein paar Bettler befragen, die ..."
"Vergiss es. Wir haben den Mörder wohl jetzt und können den Fall nun ohne weiter Unterstützung von SEALS abschließen."
"Aber ..:"
"Danke, das war es. Du kannst gehen."
Ruppert salutierte resigniert und verließ das Büro des RUM-Chefs.
***"Sehr wohl, Madam. Lady Brompter hat mehrere dieser Lampen erworben und sie als sehr geschmackvoll gelobt."
Henry dienerte vor einer dicken Frau, die in viel zu pompöse Brokatgewänder gehüllt war. Bei ihrer Figur und den Stoffen konnte man von 'Kleidern' und 'tragen' wahrhaftig nicht sprechen.
"Oh hja, hsie hsind hsehr geschmackvoll", säuselte die Frau.
In diesem Moment wurde die Tür aufgestoßen und Ayure Namida betrat den Laden.
"Bist du Henry Traggut, Inhaber dieses Ladens?", fragte sie mit eisiger Mine.
"Ja, aber ich bediene gerade diese ..."
"Du bist verhaftet. Jeglicher Widerstand darf von der Wache mit unangemessener Gewalt gebrochen werden. Alles was du sagst kann gegen dich verwendet werden. Und das was du nicht sagst erst recht. Du hast das Recht vor der Befragung durch einen Arzt untersucht zu werden um zu beweisen, dass wir dich gut behandeln."
Ayu packte den Mann an den Schultern und legte ihm geschickt Handschellen an.
"Aber ... aber ..:"
"Henry! Was ist los?" Seine Frau Marthe kam in den Laden gelaufen und blieb erschrocken stehen als sie ihren Mann gefesselt vor sich stehen sah.
"Ich weiß nicht ..."
Die Tür öffnete sich erneut und Feldwebel von Grauhaar trat ein.
"Gut, du hast den Kerl schon. Sehr gut, Obergefreite. Dann nehmen wir ihn mit und stellen den Laden auf den Kopf. SUSI hat seine Leute schon geschickt."
"Aber ... was soll ich den getan haben?", rief Henry verzweifelt.
"Ich sage nur eins: Roland Treibmich!"
"Kenne ich nicht!"
Die Kundin schrie auf. "Du warst das ...?" entsetzt starrte sie auf die Lampen und kippte um, Romulus genau in die Arme.
***Ruppert stand am Schwarzen Brett und sah sich die Liste der Beförderungen an. Sein Name stand nicht darauf. Er kniff den Mund zusammen und schüttelte den Kopf. Er wusste genau woran das lag. Der Kommandeur hatte ihn auf dem Kieker seit der Sache mit den ermordeten Wächtern. Wahrscheinlich wollte er ihn aus der Wache heraus ekeln damit nicht heraus kam, dass er und ein paar Abteilungsleiter krumme Sachen machten.
[9] Er schnaubte. Ein LochMoloch ließ sich nicht vertreiben.
***"Kennst du diese Lampen?" von Grauhaar stellte zwei der Brompter'schen Lampen vor Henry Traggut auf den Tisch. Der nahm sie und stellte sie wieder zurück.
"Ja, die habe ich verkauft. An Lady Brompter wenn ich mich nicht irre. Und was soll das alles? Ich will endlich wissen warum ich hier bin?"
"Da fragst du noch? Du verkaufst solche ... Abscheulichkeiten und fragst warum du hier bist?" Romulus lief aufgeregt durch den Verhörraum, ängstlich beobachtet von Henry.
"Abscheulichkeiten, aber Herr, das ist doch kein Verbrechen, ich meine, über Geschmack lässt sich doch nicht streiten, Herr", versuchte er etwas kläglich einzuwenden.
"Kein Verbrechen nennst du das?" brüllte der Feldwebel und stützte sich mit beiden Händen auf den Tisch. "Kein Verbrechen? Das ist widerlich."
"Aber ..:"
"Kein aber mehr, du hast diese Lampen verkauft, also bist du schuldig. Verrate uns deine Komplizen!"
"Aber ... Herr, so sag mir doch, was daran so schlimm ist?", Traggut war den Tränen nahe.
"Da fragst du noch, du ... du ... verdammter Mörder?"
Der Händler sah ihn mit weit aufgerissenen Augen an. Dann schrie er: "Nein! Ich bin kein Mörder, ich habe doch niemanden umgebracht, ich ..."
von Grauhaar unterbrach ihn. "Halt den Mund! Wir werden schon noch mehr herausfinden, mal sehen ob du dann immer noch leugnest." Er verließ den Raum und zwei Rekruten kamen herein um Traggut zurück in seine Zelle zu bringen.
