Dass Leutnant Ptracy von Natur aus schlechte Laune zeigt, ist bekannt, aber in letzter Zeit nimmt es wirklich überhand.
Außerdem wurde ihr Windhund Dios, der sie sonst immer begleitet, bereits seit einiger Zeit nicht mehr gesehen.
Was ist da los?
Dafür vergebene Note: 13
Grauenvolles Geheimnis - Näherinnen aus Ankh-Morpork berichtenDaemon betrat das Wachhaus. Er arbeitete dort, er mußte es also betreten. Er zögerte dennoch. Er war immer gerne ins Wachhaus gegangen. Er hatte für die Arbeit in der Wache seinen ehemaligen Posten aufgegeben. Das Dach des Wachhauses schützte ihn vor Regen und sein Büro war wirklich hübsch, mit einem Fenster auf den Pseudopolisplatz, auf dem er die Regentropfen auf dem Pflaster beobachten konnte. Daemon öffnete vorsichtig die Tür.
Wir wollen hier nicht schon wieder einen Blitz aufzucken lassen, der gespenstisch den Raum erhellt und den Blick auf etwas wirklich Erschreckendes offenlegt. Zumal das auch ziemlich nutzlos wäre, denn im Hauptraum der Wache waren in der einsetzenden Dämmerung längst die Kerzen entzündet worden.
Der Feldwebel lugte vorsichtig um die Kante der Tür. – Oh, Nein! – Da war sie. Er schlich sich vorsichtig hinein und schloß so leise wie möglich die Tür hinter sich. Jetzt mußte er nur noch so schnell wie möglich in sein Büro kommen. Nur noch bis zur Treppe, dann war es geschafft. Er griff nach dem Geländer.
"Daemoooon!", schrie Ptracy hinter ihm.
‚Verdammt!‘, dachte Daemon, "Leutnant Ptracy, schön Dich zu sehen.", sagte er.
"Komm mir nicht so! Du kommst zu spät! Und das schon zum dritten Mal in Deiner Dienstzeit!", sie klopfte mit dem Finger auf einen Stapel Papier auf ihrem Schreibtisch, "Glaub bloß nicht, ich vergesse so etwas, nur, weil es ein halbes Jahr her ist!"
"Ja, Frau Leutnant. Nein, Frau Leutnant. Werde sofort den Dienst antreten, Frau Leutnant.", Daemon flüchtete die Treppe hoch.
‚So kann das nicht weitergehen.‘, er stapfte auf das Büro von Rince zu, klopfte energisch an, griff nach der Klinke, drückt sie hinunter und trat ein.
Er versuchte einzutreten.
Mit dem imposanten Schwung, mit dem er bei Rince auftreten wollte, prallte er gegen die abgeschlossene Bürotür.
"Rince ist nicht da.", rief Dingo den Flur hinunter von seinem Dienstzimmer aus. Der Feldwebel wirbelte herum und marschierte zu dem Werwolf. Sich nach links und rechts umschauend betrat er das Büro und schloß sorgsam die Tür hinter sich.
Das Büro war... bevölkert. Das Wort voll reichte nicht aus, um die Anzahl der Wächter im Verhältnis zum zur Verfügung stehenden Raum zu beschreiben. Das Zimmer war gefüllt mit Wächtern. Menschen, Zwerge, und Elfen saßen und standen an jeder dafür geeigneten Stelle, Gnomen und ein Wichtel hatten sich auf dem Schreibtisch breitgemacht, Vampire hingen an der Gardinenstange, die unter dem Gewicht bedrohlich knarrte und knackte, Werwölfe lagen auf dem Teppich und von der Fensterbank aus sahen die Wasserspeier in den Raum hinein. Lewton nickte Daemon zu.
"Dann sind wir ja jetzt vollständig.", kommentierte er das Eintreffen des Feldwebels, Ich denke, es ist klar, weshalb wir hier sind.", fuhr er fort.
"Ja, weil Dingo aus irgendeinem Grund das größte Büro hat.", rief Satan dazwischen, man konnte hier und da ein leises Lachen hören. Ganz kurz. Dann war es wieder still.
"Sehr witzig, Satan, wirklich.", brummte Lewton, "Es geht um Ptracy. Es wird immer schlimmer mit ihr."
"Sie hat mir den Urlaub gestrichen, ich hätte ihn eine halbe Stunde zu spät eingereicht.", meldete sich Zaddam.
"Ich mußte zwei meiner Armbrüste abgeben, sie würden nicht zur Ausrüstung eines Wächters gehören.", jammerte Mückensturm.
