Einige jugendliche Mädchen haben in der Stadt einen dunklen Hexenzirkel gegründet.
Noch ist bei ihren Machenschaften niemand zu Schaden gekommen, aber wer weiß,
in welchen dunklen Geheimnissen sie in ihrer Unwissenheit herumschnüffeln...
Dafür vergebene Note: 13
Die Tropfen platschten lustlos in die Pfützen. Träge breiteten sich Ringe auf den Wasseroberflächen aus. Weitere dicke Regenperlen fielen langsam zu Boden. Selbst das Geräusch, das der Regen verursachte, schien gedämpft, dumpf.
Langsam trottete Daemon durch die feuchten Gassen. Mißmutig sah er dabei auf den nassen Boden. Ein großer Tropfen zerplatzte auf seiner Stirn und Spritzer trafen in seine Augen.
Daemon war grummelig.
Tag ein, Tag aus von ständigem Regen umgeben zu sein konnte einem schon die Stimmung vermiesen. Ständiges Naß, das stetig und immer danach trachtete, die Kleidung zu durchdringen und diverse Körperöffnungen für sich zu erobern, senkten drastisch das Gute-Laune-Niveau. Jeden Morgen aus dem Fenster zu sehen und jedes einzelne Mal dunkle Wolken bis zum Horizont zu erblicken, DAS konnte Depressionen auslösen. . . . Das alles betraf Daemon nicht im Geringsten. Der Regen machte ihm nichts aus, er war daran gewöhnt. Er grummelte wegen etwas ganz Anderem. Frauensachen und so. Und jetzt auch noch das.
"Feldwebel.", murmelte er und stapften in eine weitere Pfütze. Wie lange war er jetzt bei der Wache? Es war doch noch gar nicht so lange her, dass er die glücklichen Regenwälder
[1] seiner immer-feuchten Heimat verlassen hatte. Der Regen
schien mit einem Mal noch langsamer zu fallen. Dem Wächter war es egal. Er hatte eigene Sorgen
[2]. Hatte er jemals irgend jemandem gesagt, dass er Feldwebel sein wollte? An einem Tag war man Feldwebel und am nächsten kamen irgendwelche Wächter, die Komp-Anie hießen, auf einen zugerannt und nannten einen "Mutter". Er konnte sich vorstellen, was
das für Probleme mit sich bringen würde[2]. Ein besonders großer Regentropfen prallte auf einen Stein und zersplitterte in einem schön anzusehenden geometrischen Muster. Was sollte es schon bringen, ein Feld zu webeln? Verdammt, was
war überhaupt ein Webel? Dazu kam noch die ganze neue Verantwortung, der Papierkram und die Sache mit der Beförderungsfeier. Und man mußte als Feldwebel so viel wissen (Was ein Webel ist, zum Beispiel). Er wußte nicht so recht, was er tun sollte. Die Sache hatte ihn vollkommen überrascht. Vor drei Tagen war er in das Wachhaus gekommen und Rince stand vor ihm, mit einer Urkunde in der Hand und einem strahlenden Lächeln auf den Lippen. ‚Viele neue Aufgaben werden auf Dich zukommen.‘, hatte er gesagt. Ja, Daemon konnte sich gut vorstellen, was das für Aufgaben waren. Im Wachhaus sitzen und Wächter mit merkwürdigen Namen bemuttern. Er mußte sich das Ganze noch mal von Lavaelous erklären lassen, der hatte mehr Erfahrung darin, ein Feldwebel zu sein, wer weiß, vielleicht wäre er so nett, und würde Daemon seinen Webel mal leihen, damit er ihn sich mal genauer anschauen könnte. Ein besonders großer Regentropfen prallte auf einen Stein und zersplitterte in einem schön anzusehenden geometrischen Muster. Daemon blieb abrupt stehen.
‚Mist.‘, dachte er, dann löste sich die Welt in nasses Feuer auf.
***"Es war eindeutig eine große Entladung von Magie.", sagte Venezia und trat von dem Loch in der Wand zurück. Der Regen wusch langsam den Ruß davon ab und spülte ihn als schwarzes Rinnsal in die Gasse. Rince nickte und sah zum Himmel.