***Ein paar Tage später stand Ayure im Büro des Abteilungsleiters und las ihre Ergebnisse vor.
"Also, Sir, Traggut ist 52 Jahre alt und stammt aus einer angesehenen Handwerkerfamilie aus Ankh-Morpork. Sein Vetter betrieb eine Kerzenfabrik, ist aber vor einigen Jahren von einem Vampir ermordet worden. Genaueres ist nicht bekannt. Traggut hat sein Geschäft vor 14 Jahren gegründet und hatte mit extravaganten Lampen schnell eine reiche Stammkundschaft. Wir haben versucht heraus zu finden woher er sein Startkapital hatte. Und jetzt wird es interessant, Sir, denn in jungen Jahren war Traggut bei der Klatschianischen Fremdenlegion. Er diente bei einer Einheit, die gegen die D'regs kämpfte. Die Tatsache, dass er überlebte scheint zu belegen, dass er ein guter Kämpfer war. Als er zurück nach Ankh-Morpork kam, hatte er genug Geld dabei um das Geschäft zu kaufen und einen ersten Warenbestand sofort zu bezahlen. Gegen ihn liegt nichts vor, er hat sich nie auffällig verhalten. In den letzten Monaten lief das Geschäft wohl nicht so gut. Vielleicht hat ihn das dazu gebracht seine Kenntnisse aus Klatsch wieder hervorzukramen."
"Gute Arbeit, Namida, aber bringt uns das weiter?"
"Seine Frau hat erwähnt, dass einer seiner Kameraden aus der Legion auch in der Stadt lebt. Aber sie wusste weder Namen noch Wohnort. Korporal Ziegenberger hat sich im Büro der Fremdenlegion als Schreibkraft anstellen lassen und ihn gefunden. Ein gewisser Brutus Goldstein, genannt 'Zieher'. Und, was glaubst du, ist er von Beruf?" Ayus Stimme klang triumphierend.
"Keine Ahnung, sag schon!"
"Er ist Gerber! Ich glaube, wir haben seinen Komplizen gefunden. Jetzt müssen wir nur noch herausfinden wo er lebt und ihn verhaften."
"Na, das war wirklich gute Arbeit. Kompliment."
"Wir haben DOG schon beauftragt bei der Gerbergilde nachzuforschen ob die ihn kennen. Mal sehen was das bringt."
***Ruppert ging ein wenig lustloser als sonst seiner Arbeit nach. Ihn bedrückte die übergangene Beförderung mehr als er sich das eingestehen wollte. Andere Wächter, die nach ihm gekommen waren, waren an ihm vorbei gezogen und schon Obergefreite. Er begann auch an seinen Fähigkeiten zu zweifeln, denn Rea Dubiata hatte doch bestimmt auch etwas bei den Beförderungen mitzureden. Aber er traute sich nicht mit irgend jemandem darüber zu reden und wurde immer verschlossener.
Rea war aufgefallen, dass er sie in letzter Zeit zu meiden schien und sie bemerkte auch die Veränderung in seinem Wesen. Sie schob es darauf, dass er endlich begriffen hatte, dass das Vektorenleben nicht nur aus Spazierengehen und mit den Leuten reden bestand.
***Feldwebel von Grauhaar starrte ungläubig den fetten Mann vor sich an.
"Und das soll ich dir glauben?"
"Nun ja, Herr Feldwebel, das ist ja nun mal so", schnaubte Goldstein kurzatmig. "Wie kommst du nur auf die Idee, dass es sich hierbei um Menschenhaut handelt?"
"Du behauptest allen Ernstes das sei Lammfell?"
"Nun ja, nein - kein Fell. Pergament aus feiner Lämmerhaut. Ohne Haare. Kein Fell eben."
Der RUM Abteilungsleiter ließ sich in seinen Stuhl sinken und schloss die Augen.
"Bitte erzähle mir die ganze Geschichte. Von Anfang an", bat er mit leiser Stimme.
"Nun, ich wurde als Kind armer aber ehrbarer ..."
"Nein, erzähl mir woher du Traggut kennst", unterbrach ihn Romulus ungehalten.
"Nun, wir waren in der Klatschianischen Fremdenlegion zusammen. Zwei verdammte Jahre haben wir gegen diese Wüstenirren gekämpft, diese verdammten D'regs. Sie haben fast alle Kameraden am Arsch gepackt. Nun, zum Schluss waren nur noch eine Handvoll Leute von Anfang an dabei. Henry war unser Korporal und er hat mir mehr als einmal das Leben gerettet. Einmal hat er mich sogar aus einem D'reg-Lager herausgeholt. Noch während die berieten was sie mit mir anstellen sollten kam er angeschlichen, hat die Wächter abgestochen und mich befreit. Nun, das werd' ich ihm nie vergessen." Gerührt von seiner eigenen Geschichte zog er die Nase hoch.
