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von Gefreiter Braggasch Goldwart (FROG)
Online seit 31. 12. 2008
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 Außerdem kommt vor: Kanndra

Jeder Wächter muss lernen, doch irgendwann kommt der Punkt, wo die Weisheit der Ausbilder erschöpft ist und nur noch harte Übung den Meister macht.

Dafür vergebene Note: 11

"Verflucht, Goldwart, ich habe dich schon ab der Treppe gehört!", schnauzte Kanndra in erzwungenem Flüsterton - sie wollte ihr Baby, dass selig eingewickelt in ihren Armen ruhte, nicht aufwecken.
"Aber, äh, ich..."
"Nichts: Äh, ich! Deine Schleichfertigkeiten sind eine Beleidigung für jeden Späher!" Die Ausbilderin saß auf einem bequemen Stuhl in ihrem Büro, den Blick zum Fenster gewandt. Braggaschs Aufgabe bestand eigentlich darin, dass er unbemerkt in den Raum eindringen und ihr auf die Schulter tippen sollte. Momentan hätte Kanndra sich dafür Wachs in die Ohren stopfen müssen. "Und ich weiß, dass du es kannst! Vor sieben Versuchen hast du ohne einen Laut die Flurtür geknackt, nur um dann über deine eigenen Füße zu stolpern und durch den Krach Benjamin zu wecken."
"Äh... es war auch eine Tür. Damit, äh, komme ich gut zurecht...", verteidigte sich der Zwerg.
Die stellvertretende Abteilungsleiterin seufzte. "Ja, ich weiß. Aber wenn du bei so etwas Aufwändigem keine Geräusche machen kannst, wieso dann bei einfachem Gehen?"
"Äh..."
"Nein, ich will nichts hören. Versuch es noch einmal."
Braggasch nickte und drehte sich um - eine Diele knarrte verärgert. Kanndra senkte resignierend den Kopf. "Na gut." Müde rieb sie sich die Augen, die plötzliche Bewegung verleitete Benjamin Julian Mambosamba zu einem empörten Schmatzen. Sanft streichelte seine Mutter ihm über das flaumbedeckte Köpfchen und bald breitete sich wieder ein zufriedener Ausdruck auf dem kleinen Gesicht aus. Ein leises Schnauben ertönte. "Du kommst dieses mal von links, versucht möglichst viel Gewicht zur Wand hin zu verlagern, da der Boden dort durch die erhöhte Stabilität weniger knarrt. Du bist noch sechs Schritte von meinem Zimmer entfernt und hast die Tür aufgelassen, in der Hoffnung, mich damit überraschen zu können, wenn ich auf das Geräusch des Öffnens warte. Alles keine schlechten Ideen, aber anscheinend musst du dich schon allein für das Gleichgewichthalten an der Wand derart anstrengen, dass ich deinen Atem hören kann. Komm rein, Goldwart."
Mit hängendem Kopf betrat der Späher in Ausbildung das Büro. "Tut mir, äh, leid, Mäm..."
"Du musst unbedingt mehr trainieren."
"Ja, Mäm."
"Und damit meine ich vor allem Kraft und Ausdauertraining."
"Äh... ja, Mäm."
Kanndra deutete mit einer kleinen Bewegung auf einen weiteren, freien Stuhl. "Setz dich."
Braggasch gehorchte.
"Wo wohnst du, Goldwart?"
"Äh..."
"Egal. Bitte die Leute dort, eine ähnliche Übung mit dir durchzuführen, meistens musst du dich ja nicht an Wächter oder ausgebildete Personen, sondern an ganz normale Bürger anschleichen."
Unbehaglich fuhr sich der Zwerg durch den dünnen Bart. "Ich, äh, bin mir nicht sicher, ob meine, äh, Mitbewohner als normal... äh... bezeichnet werden können."
