"Oh Seidenfächer. So dünn, wie Frost au dem Gras. Niemand nimmt dich wahr."
Dafür vergebene Note: 11
Über dem Berg
Auf dem Stein sitzt in Ewigkeit
Der Kalte
Er sieht nicht
Er hört nicht
Er wartet auf seine Legionen.
"Der Zyklus vom Berg unter dem Stein"Das Dach eines normalen Hauses in Ankh-Morpork.
Es ist dunkel, der Mond ist hinter den Wolken nur noch zu erahnen, doch der frisch gefallene Schnee sorgt durch seine Reflexion für ein unwirklich schönes Licht. Einzelne Sterne blitzen durch die samtene Wolkendecke und über allem liegt Stille, als sei sich der Kosmos der Feierlichkeit des Augenblickes bewusst. Eine ruhige Nacht steht bevor, so könnte man meinen.
Doch da bewegt sich ein Schatten, kaum wahrnehmbar unter der Schneedecke und was vorher eine Schneewehe war bekommt plötzlich Beine und Arme und einen langen Fortsatz aus Holz...
Stefan Mann brachte sich in eine günstigere Schussposition näher an der Mauer.
Mit sicherer Hand stellte er den Ferndämonen auf ein ganz bestimmtes Fenster im Obergeschoss ein und legte sich dann wieder zurück, wissend, dass er jetzt nur noch abwarten konnte bis Braggasch ihm weitere Anweisungen übermittelte.
Er sah zum Himmel hinauf und rückte geistesabwesend die weiße Decke zurecht, die ihn vor dem Hintergrund des Schnees sicher tarnte. Es würde sicher noch mehr Schnee fallen.
>Schon seltsam um diese Uhrzeit aus dem Bett geworfen zu werden<, dachte er. >Und das nur, weil ein Clown durchknallt...<
Er schob den Kopf ein paar Zentimeter höher um über den Mauervorsprung lugen zu können.
Ein Luftzug am Ohr und ein lauter Knall hinter ihm ließen ihn sich reflexartig in den Schnee pressen. So verfehlte ihn der zweite Pfeil wieder um Haaresbreite.
>Eine verfluchte Repetier-Armbrust<, dachte er panisch. >Der Kerl spielt nicht fair!<
Stefan ging in geduckte Position und sprintete zur Dachluke, darauf vertrauend, dass der Schütze keinen weiteren Pfeil mehr auf der Sehne hatte. Es war ein Risiko aber immer noch besser als auf dem Dach festzusitzen.
Gerade hatte er diesen Gedankengang in seinem Kopf vollendet, da traf ihn ein dritter Pfeil von hinten in die Schulter. Die Schmerzen waren mörderisch aber er hielt durch bis er das Ende des Daches erreicht hatte und durch die Dachluke mehr fiel als sprang.
Einen Moment lang blieb er liegen, während der Schmerz rot hinter seiner Stirn tobte. Dann richtete er sich zähneknirschend auf und quälte sich durch ein schmieriges Treppenhaus zurück zum nicht weit entfernten Stützpunkt der F.R.O.G.s.
Dieser war der Hinterhof eines Hauses, dass die Wache kurzerhand vorübergehend beschlagnahmt hatte.
Der Eigentümer war zwar erst unkooperativ gewesen hatte jedoch seine Meinung schlagartig geändert, als Valdimier van Varwald ihm ein breites Lächeln geschenkt hatte.
Jetzt stand der Vampir vor einem Tisch um den sich ein kleiner Stab aus F.R.O.G.s bestehend aus Braggasch Goldwart, Tyros y Graco und Sayadia Trovloff versammelt hatte. Sie beratschlagten gerade, was zu tun war.
"Wir müssen irgendwie, äh... hinten rum glaube ich", sagte Braggasch gerade. "Vorn ist alles dicht. Ich kann auch, äh... nicht mit Bestimmtheit sagen, dass er allein dadrin ist. Es ist ein, äh... sehr großes äh... Haus. Ich brauche äh... Unterstützung beim Auskundschaften des hinteren Teils. Jemand muss mir den, äh... Rücken decken."
"Norti ist auf dem Weg um Rogi aus dem Bett zu schmeißen. Ich sage ihm, er soll Kamillus mitbringen. Der wohnt auf dem Weg", sagte Val. Er entließ Tyros, der kurz verschwand um Mindorah Giandorrh Bescheid zu geben, die außerhalb des Hofs wartete. "Geh wieder zurück an die Arbeit, ich schick ihn gleich hinterher. Er wird dich unterstützen..." Val unterbrach sich und sah alarmiert zur Tür. "Da kommt Stefan! Er ist verletzt!"
"Woher weißt du das, Sör?", fragte Braggasch irritiert, während Sayadia aufsprang um Stefan entgegenzulaufen. Val tippte mit einem aristokratisch weißen Finger an die Stelle, wo sich ein Reißzahn unter seiner Wange abzeichnete.
"Was denkst du?", fragte er müde. Braggasch fing sich sofort wieder.
"Natürlich! Äh... stimmt ja, wir Vampire äh... nehmen den Geruch von Blut äh... sehr deutlich war", meinte er mit gewichtigem Nicken.
Valdimier zog fragend eine Augenbraue hoch und öffnete den Mund. Doch ehe er etwas auf das "
wir Vampire" erwidern konnte trat Stefan von Tyros gestützt durch die schmale Hoftür. Er war äußerst blass und sein Arm hing in einem seltsamen Winkel an ihm herab. Val entließ den kleinen Späher mit einer Handbewegung. Er nahm sich vor, später einmal mit Braggasch über dessen
Spleen zu sprechen.
"Geh wieder zurück an die Arbeit. Wenn du noch nicht mit Spähen anfangen kannst, geh zu Patrick, der bewacht den Vordereingang. Schau ob du ihm helfen kannst."
