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Für Rekruten (erste Mission):
Streife gehen gehört zum Wächterleben dazu. Beim ersten Mal kommt natürlich dein Ausbilder mit. Dann kann ja gar nichts schief gehen, oder?
Dafür vergebene Note: 10
Eine leichte Brise wehte über die Lichtung und ließ die Glut in immer neuen Mustern aufleuchten. Leises Zischen erklang, wenn Fett von dem Braten darüber in sie hinab fiel.
Sonnen gebräunte und wohl geformte Arme reichten ihm ein Stück des Bratens. Er genoss den köstlichen Duft des Fleisches und den Anblick der wilden Schönheit, die ihm das Essen reichte, dann lächelte er und hob den Braten zum ...
"Rekrut Halllala, fläfft du mit offenen Augen!"
Der hagere Rekrut hob den Kopf und sah in blaue Augen, nein braune Augen. Er schüttelte seinen Kopf und blickte in ein blaues und ein braunes Auge mit zerzausten Haaren darüber.
"Nein, Mäam. Ich schlafe so gut wie nie. Habe mir gerade neuen, sehr starken Kaffee geholt um wach zu bleiben", antwortete er leicht verwirrt.
"Neuen, kalten Kaffee?", fragte Chief-Korporal Feinstich ihn.
Wall sah verblüfft auf seine Kaffeetasse.
"Eben hat er noch gedam ...".
"Egal. Wir müffen jetft Ftreife gehen. Die Aufbildungfleiterin sfeht ef nicht gerne, wenn eine Ex-Aufbilderin mit ihrem Rekruten fu fpät dran ist", unterbrach sie ihn mürrisch und wandte sich zur Tür. Halllala stülpte den Helm über seine braunen Haare und beeilte sich, den Chief-Korporal einzuholen.
Das Nachtleben war zu Ende und das Tagleben erwachte widerwillig. Die Dämmerung wich langsam dem Tageslicht und Dunst umhüllte die beiden gemütlich dahin schlurfenden Wächter.
"Noch ift es ruhig, Wall, aber halte immer die Augen offen. Hier in Ankh-Morpork kann allef gefehen, und daf fu jeder Feit."
Der Rekrut nickte.
"Naja, da noch nichtf lof ift, erfähl mir mal, waf dich fur Wache verflagen hat", forderte Rogi ihren Auszubildenden auf.
"Oh, ich musste niemanden schlagen oder verschlagen. Ich bin einfach durch die Tür zum Tresen gegangen und habe ein paar Bier gegen die Müdigkeit bestellt. Der Typ hinter dem Tresen hat mir ein Blatt mit erstaunlich viel Kleingedrucktem hingelegt und gezeigt, wo ich unterschreiben muss." Wall kratzte sich nachdenklich am Kopf. "Na ja, ich weiß noch, wie ich dachte: Super Idee. Nicht mit Geld, sondern mit seinem guten tadellosen Ruf zu bezahlen, und unterschrieb. Jetzt glaube ich, dass der Typ mich hereingelegt hat. Ich habe mein Bier immer noch nicht."
Halllala schlug die Faust in seine hohle Linke.
"Ich weiß aber noch genau wie er aussah!", endete er grimmig.
Chief-Korporal Feinstich musterte den sonnenverbrannten Rekruten.
"Du haft einen guten tadellofen Ruf?"
"Tja, ähm, bin mir nicht so sicher", antwortete der Rekrut, blieb stehen und kratzte sich erneut am Kopf. "Vielleicht. Vielleicht auch nicht."
"Waf foll daf denn heißen?"
Wall scharrte verlegen mit den Füßen als er antwortete.
"Ich kann mich nicht erinnern. Die Zeit, bevor ich nach Ankh-Morpork kam, scheint nicht mehr zu existieren, hier und da ein paar Bruchstücke und Erinnerungsfetzen. Mehr nicht. Ich habe irgendwo mein Gedächtnis verloren und, verflucht noch mal, ich habe keine Ahnung wo!"
Die Ex-Ausbilderin fragte sich, warum sie bei der Wache eigentlich jeden nahmen.
"Wie ich fehe, trägft du ein Fwert als Waffe. Kannft du auch damit umgehen?", wechselte sie das Thema.