"Sie hat eine Strichliste für den Würfelzucker neben den Kaffeedämon gelegt.", ergänzte Gold Moon. Die restlichen Wächter begannen, weitere Dinge aufzuzählen, bis Lewton sie unterbrach.
"Wir sind uns also einig, daß etwas nicht stimmt.", zustimmendes Flüstern und Brummen war die Antwort, der Werwolf nickte, "Dann müssen wir zunächst einmal herausfinden, was das ist, damit wir es beenden können.", wieder murmelten die anwesenden Wächter bestätigend, jedoch etwas zögernder, sie spürten, daß Lewton einen Plan hatte und wollten nicht unfreiwillig beteiligt werden, typisches Wächterverhalten, "Dazu muß einer von uns zu ihr gehen und sie fragen, was ihr über die Leber gelaufen ist.", die Zustimmung kam nur noch von Einzelnen, vorwiegend aus den hinteren Reihen, "Ich dachte da an jemanden, der Ptracy gut kennt und eigentlich gut mit ihr auskommt.", Venezia gluckste, als ihr klar wurde, wen Lewton meinte und grinste, die anderen Wächter schalteten etwas langsamer und atmeten erleichtert auf, als sie das für sie zuständige Erkenntnispartikel
[1] traf und ihnen eingab, daß sie sich nicht länger in der Gefahr befanden, mit in die Sache hineingezogen zu werden. Die Blicke aller Anwesenden richteten sich auf eine bestimmte Person.
"Das ist doch nicht euer Ernst.", sagte Lavaelous. Die Ausdrücke auf den Gesichtern
[2] der Anderen überzeugten ihn vom Gegenteil.
***
(Hiermit sei ein Szenenwechsel dargestellt, in diesem besonderen Fall ein Wechsel ca. 3 Stunden vorwärts. Schauplatz der Handlung: Der Hauptraum des Wachhauses am Pseudopolisplatz, zu Zeit die einsame Domäne von Leutnant (w) Ptracy)
"Hallo, Frau Leutnant.", sagte Lavaelous vorsichtig und schaute vorsichtig hinter dem riesigen Strauß Blumen hervor, den er trug. Ein grimmiges Schnauben war die Antwort.
"Schau mal, was ich Dir mitgebracht habe.", er stellte die Blumen ab (die Tischplatte bog sich unter dem Gewicht des Straußes ein wenig durch, Lavaelous´ Selbsterhaltungstrieb hatte ihm geraten, nicht zu sparsam zu sein, was das anging) und holte eine Schachtel Pralinen (Nicht zu billig, nicht zu klein) hervor und legte sie mit einem strahlenden Lächeln vor Ptracy auf den Tisch. Sie starrte ihn böse an, der Feldwebel schluckte.
"Ääähhh... und dann habe ich noch das hier.", er nestelte in seiner Tasche und holte einen großen Kauknochen hervor, den er ihr stolz präsentierte. Das Gesicht der Offizierin hätte ihn beinahe an die Wand genagelt.
"Für Dios.", rief er hastig und ging um den Tisch, um den Knochen nach unten zum Stammplatz von Ptracys Hund zu reichen, "Ähm... wo ist Dios denn?", fragte er mit dem Geschick, daß gewisse Menschen in einer Trauergemeinde Witze über den Verstorbenen reißen ließ. Er sah auf in Ptracys Gesicht.
"Oh nein.", hauchte er leise.
***
(Ein weiterer Wechsel, der Schauplatz bleibt der selbe, jedoch befinden wir uns ein kleines Stück der Zeitgeschichte weiter vorne... oder hinten, je nach dem, welcher Rasse man angehört)
"Entführt?", rief Rettich aus und schlug die Hand vor den Mund. Die Wächterschaft hatte sich um Ptracys Schreibtisch versammelt, wütende Stimmen raunten durch den Raum. Lewton nahm das Schreiben von der Tischplatte und reichte es an Venezia weiter.
"Gib dein Bestes. Ich will wissen, wer was wann wie und wo auf diesen Zettel geschrieben hat.", die Gnomin nickte und machte sich mit dem Zettel im Schlepptau zu ihrem Büro auf.
"Warum hat sie denn vorher nichts gesagt?", fragte Reddi und erhielt einen dezenten, wohlplatzierten Tritt von Zaddam, dem das Prinzip menschlichen Stolzes und in diesem besonderen Fall Ptracys Stolzes, besser bekannt war und sich die Antwort auch so vorstellen konnte.