Braggasch nickte und lief zurück in Richtung des Hauses. Val kniete sich neben den nun am Boden liegenden Triffinsziel. Er ignorierte den Blutgeruch mit äußerster Willensanstrengung und untersuchte die Pfeilwunde mit geübten Griffen. Seine Finger ertasteten, was er befürchtet hatte einen kleinen Knubbel von der Größe einer
Walnuss unter dem Schultergelenk.
"Eine aufgesetzte Spitze. Sieht böse aus. Stefan, wir können den Pfeil nicht einfach rausziehen, dann würde die Spitze stecken bleiben. Das wird sich Rogi ansehen müssen. Du fällst für's Erste aus. Glaubst du, du hältst durch?"
Der Triffinsziel nickte matt.
"Vorsichtig, Sör", krächzte er. "Der Kerl hat eine Repetier-Armbrust. Ich weiß nicht genau welches Modell aber er hat drei Pfeile nacheinander verschossen ohne Zeit zu vergeuden."
Val fluchte leise.
>Muss großartig gewesen sein, als Verbrecher sich nur einschüssige Waffen leisten konnten... als sie verdammt nochmal
arm waren<, dachte er.
Heutzutage konnte jeder ein Verbrecher werden, der genug Geld besaß. Und die meisten besaßen genug. Ein Armbrust-Modell wie Stefan es beschrieben hatte bekam man für fünfzehn Dollar an der nächsten Straßenecke. Reiche Menschen waren egal, die machten sich nicht die Finger schmutzig, aber der gemeine Straßenräuber hatte einfach keine schweren Waffen zu besitzen! Es war nicht fair, wenn jeder auf Polizistenniveau kämpfte!
In dem Moment betraten Kamillus und Rogi den Hof und rissen ihn aus seinen trüben Gedanken. Die Igorina steuerte direkt auf Stefan zu, der seine Verletzung mit Würde trug. Sie kniete sich neben Val und begrüßte ihn mit einem kurzen Schulterklopfen. Sie schien von einer unheiligen Energie getrieben, die sie selbst zu dieser Uhrzeit frisch wirken ließ.
"Waf haben wir hier?", fragte sie schnell.
"Armbrustschuss in die Schulter. Direkt unter dem Gelenk. Aufgesetzte Spitze. Der Bolzen ist zur Hälfte drinnen, hat ihn aber glücklich getroffen."
Rogi grunzte zufrieden.
"Daf wird ein befonderf schweref Stück Arbeit", meinte sie. "Gut, daff du direkt hierher gekommen bift und die Wunde in Ruhe gelaffen haft."
Stefan lächelte tapfer.
"Ich bring ihn inf Hauf um ihn zu verartften", meinte Rogi.
"Gut." Während Stefan weggetragen wurde winkte Val Kamillus zu sich. Der Zwerg kam sofort zu ihm gelaufen, mit noch verschlafenem Ausdruck und blauen Haarstoppeln auf der Glatze. Er salutierte.
"Geh zu Patrick. Er bewacht den Vordereingang. Dort findest du Braggasch. Ihr zwei kundschaftet das Gebäude nach weiteren Eingängen aus. Und seid sehr vorsichtig! Wir wissen noch nicht wie viele Personen dadrin sind. Der Eine hat offensichtlich eine Repetierarmbrust also zeigt ihm nichts auf das er schießen kann."
Der Zwerg nickte und lief in Richtung Haus. Val dachte nach. Jetzt blieb ihm nur noch ein Triffinsziel. Und Carisa hatte keinen besonders guten Schussradius von dort wo sie stand. Er hatte viel auf Stefan gesetzt. Da die F.R.O.G.s seit einiger Zeit ohne leichten Armbrustschützen auskommen mussten war eine dauerhafte Änderung im Vorgehensplan nötig gewesen. Er konnte zwar selbst in den Raum eindringen und die Späher konnten theoretisch die Funktion des L.A. übernehmen... aber es war sehr riskant. Vor allem, weil er nicht wusste ob sie in einen Bolzenhagel platzen würden.
Er wandte sich an Sayadia.
"Bist du bald fertig mit dem Täterprofil?", fragte er.
"Ich hab gerade Nachricht von der Narrengilde erhalten", sagte sie mit einem Blick in ihre Unterlagen. "Unser Subjekt heißt Thomas "Wakko" Schäler. Schätzungsweise zwanzig Jahre. Wie alle als Kind in die Gilde gekommen. Außenseiter. Er war oft das Ziel interner Hänseleien, könnte ich mir denken. Hat mehrere Prüfungen in den Sand gesetzt, ist aber sonst nicht weiter auffällig geworden... bis er sich heute Abend zur neunten Stunde aus dem Fenster dort drüben gelehnt und wahllos auf Passanten geschossen hat."
Val nickte.
"Und was sagt die Püschologin dazu?", wollte er wissen.
Sayadia zuckte die Achseln.
"Schätze er hat die Grausamkeiten seiner Gleichaltrigen nicht mehr ertragen und ist einfach ausgeklinkt. Passiert in diesem Alter manchmal. Ich kann es aber nicht mit Bestimmtheit sagen. Er ist auf jeden Fall hochgradig durchgeknallt. Aber nicht dumm. Er konnte Stefan ausschalten", gab sie zu bedenken.
Val nickte wieder.
"Schätze, wir müssen auf die Späher warten," meinte er.
Patrick Zartbitter stand allein in einem alkovenhaften Hauseingang und beobachtete das Haus gegenüber.
Im Gegensatz zum letzten Tag war es jetzt ruhiger. Zum Einen, weil der Hintergrundlärm der Stadt um diese Uhrzeit zwangsläufig nachließ, zum Anderen weil keine Pfeile mehr flogen. Er blies auf seine Hände, die trotz der Handschuhe die er trug eiskalt und klamm waren.
"Wo bleibt ihr, Leute?", murmelte er leise.
Ein leises Pfeifen ließ ihn hochfahren. Er bemerkte Braggasch, der sich auf der anderen Seite der Straße aus den Schatten löste und geduckt in seine Richtung rannte. Innerhalb einiger weniger Augenblicke hatte er die Straße überquert und kauerte sich neben Patrick in den Hauseingang.