Halllalas Gesicht wurde ernst und ein kalter teilnahmsloser Blick seiner stahlblauen Augen bohrte sich in die Augen des Chief-Korporals. Sie glaubte ein gelbliches Funkeln in Walls Augen aufblitzen zu sehen, bevor sich dessen Blick in der Ferne hinter ihr verlor.
"Ja."
"Vielleicht? Oder vielleicht auch nicht, Wall?"
"Kein vielleicht, Mäam. Ich kann damit umgehen, das weiß ich!"
"Gut fu wiffen", sagte seine Vorgesetzte und sie gingen schweigend weiter.
Der Dunst hatte sich fast vollständig verzogen, aber das Licht kämpfte noch mit der Dämmerung, als Chief-Korporal Feinstich die kleine, dürre und dunkel gekleidete Gestalt in einer Seitengasse bemerkte. Sie bogen in die Seitengasse ein und näherten sich unauffällig der Person.
"Waf denkft du?", fragte sie, "Follen kleine, dürre, alte Frauen um diese Feit in den Fatten der Häufer herumftehen?"
"Vielleicht wartet sie auf jemanden", entgegnete Wall.
"Natürlich. Vielleicht auf einen heimlichen Liebhaber?"
"Vielleicht."
"Vielleicht auf einen jungen hageren fonnenverbrannten Mann mit grauen Augen und brauen Haaren, der vielleicht oder vielleicht auch nicht, sein Gedächtnif verloren hat?"
Wall sah seine Ex-Ausbilderin zornig an. Diese redete ungerührt weiter.
"Nein, Rekrut. Hier stimmt etwas nicht. Und wir ...", die Kommunikationsexpertin überlegte kurz, "besser gesagt, du wirst herausfinden, was. Keine Angst, ich bleibe bei dir."
Sie grinste Halllala an und die beiden gingen zu der verdächtigen Gestalt.
Nachdem sie sie erreicht hatten, baute sich der Wächter vor der dürren, vom Alter gebeugten Frau auf. Sie reichte ihm kaum bis zur Brust und schien älter als alt zu sein.
"Wie heißt du? Was machst du hier um diese Zeit? Warum bist du nicht im Bett? Weshalb siehst du so verdächtig aus?", fragte Wall sie ungehobelt.
"Herrje, Herrje. Das sind aber viele Fragen", sprach die Frau mit zittriger Stimme. "Mit welcher soll ich bloß anfangen?"
"Ich stelle hier die Fragen! Und jetzt gestehe!", schrie der Wächter sie an.
"Herrje, Herrje. Schreit mich an und will direkt ein Geständnis. Ist anscheinend noch nicht lange bei deiner Truppe, Chief-Korporal. Oder?"
"Oh, er ift fon lange bei unf, nur etwaf langfam", erwiderte seine Vorgesetzte und sah ihren Rekruten zornig an. "Ab fofort etwaf freundlicher, Rekrut, und frei nicht fo. Verstanden?"
"Ja, Mäam", antwortete Wall kleinlaut.
"Herrje, Herrje. Ist doch nicht so schlimm, Junge. Ich wollte eh zu euch. Mein armer kleiner Kater ist auf einen Baum geklettert und sitzt auf einem Ast fest. Vergisst immer wieder, dass er Höhenangst hat, der Kleine."
"Kater? Baum? Höhenangst?", entfuhr es Halllala verdutzt.
"Herrje, Herrje. Genau. Aber jetzt, wo so ein großer junger starker Wächter da ist, wird alles wieder gut", die alte Frau lächelte ihn schief an. "Du holst mir doch den armen kleinen Zerreisser von dem Baum herunter. Oder, Junge?"
"Zerreisser?"
"Herrje, Herrje. Ja, so heißt der liebe Kleine."
Der Rekrut starrte seine Ex-Ausbilderin fassungslos an, als diese lächelnd sagte: "Natürlich tut er daf. Wo ift denn der Baum mit dem Kleinen?"
"Herrje, Herrje. So ein guter Junge. Der Baum ist dort hinten, gleich um die Ecke da vorne", sprach die alte Frau gestikulierend.
Achselzuckend und hingebungsvoll seufzend ging Wall in die angegebene Richtung und verschwand kurz darauf hinter der Häuserecke.
