"Rekrut Sebulon, Sohn von Samax!" Oberstabsspieß Harry sah mit gerunzelter Stirn auf sein Klemmbrett hinunter - nun, hinunter war nicht das richtige Wort, da den Gnom selbst nur fünfundzwanzig Zentimeter von seinen Stiefelspitzen trennten. Oberstabsspieß Harry sah also zu dem Klemmbrett in seiner Hand hinüber und studierte die kurze Akte des Rekruten. Dann sah er hinauf zum vor ihm stehenden Zwerg. Ungeduldig knurrte er: "Ich habe mit Ihnen geredet, Rekrut."
"In der Tat.", murmelte der Zwerg, der in Gedanken überlegte, ob der Oberstabsspieß seit der Rekrutierung noch gewachsen sein konnte.
"Das heißt 'Sir', Rekrut!", schnappte Oberstabsspieß Harry, "Wenn ich heute schon auf Kaffee verzichten muss, weil ich pausenlos auf Rekruten aufzupassen habe, kann man wenigstens
etwas Höflichkeit an den Tag legen."
Der Zwerg trat unwillkürlich einen Schritt von dem aufgebrachten Gnom zurück. Das war nicht sein Tag. Dienstantritt als Rekrut und schon zur Schnecke gemacht. Wenigstens war die Eingangshalle gerade relativ leer, sodass er hoffte, ihn würde später niemand daran erinnern, dass er einem Gnom gegenüber zu wenig Respekt gezeigt hatte.
[1]"In der Tat, Sir! Äh ... Entschuldigung, Sir."
"Bei uns in der Wache salutiert man und nimmt Haltung an, wenn ein Vorgesetzter spricht. Haben Sie denn noch gar nichts gelernt, Zwerg? Dank und Respekt! Dank dafür, dass wir Sie aufgenommen haben, und Respekt für das, was Sie noch erdulden müssen und was jeder ranghöhere schon hinter sich hat! Sie haben doch das Handbuch gelesen, Rekrut", fauchte der Gnom, holte Luft und fügte hinzu: "Oder können Sie nicht lesen?"
Der Zwerg rückte seinen Werkzeuggürtel zurecht, den er nur zum schlafen abzulegen pflegte, straffte seinen guten Meter Körpergröße, zielte, holte weit aus und kam glücklicherweise kurz vor seinem Kopf mit der Handkante zum Halt.
"Sir. Doch, habe ich, Sir. Sehr lehrreich, Sir. Vor allem die Gesetze, Sir.", sagte der Zwerg Sebulon in einem möglichst gehorsamen Ton und versuchte sich nicht anmerken zu lassen, dass seine Hände vor Angst zitterten.
"Soso, lesen können Sie also.", sagte der Gnom in beinahe freundlichem Tonfall. "Können Sie auch ... sagen wir ... 'Schnitter' buchstabieren?"
"Nein, Sir.", entgegnete der Zwerg prompt.
"Das bringt man wohl den Zwergen auf den Kreidefelsen nicht mehr bei, wie?", bohrte Oberstabsspieß Harry unnachgiebig.
"Das nicht, Sir. Ich darf nicht, Sir. Es wäre gegen das Gesetz, Sir. Gesetze und Verordnungen der Städte Ankh und Morpork, Paragaraf 117 Absatz 2 verbietet mir, in Erntemonaten landwirtschaftliche Berufe zu Buchstabieren, Sir. Und ein Wächter darf das Gesetz nicht brechen, Sir, das hat das Handbuch sehr deutlich gemacht."
Er wartete kurz, den Blick geradeaus gerichtet, und als keine Antwort von seinem Ausbilder kam, fuhr er fort: "Das Gesetz wurde von Winfried dem Halbstarken eingeführt, um sein Gesinde vor Spöttern zu schützen, Sir. Wenn Sie wollen, kann ich ... äh ... ein anderes Wort buchstabieren, Sir, beispielsweise 'Tod'."