"Gut, dass du zurück bist", sagte Patrick. "Und? Was gefunden?"
"Ja", antwortete Braggasch keuchend. "Ich, äh... sollte zurückgehen und ,äh... Bericht erstatten. Kamillus hält noch die Stellung."
Zurück im Hof sprach Braggasch, von vielen "Ähs" unterbrochen, mit Valdimier.
Der Raum in der obersten Etage des zweistöckigen Hauses besaß offensichtlich keine weiteren Zugangsmöglichkeiten, außer dem Fenster zur Straße und einem weiteren an der Rückseite. Er war durch massive Eichentüren mit den daneben liegenden Zimmern verbunden, die jedoch verschlossen waren. Offensichtlich war der Narr allein im Zimmer.
"Ich, äh... schlage vor, dass wir ihn einkesseln. Äh... zwei Alchis müssen die Treppe hochsteigen und gleichzeitig äh... die Türen auf beiden Seiten öffnen. Dann können wir rein. Und er äh... hat kaum noch Munition. Wir haben es gesehen als wir zum Fenster reingeschaut haben. Zwei Schuss noch höchstens."
Val dachte nach. Der Plan war bescheuert aber er konnte funktionieren. Außerdem gingen auch ihm die Ideen aus. Er gab sich einen Ruck.
"Also gut wir versuchen es! Aber keiner spielt den Helden! Wir machen das sicher. Ich will nicht noch jemanden verletzt sehen heute Nacht. Geht!"
Die Wächter stoben auseinander.
"Für jedes Ziel sollt ihr streiten.
Für jeden Zweck sollt ihr sein.
Er wird befehlen
Ihr werdet folgen."
Die Worte rumorten in seinem Kopf.
Er wusste, dass sie richtig waren. Sie waren uralt und seit ewig. Obwohl das fliegende Feuer verschwunden war, war Krssh heiß, so unendlich heiß!
Keine Zeit jetzt um zu zögern. Der Kalte hatte ihm erzählt, was zu tun war.
Er musste einen Gott töten. Als alle in Position waren folgte der eine Moment, der absolut magisch ist. Er ist nur ein Luftholen, vor dem alles vernichtenden Sprung. Ein guter Wächter verharrt ein Leben lang in diesem Moment.
Kamillus wartete, bis Norti den kleinen Sprengsatz an der Tür angebracht hatte, dann gab er aus dem Fenster ein Zeichen zu Rogi.
Seine Muskeln spannten sich.
"Also gut", flüsterte er seinem Freund zu. "Halt dich bereit."
Der einäugige Zwerg nickte. Dann sah Kamillus ein Lichtzeichen von draußen.
"Los!"
Mit einer fließenden Bewegung entzündete Norti den Sprengsatz und trat drei wohlberechnete Schritte zurück.
Die Tür flog aus den Angeln, fast synchron mit der Anderen auf der entgegengesetzten Seite.
Von beiden Seiten ergossen sich schwarz-grüne Gestalten in den Raum
...und erstarrten.
Der Narr lag im Zimmer.
Er wirkte wie eine übergroße Gliederpuppe, wie ein Stoffclown, den ein Kind lustlos beiseite geworfen hat, weil es keine Lust mehr hat mit ihm zu spielen. Neben ihm lag die Armbrust. Sie war leergeschossen.
Wakko war tot. Lebende Personen besaßen normalerweise mehr Gliedmaßen... und mehr Gesicht. Er schien von einem wilden Tier angefallen worden zu sein. Klauenspuren bedeckten den sichtbaren Teil des Körpers. Im verbliebenen Teil seines Gesichts stand namenloses Grauen, dass den Wahnsinn beiseite drängte. Die Wächter waren nur einen kurzen Moment schockiert. Adrenalin übernahm jetzt die Kontrolle und ließ sie den Raum sichern. Dabei bemerkten sie das Loch, dass jetzt anstatt des verglasten Fensters in der Wand klaffte.
"Was zur Hölle war das?", fragte Kamillus entgeistert.
Tyros richtete sich wieder auf, nachdem er sich zu dem Clown heruntergebeugt hatte.
"Keine Ahnung aber es kann noch nicht weit sein! Der Körper ist noch warm! Es ist durchs Fenster!"
Er machte einen Schritt auf das Fenster zu
... und wäre beinahe in einer kleinen Pfütze ausgeglitten.
Als er näher hinsah, bemerkte er, dass es unmöglich etwas aus dem Narren sein konnte. Tyros beugte sich nach unten und berührte die Flüssigkeit mit den Fingern. Er schreckte zurück.
Es hatte sich angefühlt, als hätte ihn etwas gebissen. Die Flüssigkeit war eiskalt. Sie hatte einen leicht bläulichen Ton und sah eher wie Wasser aus. Aber die Konsistenz war... ungewöhnlich. Es fühlte sich fast an wie...
"Norti?", sagte Tyros laut. "Nimm bitte eine Probe von dem Zeug mit. Ich will das Su.Si. es im Labor untersucht. Aber sei vorsichtig damit, klar?"
Der Angesprochene nickte.
Tyros richtete sich auf und sah sich im Raum um, aber ihm fiel nichts weiteres auf, dass verdächtig scheinen könnte. Die Wächter standen herum wie Schäferhunde, die ihre letzten Schafe getrieben haben. Die Doppelschicht des letzten Tages forderte nun langsam ihren Tribut.
Er befahl den Rückzug.
Geraume Zeit später saßen die F.R.O.G.s noch immer im Aufenthaltsraum und unterhielten sich leise. Die Meisten hatten in den vergangenen zwölf Stunden wenig bis gar nicht geschlafen und trugen den glasigen Blick von Personen, denen eine mittelschwere Koffeinvergiftung bevorsteht. Alle die bei dem Einsatz zugegen gewesen waren saßen leicht bedröppelt herum mit Ausnahme von Stefan, Tyros und Norti. Ersterer hatte nach einer waghalsigen Notoperation den Arm behalten, würde ihn aber geraume Zeit in einer Schlinge tragen müssen. Tyros hatte sich im Labor verschanzt um etwas zu tun zu haben und Norti trotz lauter Proteste gleich mitgenommen. Die Übrigen hatten ihre Berichte geschrieben, saßen jetzt herum und waren ratlos. Nachdem die F.R.O.G.s aus dem Gebäude gekommen waren hatten die Mitarbeiter von Su.Si. den Tatort auseinander genommen aber nichts gefunden, dass den F.R.O.G.s nicht schon aufgefallen war. Es war frustrierend.