Lavaelous reichte der Pharaoin gedankenabwesend ein weiteres Taschentuch.
"Pismire, Valeriaa, Natogra, ihr untersucht hier alles. Niemand kann einfach so einen Hund aus dem Wachhaus entführen. Ich will wissen, wie er das angestellt hat.", sagte er, "Außerdem, ", er bedachte Valeriaa mit einem Seitenblick und klopfte sich zwinkernd auf den Nasenflügel, "hat Dios bestimmt eine recht intensive Geruchsspur hinterlassen."
"Mein Dios stinkt nicht.", heulte Ptracy hervor.
"Und wenn ihr dabei zufällig meinen Webel findet...", begann Daemon, doch die Blicke der Anderen brachten ihn abrupt zum Schweigen.
***
(Wir überspringen eine Untersuchung des Raumes durch die drei Wächter sowie weitere Hinweise Daemons, der fortfährt, von seinem Webel redet, als würde es irgendwen interessieren, was er mit seinem Körper anstellt.)
Nachdem der Empfangsraum der Wachen keine neuen Hinweise gegeben hatte, verwandelte sich Valeriaa
[3] und nahm Dioss Spur auf. Sie verließen das Wachhaus. Die goldgelbe Spur führte in zwei Richtungen. Die eine führte in die Richtung von Ptracys Wohnung und war sehr ausgeprägt. Valeriaa ignorierte sie. Die andere war wesentlich dünner. Die Werwölfin folgte ihr in die Schatten hinein.
***
(Ein kleiner, düsterer Raum, nur durch ein paar punktgerichtete Hochleistungskerzen auf einem Schreibtisch erhellt. An, nein, auf dem Schreibtisch sitzt Venezia Knurblich.)
Unt wenne Du dainen Hunt wiederhabn willest, musst du nicht dainen Wechtern Bescheid sagn, sondern wartn bis ich oder wir mich oder unz wieda melden.
Venezia untersuchte den Erpresserbrief schon einige Zeit lang. Wer auch immer ihn geschrieben hatte, er gehörte nicht nur wegen Entführung eines Hundes und seelischer Grausamkeit an mehreren Mitgliedern der Stadtwache bestraft, er verdiente auch das Höchstmaß für äußerst brutale Orthographie.
‚oda mit er‘, die Gnomin konnte nur den Kopf schütteln. Trotz der langen Untersuchung hatte sie nichts weiter herausfinden können. Der Schreiber war ein Mensch, etwa 1,74 groß, Rechtshänder, hatte mittel-braune Haare, lange Fingernägel, stotterte ein wenig
[4], hatte wahrscheinlich blaue Augen und keinen Schnurrbart... aber was nützten diese Informationen schon?
***
(Wir sehen einen entsetzt dreinschauenden Mann, er ist ungefähr 1,74 groß, hat mittel-braune Haare. lange Fingernägel. Der Grund für sein Entsetzen ist mit höchster Wahrscheinlichkeit in der Präsenz zweier mit scharfen Krallen ausgestatteten Werwolf-Vorderpfoten zu suchen, die derzeit auf seine Brust gepreßt sind.)
"Ich denke, den Fall hätten wir gelöst.", sagte Natogra und streichelte Dios über den Kopf. Pismire nickte.
"Das ging ja fast zu schnell.", lächelte er. Die Zwergin zuckte mit den Achseln.
"Ist doch schön, wenn es mal auf Anhieb klappt, dafür haben wir Ptracys Laune ja auch lange genug ertragen.", antwortete sie.
"Jetzt will ich aber noch wissen, wie er Dios aus dem Wachhaus bekommen hat.", sagte der Wasserspeier und schaute den Mann an.
"Das werde ich Euch ganz bestimmt nicht...", ein Knurren unterbrach ihn, "Also gut, es war so.", korrigierte er sich., "Ich habe eines von Schnappers Würstchen drei Monate zwischen normalen Würstchen gelagert, so daß der Schnapper-Geruch kaum noch wahrzunehmen war. Dann habe ich es dem Hund untergeschoben. Als er es gefressen hat, hat ihn der Schock des TMSIDR-S-Aromas umgehauen und ich konnte ihn ohne Widerstand mitnehmen.", sprudelte er in stotterfreier Sprache hervor (auch Polizeianalysen können sich irren).
"Und wo war Leutnant Ptracy in der Zeit?", fragte Natogra.
"Sie mußte wohl mal wohin.", antwortete der Entführer.