"Und dann?"
"Nun, dann war unsere Zeit vorbei. Henry und ich beschlossen zurück nach Ankh-Morpork zu gehen, denn wir sind beide hier geboren. Geld hatten wir genug. Nun, du weißt schon, Sold und Beute und so." Das 'und so' klang bewusst unschuldig unbestimmt.
"Traggut hat also einen Laden aufgemacht und du wurdest Gerber?"
"Nun, nein. Ich meine, Henry ja, aber ich nein. Ich war Gerber als ich zur Legion ging. Nun, ich wollte die Welt sehen ... und so."
Der Feldwebel wusste aus den Unterlagen der Gilde, dass es sich diesmal bei 'und so' um ein Verhältnis Goldsteins mit der Tochter seines Meisters gegangen war.
"Nun ja, als ich zurückkam ... ich hatte schon immer meine Kumpels tätowiert. Ich kann das ganz gut und ich hab das dann zu meinem Beruf gemacht."
"Kanntest du Roland Treibmich?"
"Nun, in der Tat, das war einer meiner besten Kunden. Kaum ein Fleckchen Haut, dass ich nicht kenne. Nun, muss wohl eher kannte sagen." Er schüttelte traurig den Kopf.
"Und dann kam Traggut auf die Idee ...?"
"Nun, vor ein paar Wochen kam Henry vorbei. Er hatte wohl Ärger mit so 'ner ollen Schnepfe von Kundin. Nun, als er Roland gesehen hat, da kam ihm diese Idee."
"Lampenschirme aus tätowierter Haut ..."
"Pergament!"
"... aus tätowiertem Pergament herzustellen?"
"Nun, ganz genau. Ich hab' aus meiner Gerberzeit noch die ganzen feinen Messer und konnt' das Pergament so richtig fein spalten und schaben. Nun, zuerst habe ich ..."
"Danke. Das kannst du mir später erzählen. Bitte warte hier."
Romulus stand auf und verließ das Verhörzimmer. Wenn das alles stimmte was Goldstein ihm erzählt hatte, dann konnten sie von vorne anfangen. Und hätten sich obendrein auch noch blamiert.
"Also, das ist eindeutig keine Menschenhaut." Lady Rattenklein stand auf dem Untersuchungstisch und schaute zu Ayure Namida hoch, die ihr eine der Lampen gebracht hatte. Die Poren sind ganz anders. Das hat mal einem Tier gehört, das ziemlich viele Haare hatte. Ich schätze mal ein Schaf oder so was. Menschenhaut sieht ganz anders aus."
"Danke, Lady." Ayu seufzte. Sie musste jetzt ihrem Chef beibringen, dass sie vermutlich wirklich den Falschen verhaftet hatten und seit fast einer Woche festhielten. Sie verließ das Büro und klopfte an die Tür von Grauhaars.
"Herein!"
Die Obergefreite betrat das Büro und sah Goldstein am Schreibtisch sitzen. Ihr Chef lief ungeduldig auf und ab.
"Nun, was sagt SUSI?"
"Sir, die Laborantin Lady Rattenklein hat die Lampe untersucht ... und es ist tatsächlich keine Menschenhaut."
"Nun, sag ich doch!", rief der dicke Mann und klatschte sich auf die Schenkel.
"Nun, ähm ich meine, wir haben also etwas voreilig ..."
"Nun, ihr habt Mist gebaut. Warum habt ihr Henry nicht geglaubt als er euch das erzählt hat?"
"Weil", Romulus sah etwas verlegen aus, "wir ihn nicht gefragt haben."
Wieso auch? Es hatte alles so eindeutig ausgesehen. Wozu einen überführten Mörder noch ausfragen, wozu sich mit ihm beschäftigen? Dem RUM-Chef war klar, dass er einen Fehler gemacht hatte.
Goldstein sah ihn irritiert an und zuckte dann mit den Schultern. "Nun, dass müsst ihr mit Henry ausmachen."
Als Henry von Ayure in Romulus' Büro geführt wurde, wirkte er gebrochen und er starrte auf den Boden vor sich. Unwillkürlich fragte sich der Feldwebel wie so ein Mann gegen die D'regs gekämpft haben sollte. Einen Kriegshelden stellt er sich anders vor.
"Nun, Herr Traggut, leider hat sich herausgestellt, dass alles ein Irrtum war. Wir müssen uns bei dir entschuldigen. Du bist frei und kannst gehen."
Traggut sah ihn ungläubig an. "Frei? Aber weshalb habt ihr mich überhaupt festgenommen?" Dann bemerkte er seinen Freund. "Zieher, was machst du denn hier?"
"Nun, ich habe den Brüdern hier erklärt, dass sie ganz große Bullenscheiße gebaut haben als sie dich verhaftet haben."