"Gut.", sagte er, "Beziehungsweise nicht gut. Ich erwarte einen genauen Bericht,
was dieses Chaos
wie angerichtet haben kann... und nebenbei könntest Du Dich um des
wer kümmern.", er sah sich noch einmal um, "Und lass diesen Schutt da wegräumen.", fügte er hinzu, machte eine Handbewegung in die Richtung der Trümmer, die ehemals ein Stück ankh-morporkianische Wand dargestellt hatten, und verschwand aus der Gasse.
Venezia kletterte auf ein Bruchstück und untersuchte die Öffnung genauer. Sie sah sich die Kanten genau an. Sie klopfte die Steine ab. Sie zerbröselte einige zurückgebliebene Staubpartikel zwischen ihren Fingern. Dann ging ihr das Gestöhne auf die Nerven.
"Ich habe gehört, dass es Dir schlecht geht, Dae. Komm jetzt da drunter weg und hilf mir hier."
Der Feldwebel kroch langsam unter den Brocken auf der anderen Seite der Gasse hervor und sah die Gnomin wehleidig an.
"Venniiiiii. Es tut soooo weh.", jammerte er.
"Oooch, armer Daemon. Soll ich
pusten?", fragte die Angesprochene zurück und grinste auf eine Art, die Daemon dazu veranlassten, sich schnellstmöglich auf zu rappeln.
"Nö, ist schon in Ordnung. Alles klar."
"Du warst also hier, als es passiert ist.", stellte Venezia fest.
"Nicht auszudenken, was alles hätte passieren können. Stell Dir vor, ich hätte meinen Webel schon gehabt und er wäre bei der Sache beschädigt worden.", erwiderte der Wächter. Die Gnomin sah ihn fragend an.
"Ach, vergiss es... davon versteht ihr nichts.", winkte Daemon ab. Die Gnomin sah ihn fragend an.
"Ich muß Lav noch fragen, wo er seinen her hat.", murmelte der Feldwebel. Die Gnomin hielt es für besser, das Gespräch
sofort auf ein anderes Thema zu lenken. Sie hatte das Gefühl, einige Dinge bei den Menschen doch noch nicht so ganz verstanden zu haben.
"Schau Dir das an.", sagte sie schnell, "Es muß eine
gewaltige Menge thaumaturgische Energie gewesen sein, die das hier angerichtet hat. Wir hatten noch Glück, dass kein DING erschienen ist."
Daemon nickte.
"Es kam zu temporalen Verschiebungen.", sagte er nachdenklich, "Die sub-rudimentären Leistungsvariablen der komplex-eingesteuerten Basis-Formeln scheinen falsch implementiert worden zu sein."
Venezia wurde mal wieder bewußt, dass sie gar nicht so genau wußte, was ihr Kollege vor seiner Zeit bei der Wache gemacht hatte.
"Äh.", sagte sie, "Was dann übersetzt heißen soll?"
"Irgendwer hat hier mit Dingen rumgespielt, von denen er nichts versteht."
"Oh.", kommentierte die Gnomin.
Die beiden betraten vorsichtig die dunkle Öffnung in der Wand und tasteten sich durch das düstere Innere des Raumes dahinter.
"Wo ist eigentlich Ras?", fragte Daemon beiläufig, während er in den herumliegenden Trümmern wühlte.
"Ras?", antwortete Venezia und rüttelte an einem verkohlten Holzstück, "Der ist mit einer wichtigen Sache in der Nähe der UU beschäftigt."
"Sammelt Rote Beete, wie?", grinste Daemon. Venezia grinste zurück.
"Genau."
Der Feldwebel hockte sich in den schwarzen Staub, der den Boden bedeckte.
"Knurblich.", sagte er leise, "Schauen Sie sich das mal an."
Die Gnomin näherte sich ihm.
"Oje. Es ist schlimmer, als wir angenommen haben.", kommentierte sie den Fund.
Daemon hielt ihr einen schwarzen Seidenhandschuh hin. Die Fingerspitzen waren abgeschnitten worden.
***"Mädchen?", fragte Rince noch einmal nach. Die zwei Wächter standen vor, beziehungsweise auf seinem Schreibtisch.
"Junge Mädchen.", ergänzte Venezia.
"Ihr wollt mir erzählen, dass ein paar junge Mädchen Ankh-Morpork beinahe in eine Invasion der DINGE aus der Kerkerdimensionen gestürzt hätten?", Rince sah die drei forschend an. Daemon schaltete auf "Vor-dem-Vorgesetzten-stehen"-Automatik.
