Streife Streife du musst wandern...

Bisher hat keiner bewertet.

von Wächter Menélaos Schmelz (GRUND)
Online seit 19. 08. 2008
PDF-Version

Für Rekruten (erste Mission):
Streife gehen gehört zum Wächterleben dazu. Beim ersten Mal kommt natürlich dein Ausbilder mit. Dann kann ja gar nichts schief gehen, oder?

Dafür vergebene Note: 12

Eine vage Duftspur nach Himbeerzuckerguss zog sich durch die Kröselstrasse. Menélaos Schmelz roch immer nach Himbeere wenn er nervös wurde.
"Ausgerechnet Himbeere, wie peinlich." murmelte er vor sich hin.
Er konnte das Wachhaus schon sehen und wurde noch etwas nervöser. Der Anblick des Hauses und der Gedanke an seine fruchtigen Ausdünstungen lenkten seine Gedanken an den letzten nennenswerten Kontakt mit der Stadtwache von Ankh-Morpork. Der unschöne Vorfall während seiner Meisterprüfung war der Anfang vom Abstieg seiner Karriere als Konditor. Menélaos erinnerte sich schmerzlich gut an seine Zeit als talentierter Konditorgeselle. Das lag wohl vor allem daran, dass der Vorfall erst zwei Jahre her war, er selber gerade mal 25 Lenzen zählte und ihn das Ergebnis der misslungenen Prüfung stets begleitete, der Duft.

Es roch nach dickem, flüssigen Karamell. Der Topf mit dem teuren Zucker aus Gennua brodelte auf der Feuerstelle im Dachgeschoss der Konditorengilde. Menélaos Schmelz blickte abwechselnd nervös auf das Prüfungskommitee und den 3,5 Schritt langen, fein gearbeiteten Golem aus Zucker, Teig und anderen Süßigkeiten, ein Schlaraffenland für Karies, der gestaltgewordene Alptraum eines jeden Diabetikers. Dieses Gebilde lag unbeweglich auf dem Boden des Prüfungsraumes.
Menélaos' Meister, Helmholz Zwirbelfrei, räusperte sich und wusste nicht was er von der Sache halten solle. Er hatte nicht viel für Alchemik übrig und die Symbiose aus dieser mit seinem geliebten, traditionellen Handwerk, gefiel ihm schon gar nicht. Denn was Menélaos da mit Eifer seit nun mehr fünf Stunden aus Teig, Tortenboden und allerlei anderen Ingredenzien erschuf, war das absonderlichste, was er je bei einer Meisterprüfung gesehen hatte. Seinen beiden Komitee-Kollegen ging es wohl ähnlich. Ihre Blicke erinnerten Helmholz an die Blicke von Bauern, die gerade beobachten, wie der neue Knecht versucht, einen Ochsen zu melken.
Er seufzte und musterte seinen Schützling. Ein großer, haariger Junge, bei dem eher Schläger als Schlagsahne auf dem Plan stand. Ein guter Junge, munter bei der Arbeit, kreativ, vielleicht zu kreativ, mit Sinn für die richtigen Zutaten, aber ich kann mir nicht helfen, diese Prüfung schmeckt jetzt schon nach einem Teelöffel Fiasko, mit einem oder zwei Schuss Wahnsinn. Was macht er denn jetzt? Wieso schüttet er den kochenden Zucker in die Augenlöcher?
Menélaos stand der Schweiß auf der Stirn als er den schweren Kessel mit dem Zucker wieder in Richtung Feuerstelle zurück trug. Der braune, geschmolzene Zucker in den Augen des Golems, ließ diesen bereits so schon etwas lebendig wirken. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht, als er sein besonders starkes Backpulvergemisch über den Zucker goss. Er musste jetzt nur noch einen Tropfen von diesem klatschianischen Zeug in die Augen seines Meisterwerks träufeln. Er beugte sich mit einer Flasche in der Hand, über den Kopf des Monstrums. Seine Hände zitterten. Das Komitee starrte den Tropfen an. Der Tropfen zog sich über die hölzerne Pipette in einem langen Faden nach unten. Ein klatschianischer Sprengmeister hätte beim Anblick des Wortes "klat. Héfé" auf dem Etikett der Flasche die Beine in die Hand genommen...