Val und Rogi saßen nebeneinander und sahen den Laborbericht von Su.Si. durch, der vor einigen Minuten gekommen war.
"Da steht nichts drin, was wir nicht schon wüssten!" Val pfefferte seine Blätter auf den Tisch. "Absolut keine Ergebnisse, die wir verwerten können."
Rogi nickte und warf einen weiteren Blick auf das Blatt vor ihr.
"Ja. Waf mich fo stört ift die Tatfache, daff
wirklich keine Spuren tfurückgeblieben find. Ich meine... Ein Monfter von der Gröfe müffte doch Spuren hinterlaffen haben! Fell, Klauenrefte, Schweif oder fowaf. Und da ift nichtf! Nicht einmal in feinen Wunden. Zudem hat keiner vom Einfatzteam gehört, wie daf Tier den Raum betreten, geschweige denn, wie ef Wakko getötet hat. Faft fo alf wäre ef..."
"...ein Geist," beendete Val ihren Satz. "Unheimlich..."
Er stand auf und streckte sich wobei seine Wirbel leise knackten.
"Also gut, F.R.O.G.s!", wandte er sich an den Raum. "Ihr habt gute Arbeit geleistet. Wirklich. Aber jetzt ist es genug. Wer keine Bereitschaft hat, geht nach Hause und schläft sich aus."
Ein Großteil der Wächter trollte sich erleichtert. Als sie die Tür erreichten, wurden sie fast von Norti Rabenpelz umgerannt, der mit für ihn untypischer Sorgenmiene hereingeschossen kam.
"Sör! Man hat einen weiteren Narren gefunden! Tot, wie der Erste! Dieselben Spuren, dieselbe Methode und wieder nichts zu finden. Hab es gerade gehört, als ich kurz draußen war!"
Ein leiser Schock breitete sich im Zimmer aus wie ein samtenes Leichentuch. Sogar Rogi wirkte betroffen.
"Wo?", fragte sie.
"Direkt vor der Gilde. Er ist wohl nur kurz verschwunden um einen Botengang zu erledigen und als er nicht wiederkam hat man ein paar Jungs nach ihm ausgeschickt. Die haben ihn dann vor der Mauer gefunden. Er scheint noch schlimmer ausgesehen zu haben, als unser Freund von gestern."
"Wer dem Kalten gehorcht, der ist berührt für Ewig."
Das hatten sie ihm erzählt. Krssh versuchte, nicht zu atmen.
Ein unglaublicher Schmerz wütete in seiner Brust, da, wo der Zauber eingedrungen war.
Der erste Gott war sehr zäh gewesen aber nachdem er ihm den Zauberstock entrissen hatte, war es ein Kinderspiel.
Es blieb Verteidigung seines Lebens, zumal der Gott ihn verwundet hatte.
Aber der nächste Gott... er war hilflos gewesen und es war ein Abschlachten trotz Krsshs Verletzung.
Er fühlte sich heiß. Schuldgefühl hockte auf seinem Herzen, wie ein abscheuliches Krötenwesen.
Die Wunden hatten sich wieder geöffnet."Gibt es wirklich nichts, was irgendwie auf einen Täter hinweist?", fragte Val eindringlich.
"Absolut nichts Sör. Keine Spuren zu finden, die auf einen Kampf hindeuten. Er sah... schrecklich aus..."
Sie schwiegen alle eine Zeit lang nachdenklich. Dann richtete Val sich auf.
"Mein Befehl von vorhin gilt immer noch", sagte er. "Geht und holt euch eine Mütze Schlaf." Er hielt Sayadia am Arm zurück. "Versuch du dich mit Nyv zusammenzusetzen und ein Täterprofil zu erstellen. Da draußen läuft etwas herum, das Narren tötet. Ich frage mich wieso."
Die Püschologin nickte resigniert und trollte sich um ihre Kollegin zu suchen.
Tyros y Graco setzte gerade ein weiteres Reagenzglas über das Feuer, als Norti zurückkehrte und ihm von dem toten Narren erzählte. Tyros strich sich nachdenklich über das stoppelige Kinn.
"Was für ein Schlamassel", meinte er "Da ist nun wirklich nichts zu machen." Er setzte sich hin um von seiner Arbeit zu verschnaufen, während Norti die Batterie Reagenzgläser, die der Obergefreite angesetzt hatte, begutachtete.
"Was machst du hier überhaupt?", fragte er neugierig.
Tyros sah kurz auf.
"Ich untersuche einen Teil der Probe, die wir vom Tatort mitgenommen haben. Mache einfach ein paar Tests damit. Routineuntersuchung, damit ich was zu tun habe. Außerdem ist es ein sehr interessantes Zeug. Aber es sieht aus, als käme ich nicht damit zurande."
Norti blickte nachdenklich auf die Flüssigkeit, die im Reagenzglas schwamm. Sie hatte immer noch eine bläuliche Färbung, nur schien sie jetzt... dicker zu sein als vorher.
"He komm und sie dir das an", rief er Tyros zu.
Dieser eilte herbei.
"Das Zeug sieht dickflüssiger aus als vorhin", meinte Norti.
Tyros wirkte plötzlich hellwach. Leise vor sich hin murmelnd beobachtete er das Reagenzglas eine Zeit lang. Dann wandte er sich ab und kramte hektisch in einem Schrank.
"Was wäre wenn... was wäre wenn...", wisperte er leise. "Ist einen Versuch wert!"