"Ja, aber was war denn nur los, kann mir das bitte jemand verraten!" Henry klang verzweifelt.
Goldstein und von Grauhaar sahen sich an und der Feldwebel erklärte Traggut was geschehen war und entschuldigte sich noch einmal: "Es tut mir außerordentlich Leid, Herr. Aber ich bitte dich zu verstehen, dass uns dieser Fall sehr aufgewühlt hat und dass deshalb wohl nicht genau genug ermittelt wurde."
"Ermittelt? Ihr hättet doch nur mal fragen müssen. Nur mal fragen müssen. Mich einfach nur fragen." Er schüttelte den Kopf, so als könnte er nicht begreifen was geschehen war. "Warum habt ihr mich denn nicht gefragt?"
Sein Freund ging zu ihm und legte ihm den Arm um die Schultern. "Nun, komm, ich bringe dich nach Hause. Deine Frau wartet auf dich. Du musst dich ausruhen. Das wird schon wieder."
Die beiden Wächter sahen den Männern nach. Dann seufzte der Feldwebel. "Also dann, schick mir diesen Lochvollkoch vorbei. Der hatte doch noch eine Idee."
Zweiter Teil - Unwiederbringlich Ruppert und Sara standen im Eingang einer Lagerhalle und beobachteten Pier 18. Es war tiefe Nacht und nur vereinzelte Fackeln an Hauswänden und auf dem Pier erzeugten etwas Helligkeit. Die beiden Bettler waren noch nicht wieder aufgetaucht und um sie nicht zu verscheuchen hatten sich die beiden Vektoren in den Schatten zurückgezogen.
Sara kicherte als ihr Ruppert von den pikanten Liebesabenteuern seines Großvaters erzählte
[10].
"Du schwindelst mich an, Ruppert."
"Nein, bei meiner Ehre, er hat das doch selbst erzählt, in der großen Halle. Alle haben es gehört."
"Dann hat er geschwindelt. Ich glaube nicht, dass sich eine Frau so um den Finger wickeln lässt."
"Du hast meinen Großvater nicht gekannt."
"Aber du hast gesagt er war schon über achtzig!"
"Na und?" Ruppert lächelte beim Gedanken an den alten Mann.
"Na hör mal, mit achtzig, also wirklich." Sara klang leicht empört.
"Psst - da kommt jemand, vielleicht sind sie das", unterbrach Ruppert seine Kollegin.
Es waren tatsächlich der Räudige Hans und der Schlurfende Gert, die langsam auf den Verschlag zugingen, der ihnen als Unterkunft diente. Die beiden Wächter liefen schnell hinter ihnen her.
"Guten Abend, die Herren, keine Angst, wir möchten nur was fragen."
Die beiden Bettler drehten sich um und versuchten in dem schlechten Licht etwas zu erkennen. "Stadtwache?", fragte der eine dann.
"Ja, wir kommen wegen ..."
"Roland Treibmich, oder? Wir warten schon seit Tagen auf euch."
"Ihr wartet auf uns?" Sara war erstaunt.
"Ihr habt euch doch angekündigt."
"Aber ..."
"Sara, du glaubst doch nicht, dass der Bettler, der uns die Auskunft gegeben hat, die beiden nicht informiert hat. Natürlich haben die beiden uns erwartet."
"Sonst wären wir schon längst hier verschwunden. 's ist kein guter Platz hier. Zu laut und es stinkt nach verfaultem Fisch." Der Mann kratzte sich ausgiebig den Arm und Ruppert vermutete, dass es sich um den Räudigen Hand handelte.
"Gut, dann wisst ihr auch was wir von euch wollen."
Gert nickte. "Klar. Ihr wollt wissen ob uns was aufgefallen ist."
Ruppert brummte zustimmend.
"Ist uns. Eine Woche bevor Roland ermordet wurde haben sich in einem Gasthof gegenüber seiner Bühne zwei Männer aus Überwald einquartiert. Aus Bad Schürschein oder der Gegend."
"Woher willst du das so genau wissen?", fragte Ruppert.
"Ich hab' die beiden reden hören. Ich war mal ein Jahr in Bad Schürschein, deshalb hab' ich den Dialekt erkannt."
"Du warst in Überwald?", wollte Sara wissen.
"Ja, Schüleraustausch. Jeder gute Bettler sollte mal in einem anderen Land gewesen sein. Aber wo war ich ... ah ja. Die beiden Kerle haben Roland beobachtet. Das ist uns erst gar nicht aufgefallen. Erst als es zu spät war. Einmal haben sie sogar mit ihm gegessen, so wie du auch neulich mit ihm in der Taverne warst. Der arme Kerl war ja sowas von vertrauensselig. Einer von den beiden hat jeden Tag mindestens eine Stunde lang an der Bühne gestanden und ihm zugehört. Und sie wollten wissen was er da unter dem Tuch versteckt hat. Aber Roland hat nur gelacht und wie immer seine große Geheimnisschau abgezogen."