"Um so besser." Kanndra verlagerte vorsichtig das Gewicht ihres Kindes ein wenig. "Wir kommen jetzt zur Theorie."
"Äh..."
"Und lass endlich dieses dämliche 'Äh'!"
"Äh..."
"Das bedeutet, wir gehen mehrere mögliche Szenarien durch und du erklärst mir, wie du vorgehen würdest."
Braggasch nickte und suchte eine bequemere Sitzposition.
"Aber vorher: Was ist die normale Ausrüstung eines Spähers?"
"Äh... Eine Armbrust..."
"War mir klar, das du damit anfängst. Aber gehen wir vom Großen zum Kleinen."
"Ja, Mäm." Goldwart sah seine Ausbilderin erwartungsvoll an.
Als diese merkte, dass von dem Zwerg weiter nichts kam, half sie ihm auf die Sprünge. "Die Uniform."
"Ah." Braggasch dachte einen Moment nach. "Äh, eigentlich ist sie ganz simpel. Eine... oder, äh, mehrere Hosen, schwarz, äh, am besten mit dunkelgrünen Streifen an der Seite... äh... und auch ein oder mehrere Hemden in dunklem Grün... äh... mit dem Froschbild darauf. Und alles am besten aus gutem, äh, festen Stoff..."
"Richtig. Weiter."
Der Späher in Ausbildung kratzte sich am Kopf. "Äh... Ich glaube... äh... sonst nichts. Alles andere kann, äh, und sollte der, äh, FROG selbst bestimmen. Damit wir nicht, äh, zu gleich aussehen."
Kanndra nickte. "Richtig. Ein FROG muss in den meisten Situationen unerkannt bleiben - gerade als Späher. Deshalb ist es richtig, dass du deinen Gürtel und deine Ledersachen trägst. Auch der Helm... obwohl ich mir nicht sicher bin, was das für ein seltsames Gestell daran ist."
"Äh... Das?" Der Zwerg griff an seinen Helm und zog die Lupe, die an mehreren kleinen, mechanischen Armen dort befestigt war, herunter. "Eine ausziehbare Lupe, Mäm. Das System ist simpel, mehrere Glieder, wie bei einem Zollstock, und daran das Glas. Weißt du, wenn man an kleinen Dingen, wie... äh... Schlösser herumbaut, braucht man häufig eine, äh, bessere Sicht."
Seine Ausbilderin ließ eine bedeutungsvolle Pause, ehe sie trocken antwortete: "Danke."
"Äh..."
"Was ist mit Schuhen?"
"Das kann auch, äh, jeder für sich entscheiden, äh, oder?"
"Auch bei Frauenschuhen?"
"Äh..."
"Gibt es nicht vielleicht etwas, das diese nicht haben sollten?", meinte Kanndra hilfreich.
"Äh... Sie sollten... äh..."
"... keine..."
"... keine... äh..."
"... Absssss..."
Braggasch begann zu schwitzten. "Äh, Abs... äh..."
"Ja, genau, weiter!"
"Absäh...? Äh... Absähtze?"
"Ja?"
"... keine, äh, Absätze haben?"
"Ausgezeichnet!"
Goldwart sah nach unten - die Späherin folge seinem Blick.
"Aber, äh, ich habe..."
"Ich weiß."
Beide betrachteten Braggaschs dicke Lederstiefel, die einen, für Arbeiterschuhe typischen, metallenen Absatz hatten [1]. Der Zwerg hob, mit einem peinlich berührten Grinsen, den Kopf.
"Auf diesem weichen Holzboden mag das funktionieren, wenn du schleichst, aber sobald du dich auf Stein oder ähnlich hartem Untergrund befindest, kannst du der beste Schleicher sein - deine Schuhe werden klackern.", belehrte in seine Ausbilderin. "Also ändere das. Weiche Ledersohlen sind am besten."
"Äh, ja, Mäm."
"Weiter."
"Äh... Was?"
"Die Ausrüstung...", seufzte Kanndra ungeduldig.