"120 Dollar für den Dachstuhl. Drei Wochen lang hab ich den Zucker von den Wänden gekratzt. Und seitdem dieser seltsame Geruch. Verbrannter Lebkuchen noch eins..." Menélaos hielt inne, atmete tief durch, vertrieb die alten Erinnerungen und besann sich auf den Abend. Er hatte sich fest vorgenommen einen guten Eindruck auf seinen Ausbilder zu machen, man hatte ihm bei seiner Meldung gestern nur eine Zimmernummer genannt und gebeten sich doch bitte abends dort zu melden, am besten mit einem Nadelkissen dabei. Er hatte sich nicht getraut weiter nachzufragen, was es damit auf sich hatte.
Menélaos rückte seine Weste zurecht und wollte gerade die Türe öffnen, als ihm ein leicht verhüllter Mann mit rotem Bart zuvor kam und sich demonstrativ in die Türe stellte.
"Platz machen!" sagte er und musterte Menélaos von oben bis unten. Der ehemalige Konditor nickte stumm und ging einen Schritt auf Seite. Wortlos rempelte ihn der rotbärtige Wächter an.
"Einen schönen Tag noch!" trällerte Menélaos so ehrlich wie möglich hinterher, wobei das Potpourri an Schimpfwörtern und Beleidigungen, die er aus seiner Zeit auf den Straßen Ankh Morporks kannte, gefährlich auf seiner Zunge tanzte. Alte Erinnerungen flackerten auf...

"Du missratenes Kind eines Bergtrolls und eines... Bergtrolls!"
Menélaos rannte, so schnell ihn seine kräftigen Beine tragen konnten. Er war zu groß, um einfach in der Menge des nahe gelegenen Marktes unterzutauchen. Er hechtete aus dem kleinen Laden in die Federstraße und quetschte sich zwischen zwei Häusern hindurch. Ein jäher Schmerz durchzuckte sein rechtes Bein. Ein Nagel in der Wand hatte sich seinen Weg durch die Haut an seinem Bein gebahnt und eine blutige Wunde hinterlassen. Fluchend humpelte Menélaos durch die enge Gasse in Richtung Schatten, ein Leinentuch um die Beute gehüllt. Ein Blick über die Schulter schloss Verfolger aus und er lies sich gnädig in den Schmutz einer Gasse fallen.
Ein abschätzender Blick auf die Wunde, einmal tief durchgeatmet, das Leinentuch angefeuchtet, Wunde gesäubert, Tuch als Verband zweckentfremdet, Explosion in der Ferne vernommen, Alchimisten belächelt, was ihn letzten Endes wieder zu seiner Beute führte. Die große Kugel war bis auf eine kleine Öffnung gefüllt mit kleinen Kügelchen. Eines der Kügelchen kostete bereits einige Cent und die Kugel hatte eine MENGE Kügelchen. Menélaos stahl nicht gern, er wusste wie es ist bestohlen zu werden. Einmal hatten ein paar Zwerge eine 20 Dollar teure Rattentorte geklaut. Es hat zwei Tage gedauert bis er seine Pläne über eine mögliche Zwergenbart-Torte verworfen hatte[1]
Doch dieses Mal blieb ihm beinahe keine Wahl. Dennoch plagte ihn ein schlechtes Gewissen, besänftigt durch den ehrlichen Vorsatz, dem alten Edwin die Summe eines Tages zurückzuzahlen. Das Vertrauen in seine Ideen und die Beharrlichkeit in seinem Kopf, der miese Job als Sekjuritie in einer Troll-Zwerg-Begegnungstaverne[2], ab und zu eine warme Mahlzeit, wenige Freunde und eine Handvoll Träume waren das einzige was ihn am Leben hielten. Der Unfall damals in der Gilde hatte ihn wieder auf die Straße geführt. Sicher würde man ihm eine zweite Chance geben, aber zu welchem Preis? Sein Ruf als guter Konditor war dahin. Seine einzige Liebe Luisa hatte ihn für einen blutsaugenden Schmarotzer sitzen lassen. Seine Eltern hatte er seit Jahren nicht gesehen, und er hatte auch nicht vor, irgendetwas daran zu ändern. Der Gedanke an seine Vergangenheit weckte stets gemischte Gefühle in Menélaos und gemischte Gefühle rochen nach Zitrone...
Ein Geräusch hallte durch die Gasse. Er musste aufhören, mit seinen Gedanken ständig abzuschweifen. Das bemerkte er immer wieder. Er knackte mit den Knöcheln seines Fingers, stellte das Gefäß mit den Sprengstoffkügelchen ab und widmete sich den beiden, vermutlich lizenzlosen Dieben, die sich ungeschickt über ein nahe gelegenes Dach anschlichen. Der Gedanke, den beiden die Hintern zu versohlen, erbaute ihn für einen Moment, der aber schnell verflog, als er sich erinnerte, dass er gerade vor wenigen Minuten nicht besser gewesen war...