"Du meinst diese Binde um seinen Arm?" Ruppert erinnerte sich vage daran, dass er sich darüber gewundert hatte.
"Genau, niemand wusste was sich dahinter verbirgt. Am Abend des Tages an dem er verschwunden ist, haben Hans und ich die beiden das letzte Mal gesehen. Sie sind aus dem Gasthaus ausgezogen und haben gelacht. Eine Kutsche hat auf sie gewartet. Dann hat der eine dem Kutscher auf überwaldianisch zugerufen
'Wir haben ihn und die Haut'. Leider wussten wir nicht was das zu bedeuten hat. Wir haben auch erst kapiert, dass es etwas mit seinem Tod zu tun haben könnte, als wir hörten, dass ihr uns sucht."
"Interessant, also haben die ihn ermordet, ihm die Haut abgezogen", Ruppert schüttelte sich als er an den Anblick der Leiche dachte, "und sind dann verschwunden."
"Scheint so. Nicht wahr?"
"Verdammt, dann haben wir wohl kaum eine Chance sie noch zu erwischen. Die sind längst über alle Berge."
"Jo, iss ma wohl so. Hasse ma Fünfcent?" Gert streckte grinsend die Hand aus und Ruppert gab ihm lächelnd eine Münze.
"Vielen Dank für die Auskunft."
"Wasslos? Hä"?
***Ayure Namida stand mit der Pappkiste vor dem Haus der Brompters und wartete darauf, dass ihr jemand öffnen würde. Diesmal würde sie nicht den Nebeneingang benutzen. Die Tür wurde geöffnet und der Butler stand in der Tür. Überrascht sah er auf die Obergefreite, die sich an ihm vorbeischob. Er nahm es gelassen auf und schloss die Tür hinter ihr.
"Was führt dich zu uns?"
"O, ich bringe die Lampen zurück."
Ein Ausdruck des Widerwillens ging über sein Gesicht. "Was bei den Göttern sollen wir mit diesen scheußlichen Dingern?"
"Na, sie wieder auf den Tisch stellen. Sie sind nämlich keineswegs aus der Haut des Ermordeten gemacht sondern aus edlem Lammpergament."
Samuel sah sie erstaunt an. "Lammpergament? Aber ..."
"Es war ein Missverständnis. Mehr nicht. Hier, nimm die Lampen."
"Ich weiß nicht ob Lady Brompter sie zurück haben möchte."
"Das ist mir egal. Es sind ihre. Sie kann damit machen was sie will. Unterschreib' mir bitte die Quittung und dann gehe ich wieder." Sie zog einen Zettel aus der Tasche und reichte ihn dem Butler. Samuel zögerte, dann bat er Ayure zu warten, legte die Quittung auf ein silbernes Tablett und verschwand in den ersten Stock."
Kaum war er hinter einer Tür verschwunden kam Emma aus einer unscheinbaren Tür heraus und winkte Ayu zu sich.
"Ich habe dich zufällig gehört und ..." Sie sah verweint und verängstigt aus.
"Ja, was ist denn, Emma?"
"... ich will hier weg. Ich halte es nicht mehr aus. Bitte hilf mir."
Ayure legte ihr die Hand auf die Schulter. "Haben ... Waren sie wieder ...?"
Emma begann zu weinen und sagte nichts.
"Pack deine Sachen und geh einfach", riet ihr Ayure.
Emma sah sie an und schüttelte dann den Kopf. "Nein, ich kann nicht. Ich hätte nicht ..." Sie schüttelte Ayus Hand ab, sah sie dankbar an und verschwand wieder hinter der Tür. Die Wächterin starrte ihr hinterher und spürte riesiges Mitlied mit dem Hausmädchen. Aber wenn sie selbst es nicht schaffte hier wegzugehen, wer konnte ihr dann helfen?
Oben öffnete sich leise ein Tür und schloss sich wieder. Der Butler kam herunter und überreichte die unterschriebene Quittung.
"Lady Brompter dankt der Wache für die Rückerstattung der Lampen und ist froh darüber, dass sich der üble Verdacht gegen Herrn Traggut erledigt hat."
"Hat sie das gesagt?"
"Nicht direkt", meinte der Butler steif und öffnete die Tür. "Lebewohl!"
"Auf Wiedersehen!", sagte die Obergefreite mit scharfer Stimme und verließ das Haus.