"Ach ja." Ein nervöses Lächeln huschte über Braggaschs Lippen. "Äh... jetzt die Armbrust?"
"Meinetwegen."
"Ja, äh, und natürlich passende Bolzen. Und, äh, ein Dolch. Äh... und Dietriche..."
Die Späherin grinste. "Als ob wir dir verbieten könnten, jemals ohne die Dinger rumzulaufen."
"In der Tat, äh, Mäm."
"Du hast die Dienstmarke vergessen, aber ganz gut. Die jeweilige Ausrüstung richtet sich natürlich nach dem zu erledigenden Dschob."
"Äh.. Ja, Mäm." Braggasch nickte eifrig.
"Lässt du jetzt mal endlich diese dämlichen Äh's bleiben? Gut. Na, dann." Kanndra lehnte sich ein wenig zurück und zog Benjamin Julian ein Stück nach oben. Dieser sabberte selig auf ihre Bluse. "Kommen wir zu deinem ersten, theoretischen Auftrag." Der Blick der frisch gebackenen Mutter starrte einige Sekunden ins leere, als sie nachdachte. "Gut. Geiselnahme. Zwei Entführer, ein Opfer. Sie verschanzen sich in einem Ein-Familien-Haus und du sollst die Lage sondieren und nach Möglichkeit eingreifen. Natürlich unbemerkt."
"Äh... natürlich... Sind die, äh, Fenster offen?"
"Nein. Alle Fensterläden sind fest geschlossen."
Der Zwerg zwirbelte eine seiner blonden Locken mit den Fingern. "Gut. Dann, äh, umrunde ich erst einmal das Gebäude und, äh, sehe es mir gut an... äh... gibt es eine Hintertür?"
Kanndra überlegte kurz. "Ja.", entschied sie.
"Wie groß ist die Tür?"
"Warum sollte das... na gut, zwei Meter."
"Welches Holz?"
"... Kiefer."
"Beschlagen?"
"... Ja."
"Mit Eisen oder Kupfer?"
"Meine Güte... Kupfer."
"Griff oder Knauf?"
"... Knauf?"
"Schlosskomplexität?"
"... Ich habe keine Ahnung, Goldwart."
Braggasch nickte wissend. "Gut. Es wird kein kompliziertes Schloss sein und vor allem keine Fallen. Kiefer verzieht sich zu schnell im Laufe der Jahre und das dünne Kupfer reißt meistens so leicht, das man weder Auslöser für Waffen daran befestigen noch ausgeklügelte Kolbentechnik einsetzen kann. Da trotz allem ein Knauf vorhanden ist tippe ich auf ein simples Schnappschloss..."
Da Kanndra nicht wirklich Ahnung hatte, wovon ihr Auszubildender da sprach, und sie ihn nicht in seiner Konzentration stören wollte, schwieg sie.
"Das ist fast zu einfach, ein einfaches Blech Nummer drei sollte reichen." Der Zwerg richtete seinen umhergeirrten Blick wieder auf die Späherin. "Ich... äh... öffne die Tür."
"Gut. Ich bin mir sicher, das es funktioniert. Du bist tot."
Momente des Schweigens folgten. Schließlich gefüllt von einem: "Äh... Oh..."
"Es ist ein Ein-Familien-Haus, Goldwart. Mehr als zwei Räume wird es nicht haben und bei zwei Entführern und geschlossenen Fenstern kannst du sicher sein, dass einer von ihnen die Türen im Auge behält."
"Wie... äh... wurde ich getötet?"
"Mit einem Pfeil."
Braggasch fuhr sich mit der Hand über den Helm. "Und, äh, wenn sie keinen Bogen haben?"
"Und wenn sie doch einen haben? Du weißt es nicht, weil das genau die Dinge sind, die du herausfinden sollst - und zwar ohne zu sterben."
Der Zwerg sah nachdenklich in die Ferne.
Kanndra lächelte leicht, rückte Benjamin zurecht und meinte: "Also. Von Anfang. Zwei Entführer, ein Haus."