Er kehrte mit einem kleinen Stück besonderen Papiers zurück, ergriff das Reagenzglas und träufelte mit ruhiger Hand einen Tropfen der geheimnisvollen Flüssigkeit darauf.
Als die beiden Alchemikexperten an Vals Büro ankamen hatten sie einen Moment Schwierigkeiten, weil sie gleichzeitig durch die Tür wollten.
Val sah ihnen mit missbilligendem Interesse zu, den Federhalter noch immer in der Hand.
"Val ich habe Neuigkeiten", platzte Tyros heraus, sobald er sich ins Büro gedrängelt hatte. "Die Flüssigkeit, die wir am Tatort gefunden haben ist Blut! Ich habe Tests genug damit gemacht um sicher zu sein", meinte er stolz. Triumphierend stellte er Val das Reagenzglas mit dem vermeintlichen Blut vor die Nase. Der Vampir musterte es aufmerksam.
"Und außerdem bin ich sicher, dass es Trollblut ist", meinte Tyros weiterhin. "Die Konsistenz stimmt! Auch die anderen Parameter deuten darauf hin."
Val betrachtete das Glas einen Moment lang versonnen.
"Aber", meinte er dann nachdenklich. "Trollblut ist von einer anderen Farbe. Glaub mir, ich weiß Bescheid."
Er lachte trocken auf. Tyros schwieg.
"Das ist allerdings der Schwachpunkt meiner Theorie...", gab er zu.
"Und die Verletzungen an den Leichen, sind auch nicht typisch", fuhr Val fort. "Sie sahen aus, als wären sie durch Klauen verursacht worden."
In dem Moment schaltete Norti sich ein.
"Ich hab mir das Zeug gut angesehen, Sör", meinte er. "Es hat die gleiche Farbe, wie Gletschereis. Wenn wir davon ausgehen, dass Trolle aus den Bergen kommen und den Charakter verschiedener Steinsorten annehmen, warum dann nicht auch welche aus Eis? Das Eis im Gletscher ist genauso hart wie Stein nur anders. Das erklärt die untypischen Verletzungen. Es muss kein normaler Troll gewesen sein!"
Val dachte erregt nach.
"Das ergibt einen Sinn", sagte er. "Eine neue Art Troll! Es passt!"
Er zögerte kurz, dann legte sich seine Stirn in Falten.
"Aber warum bringt er nur Narren um", murmelte er wie zu sich selbst.
Die beiden A.E.s zuckten synchron mit die Achseln.
"Na egal, das klären wir später", beschied Val. "Exzellente Arbeit, von euch Beiden!"
Er stand auf.
"Wir riskieren es. Sammelt alle Verfügbaren F.R.O.G.s ein. Wir fangen einen Troll."
Norti wagte sich zu melden.
"Äh... woher wissen wir, wo er sich befindet", wandte er ein.
Val lächelte gemein.
"Überleg Mal Gefreiter: Im Gletscher ist es wahrscheinlich eiskalt. Und ich meine
wirklich eiskalt. Minus Zwanzig Grad mindestens. Und wenn du aus Eis bestehen würdest, wo wolltest du dich verstecken?"
Norti blickte immer noch ratlos, doch Tyros hatte schon geschaltet.
"Die Docks", rief er aus. "Die Kühlhäuser!"
"Bingo!" Vals Zähne blitzten, als er lächelte.
Krssh nässte jetzt sehr stark.
Der Entzug von Kälte machte sich bemerkbar. Ihm war so schrecklich heiß! Es war in diesem Raum nicht annähernd so kühl, wie in den kalten Kavernen, wo er geboren worden war. Er zitterte.
Ein brennendes, Kraft raubendes Gefühl hatte sich seiner bemächtigt und hielt ihn mit brennendem Würgegriff auf seinem Lager. Wider besseren Wissens riskierte Krssh es, einen Blick auf seine Wunden zu werfen ... Der Anblick ließ ihn schaudern und er musste sich sehr beherrschen, um sich nicht zu übergeben.
Ermattet sank Krssh zurück. Er fiel in einen fiebrigen Schlummer.
Als er erwachte war er fest überzeugt, noch immer zu träumen.
Er glaubte, Gestalten um sich herumtanzen zu sehen. Kleine Teufel die ihn mit Händen voll Glut bewarfen. Als er sie abzuwehren versuchte, spürte er tatsächlich Widerstand. Sein Grauen kannte kein Ende. Er warf sich zu Boden und flehte um ein Ende, flehte um die Gnade eines schnellen Tods, während die Teufel um ihn herumstanden.
Er rief bestimmt hundertmal den Namen des Kalten.
Zwei der Teufel beugten sich zueinander. Krssh hörte Geräusche, die ihn entfernt an eine Sprache erinnerten. Sie klangen wie folgt:"Meine Güte! Was ist mit diesem Wesen passiert?"
"Ich weiß nicht aber es sieht nicht annähernd so gefährlich aus, wie ich dachte."
"Wie meinst du das? Sieh dir seine Klauen an! Und mit diesen Armen kann man zumindest mehr tun als Blümchen pflücken!"
"Sieh du dir lieber seine Augen an," meinte Val. "Er hat Angst. Mehr noch, er hat Panik. Du hast ihn schreien gehört. Und er ist verletzt. Sie dir die Wunden auf seiner Brust an."
Er deutete auf die großen Löcher in der fast gläsern anmutenden Brust des gewaltigen Trolls, der mit weit aufgerissenen Augen vor ihnen in diesem dreckigen Kühlhaus kniete. Um den Platz herum, wo er gelegen hatte, war eine deutliche Lache aus seinem blauen Blut zu sehen aber es wirkte... dünnflüssiger, wie die F.R.O.G.s schnell feststellten.
"Rogi! Kümmere dich um ihn und stell fest, was ihm fehlt", befahl Val. "Ihr Anderen behaltet ihn im Auge!"
Die übrigen F.R.O.G.s, die einen Halbkreis gebildet hatten und Armbrüste mit Brandpfeilen auf den Troll richteten, nickten.