Schweiß lief dem Rekruten von der Stirn, während er eine gefühlte Ewigkeit lang geradeaus schaute, in Haltung, die Hand noch immer zum Salut erhoben. Hatte sich da unverhofft verborgenes Wissen gemeldet? Oder war wieder einmal seine Kreativität mit ihm durchgegangen? Dieses bedrohliche Schweigen war wohl ein Anzeichen dafür, dass demnächst jemandem der Kragen platzen würde. Kein besonders großer Kragen bei einem Gnom, zugegeben, doch immerhin war es der Kragen eines Oberstabsspießes.
Schließlich wagte er einen Blick auf seinen Ausbilder und schielte, in dem verzweifelten Versuch weiterhin stramm zu stehen, an seiner Nase vorbei und auf den Gnom hinab.
Oberstabsspieß Harry stand mit offenem Mund da und sah den Zwerg entgeistert an. Als er bemerkte, dass dieser ihn anblickte, riß er sich zusammen und sagte: "Gut gemacht, Rekrut Sebulon." Dann räusperte er sich und nickte. "Sie dürfen sich rühren."
"Danke, Sir."
Gefreiter Sebulon, Sohn des Samax, Sohn von Sorbalan, ließ seine Hand sehr langsam sinken und schickte ein stimmloses Dankgebet zu Topaxci
[2] für seine gnädige Rettung. Ohne seine Gabe, schnell kombinieren zu können, und ohne seine gnadenlose Kreativität würde er jetzt wahrscheinlich bis zum Hals in Kreide stecken.
[3] Nun konnte er nur noch hoffen, dass sein Ausbilder nicht in das Gesetzbuch schauen würde, bis der Vorfall in Vergessenheit geraten war.
"Wohin gehen wir, Sir?", fragte Rekrut Sebulon, Sohn des Samax, seine Schulter. Genaugenommen fragte er Oberstabsspieß Harry, der auf seiner Schulter saß und ihm mit kurzen Bemerkungen die Richtung wies.
[4]"Zum Pseudopolisplatz. Dort wartet die erste Aufgabe auf Sie, Rekrut.", antwortete Harry und sah den Rekruten an. "Und wenn es in Ordnung ist, lasse ich dieses förmliche 'Sie' beiseite. Ich finde das fürchterlich gestelzt."
Sebulon lächelte und setzte zu einer Antwort an, doch Harry kam ihm zuvor.
"Das gilt natürlich nicht für dich, Rekrut. Immerhin musst du ja lernen, Respekt zu zeigen. Wer keine Ahnung hat von Dank und Respekt; wer nicht salutieren und Haltung annehmen kann, der muss noch einiges lernen."
Schweigend lief Sebulon weiter, bis sie das Wachhaus am Pseudopolisplatz erreichten. Mit dem Selbstbewusstsein eines Terriers führte Oberstabsspieß Harry den Zwerg zielstrebig durch das Wachhaus. Er erwiderte knapp den Gruß der ihm entgegenkommenden Offizierin, deutete Sebulon die Treppe abwärts zu nehmen, und entschloss sich endlich im Keller die Schulter zu verlassen. Vor einer düsteren Tür baute sich Harry zu seiner vollen Größe auf, lehnte sich dagegen, lächelte, und brummte zum Zwerg hoch: "So, das hier ist wird dir nicht gefallen."
"Sir.", entgegnete der Zwerg. Ihm war die Lust auf Gespräche für diesen Tag ordentlich vergangen.
"Kannst du lesen, was hier steht?", fragte Oberstabsspieß Harry und deutete auf die Aufschrift der Tür.
Sebulon hatte für einen Tag genug von diesen Fangfragespielchen. Er runzelte kurz die Stirn, seine Lippen bewegten sich, als er las, und dann sagte er in neutralem Tonfall: "'Verhöhrraum zwai', Sir. Darunter steht: 'Kaine Volterinschtrumenthe, bitthe.'"