"Der Kommandeur wäre sicher überrascht, wie oft das geschieht.", sagte er und starrte dabei direkt an Rince vorbei auf die Wand hinter ihm.
"So? Wäre ich das?"
"Das wäre er."
"Das wäre ich?"
"Ja."
"Oh."
Der Feldwebel war zufrieden. Einfaches Beharren und das tunliche Vermeiden von Blickkontakt hatte mal wieder seine Wirkung erzielt.
"Und jetzt?", Rince gewann seine Fassung wieder, "Was werdet ihr tun, damit diese
jungen Mädchen nicht auf die Idee kommen, so etwas wieder zu tun?"
"Wir werden herausfinden, wem dieser Handschuh ", er legte dem Kommandeur Beweisstück A vor, "gehört und werden uns diese Person mal vornehmen."
"Ah ja.", Rince blickte auf das Kleidungsstück vor sich, "Und
wie wollt ihr das anstellen?" Venezia ging auf der Tischplatte zum Handschuh.
"Das dürfte nicht weiter schwer sein.", sie deutete auf die eingestickten Initialen, "Wie viele Mädchen in Ankh-Morpork gibt es, deren Namen mit den Buchstaben X. Q. beginnen?"
"Genau 437.", rief Steingesicht von unten durch die geöffnete Tür in das Büro.
‚Mist.‘, dachte die Gnomin.
"Naja. Dann denken wir uns eben was anderes aus.", murmelte sie.
"Tut das.", bestätigte Rince, "Und tut es schnell. Ich will nicht, das die Stadt
schon wieder mit so einem DING zu kämpfen hat."
Die Drei verließen das Büro und stiegen die Treppe nach unten.
"Danke schön, Steinie.", sagte Venezia. Der Geist grinste zurück.
"Immer wieder gerne.", erwiderte er.
"Und was machen wir jetzt?", fragte Daemon.
"Wir nehmen uns einen Wächter, der sich in der Jung-Hexen-Branche auskennt und fangen an, zu suchen.", Venezia sah sich im Raum nach einem geeigneten Opf... Wächter um.
"Moment.", rief Daemon, "Bevor wir losgehen, muß ich eben Lavaelous wegen seinem Webel fragen. Er muß mir mal erklären, was ich damit überhaupt anstellen soll."
***"Warum hat er das getan?", fragte Daemon und rieb sich die langsam anschwellende Augenpartie, "Ich verstehe das überhaupt nicht."
"Tja.", antwortete Lewton, "Vielleicht hättest Du ihn nicht in Ptracys Gegenwart nach seinem Webel fragen sollen. Manche Leute sind bei so was ziemlich empfindlich."
Die drei Wächter gingen durch die Straßen Ankh-Morporks. Lustig glitzerten winzige Regentröpfchen im Sonnenlicht um Daemon herum.
"Sehr kollegial von Dir, dass Du uns nicht nass werden lässt.", kommentierte Venezia von Lews Rücken. Daemon sah auf.
"Was meinst Du?", er schien erst jetzt den leichten Sprühregen um sich herum zu bemerken, "Oh. Du denkst doch wohl nicht, dass
ich das beeinflussen könnte?! Es liegt nicht an mir. Muß irgendwas mit Genen zu tun haben."
Sie erreichten die Gasse, in der die thaumaturgische Explosion stattgefunden hatte. Lewton setzte Venezia ab und zog sich hinter den Trümmerhaufen zurück. Kurz darauf
[3] erschien er in Wolfsgestalt.
***Die Mädchen standen ihnen stolz gegenüber. Schwarze Kleidung und helle Schminke konnten in einem gewissen Alter sehr stolz machen. Wenn dann auch noch Seidenhandschuhe, bestickte Taschentücher und jede Menge Spitze am Ausschnitt der Kleidung (schwarze Spitze natürlich) hinzu kam, war der inter-pubertären Überheblichkeit praktisch keine Grenze mehr gesetzt.
"Was wollt ihr bei den Schwestern der Nacht?", fragte eine von ihnen.
"Wie kommt ihr dazu, die alten Stätten der schwarzen Kunst zu betreten?", wollte eine andere wissen, Verachtung und Hochmut tropfte aus jeder Silbe. Die Wächter sahen sich um. Sie standen in einem schmutzigen Hinterhof Ankh-Morporks. Die Sonne leuchtete durch kleinere, graue Regenwölkchen auf sie hinab.