Rogi näherte sich ihm, wie einem Gorilla, der nach Möglichkeiten zur
Aggressionsbewältigung sucht. Sie versuchte, mit mäßigem Erfolg, aufmunternd zu lächeln und murmelte in einem sonoren Brummton beruhigende Worte. Doch den Troll erreichte all das nicht mehr.
Krssh fiel vornüber und blieb liegen, wie ein getroffener Revolverheld. Rogi war sofort bei ihm und untersuchte ihn mit fliegenden Händen. Die Anderen traten vorsichtig näher.
"Er lebt noch", konstatierte Rogi. "Aber ef geht ihm schlecht. Er hat Fieber. Defhalb schmilzt er fo rafant. Helft mir ihn auf den Rücken zu drehen!"
Mit vereinten Kräften, wurde ihrem Befehl Folge geleistet. Sie untersuchte die Wunden des Trolls.
"Wie ich'f mir gedacht habe", meinte sie nach kurzer Zeit zufrieden. "Die Felben Verletzungen wie bei Stefan! Der Narr in dem Hauf muff ihn angeschoffen haben."
"Seine Armbrust war leer", erinnerte sich Tyros.
"Er hat fehr weiche Haut", murmelte Rogi. "Brüchig und riffig, wahrscheinlich, weil ef ihm hier zu heif ift. Fein Körper fpielt nicht mit bei diefen Temperaturen. Er verliert an Fubftanz."
Sie deutete auf die fast wasserklare Flüssigkeit, die aus den Wunden des Trolls sickerte.
"Tu, was du für ihn tun kannst," sagte Val.
Die F.R.O.G.s verließen, bis auf zwei Wachen, das Kühlhaus.
"Das war's dann wohl," meinte Mindorah aufgeräumt. "Wir haben ihn gefasst! Ein dreifaches Hoch auf die Wache! Können wir jetzt zurück zum Wachhaus gehen? Meine Hände frieren ab!"
Dem Vorschlag wurde allgemein großer Beifall gezollt.
"Das ergibt keinen Sinn!"
Nyvania und Sayadia Trovloff saßen zusammen auf einer Bank vor dem Wachhaus und genossen die Wintersonne, die ihre goldenen Finger durch die Wolkendecke schob. Sie waren unzufrieden. Schon seit Stunden versuchten sie, das Verhalten des Trolls zu analysieren, der mittlerweile im Kühlhaus unter der strengen Obhut einiger von Ankh-Morporks besten Ärzten stand
[1]. Seit Stunden versuchten die beiden Püschologinnen, das
Wie? mit dem
Warum? zu verknüpfen, ohne nennenswerte Erfolge zu erzielen.
"Das ist absolut verrückt", sagte Nyv gerade. "Warum nur Clowns? Und warum so brutal? Wenn wir davon ausgehen, dass er nicht verrückt im
eigentlichen Sinne ist... und darauf hatten wir uns ja geeinigt, dann bleibt nichts mehr übrig!"
Sayadia streichelte ihrem kleinen Piep geistesabwesend über das Köpfchen, während sie nachdachte.
"Du hast recht", sagte sie. "Er wirkt eigentlich wie ein sehr scheues Geschöpf... Gehen wir das nochmal durch. Er kommt aus einer Region, in der Zivilisation eine
Pflanze sein könnte, in Lebensumstände, die für ihn den sicheren Tod bedeuten... und das um ein paar Menschen in weißen Kostümen umzubringen, die ihren Lebensunterhalt mit Lachen und dem Werfen von Sahnetorten verdienen. Unter beträchtlicher Gefahr für sein Leben noch dazu."
"Sie trugen wirklich alle weiß", meinte Nyv nachdenklich. "Ob uns das was hilft?"
"Keine Ahnung. Auf jeden Fall ist das unsinnig! Was mich noch stört ist die Tatsache, dass er sich hier offensichtlich gut auskennt. Sonst hätte er wohl kaum den einzigen Ort in der Stadt gefunden, an dem er überleben könnte. Das ist unmöglich für ihn. Es muss noch jemand anderen gegeben haben. Einen Drahtzieher dahinter."
Nyv winkte ab.
"Das wissen wir alles schon. Das kann sich jeder zusammenreimen. Wir wissen nur immer noch nicht Warum und..."
Sie wurde unterbrochen. Auf der anderen Seite des Platzes wurde eine Menge bunt gekleideter Menschen sichtbar, die lärmend und schmetternd über den Platz zogen. Es war ein schrecklicher Zug, kein einziges Gesicht trug einen Ausdruck echter Freunde, nur erstarrte Grimassen waren zu sehen. Schrilles Lachen erscholl, begleitet vom Tröten unzähliger Pfeifen, Tuten und Flöten. Einige der Teilnehmer bildeten eine mäandernde Polonaise, die mehrere Marktbuden umstieß. Die übrigen Leute, flohen in Panik auf sicheres Terrain.
Es war ein schrecklicher Anblick.
"Mein Gott, was ist das?", fragte Nyv.
"Das sind die Anhänger des Gottes Klonki. Gott des mühselig erwirtschafteten Vergnügens", meinte Sayadia, die mit Mühe ihren Blick von der Irrsinnsparade lösen konnte. "Hab von ihnen gehört. Sie gehen nur einmal im Jahr auf eine solche Wanderschaft. Es hat was mit der Ernte zu tun, glaube Ich. Sie ziehen durch die Straßen und werfen Kindern Bonbons an den Kopf."
Wie zum Beweis wurde ein kleiner Junge, der herbeigelaufen war um sich das Spektakel anzusehen von einer sorgfältig gezielten Sahnekaramelle getroffen. Sayadia schüttelte traurig den Kopf.
"Der Kerl, der das Bonbon geworfen hat, das war Herr Steingut, der Metzger. Netter Kerl. Hebt den Kindern immer die schönsten Stücke Darm auf... und einmal im Jahr: Zack! Bumm! Verwandelt er sich in eine Bestie! Sahnekaramell..."
Sie schauderte.