"Als dein Ausbilder habe ich die Ehre, dich mit einer Methode bekannt zu machen, die uns in der Wache gute Dienste geleistet hat. Das Verhöhr." Der Gnom machte eine Pause und blickte dem Zwerg in die Augen.
[5] Dann fuhr er fort: "Es funktioniert so: Man findet einen mutmaßlichen Schuldigen, man schnappt ihn sich, man bringt ihn her."
"Soweit klingt das einleuchtend, Sir.", sagte Sebulon dienstbeflissen.
"Ruhe!", donnerte der Gnom. "Ich bin noch nicht fertig, Rekrut; du hast noch viel zu lernen. Dank! Und! Respekt! Wo war ich? Richtig. Der wahrscheinliche Täter ist hier. Jetzt beginnt die eigentliche Arbeit. Wir
verhören ihn. Abwechselnd. Gewissermaßen im Kreuz. Deshalb heißt es K-r-e-u-z Verhöhr. Was wir wollen ist die Wahrheit, klar? Gut. Fragen?"
"Ja, Sir. Warum heißt der Raum ... äh ... Verhöhrraum?"
"Weil der verhöhrende Wächter im Verhöhr sich beim Verhöhrenden verhöhrt. Weil er Aussagen falsch versteht, wie schon der Name sagt. Das ist Teil des Verhöhrs. Die Feinheiten lernst du am besten in der Praxis. Hast du noch sinnvolle Fragen, Rekrut, bevor ich mir einen Kaffee besorge und wir deinen ersten Verdächtigen verhöhren?"
Der Zwergenrekrut blickte den Gnom einen Moment lang an, bevor er antwortete.
"Sir, welches Verbrechen wurde begangen?"
Oberstabsspieß Harry lächelte. Dann antwortete er genüsslich: "Mord."
"Ich bin Rekrut Sebulon, Sohn des Samax, und ich vernehme dich heute. Für das Protokoll: Wie lautet dein Name?"
"Boggi, Herr."
Der Protokollant, ein junger menschlicher Gefreiter mit schief sitzendem Helm, schrieb im Halbdunkel des Raumes mit. Der Zwerg zögerte. Sein Ausbilder sah ihn an und bedeutete weiterzumachen. Der Gnom hatte ihm gesagt, dass es seine Aufgabe war, herausfinden, ob der Verdächtige einen Mord begangen hatte. Aber das hier war ...
"Aus der Alchimistenstraße?"
"Ich habe einen Laden in der Königsstraße, Herr.", sagte Boggi, "Vielleicht wart ihr einmal da? Ich bin Schneider."
Oberstabsspieß Harry notierte sich etwas, ohne den Blick vom Rekruten zu lassen, der erleichtert aufatmete.
"Gut. Äh ... hast du in der letzten Zeit einen ...", begann er, doch der Gnom fuhr ihm dazwischen.
"Ich will das einfach machen, Boggi. Wir wissen, dass du nicht unschuldig bist. Jetzt musst du nur noch gestehen."
"Was? Weshalb bin ich denn angeklagt?", fragte Boggi und sah von einem Wächter zum anderen.
Sebulon setzte zu einer Antwort an, doch wieder war der Oberstabsspieß schneller als er.
"Jetzt stell dich nicht so an, Mann. Willst du uns für dumm verkaufen?", schnauzte der Gnom. Dann flüsterte er zum Zwerg: "Du musst hart durchgreifen, wenn du Informationen haben willst."
Unsicher, was er tun sollte, rückte der Zwerg seinen Werkzeuggürtel zurecht. Was hätte er jetzt nicht alles für eine halbe Stunde Ruhe und einen kleinen Holzklotz zum schnitzen gegeben ...
"Also gut, wir können es dir einfach machen, oder wir können es dir schwer machen, Boggi.", meinte der Gnom. "Was ist dir lieber?"
"Äh, was von beidem bedeutet, dass ich nicht ins Gefängnis wandere, Herr?"
"Ich sehe, du verstehst.", sagte der Gnom.
"Du gestehst also, ...", begann der Zwerg.