"Ähm... ja.", sagte Venezia, "Sagt mal, Mädchen: Was tut ihr hier?"
Die Gruppe erstarrte bei dem Wort "Mädchen" und sah die Gnomin herabwürdigend an.
"Wir nehmen Kontakt zu den finstersten Dämonen und den schrecklichsten Scheitanen auf.", verkündete die Erste.
"Wir durchreisen die Dimensionen und reden mit den dunklen Fürsten der Unterwelten.", das Timbre der Zweiten Klang
noch unheilvoller als das der Ersten.
"Wir sprechen mit Geistern, den Seelen der Verstorbenen und den Untoten
[4]", fügte die Dritte mysteriös hinzu.
"Und was erzählen Euch diese ganzen Leute so?", wagte Lewton zu fragen.
"Sie weihen uns ein in die dunkelsten Geheimnisse des Lebens.", rief die Erste.
"Und des Todes.", fügte die Zweite hinzu.
"Genau.", bestätigte die Dritte.
"Und wie lauten die?", forschte Daemon weiter.
Die Mädchen blieben stumm.
"Aha.", bemerkte Venezia.
"Jetzt hört mal.", begann Lewton, "Ihr habt ganz schön was angestellt gestern Abend.", die Mädchen sahen ihn erschrocken an und wurden kreidebleich, gleichzeitig schüttelten sie den Kopf, die universale Reaktion von Jugendlichen auf solche Worte, "Aber wir KÖNNTEN es vergessen, sogar das mit der Wand.", fuhr der Werwolf fort, Hoffnung leuchtete in den jungen Augen auf, "WENN ihr mit dieser "Hexen-sind-cool"-Sache aufhört. Beim nächsten Mal werden wir nicht so nett sein." Die Mädchen nickten und Lewton verließ mit den anderen zufrieden den Hinterhof.
"Ich denke, ich habe soeben die Stadt gerettet.", kommentierte er, "Wer weiß, vielleicht sogar die gesamte Scheibenwelt."
"Ach was.", sagte Venezia von seiner Schulter, "In zwei, drei Tagen fangen sie wieder an damit, das ist so sicher wie sichere Dinge."
"Ich habe nicht gesagt, für
wie lange ich sie gerettet habe. Da muß sich dann eben wer anders drum kümmern. Außerdem", fügte er hinzu, "Wie lange kann das schon mit denen dauern. Bald werden sie sich mit anderen Dingen beschäftigen. [2]"
Und so verließen sie den Schauplatz schaurigster Magie, zu denen 17jährige fähig sind, und kehrten ins Wachhaus zurück.
The End
Ach übrigens, Lew, könntest Du mir mal Deinen Webel leihen?
[1] Man darf sich hierunter keine tropischen, kontinentbedeckenden Wälder mit gigantischen Baumriesen vorstellen, es waren einfach Wälder, in denen es regnete.
[2] Frauensachen und so.
[3] Die Geräusche, die bei der Umwandlung des morphischen Feldes entstehen, wenn sich jedes Haar einzeln umstrukturiert, wenn in kurzer Zeit hunderttausende neue Haarspitzen aus der Haut spriessen, Knochen sich an einigen Stellen stauchen und an anderen dehnen, wenn Abermillionen Jahre der Evolution in wenigen Sekunden
rückwärts zurückgelegt werden und sofort darauf ein anderer Weg neu eingeschlagen wird, die Geräusche, wenn mehrere Liter Blut, Sekret und andere Körperflüssigkeiten mit einem Male in andere Lagen gezwungen werden, von den Organen ganz zu schweigen, all diese Geräusche sind einfach viel zu ekelhaft, um hier Erwähnung zu finden und werden deshalb weggelassen.
[4] Dafür hätten sie nur das Wachhaus an der Kröselstrasse betreten zu brauchen. Die Wache von Ankh-Morpork bestand mittlerweile aus so vielen Werwölfen, Vampiren und Geistern, dass darüber nachgedacht wurde, ob der Werbeslogan "Komme zur Stadtwache, wir Dich brauchen" in ein objektiveres "Wir dich brauchten" geändert werden sollte.
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