***Um die Mittagszeit war es in der Kantine des Wachhauses wie immer recht voll. Als Ayu hereinkam waren alle Stühle belegt und der Geräuschpegel war ziemlich hoch. Nur an einem Tisch war noch ein Platz frei. Sie ging darauf zu.
"Darf ich?"
Ruppert sah auf und lächelte sie an. "Na klar, der ist frei. Setz dich zu uns. Kennt ihr euch?"
Sara streckte Ayu die Hand hin. "Hallo ich bin Sara, Sara Gutmut."
"Ayure Namida, aber alle nennen mich Ayu." Sie lächelte die Vektorin an. "Was gibt es zu essen? Ich bin am Verhungern!"
Ruppert zog eine Grimasse. "Die Mamsell hat einen Eintopf gekocht. Und zum Nachtisch gibt es kummervollen Pudding. Zumindest nennt sie es so. Für mich ist das schon eher ein depressiver Pudding." Er schüttelte sich. "Aber der Eintopf geht. Man erkennt wenigstens nicht was alles drin ist."
Die Ermittlerin stand auf und ging zur Küche. Mit einem vollen Teller und einem Kanten Brot in der einen Hand und einem Becher Kaffee in der anderen kam sie zurück und setzte sich.
Ruppert und Sara unterhielten sich über ihre Ermittlung an den Piers. Ayu hörte gespannt zu.
Als sie fertig gegessen hatte lehnte sie sich in ihren Stuhl zurück.
"Also wieder eine Spur, die im Sand verläuft?"
"Keine Ahnung, wir waren heute früh noch in dem Gasthaus. Der Wirt dort hat gemeint, dass die beiden aus Gennua gewesen seien. Zumindest hätten sie das angegeben. Als wir ihn auf diesen Überwald-Dialekt ansprachen hat er nur gemeint, dass ihm egal ist was die Leute sagen und wie sie es sagen. Hauptsache sie bezahlen. Aber ein Zimmermädchen konnte uns immerhin sagen, dass die beiden Kerle sich mit einem Assassinen getroffen haben. Einen Tag vor dem Mord haben die drei zusammen gesessen und sich unterhalten."
"Du meinst, die haben sich gar nicht selbst die Hände schmutzig gemacht?"
"Zumindest nicht mit dem Mord. Also sollte dein Chef sich an DOG wenden um herauszubekommen wer die Auftraggeber waren."
"Das wird er wohl auch machen. Aber beim Thema Zimmermädchen fällt mir ein ..." Ayure erzählte den beiden von Emma Lauchblatt.
Ruppert schüttelte den Kopf. "Wenn sich ein Clanchef bei uns so verhalten würde, dann würde er sich ganz schnell kopfüber in einem vollen Whiskyfass wieder finden."
Sara sah ihn entsetzt an. "Wäre das nicht sehr grausam?"
"Natürlich wäre es schade um den Whisky, aber einem Clanchef würde diese Ehre gebühren. Seinen Sohn würden wir vermutlich in Dünnbier ertränken."
Ayure nickte grimmig. "Das würde ich diesen Mistkerlen auch gönnen. Aber es ist schlimm, dass wir gar nichts tun können."
Sara nickte düster. "In Überwald, da wo ich herkomme, ist das auch nicht anders. Ganz egal ob es Werwölfe, Vampire oder irgendwelche menschlichen Adelige sind, alles ein mieses Pack. Sie haben die Macht und sie nutzen sie aus um Schwächere auszunutzen. Warum sollte es denn hier anders sein?"
"Aber hier gibt es doch so etwas wie ein Gesetz, hier gibt es die Wache", hielt Ruppert entgegen.
Die beiden Frauen sahen ihn nur mitleidig an.
***Breda Krulock saß in ihrem Zimmer in der Boucherie Rouge und schrieb an einem Bericht, als es klopfte. Ayure Namida trat ein und salutierte.
"Guten Tag, Mä'am."
"Hallo, Obergefreite. Was führt dich zu mir?"
"Wir benötigen eine Auskunft über einen Mord, einen möglicherweise lizensierten Mord, Mä'am."
"Wer, wann, wo und wie?"
Ayu stutze und ratterte herunter: "Roland Treibmich, vor etwa zwei Wochen, der Tote wurde in einem Lagerhaus in der Kröselstraße gefunden, Stich ins Herz."
"Und es wurde keine Quittung gefunden?"
"Nein, Mä'am. Der Tote wurde eher zufällig entdeckt und ihm war, bis auf das Gesicht, am ganzen Körper die Haut abgezogen worden."
"Das hört sich aber nicht nach einem Assassinen an", bemerkte die Dobermann.
"Ja, Mä'am. Aber wir haben eine Zeugin, die gesehen hat, dass sich zwei der Tat Verdächtige mit einem Assassinen getroffen haben."