"Was gestehe ich?", fragte Boggi.
"... äh, dass du nicht ins Gefängnis möchtest?"
"Ist das schon ein Geständnis?", erkundigte sich Boggi.
"Du sagst also, dass du schuldig bist, richtig?", sagte Oberstabsspieß Harry und klang erleichtert.
"Ja. Moment, nein!", rief Boggi und blickte verzweifelt um sich. "Ich bin unschuldig! Und ich weiß noch nicht einmal, was ich getan haben soll!"
Der Gnom reichte ein Blatt von seinem Klemmbrett zum Rekruten, der die mikroskopisch kleine Schrift mit sich bewegenden Lippen studierte.
"Rekrut, wenn du so freundlich wärst, das Gedächtnis von Boggi etwas aufzufrischen?"
"Äh, ja, Sir. Boggi, kennst du Herrn, hmm, Windel?"
"In der Tat, Herr, ich kenne sogar beide. Den alten und den jungen Herrn Windel aus der Sirupminenstraße. Kommen beide zu mir, wenn sie neue Hosen brauchen. Obwohl mir der alte Herr Windel seit zwei Jahren das Geld dafür schuldet, dass ich ihm einen Frack geschneidert habe."
Schweigen. Das einzige Geräusch war das Schreiben des Protokollanten.
"Also gestehst du, dass du ein Motiv hattest?", fragte der Gnom sanft.
"Aber ich habe doch gar nichts getan, Herr!", entgegnete Boggi.
Der Zwerg räusperte sich und sagte: "Wann hast du den alten Herrn Windel zuletzt gesehen?"
"Gestern, Herr. Er wollte zum Ball gehen und hat eine neue Hose abgeholt. Warum fragst du, Herr?"
"Weil", sagte der Gnom, "Herr Windel heute morgen tot aufgefunden wurde."
Wieder schweigen, diesmal jedoch ein anderes. Dieses Schweigen war gefüllt mit Panik. Sebulon war sich unsicher, wer mehr davon beitrug: er oder Boggi.
"Und darum interessiert uns ...", fuhr der Gnom fort und drehte eine Lampe so, dass sie Boggi blendete. "... wie du es getan hast."
"Wie ich was getan habe? Gar nichts habe ich getan, Herr. Ich habe lediglich gestern dem alten Herrn Windel seine Hose gegeben und ihm beim einkleiden geholfen; und seitdem habe ich ihn nicht mehr gesehen."
"Hast du sie ihm angezogen, bevor oder nachdem er ermordet wurde?", fragte der Zwerg.
"Bevor er ..."
"Du hast ihn also ermordet, nachdem du ihm seine Hose angezogen hast.", sagte der Gnom und notierte sich wieder etwas.
Boggi blinzelte in den grellen Lampenschein. "Was? Nein! Ich habe niemanden ermordet. Ich bin ein unschuldiger ..."
"Meinst du, dass wir dir das glauben, Boggi?", fragte der Zwergenrekrut, und blickte ihm in die Augen, während seine Finger unter dem Tisch mit einem Schraubenzieher spielten.
Schweigen herrschte im Raum.
"Laut dem Bericht von S.U.S.I.", sagte der Gnom, nahm dem Zwerg den Zettel wieder ab, und las langsam vor, "hat man 'am Tahtort keine Kwittung gefuhnden.' Und der Hals von Herrn Windel war ... äh ... 'blau, vermuhtlich wurde Herr Windel zu Tohde gewürgt.'"
Das Schweigen im Raum hielt an. Der Protokollant nahm sich ein neues Blatt und wartete, dass weitergesprochen wurde. Der Zwerg musterte den groß gewachsenen Schneider. Sie waren einander tatsächlich noch nie begegnet. Er konnte gut verstehen, dass Herr Boggi aus Angst vor dem, was ihn erwartete, die Linke mit der Rechten umklammert hielt. Sebulon hatte grausige Geschichten gehört von dem, was in Gefängnissen passieren konnte.