Als auch Nyv den Blick abwandte, geschah das Unvermeidliche... Ein Schneebrett, dass sowieso recht lose gehangen hatte, löste sich durch die lauten Geräusche vom Dach des Wachhauses und brach ab.
Sayadia wurde unter einer großen Schneewehe begraben. Nyv bemühte sich lange, um sie wieder frei zu bekommen. Als sie eine Weile im Schnee gebuddelt hatte, stieß sie auf Sayadias Körper. Die Püschologin lag mit geöffneten Augen da und blickte starr nach oben, ein Lächeln auf dem Gesicht.
Nyvania erschrak furchtbar, als sie ihre Freundin so reglos liegen sah.
"Saya, bist du in Ordnung?!", rief sie panisch.
Sie schüttelte die Angesprochene heftig. Diese machte sich sanft los.
"Ich hab's, Nyv!", sagte sie sprachlos. "Mir ist das Motiv jetzt klar! Es ist so offensichtlich! Als hätte jemand eine Mauer in meinem Kopf eingerissen! Das muss Val erfahren, dann können wir auch..."
Sie machte Anstalten aufzuspringen, verzog jedoch schmerzvoll das Gesicht.
"Bleib um Himmels Willen liegen", meinte Nyv besorgt. "Bei dieser Schneemasse bin Ich froh, dass du überhaupt am Leben bist! Und was meinst du mit, du kennst das Motiv?"
Die Wasserspeierin war perplex.
"Keine Zeit jetzt", beschied Sayadia. "Bring mich zu Val! Und ich glaube, die Hilfe eines der besten Püschologen überhaupt ist von Nöten!"
Das Dach eines normalen Hauses in Ankh-Morpork.
Es ist dunkel, der Mond ist hinter den Wolken nur noch zu erahnen, doch der frisch gefallene Schnee sorgt durch seine Reflexion für ein unwirklich schönes Licht. Einzelne Sterne sind am samtenen Himmel zu sehen und über allem liegt Stille, als sei sich der Kosmos der Feierlichkeit des Augenblickes bewusst. Eine ruhige Nacht steht bevor, so könnte man meinen.
Doch da bewegt sich ein Schatten, kaum wahrnehmbar unter der Schneedecke und was vorher eine Schneewehe war bekommt plötzlich Beine und Arme und einen langen Fortsatz aus Holz...Der Attentäter bewegte sich so gut wie lautlos.
Sein Ziel hatte er fest im Blick. Es handelte sich dabei um ein Fenster schräg gegenüber. Er warf einen Blick hinein als er nah genug war, um schießen zu können.
Der Clown auf der Anderen Seite des Fensterglases stand vor einem Spiegel und trug Schminke auf. Ganz in seine Arbeit vertieft bemerkte er nicht, wie der Attentäter mit fließenden Bewegungen einen Pfeil aus dem Bein der weiten Hose zog und zielte...
Das Attentat fand ein plötzliches Ende, als sich zwei schwarz-grün gekleidete Gestalten auf ihn warfen.
"Im Namen der Stadtwache! Du bist verhaftet", brüllte eine davon. Der Bogenschütze wehrte sich mit der Kraft der Verzweiflung, doch gegen die beiden kampferprobten F.R.O.G.s hatte er keine Chance.
Sie schleppten ihn eine Treppe hinunter, banden ihm die Arme auf den Rücken und zogen ihn auf einen Eselskarren, der sich mit beträchtlicher Geschwindigkeit entfernte. Nach geraumer Zeit hielt der Karren, man schleifte ihn eine Treppe hinab in einen schummrigen Keller und platzierte ihn auf einem Stuhl.
Man entfernte die Augenbinde. Sein Blick fiel auf einen kargen Raum in den ein schäbiger Schreibtisch und ein ebensolcher Stuhl gestellt worden waren.
Er wurde eine Weile schmoren gelassen
[2] dann spürte er eine... Präsenz im Rücken und kurz darauf trat ein bleicher Mann mit aristokratischen Gesichtszügen, der eine Augenklappe und eine grün-schwarze Uniform trug in sein Blickfeld.
Araghast Breguyar musterte den Mann vor ihm. Er traf eine Entscheidung.
"Wir sind momentan ein bisschen knapp mit dem Personal, deswegen entfällt an dieser Stelle das Spiel 'Guter Bulle, böser Bulle'. Es gibt nur mich und dich Herr... Schäler nicht wahr?"
Der Narr vor Bregs starrte ins Leere. Er trug weiße Narren-Kleidung und weiße Schminke auf dem stoppeligen Gesicht. Nur hier und da zeigte sich ein Streifen blauen oder roten Musters auf der Kleidung, ein Zeichen dafür, dass er in der Narrengilde einen zumindest mäßig hohen Rang bekleidete. Er schien gebrochen, wie ein Schaf, dass zum
Opferaltar geführt wird.
"Ich entnehme Interessantes aus meinen Akten", fuhr Bregs im Plauderton fort. "Du bist... warst der Vater von Thomas 'Wakko' Schäler. Ein Narr, der vor zwei Tagen auf mysteriöse Art und Weise ums Leben kam."
Herr Schäler blieb stumm.
"Es wird dich sicher freuen zu hören, dass wir den Mörder gefasst haben."
Ein Flackern im Gesicht des Narren offenbarte Bregs alles, was er wissen musste.
Schäler
wollte reden.
Der Kommandeur der Stadtwache lehnte sich zurück, sodass sein Gesicht im Schatten lag und taxierte sein Gegenüber durch halb geöffnete Augen.
"Es gibt in dieser Geschichte zweimal das Wort "Warum" Herr Schäler", sagte er, wie zu sich selbst. "Das Warum von Krssh ist uns bekannt. Er tat nur, was ihm sein Gott befahl."
Bregs schien in die Betrachtung der Tischplatte versunken. Er zeichnete bedächtig die Maserung nach, während er weitersprach.