***
(Wir sehen den Wachraum, in dem eine Ptracy sitzt, die ziemlich mit den Nerven herunter aussieht. Sie ist umgeben von einigen Wächterkollegen, die mit mehr oder weniger Erfolg versuchen, sie zu trösten, obwohl sie natürlich niemals zugeben würde, daß sie das nötig hätte. Andere Wächter laufen unruhig im Raum herum und geben vor, etwas Sinnvolles zu tun zu haben, als Venezia die Treppe hinunter kommt.)
"Ich habs, ich habs!", rief die Gnomin.
"Meinen Webel?", fragte Daemon hoffnungsvoll.
"Nein.", antwortete Venezia, "Ich weiß, wer der Entführer ist.", sie reichte den Erpresserbrief an Lewton.
"Ich habe ihn stundenlang untersucht, bis es mir auffiel, es war so einfach.", die Gnomin hüpfte vor Freude auf und ab, "Zunächst einmal waren da eine spezielle Mischung der Papierbestandteile, einige Spuren eines bestimmten Ankh-Geruch-Musters auf der Botschaft und die Zusammensetzung der Tinte.", berichtete sie, die Wächter sammelten sich um sie und hörten interessiert zu, "Ich habe es zerschnitten, aufgelöst, zersetzt, gefiltert, destilliert, vergrößert, verkleinert, verätzt, verbrannt, mit Wasser übergossen..."
"Und woher weißt du jetzt, wer der Entführer ist?", wollte Rascaal neugierig wissen.
"Ähm.", sagte Venezia, "Also konkret herausgefunden habe ich es... anhand des vorgedruckten Briefkopfes.", die Wächter um sie herum nickten anerkennend
[5].
"Dann nichts wie los!", proklamierte Lewton.
In diesem Moment öffnete sich die Eingangstür der Wache.
"Wuff.".
Der Hund kam hinein gelaufen, die drei Wächter folgten ihm.
"Dios!", Ptracy sprang auf und rannte auf den Hund zu. Sie umarmte und streichelte ihn und mehrere Anwesende wären bereit gewesen, zu beschwören, sie hätten eine Träne in ihren Augen gesehen, natürlich nur in Ptracys Abwesenheit. Dann straffte sie sich.
"Gut gemacht, Wächter.", gab sie zu und wandte sich zum Rest des Anwesenden, "Was steht ihr hier so herum? Habt ihr keine Arbeit? Los, los, los, das Verbrechen schläft nicht.", die Wächter atmeten auf, alles war wieder beim Alten.
In der allgemeinen Zerstreuung nahm Rince Pismire zur Seite.
"Sag mal: Wo ist denn der Entführer?", fragte er leise.
"Wir haben ihn zum Wachhaus in die Kröselstrasse gebracht.", antwortete der Wasserspeier.
"Warum nach da und nicht hierher?", wollte der Kommandeur wissen.
"Weißt Du, Chef... ich glaube, es wäre nicht viel von ihm übrig geblieben, wenn wir ihn nach hier gebracht hätten, wo jede Menge Wächter auf ihn warten, die wegen ihm wochenlang Ptracys Laune ertragen mußten.", der Wasserspeier grinste.
Ende"Habt ihr beim Entführer auch zufällig meinen Webel gefunden? Ich kann ihn hier einfach nicht finden."
[1] Die Theorie der Inspirationspartikel, die durch das All schwirren, um im richtigen Moment den richtigen Kopf zu treffen, etwa den eines Erfinders kurz vor der Nobelpreisvergabe oder eines Astronauten, dessen Luftversorgungssystem ausgefallen ist, ist seit langem bekannt und wird von vielen führenden Zauberern verfochten. Die Entdeckung, daß es ebenso auch noch Partikel mit anderen Zuständigkeiten gibt, wie hier etwa die Erkenntnispartikel, ist relativ neu und bei weitem noch nicht so populär.
[2] Sie reichten von "Und ob ich das meine. Und meine Axt auch." bis "Tue es oder ich fresse Dich!"
[3] Muß ich noch mal erwähnen wie ekelhaft sich das anhört?
[4] Laien können nur mit angehaltenem Atem ehrfürchtig auf diese Erkenntnisse moderner Polizeiarbeit schauen und sich fragen, wie "die im Labor" das wieder herausgefunden haben. So wird es ihnen auch weiterhin gehen.
[5] Briefköpfe waren so ziemlich das Einzige, was die Zauberer der Unsichtbaren Universität als Drucksache zuließen. Bücher und Zeitungen mußten weiter per Hand geschrieben werden.
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