[6] Aber waren das die Augen und Hände eines Mörders? ... Er übersah etwas. Es lag vor seinen Augen. Nur was?
"Wenn du ihn nicht ermordet hast, warum fürchtest du dich dann davor ins Gefängnis zu kommen?", fragte der Zwerg.
Oberstabsspieß Harry sah ihn mit offenem Unverständnis an.
"Das hier ist keine Selbsthilfegruppe, Rekrut. Hier geht es um Leben und Tod. Wir ..."
"Ich möchte nicht noch einmal ins Gefängnis, Herr."
Der Zwerg durchbrach das erneute Schweigen.
"Du warst bereits im Gefängnis?", fragte Sebulon und schluckte seine Panik hinunter.
"Ja, Herr. Als ich freikam, habe ich mir geschworen, dass das nie wieder passiert. Es waren die unangenehmsten Jahre meines Lebens, Herr."
"Wofür hat man dich verurteilt, Boggi?"
"Dafür, dass ich einen Werwolf mit flüssigem Silber getötet habe."
Der Zwerg sah seinen Ausbilder an und sagte: "Sir, kann ich sie kurz unter vier Augen sprechen?"
"Was gibt es denn, Rekrut?", fragte Oberstabsspieß Harry, als sie den Verhörraum verlassen hatten. Bevor sie gegangen waren, hatte der Gnom Boggi und dem Protokollanten eingeschärft, dass dies nur eine kurze Unterbrechung sei.
"Er hat einen Mord begangen, Sir.", sagte Sebulon.
"Ja, das wissen wir."
"Damit ist doch meine Aufgabe hier erledigt, oder?"
"Nein, Rekrut. Herr Boggi muss seine Schuld beim Mord an Herrn Windel erst noch gestehen.", wies ihn Harry zurecht.
"Aber diesen Mord kann hat er nicht begangen haben."
Erstaunt sah der Gnom den Zwerg an.
"Kannst du das beweisen, Rekrut?"
"Ich denke, ja."
Sebulon setzte sich wieder an den Tisch und sah Herrn Boggi an. Dann reichte er ihm einen größeren Schraubenschlüssel von seinem Gürtel.
"Herr Boggi, wenn es in Ordnung ist, würde ich dich bitten, das hier einmal in die Hand zu nehmen."
"Was wollt ihr mir nun schon wieder unterstellen?", knurrte Boggi.
"Bitte, Herr Boggi. Ich glaube, ich kann beweisen, dass du den Mord nicht begangen hast."
Der Zwerg schob den Schraubenschlüssel über den Tisch und Herr Boggi hob ihn mit etwas Mühe auf.
"Und nun?", fragte Oberstabsspieß Harry.
"Nein, nicht in die Rechte.", sagte Sebulon, "Bitte nimm ihn in die linke Hand, Herr Boggi."
Der Schneider stockte.
"Das kann ich nicht."
"Bitte.", sagte der Gnom in beinahe freundlichem Tonfall.
Herr Boggi sah die Wächter an und erkannte, dass es sinnlos war. Er legte die linke Hand mit der Handfläche nach oben auf den Tisch. Dann hob er mit Anstrengung das Werkzeug auf die andere Hand und verzog das Gesicht.
"Du kannst deine linke Hand nicht schließen, nicht wahr?", fragte Sebulon.
"Ja, Herr." Der Schneider nickte. "Als ich im Gefängnis war, hab ich sie mir gebrochen und seitdem geht alles nicht mehr so gut."
"Und mit einer Hand ist der Schlüssel schon ganz schön schwer, habe ich recht?", kommentierte Sebulon im Plauderton.
"Ich verstehe.", sagte Oberstabsspieß Harry. "Boggi, bitte gib dem Rekruten sein Werkzeug zurück, und dann führt dich der Gefreite nach oben. Er wird dir etwas zu trinken geben, immerhin ist es ja sehr warm hier drin."
Der Gefreite nickte, salutierte, und verließ mit Boggi den Verhöhrraum.