"Ein seltsames Völkchen, die Trolle vom Berg unter dem Stein. Leben unter sich, kommen nie raus an die frische Luft. Sie glauben, die Welt ist ein Berg aus Eis und der Himmel darüber ist folglich das Paradies. Wusstest du, dass man, wenn man unter Schnee und Eis liegt und nach oben blickt immer nur weiß sieht? Weiß ist dort unten eine heilige Farbe, weil sie aus der göttlichen Welt kommt, das heißt ein Mann in weißer Gewandung, mit weißem Gesicht... Ha ha! Gälte dort als Gott."
Stille schloss sich an und schien sich im Raum auszudehnen, wie Schallwellen in einem Glockenturm.
Zeit verstrich.
"Sie haben mir meinen Sohn weggenommen", sagte Schäler rau. "Sie haben mich gebrochen. Erst, weil ich anders war, dann weil ich eine Frau geliebt habe. Mein Sohn... ich habe ihn zu uns kommen sehen, nachdem sie meine Frau verjagt haben. Als kleines Kind hat ihn die Gilde übernommen... und dann ist er genauso gebrochen worden, wie ich!"
Er schluckte trocken.
"Kannst du dir vorstellen, wie es ist, wenn man sein Kind jeden Tag sieht? Wie es laufen und sprechen lernt und man kann nicht mit ihm sprechen und es in die Arme schließen? Ich hasse die Gilde! Aus tiefstem Herzen verabscheue ich sie, weil sie aus mir ein Monster gemacht haben und dann haben sie meinen Sohn verdorben und seinen Geist verwirrt, bis er nicht mehr klar denken konnte. Ich wollte Rache! Und ich schmiedete Pläne, wie die Gilde zu zerschlagen war. 'Bruder' Wakkos Ausraster gab nur den Ausschlag."
"Warum auch dein Sohn", fragte Bregs.
Sämtliche Jovialität war aus seiner Stimme gewichen. Sie war kalt wie Eis. "Warum hast du ihn umgebracht... nein: Umbringen lassen?"
Schäler lachte trocken und spuckte auf den Boden.
"Versuch nicht, dich rauzureden", sagte Bregs ruhig. "Wir haben Krsshs Aussage. Es haben sich ein paar Trolle gefunden, die seine Sprache sprechen. Ein alter Dialekt, aus den Spitzhornbergen. Er hat alles erzählt, was wir wissen wollten. Also nochmal... Warum hast du deinen Sohn umgebracht?"
"Das war nicht mehr mein Sohn", sagte Schäler. "Mein Sohn ist gestorben, genau wie der Mann der ich einst gewesen bin. Was der Troll getötet hat, war nur ein Clown! Wo ich gerade von Krssh spreche... Ich habe ihn gefunden. Auf einer Tournee waren wir in den Spitzhornbergen. Ich hatte einen Spaziergang gemacht, weil ich die Fratzen der Anderen nicht ertragen konnte. Und da lag er neben einer Gletscherspalte. Es sah aus, als hätte es ein schweres Erdbeben gegeben, dass ihn nach oben geschleudert hatte denn der Boden war aufgebrochen und gespalten. Als er mich sah, in voller Gewandung, ist er mir einfach nachgelaufen. Ich hatte eine mächtige Waffe gewonnen und eilte natürlich sofort nach Hause, ihn dicht auf den Versen! Probleme ergaben sich erst, als wir wieder in Ankh-Morpork waren und es wärmer wurde aber zum Glück habe ich das Kühlhaus gefunden. Ich wusste zwar erst nicht, was ich mit einem halbwilden Troll tun sollte aber dann reifte in mir ein Plan. Ich wollte beginnen, die Gilde endgültig zu vernichten!"
"Du hast ihn also mitgebracht, obwohl du wusstest, dass er sterben könnte?" fragte Bregs.
"Natürlich! Er ist nur ein Tier! Ein Werkzeug aus Eis. Eine Tötungsmaschine! Er war wie geschaffen für das, was ich tun wollte. Er hinterlässt keine Spuren, er bewegt sich leiser als eine Katze und er ist absolut tödlich!"
Fiebrige Begeisterung hatte sich auf das Gesicht des Narren gelegt.
"Hast du nichts gespürt, als dein Sohn gestorben ist?", fragte Bregs leise.
Ein kurzes Zucken erschien im Gesicht des Narren, dann wurde es wieder ausdruckslos.
"Nichts von Bedeutung. Alles menschliche ist aus mir gewichen, als diese Schminke das erste Mal mein Gesicht berührt hat. Das weiße Gesicht eines Gottes trage ich immer noch, auch ohne die Schminke. Und ebenso, wie das Blut des Trolles ist meine Seele und mein Geist von Eis überzuckert. Ich bin, wie der Frostbrand."
Bregs hatte genug gehört.
"Schafft ihn hier raus und sperrt ihn ein bis Morgen", befahl er, als er das Zimmer verlassen hatte. "Dann schickt ihn zum Palast."
Die Türwächter gehorchten.
Bregs stromerte mit düsteren Gedanken durch das Wachhaus. Er beglückwünschte Sayadia, die er im Aufenthaltsraum traf, zur gelungenen Problemlösung und versprach über eine Gehaltserhöhung nachzudenken.
Er schickte eine Taube zum Kühlhaus und erkundigte sich, ob wirklich alles für Krssh getan wurde.
Er kochte sich einen Kaffee und ging die Akten auf seinem Schreibtisch durch.
Dann trat er ans offene Fenster und blickte über die Stadt hinaus.
Mit Genugtuung stellte er fest, dass die Eisblumen an seinem Fenster schmolzen.
Die Luft roch nach Frühling.
[1] Die wiederum unter der strengen Obhut von Rogi Feinstich standen. Die Ärzte, die in einer Millionenstadt praktizieren, führen immer auch eine weitaus praktischere Funktion aus, als nur das Verschreiben von kleinen runden Pillen. Man denke in diesem Zusammenhang an einen Gärtner, der einen Gummibaum beschneidet... mithilfe einer Kettensäge.
[2] Jeder Polizist kennt diesen Trick. Man überlässt den Gefangenen, den sogenannten
Sägenerven.
Zählt als Patch-Mission für den Späher-Patch.
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