Beinahe hätte sich der Späher in Ausbildung während dem Nachdenken eines der wenigen Barthaare ausgerupft. Schmerzhaft verzog er das Gesicht, doch kurz darauf erhellte sich seine Miene. "Gibt es einen, äh, Schornstein?"
Die gegenüber sitzende hob fragend eine Augenbraue. "Ja... einen kleinen."
"Äh... dann verwandel ich mich in eine, äh, Fledermaus und fliege hindurch."
Seine Ausbilderin schwieg.
"Äh... was denn?"
"Braggasch. Du. Bist. Kein. Vampir."
Goldwart seufzte. "Doch, Mäm, ich muss-"
Kanndra brachte ihn mit einer Geste zum Schweigen. "Eine andere Lösung."
"Na gut." griesgrämig überlegte der Zwerg. "Ich suche einen, äh, Stein."
"Du hast einen."
"Dann... äh... gehe ich unter einem der Fenster in Deckung und, äh, hole die Dietriche heraus."
"Meinetwegen."
"Wenn es ein, äh, Einfamilienhaus ist, müsste ich, äh, den Stein darüber hinweg schmeißen können, äh, oder?"
Die Ausbilderin betrachtete kurz seine dürren Arme, und antwortete zweifelnd: "Gehen wir mal davon aus..."
"Ich werfe ihn... äh... rüber.", entschied Braggasch mit zusammengekniffenen Augen. "Und hoffe, das, äh, sie es hören und einer nachsieht."
"Na gut. Da du unter dem Fenster sitzt, hörst du, dass nach einem geflüsterten Dialog einer der beiden wohl ein gegenüberliegendes Fenster öffnet, um nachzusehen."
Goldwart strahlte. "Dann öffne ich das, äh, Fenster. Du weißt, ich... äh... bin dabei leise. Äh, und dann schaue ich, in der, äh, Hoffnung, das mich keiner sieht, weil... äh... beide grade in die andere Richtung gucken, schnell hinein."
Die Späherin streichelte ihrem Kind sanft über den Kopf, während sie nach dachte. "Gut. Ein sehr riskantes Manöver, aber sagen wir einmal, es klappt, und du kannst die Lage durch einen gekonnten Blick einschätzen. Was dann?"
"Ich, äh, schließe leise das Fenster und melde meine Erkenntnisse sofort, äh, dem Leiter der... äh... Mission, und, äh, danach dir oder Valdimier. Dann, äh, schreibe ich meinen Bericht."
"Nachdem du dem Leiter der Mission mit deinen Fähigkeiten noch zur Seite gestanden hast."
"Äh... Nachdem ich dem Leiter der Mission mit meinen Fähigkeiten noch zur Seite gestanden habe.", echote der Zwerg.
Kanndra nickte lächelnd.
Eine kurze, stille Pause trat ein, während beide dem theoretischen Fall nachhingen.
Dann konstruierte die stellvertretende Abteilungsleiterin einen neuen: "Du stehst in einer Gasse, bist auf dem Weg zu einer Feier, hast also keine Waffen dabei, und plötzlich steht vor dir ein großer Schatten und verlangt dein Geld."
Schmerzlich durchzuckte Braggasch eine dunkle Erinnerung. Er schüttelte sie ab. "Ich frage ihn, ob er... äh... eine Lizenz hat."
"Hat er wohl zuhause vergessen.", prustete die frisch gebackene Mutter.
"Dann nehme ich ihn, äh, im Namen der, äh, Stadtwache fest."
"Aha. Und wie?"
"Äh... Ich ziehe meinen Dolch..."
"Ich sagte keine Waffen."
Burkhards Sohn stutzte. "Äh... aber, äh, das ist doch keine Waffe!"
"Bitte?"
"Das ist ein, Arbeits-äh-gerät."
"Es zählt als Waffe.", stellte die Ausbilderin nach einer verdutzen Pause klar.
Braggasch schüttelte den Kopf. "Nicht für einen, äh, Zwerg, Mäm."
"Du hast ihn nicht dabei?"
"Ich, äh, habe keinen Dolch dabei?"