"Tür zu, hier zieht's!" hallte es aus dem Wachhaus.
Menélaos räusperte sich verlegen, kam herein und schloss die Türe. Kerzen und Salamander erhellten den Warteraum. Eine leichte Spur Himbeerduft begleitete ihn noch immer. Seine Schritte lenkten ihn an den Büros vorbei, auf der Suche nach einem Raum der mit "OstSp Harry" gekennzeichnet war, oder etwas ähnlichem.
"Rekrut? Wohin des Weges?", fragte ihn eine hohe, durstige Topfpflanze. Menélaos wollte ihr gerade antworten, als ihn ein verzögerter Zweifel einholte. Erst nach kurzem Räuspern bemerkte er den Gnom, der sich gegen den Topf der Pflanze lehnte, gepaart von der trollschnellen Erkenntnis, dass es wohl kaum die Pflanze war, die da gesprochen hatte.
"Was ist heute nur mit mir los?", murmelte er halblaut. Der Gnom runzelte die Stirn.
"Was?"
"Verzeihung Sir, es ist nichts, ich bin Rekrut Menélaos Schmelz und ich suche Oberstabsspieß Harry."
"Aha, sehr gut, hast du das Kissen? Fein, ich kann etwas frische Luft gebrauchen."
Der Gnom schaute den Halbepheben an.
"Ich bin Oberstabsspieß Harry, dein Ausbilder. Haltung annehmen, Rekrut. Bevor wir uns auf den Weg machen, besorgen wir dir erstmal deine Marke und kümmern uns schnell um die Formalitäten. Irgendwie riecht es hier nach Himbeere..."