"Hmm, na gut. Ich werde sehen was sich machen lässt. Ich nehme an, dass Feldwebel von Grauhaar die Ermittlungen in der Hand hat?"
"Ja, er hat mich hergeschickt."
"Also gut, ich werde mich erkundigen und ihn informieren."
"Vielen Dank, Mä'am. Auf Wiedersehen." Ayu salutierte noch einmal und verschwand aus dem 'Spass im Gras'.
Die Vampirin seufzte. Von dem Mord hatte sie natürlich gehört. Aber an eine Arbeit der Assassinen hatte sie beim besten Willen nicht gedacht. Also würde sie sich auf den Weg zur Gilde machen müssen um das Auftragsbuch einzusehen.
***In Romulus von Grauhaars Büro saßen die Obergefreite Ayure Namida, der Gefreite Ruppert ag LochMoloch und der Feldwebel selber. Er hielt einen Bericht in der Hand und musterte die beiden Wächter vor sich. Dann räusperte er sich. "Der Fall ist abgeschlossen. DOG hat uns mitgeteilt, dass für die Ermordung Treibmichs ein Auftrag vorliegt und es sich daher um keinen unlizensierter Mordfall handelt. Allerdings betont die Gilde, dass sie den Mann nur inhumiert hat. Was es also mit der fehlenden Haut auf sich hat, ist nicht geklärt. Bei den Auftraggebern scheint es sich tatsächlich um die beiden Männer aus Überwald zu handeln. Da sie die Stadt schon lange verlassen haben, können wir uns jede weitere Untersuchung sparen."
"Also handelt es sich um einen bürokratischen Fehler? Ich meine, es ist nur eine Quittung verschwunden, sonst wäre alles in Ordnung gewesen?" Ruppert klang ungläubig.
von Grauhaar sah ihn unbewegt an. "Das sind die Gesetze in der Stadt. Eine moralische Bewertung steht uns nicht zu, denke ich. Na gut. Das war es dann. Vielen Dank für die Unterstützung, Gefreiter und richte das bitte auch deiner Vorgesetzten aus."
Ruppert stand auf und salutierte wortlos. Dann verließ er das Zimmer. Ayu und ihr Chef sahen sich an. Dann zuckte der Werwolf mit den Schultern. "Er wird es auch noch kapieren." und Ayure Namida nickte dazu. Sie konnte den jungen Llamedonen nur zu gut verstehen, denn sie fand diese Regeln, obwohl sie in Ankh-Morpork geboren und aufgewachsen war, ebenso unbegreiflich wie er.
***"So, das war es für heute." Lautes Stühlerücken und ein ansteigender Geräuschspiegel zeigte das Ende der Abteilungsleiterbesprechung an. "Ach, Oberfeldwebel, da fällt mir ein, ich wollte dich noch etwas fragen." Der Kommandeur hielt Rea Dubiata mit einer Handbewegung zurück, während die anderen sein Büro verließen.
"Ja, Sir?"
"Bitte setz dich. Es geht um einen deiner Leute, den Gefreiten LochMoloch."
"Um Ruppert? Was ist mit ihm?"
"Ich habe hier sehr widersprüchliche Informationen über ihn. Da sind zum einen seine Berichte, die nicht schlecht aussehen. Ich habe ihn auch zweimal in einem Einsatz selbst erlebt und fand seine Arbeit teilweise bemerkenswert. Dann hat sich Feldwebel von Grauhaar positiv über ihn geäußert im Fall des Gehäuteten."
"Das freut mich, aber wo liegt das Problem, Sir?"
"Nun, ich habe hier deine Mitarbeiterbeurteilung und da steht, dass du ihn für feige hältst."
Rea sah Breguyar verblüfft an. Dann schüttelte sie energisch den Kopf. "Er ist mitunter zu tollkühn, aber doch nicht feige. Das kann nicht sein."
Der Kommandeur schob ihr ein Blatt Papier zu und Rea las ...dass er ein sehr feiger Vektor geworden ist.'.
"Das habe ich nie gesagt! Ich weiss nicht was das soll. Ich habe damals meine Beurteilung einem Rekruten diktiert und der sitzt auch gerade unten am Tresen, habe ich gesehen. Na warte, den Kerl kaufe ich mir." Wütend sprang die Abteilungsleiterin auf und rannte aus dem Büro. Der Kommandeur hatte sie amüsiert beobachtet. Und bis sie zurück kam, wäre das sicher eine gute Gelegenheit für ein kleines Schlückchen.
Edward von Dort unterhielt sich gerade mit seinem Mitrekruten Wall Halla, als Rea die Treppe herunter gestürmt kam.
"Du da!" Sie deutete auf den erschrockenen von Dort. "Mitkommen, aber dalli!"