Als Ausbilder sein Rekrut den Verhörraum ebenfalls verlassen hatten, blieb der Gnom vor dem Zwerg stehen.
"Er kann ihn nicht erwürgt haben, nicht wahr? Nicht mit der schwachen Hand allein und erst recht nicht mit der Linken ... das war gar nicht so schlecht, Rekrut. Aus dir wird nochmal was.", sagte Oberstabsspieß Harry.
"Danke, Sir.", strahlte Sebulon.
"Eins ist mir allerdings unklar.", meinte Harry nachdenklich.
"So, was denn, Sir?", fragte Sebulon und hielt den Atem an.
"Woher", sagte Harry langsam, "kennst du die Gesetze der Stadt so gut, wenn du eigentlich aus dem Kreideland stammst?"
"Mein Vater hatte ein Gesetzbuch, Sir. Hat mir manchmal draus vorgelesen.", sagte Sebulon in einem Tonfall, der hoffentlich nicht aggressiv wirkte, denn er mochte es nicht, an seine Jugend im Kreideland erinnert zu werden.
Und er fügte nicht hinzu: 'Damit ich nachts besser einschlafen konnte.'
"Interessant. Hat er dir auch jemals Paragraph 117 Absatz 3 vorgelesen?"
Sebulon schluckte. Hatte das Buch überhaupt 117 von diesen verflixten Dingern? Er wusste es nicht. Er meinte sich zu erinnern, dass es einen 121-ten gegeben haben musste ... aber konnte er sich da sicher sein?
"Sir, ...", begann der Zwerg, doch sein Ausbilder unterbrach ihn.
"Gut. Sehr löblich. Die Wächter sollten sich ein Beispiel an dir nehmen. Nicht jeder kennt die acht Agrargesetze von Winfried dem Halbstarken in ihren Feinheiten. Für heute soll das reichen, Rekrut. Ich habe im Haus noch etwas zu erledigen - findest du allein zurück zum Wachhaus in der Kröselstraße?"
Sebulon nickte, Salutierte und verließ das Gebäude etwas schneller als nötig. Er beschloss, sich nach Dienstschluss auf die Suche nach einem Tempel des Topaxci zu machen. Manchmal war es eben doch nötig, den nötigen Dank und Respekt zu erweisen.
[1] Man würde ihm allerdings am nächsten Tag erklären, dass es einfache Wege gab, um dem Oberstabsspieß die Laune zu heben. Dazu gehörte Kaffee. Aber man beruhigte ihn, dass der Oberstabsspieß den kritischen Bereich der tiefen Aggression erst erreiche, wenn er sich offen nach Kaffee erkundigen würde.
[2] Topaxci ist der Gott gewisser Pilze und von großartigen Ideen, die man vergessen hat aufzuschreiben und an die man sich nie wieder erinnern wird. Außerdem kümmert er sich um diejenigen, die buchstabierte Worte für philosophisch bedeutsam halten. Vor allem, wenn sie rückwärts buchstabiert werden.
[3] 'Bis zum Hals in Kreide stecken' ist ein gebräuchlicher Ausdruck im Kreideland, um anzudeuten, dass die Probleme am Horizont herangekommen sind und sich zu Herausforderungen in nächster Nähe verwandelt haben. Diese Herausforderungen haben manchmal sehr scharfe Zähne und seit Tagen nichts gegessen.
[4] Mit Lebewesen Schritt zu halten, die mehr als viermal so groß waren, wie der Gnom selbst, war schlicht eine zu große Anstrengung. Also nahm er für gewöhnlich auf der Schulter Platz und ließ andere das Laufen übernehmen.
[5] Soweit es der Zwergenbauch zuließ.
[6] Im Kreideland kursierten beispielsweise Gerüchte darüber, dass man Gefangenen in Ankh-Morpork Stücke des Ankh zu essen gab. Man erzählte sich allerdings auch, dass Ankh-Morpork eine hübsche Stadt sei.
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