Die Nervosität wich langsam einer kleinen Woge aus Stolz und Himbeerduft verwandelte sich in eine vage Pfefferminzfahne, als Menélaos zusammen mit Harry über die Messingbrücke stapften. Vielmehr Menélaos stapfte, denn Harry hatte es sich auf seiner Schulter mit dem Nadelkissen bequem gemacht. Die neue Marke prangte auf der Brust des hochgewachsenen Ex-Konditors. Trotz der Woge des Gefühls lauschte Menélaos aufmerksam den Worten des Ausbilders. Er sprach wie ein alter Hund, jemand der schon lange dabei war: Ein Vorgesetzter, eine Respektsperson und dabei freundlich.
Für einen Gnom nicht gerade eine Paraderolle, dachte Menélaos.
"Merk dir, um diese Zeit ist es in diesem Viertel nie besonders still. Augen und Ohren immer offen haben, sonst entgeht dir was. Sag mal woher kommst du eigentlich?"
"Ich bin Halbephebe, bin jedoch in Ankh-Morpork geboren."
"Naja, zu mindest scheinst du dich hier gut auszukennen." Harry hatte mit ihm die Route für die Streife kurz durchgesprochen und Menélaos kannte beinahe jede der Straßen. In den meisten davon hatte er zumindest schon einmal jemanden verprügeln müssen oder übernachtet. Der Ausbilder gefiel ihm, er stellte nicht zu viele unangenehme Fragen über seine Vergangenheit. Vermutlich hatte er keine Lust die meisten seiner Rekruten nach Dienstantritt direkt zu verhaften...
"Kennst du den alten Rillow?", fragte der Gnom nach einer Weile und verfolgte dabei aufmerksam das Treiben in den nächtlichen Straßen.
"Klar, der alte Kauz auf dem Pseudopolisplatz. Verkauft Zeitschriften und billigen Tabak. Er nimmt manchmal seltsame Wetten an, habe ich zumindest gehört."
"Das mit den Wetten wusste ich noch gar nicht, was für welche?"
"Irgendwas mit Zahlen."
"Klingt illegal. Sehr gut, Rekrut."
"Wieso fragst du, Oberstabsspieß?"
"Weil wir dem guten Mann gleich einen kurzen Besuch abstatten werden. Der Bursche läuft auf ganz dünnem Eis. Die Spielergilde sieht es gar nicht gerne, wenn Leute wie der alte Rillow Wetten anbieten, schon gar nicht mit Zahlen. Eigentlich wollte ich mich bei ihm nur mal umsehen weil es heißt, dass in den letzten beiden Wochen vor seiner Hütte ein komisches Donnern gehört wurde, jeden Mittwoch- und Samstagabend. Das sollten wir uns bei Gelegenheit ansehen."
Menélaos hatte sich mittlerweile komplett entspannt. Die sanfte Woge der Autorität und die Uniform der Wache ließen ihn seit langem mal wieder richtig aufblicken. Das hatte er vermisst. Wenn er sich da an die Tage erinnerte, in denen er...
"Aufwachen Menélaos! Hörst du nicht was ich sage?!" Harry klopfte ihm an die Schläfe.
Menélaos schüttelte den Kopf,
"Entschuldige Sir, es ist nur noch alles so... neu." Menélaos ermahnte sich erneut, sich endlich auf das Wesentliche zu konzentrieren und die Gedanken einfach mal Gedanken sein zu lassen. OstSp Harry half ihm dabei.
"Ein wacher Geist ist das wichtigste bei einem Streifgang. Merk dir das besonders gut. Man gerät hier schneller in etwas herein, als man 'Was für eine wunderschöne Vollmondnacht' sagen kann. Ich vermute mal du hast bereits grundlegende Erfahrung, was Kampf und Verteidigung angeht. Siehst nicht gerade aus wie ein Zuckerbäcker."
Auf seiner Schulter hätten bequem noch zwei oder drei Gnome Platz nehmen können.
"Wenn du wüsstest..." murmelte Menélaos vorschnell.
"Wenn ich was wüsste, Rekrut?"
"Ich war Zuckerbäcker, Sir, bevor ich zur Wache kam. Aber da gab es ein paar Komplikationen."
Er seufzte, und seine Gedanken drehten sich dieses mal zum Glück ohne ihn weiter.
Harry hakte nicht nach. Irgendetwas hatte seine Aufmerksamkeit erregt, und er starrte wachsam von der Schulter aus in Richtung Kielholergasse.
"Rekrut, siehst du da hinten die beiden Kerle an der Häuserfassade neben der kleinen Schmiede?"
"Wenn du den schwankenden, dicken Kerl meinst, der den anderen, großen Kerl gerade mit seiner Faust verfehlt?"
"Bemerkenswerte Beinarbeit von dem Großen, findest du nicht auch?"
"Wenn er nicht dauernd hinfallen würde, schon. Sollen wir einschreiten?"
"Nein. Erst wenn es zu bunt wird oder jemand eine Waffe zieht."
Die Schlägerei war eher unspektakulär, es bildete sich nicht mal eine Traube aus Menschen um die beiden herum. Lediglich der Schmied stand in Schlafanzug und mit einem großen Hammer in der Hand an die Wand seiner Schmiede gelehnt und beobachtete die Raufbolde. Der schwankende Dicke brüllte herum und versuchte den anderen, etwas größeren Kerl, mit der Faust zu bearbeiten. Dieser wich allerdings ungewollt gut aus und peinigte die Luft mit Schlägen und Tritten.
"Jetzt wird es interessant. Der Dicke hat dem großen Kerl doch tatsächlich die Nase gebrochen, wie es scheint." sagte der Gnom.
"Und sich dabei mit einer Manschette seine Hemds in der Unterlippe des großen Kerls verhakt."
"Sieht aus als wollte er ihn wie an einer Leine herumführen. Oh, der große Kerl packt sich die Unterwäsche des Dicken und....Autsch!" Menélaos verzog das Gesicht.
"Also das ist zu bunt. Rekrut, eingreifen!"
Menélaos näherte sich dem kleinen Knäuel aus Mensch, Blut und Alkohol. Er packte den großen Kerl, dessen Unterlippe mittlerweile ein beträchtliches Ausmaß angenommen hatte.