"Nein."
"Äh, aber es ist das Geschenk meines-"
"Nein."
"Und ich habe ihn so umgebaut, dass-"
"Nein!"
Der Späher in Ausbildung zog verzweifelt an der ausklappbaren Lupe an seinem Helm. "Aber, äh, Zwerge gehen nie ohne, äh, irgendein, äh, Gerät-"
"Nein!"
Braggasch zuckte zusammen. "Na, äh, gut.", räumte er ein.
Kanndra bemühte sich, wieder die Fassung zu bekommen. Benjamin Julian jammerte beleidigt, von der Lautstärke geweckt. Sie streichelte ihm beruhigend über das Köpfchen, während sie ihren Auszubildenden weiter ansah. "Also?"
"Ich, äh, nehme ihn trotzdem fest."
"Er lacht und hält dir eine Handaxt unter die Nase."
Goldwart strich sich durch den blonden Bart und entschied sich dann, es mit etwas zu versuchen, was sein Freund Sebulon sicherlich als Püschologie bezeichnet hätte. "Ich weise ihn darauf hin, dass, äh, in Absatz dreihundertzweiund-äh-siebzig des Gesetzes der Stadt Ankh-Morpork, äh, der im dritten Unterpunkt sehr deutlich macht, äh, also ich meine..."
Die Tochter der Voodoohexe grinste. "Er weiß, das es den Absatz nicht gibt, also vergiss den Trick."
"Oh... äh... dann... äh..." Der Zwerg knabberte verzweifelt an seinem Daumen. Er wusste wirklich nicht mehr weiter. "Dann, äh, gebe ich ihm das Geld."
"Aha."
"Ich werde wohl... äh... noch lange in Ausbildung, äh, bleiben, oder?"
"Warum?" Kanndra sah ihn ernst an.
Braggasch zuckte mit den Schultern. "Weil ich solche, äh, Entscheidungen treffe."
"Es war die einzig richtige."
"Äh... Wirklich?"
"Was hättest du sonst tun können?"
Erleichtert atmete Goldwart auf.
Seine Ausbilderin fuhr fort: "Du überschätzt dich nicht, das ist gut. Deine Schwäche liegt hauptsächlich darin, dass du meinst, nicht genug Zeit zum Nachdenken zu haben, aber keine Sorge, die hast du meistens, und ich denke, dann entscheidest du dich richtig. Natürlich musst du noch Schleichen üben. Aber ich denke, diene Ausbildung kann als so gut wie abgeschlossen angesehen werden. Was dir jetzt fehlt, ist Praxiserfahrung, die kann ich dir nur bedingt bieten. Übe mit allem und jedem."
"Ja, äh, Mäm."
Kanndra nickte. Sie war sich sicher, dass seine Zustimmung keine hohlen Worte waren. Er würde üben... Wahrscheinlich würde sie bald bereuen, ihm diesen Auftrag gegeben zu haben.
Die Worte des Zwerges rissen sie aus den Gedanken. "Äh... War es, äh, das, Mäm?"
"Wo denkst du hin?"
"Äh..."
Rechtzeitig dachte die Späherin an Braggaschs Angewohnheit, alles so wörtlich wie möglich zu nehmen. "Das ist nur eine Redeart! Ich möchte nicht wissen, wohin gerade deine Gedanken wandern! Wir haben noch einen anderen theoretischen Fall..."
Goldwart nahm ein erwartungsvolle Haltung ein.
"Du hast den Auftrag, ein Beweisstück zu beschaffen... sagen wir... ein Gebiss."
"Äh... ein Gebiss?"
"Ja. Du kennst diese lustigen Holzgebisse, die Werwolf oder Vampirzähnen nachempfunden sind? Die man sich in den Mund setzen kann?"
Wieder kratze sich Braggasch nachdenklich am Helm. "Ich, äh, glaube, ich habe so etwa, äh, schon mal gesehen... äh."
"Gut. Also. Du bekommst den Auftrag, solche Zähne aus... der Narrengilde zu holen. Weil es einen Mord mit Bissspuren gegeben hat, und diese Zähne sollen klären, ob die Narren darin verwickelt sind. Du musst also zur Gilde der Narren."