"Ja, Mä'am, selbstverständlich", stammelte der Rekrut und folgte ihr. Als er sah, dass sie vor dem Büro des Kommandeurs stehenblieb und anklopfte wurde er bleich.
"Los, rein da", herrsche Dubiata ihn an und mit zitternden Knien betrat er das, was er für das Allerheiligste der Wache hielt.
[11] Er salutierte vor dem Kommandeur, der ihn und Rea fragend ansah.
"Hier, hast du das geschrieben?" Rea schob Edward die Beurteilung hin.
Er warf einen schnellen Blick darauf. "Ja, Mä'am."
"Aber das habe ich nicht diktiert! Wie kannst du es wagen so einen Mist zu schreiben?"
"Ich ... ich .... verstehe nicht ..."
"Willst du behaupten, ich hätte diktiert, dass der Gefreite ag LochMoloch ein Feigling ist?"
"Nein, Mä'am, das habe ich doch auch nicht geschrieben, Mä'am." von Dorts Stimme klang jetzt sehr erstaunt.
"Ach ja, und was steht da?" Rea deutete auf die fragliche Stelle.
"Da steht
... dass er ein sehr fe-iger Vektor geworden ist"
"Ein fä..." Rea fehlten die Worte.
Breguyar sah erst sie an und dann den Rekruten. Dann lachte er schallend.
"Es ist gut Rekrut. Du kannst gehen. Aber ich rate dir gut: Gewöhne dir lieber ganz schnell eine ordentliche Rechtschreibung an."
Ein immer noch ahnungsloser von Dort schlich sich von Dannen.
[12]"Na gut, Oberfeldwebel. Dann habe ich den armen LochMoloch zu unrecht nicht befördert. Ich denke, bei der nächsten Beförderung machen wir ihn gleich zum Hauptgefreiten."
Rea grinste. "Ja, ich denke das wird ihm gefallen, Sir."
***Das Leben hier in der Stadt ist doch viel seltsamer als ich gedacht habe. Zuerst habe ich nur die vielen Menschen gesehen, die ihrer Arbeit nachgehen. Aber nach und nach erkenne ich, dass unter der Oberfläche von Anstand und Behaglichkeit viel mehr schlummert als wir uns in der Heimat das vorstellen können. Trotz einiger netter Kollegen glaube ich nicht, dass ich noch lange hier bleiben werde. Natürlich liegt das auch an der Benachteiligung die ich hier erleben muss, denn ich wurde bei der Beförderung übergangen und muss noch immer als unterster Dienstrang arbeiten. Das hätte ich zu Hause auch haben können. Ach, Cal, was hat mich nur fortgetrieben?"Ruppert seufzte und zerknüllte den Brief. Warum sollte er seiner Familie Sorgen bereiten? Irgendwie würde es weitergehen; er würde sich nicht unterkriegen lassen.
EpilogDer Mann sah sich das Stück Haut wieder an. Es war in Alkohol eingelegt und hatte sich verfärbt. Aber immer noch konnte man die Tätowierung gut erkennen. Es waren zwei ineinander verschlungene Herzen und es standen zwei Namen daneben. Als es klopfte steckte er das Glas zurück in das Versteck im Bücherregal.
Ein Butler trat leise ein.
"Richte meiner Gemahlin aus, dass ich soweit bin und wir fahren können. Und lasse die Kutsche vorfahren."
"Sehr wohl Mylord", der Butler verbeugte sich leicht. "Ich werde es Lady Brompter ausrichten.
Wird fortgesetzt
[1] Dieser liegt dem Kommandeur vor ;-)
[2] Und er trug selbstverständlich auch eine Hose. Im Sommer eine ziemlich kurze.
[3] Roland war ein Mensch mit einer tiefen, sonoren, weittragenden Stimme, dessen Sätze stets mit einem Ausrufezeichen zu enden schienen
[4] Eine peinliche Szene aus der Multi "Sawerei in der Wache"
[5] Single "Kapuzen und andere Ungereimtheiten
[6] "Wach-haus"?
[7] Was darauf schließen lässt, dass dort auch für den Verzehr geeignete Waren verkauft wurden.
[7a] So wie ein Regenstab, nur ohrenbetäubender
[9] Das bezieht sich auf das Ende der Multi "Sawerei in der Wache", in der Ruppert zu dem vollkommen falschen Schluss kommt, dass die oberen Dienstränge irgendetwas planen. Er weiss aber nicht was.
[10] Teilweise zu erahnen in der Single "Es muss nicht immer Harfe sein"
[11] Erfahrene Wächter wissen natürlich, dass es sich beim Allerheiligsten um den Kaffeedaemonen in der Kantine handelte.
[12] Sorry, das musste jetzt sein
Zählt als Patch-Mission für den Vektor-Patch.
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