"Misch du dich da nicht ein, südländischer Abschaum", lallte der große Kerl und zappelte mit den Beinen, die eine Elle über dem Boden schwebten. Sein Gesicht sah aus, als wäre er von einem Troll geküsst worden. Menélaos hatte Schwierigkeiten sich zurück zu halten und ihm nicht die massige Unterlippe geradewegs durch den Wall aus Zähnen in den Mund zu schlagen. Er beließ es dabei, den Kerl unsanft gegen die Wand zu drücken.
"Im Namen der Stadtwache, warum schlagt ihr euch in der Öffentlichkeit vor allen anderen und noch dazu unter freiem Himmel, so dass euch jeder sehen kann?" schnauzte Harry den Raufbold an.
Menélaos schaute dem Gnom ins Gesicht und zog, leicht verwirrt durch die Frage des Gnoms, eine Augenbraue hoch.
"Püschologie!" flüsterte der Gnom.
Davon hatte Menélaos schon viel gehört, bei einem Verkaufsseminar während seiner Ausbildung zum Konditor hatte ein seltsamer Würstchenverkäufer erklärt, dass man mit Püschologie den Kunden sogar eine frittierte Parkbank schmackhaft machen konnte. Wie hieß der noch gleich?
"...Verdammt, Rekrut! Aufpassen! Der Dicke will sich davon machen."
"Zuckerguss und Kirschlikör!" Menélaos schreckte aus seinen Gedanken, schnellte instinktiv herum und sah den Dicken davon stürzen. Er setzte sofort nach, von seiner Schulter ertönte ein "Re-krut, nicht-so-ei-ei-ei-ei-lig!"
Menélaos hechtete hinterher, nur langsam konnte er wieder klare Gedanken fassen. Zunächst ärgerte er sich, dass er mit seinen Gedanken schon wieder abgeschweift war. Das muss einfach aufhören, schoss es durch seinen Kopf. Dann bemerkte er, dass er noch einen betrunkenen Raufbold in der rechten Hand hatte, der mit jedem Schritt unsanft auf dem Boden aufschlug und dabei, wie ein Hund mit Schluckauf, leise winselte. Harry hielt sich an den schwarzen Backenhaaren von Menélaos fest und fluchte wie ein Reiter, dessen Pferd durchgeht. Menélaos hatte eine Idee, er bremste, zog eine kleine Kugel aus einem Beutel an seinem Gürtel und schmiss sie auf den unwahrscheinlich schnellen, dicken Kerl. Dann blieb er stehen. Harry riss durch die harte Bremsung ein kleines Büschel Backenbart heraus, konnte sich aber auf der Schulter halten. Erschöpft beobachteten die beiden, wie die kleine Kugel auf dem Kopf des Verfolgten aufschlug, eine mittelgroße, Pulverexplosion die Sicht für kurze Zeit verhüllte, um kurz darauf den Blick auf den schlohweißen, dicken, schnaufenden Kerl frei zu geben.
Harry brauchte einen kurzen Augenblick um sich zu sammeln und starrte den erschöpften, hustenden Dickwanst auf dem Boden an. Der dürre, lange Raufbold, dessen Kragen noch immer in der rechten Hand des Rekruten verweilte, juckste nur benommen.
"Was war das?"
"Mehlkugel, gepresst. Hab ich selbst erfunden. Die Hülle besteht aus einem 5 Millimeter dicken, sechsfach gehärteten Zucker-Safran Gemisch, der Rest ist gewöhnliches Mehl, mit Hilfe von..."
"Und woher hast du das Zeug?"
"Ich sagte doch war einmal Zuckerbäcker und..."
"Ich habe schon viele Zuckerbäcker gesehen, aber das hier scheint mir über die traditionelle Kunst dieses Handwerks hinaus zu wachsen."
"Naja, ich habe mich lange mit der Kondichemie beschäftigt."
"Alchemie?"
"Kondichemie, Sir."
"Was?"
"Die Kondichemie ist eine besondere Art der Alchemie. Sie verbindet das Konditorenhandwerk mit der Kunst der Alchemie."
"Du willst aus Eischnee Gold machen?"
"Nein, es geht viel mehr...."
"Rekrut, zunächst sollten wir uns um die beiden Verdächtigen kümmern. Wir unterhalten uns später. Hilf dem dicken Kerl mal auf die Sprünge."
Menélaos packte den in Mehl gehüllten Raufbold mit der noch freie Hand und hielt ihn mit genügend Abstand hoch. Er hatte große wässrige Augen, die aufgrund des Mehls stark am tränen und vom Alkohol gezeichnet waren. Ein murrendes Brummen wurde zusammen mit einer deftigen Alkoholfahne aus den kaputten Zähnen gepresst.
Der Gnom verschränkte die Arme und musterte die beiden Kerle.
"Also, raus mit der Sprache, was war da los?"
Der Dicke murmelte etwas und schaute verdrießlich ins Leere, der Große lallte etwas unverständliches und sabberte ein wenig vor sich hin.
"Etwas lauter und verständlicher bitte."
"Es ist bloß so eine Wettsache. Geht euch nichts an, wir wollen nur keinen Ärger...", murmelte der Dicke.
"Wir sind von der Stadtwache und wenn ihr nicht sofort auspackt wird das eine ziemlich lange, gemeinsame Nacht im Wachhaus."
Der Dicke hatte sichtlich keine Lust mehr. Sein ganzes Aussehen, und vermutlich auch seine Gedanken, schrien nach "Bett! Schlaf! Dunkelheit! Wasser!".
"Es ist nichts. Wir waren ein bisschen feiern, weil wir eine ordentliche Summe beim Wettspiel gewonnen haben. Und dann wollte Erik nicht mit meinem Anteil rausrücken."
Der Gnom hob eine Augenbraue und überlegte kurz.
"Auf was habt ihr bei wem gewettet?", sprach er.
"Bei Rillow, ein alter Freund von mir. Er hatte mich und Erik extra eingeladen. Wetten mit Sumpfdrachen. Was ist schon dabei?"
"Rillow gehört meines Wissens nicht zur Spielergilde und Spielereien mit Sumpfdrachen sind, seit dem das Gildenhaus der Spielergilde beinahe mehr Löcher hatte als eine Trollsocke, definitiv verboten."
"Ist nicht mein Bier!" brummte der Dicke.
"Es ist ganz schnell euer Bier wenn die Spielergilde bei euch aufkreuzt und ihren Anteil fordert, sollte das mit Rillow bekannter werden. Rekrut Menélaos, wir haben zu tun. Ihr zwei könnt gehen, aber seht euch besser vor."
Menélaos notierte sich noch die Namen der beiden Kerle und den der Spelunke in der man sie finden konnte, bedankte sich für die gute Zusammenarbeit, kassierte einen murrenden Kommentar vom Dicken und machte sich dann auf zum Pseudopolisplatz.
Sie schlenderten an der Konditorei "Zwirbelfrei: Gebäck und Süßwaren" vorbei...