"Dann, äh, gehe ich am besten zuerst, äh, zu DOG.", entschied der Späher in Ausbildung nach einer kurzen Pause.
"Gut. Sehr gut. Nehmen wir an, du hast dir alle nötigen Informationen besorgt."
"Dann... äh... verkleide ich mich passend und, äh, tue so, als wollte ich in die, äh, Gilde aufgenommen werden."
Kanndra nickte zustimmend und verlagerte das Gewicht von Benjamin an eine angenehmere Stelle - so langsam schien ihrem Azubi die Sache Spaß zu machen... wenn er wüsste...
"Äh... dann, wenn das, äh, klappt, warte ich auf eine gute Gelegenheit, um mich, äh, umzusehen." Der Zwerg stockte kurz und fügte dann bedeutungsvoll hinzu: "Ich habe natürlich keine quietschenden Schuhe, äh, angezogen! Und die Türen da dürften kein Problem sein... äh."
Die Mutter grinste. "Natürlich nicht. Gut. Du findest heraus, dass die Zähne in dem Lager der Clowns sind."
"Ich, äh, verschaffe mir Zutritt."
"Hast du."
"Sehe ich die Zähne, die auf die, äh, Beschreibung passen?" Braggasch war ganz aufgeregt.
Die stellvertretende Abteilungsleiterin der FROGs sah ihn mit einem traurigen Schmunzeln an. "Ja, gleich zehn davon."
Goldwart schwieg bedrückt, weshalb Kanndra fortfuhr: "Anscheinend haben die Narren Nachbildungen anfertigen lassen, um das Original zu schützen. Das ist zwar ein Hinweis, dass es sich um etwas wichtiges handelt, ein handfestes Indiz ist es aber nicht. Und wenn du eines der Falschen mitnimmst, könnte es minimal von den Bissspuren abweichen und die Narren entlasten, obwohl sie vielleicht tatsächlich in den Fall verwickelt sind."
"Ich kann es, äh, nicht erkennen?"
"So genau sind die Beschreibungen des Gebisses dann doch nicht."
"Und... äh... wenn ich alle mitnehme?"
"Eins kannst du grade so verstecken. Was meinst du, wie weit du kommst, wenn du einen Haufen klappernder Zähne mit dir herumträgst?"
Nachdenklich fuhr sich der Zwerg durch den lichten Bart. "Äh... Es ist Holz. Auch wenn sich Holz vielleicht als Mordwaffe eignet, ist es recht weich. Sollte es sich tatsächlich um einen Biss handelt, müssten im Original Zahnabdrücke zu finden sein." Strahlend fügte er hinzu: "Mit ein bisschen, äh, Aufwand kann man damit sogar den, äh, Clown finden, der den Mord begangen hat. Äh... anhand der Zähne, meine ich."
"In der Tat. Aber wie willst du solche Kleinigkeiten erkennen?"
Braggasch lächelte siegessicher. "Auch wenn ich meinen, äh, Helm nicht dabei habe, so, äh, habe ich doch die Lupe bestimmt, äh, mitgenommen."
"Das lasse ich mal durchgehen. Aber die Narren schienen vorgedacht zu haben. In jedem der Gebisse findest du Abdrücke." Das Lächeln von Burkhards Sohn verblasste. Seine Ausbilderin fuhr fort: "Jetzt hast du ein weiteres Problem: Wenn du die falschen Zähen nimmst, könnte das einen Unschuldigen belasten, dessen Zahnabdrücke zufällig im Gebiss sind."
Wieder versank der Zwerg in Grübelei, doch schon nach kurzen rief es aus: "Blut!"
"Was?"