"Immer noch am Üben, Frau Gutvorbereitet?", fragte die Wächterin und betrachtete die angelehnte Haustür hinter der Frau.
"Natürlich, Chief-Korporal Feinstich. Übung macht den Meister. Glaubst du, dein Rekrut hat etwas gemerkt?"
"Nein, er feint ein fwieriger Fall zu fein. Öfter etwaf langfam, weltfremd und immer müde. Follte mal ..."
"Äh, Chief-Korporal? Was macht ein Wächter, wenn er auf einen Ast sitzt und eine riesige vierpfotige Bestie ihn nicht herunter lassen will?", kam Walls verzweifelte Stimme um die Ecke.
Die beiden Frauen sahen sich an und lächelten.
"Fag du ef ihm."
Frau Gutvorbereitet nickte und rief: "Herrje, Herrje. In dieser Gegend gibt es keinen Baum, der gesund genug ist, um das Gewicht eines Wächters und einer Bestie zu tragen. Egal wie viel Pfoten sie hat, Junge."
Stille.
Ein leises Knacken.
Stille.
Ein lautes Knacken.
Erneut Stille.
Dann ein lautes berstendes Geräusch.
Ein verzweifelter Schrei.
Ein lautes Krachen und Scheppern, gefolgt von dem metallischen Klirren eines davon rollenden Helms.
Wieder Stille.
Ein lautes Stöhnen und leises Miauen.
Eine befehlende Stimme.
"Leg den Aft an eine Ftelle, wo keiner darüber ftolpern kann, Wall und fieh deinen Helm an. Du bift im Dienft. Beeil dich, unfere Ftreife ift gleich fu Ende."
Erneutes Stöhnen.
Das Licht hatte den Kampf gegen die Dämmerung gewonnen und schien auf eine zügig ausschreitende Wächterin und einen humpelnden Wächter, der verzweifelt versuchte mit ihr Schritt zu halten.
"Ist dir die Tür hinter der Frau aufgefallen, Rekrut Halllala?"
"Nein, Mäam. Was war denn mit ihr?"
"Sie war nur angelehnt. Davor stand eine verdächtige dunkle Gestalt in der Morgendämmerung. Denke gründlich darüber nach."
Wall dachte nach. Dachte gründlich darüber nach.
"Ihr meint, es war ein Einbruch und die alte Frau stand Schmiere", entfuhr es ihm plötzlich. "Wir müssen sofort zurück."
"Nein, wir müffen nicht furück. Ef ift allef in befter Ordnung. Aber ef hätte ein Einbruch oder Flimmeref fein können und du hätteft ef nicht bemerkt. Du mufft noch viel lernen." Die Ex-Ausbilderin wandte sich dem Rekruten zu.
"Geh inf Wachhauf furück und freib deinen Bericht, Rekrut. Ich muff noch etwaf priv... äh, eine Fondermiffion erledigen. Dafür fehlt dir die nötige Aufbildung."
Der Wächter nickte und wollte in Richtung Kröselstrasse humpeln, als Rogi ihn anrief: "Hey Wall, ftell den verletften Fuß in einen Eimer mit kaltem Waffer. Wenn er morgen noch fmerzt, nähe ich dir einen neuen an."
"WAS?!", rief Wall entsetzt und fuhr herum.
Seine Ex-Ausbilderin war in der ständig wachsenden Menge verschwunden.
In einer bestimmten Seitengasse trotzte die Morgendämmerung noch immer dem Tageslicht.
Eine nur angelehnte Haustür öffnete sich langsam.
"Sind sie verschwunden. Kann ich jetzt endlich herauskommen?"
"Ja."
Die Tür öffnete sich ganz und ein großer breitschultriger Mann trat heraus. Auf seinem kräftigen Rücken hielt er einen prall gefüllten Leinensack.
"Mama?"
"Ja, mein Sohn."
"Warum brechen wir immer in unser eigenes Haus ein, anstatt in die Häuser wohlhabender Leute?"
"Weil wir noch üben müssen", antwortete Frau Gutvorbereitet und lächelte ihren Sohn an. Eine kleine, sehr kleine Katze rieb sich schnurrend an ihren Stiefeln.
"Übung macht den Meister. Das weißt du doch, mein Sohn."
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