"Wenn es eine Mordwaffe ist, muss an den Zähnen Blut kleben, da Holz solche Flüssigkeiten schnell aufsaugt und es nicht möglich sein dürfte das Blut vollständig zu entfernen. Mit der Lupe müsste ich es erkennen können."
Kanndras Lächeln war zurück gekehrt. "Nicht schlecht.", gab sie zu. "Gut, das reicht. Raus kommen wirst du schon irgendwie. Und nun..."
Etwas an ihrem Tonfall lies Braggasch aufhorchen.
"Damit fängst du an, Braggasch Burkhardtssohn Goldwart: Wir haben von Bregs die Anweisung, ein solches Gebiss aus der Narrengilde zu holen. Der Auftrag liegt schon eine ganze Weile auf der Ablage, weil niemand, wie Bregs es ausdrückte: 'die Äkschpertiehse hat, um den Dschob durchzuziehen'. Ich denke, du bist geeignet. Such dir einen Experten in Verkleidungsangelegenheiten, informiere dich bei DOG - und dann viel Glück... Späher Braggasch." In die letzten beiden Worten legte seine Ausbilderin besonders viel Betonung.
Die kümmerliche Brust des Zwergs schwoll auf doppelte Größe an, als er sich des Inhalts der Worte bewusst wurde.
"Äh... Danke... äh..."
"Ach ja, Späher Braggasch, das bringt mich zu einer anderen Angelegenheit:", unterbrach ihn Kanndra sofort. "Das mit dem 'Äh' muss aufhören. Jetzt. Wenn ich es noch einmal hören muss, schicke ich dich wieder zu Grund."
"Äh..."
"Na?" Die Mutter hob warnend einen Zeigefinger.
"Ja, äh, Mäm?", versuchte es der Zwerg.
"Nein. Noch mal."
Goldwarts Gesicht verfärbte sich durch die Anstrengung rot. "Ja... Mäm?"
"Noch mal."
"Ja... Mäm."
"Noch mal."
"Ja, Mäm." Ein stolzes Lächeln schlich sich auf seine Züge.
"Gut."
"Ja, Mäm!"
"Das reicht."
"Ja, Mäm!"
"Ruhe!"
"Ja, Mäm!"
"Halt die Klappe!" Das einzige, was die eintretende Stille unterbrach, war das empörte Jammern des Babys. Mit mühsamer Beherrschung brummte Kanndra: "Du hast einen Auftrag, Späher. Deine Ausbildung ist abgeschlossen. Viel Glück."
"Danke, äh... Nein! Ich meine: Danke, Mäm!" Hastig floh der neue Späher dem Büro.
Als sie sicher war, dass Braggasch außer Hörweite war, seufzte seine ehemalige Ausbilderin und streichelte Benjamin Julian abwesend über den Kopf. Wenigstens würde er in der Narrengilde nicht einmal dann auffallen, wenn er über seine eigenen Füße stolperte.
[1] Natürlich keinen langen, spitzen Damenabsatz, sondern die flache, herb männliche Variante.




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Feedback:

Von Kannichgut Zwiebel

08.01.2009 00:21

Eine sehr unterhaltsame Geschichte! Sie war mir allerdings einen Tick zu lang.

Von Lilli Baum

08.01.2009 00:21

Sehr nette Ausbildungssingle. Die Athmosphäre ist dir sehr gelungen.

Von Menélaos Schmelz

08.01.2009 00:21

Wie ich es gewohnt bin, eine gute Geschichte!! Aber für meinen Geschmack, etwas zu viele ähhhhs ;) Aber da es ja auch das Thema ist, passt es wieder ganz gut. Da capo!

Von Valdimier van Varwald

09.01.2009 10:08

Also das war eine der Ausbildungsmissionen, die den Namen redlich verdient. Außerdem beweist du hier, dass es nicht immer Spannung, Suspense oder Action braucht, um eine gute Geschichte zu schreiben. Wenn du das nächste mal noch einen etwas ausgeklügelteren Plot hast, steht einem Ribbon nichts im Wege.

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