"Bei der großen Rührschüssel, was hast du denn da angestellt?" Helmholz Zwirbelfrei war sichtlich schockiert, als er die blau leuchtende Masse in den Pastetenformen sah. Menélaos blickte stolz in das Gesicht des Zuckerbäckers. Er war voller Mehl und seine Hände waren taub vom vielen Teig anrühren, doch er war zufrieden.
"Ich habe einfach die Phosphoressenz von Glühwürmchen mit den Blaubeeren aus dem Garten vermengt und Gelee für die Pasteten daraus gemacht. Ich nenne sie Leuchtpasteten!"
Helmholz konnte die Begeisterung seines Schützlings nicht mit ganzem Herzen nachvollziehen, er hielt nicht viel von Alchemie und solchem Kram.
"Nun gut mein Junge, du hast für heute genug gearbeitet. Du kannst dich jetzt waschen und hast den Rest des Abends frei."
Menélaos strahlte, denn heute war er auf den Tag genau zwei Jahre mit seiner geliebten Luisa, der Tochter seines Meisters, zusammen. Er hatte für sie ein großes Lebkuchenherz gebacken. Genauer gesagt, er hatte es circa 40 mal gebacken und einen befreundeten Steinmetz gebeten, ihre Initialen so kunstvoll wie möglich hinein zu meißeln.
Es war bereits dunkel. Er wusch sich in einem Hinterraum der Konditorei das Mehl und den Schweiß vom Leib, pfiff ein Lied, zog seine gute Tunika an und stampfte die Treppe hinauf in die Wohnung der Zwirbelfreis. Der Gedanke an das strahlende Lächeln seiner Freundin trieb ihm ein eigenes, breites Grinsen ins Gesicht. Er wollte gerade anklopfen, als er ein Kichern hinter der Türe vernahm. Menélaos runzelte die Stirn und legte vorsichtig das Ohr an die Tür. Zu dem Kichern gesellte sich ein schelmisches, tiefes Lachen dazu und Menélaos Herz begann zu rasen. Das kann nicht sein, dachte er. Ratlos und verwirrt horchte er weiter. Als das Lachen leiser wurde und er hörte, wie die Fensterläden geschlossen wurde, fasste er einen Entschluss und er öffnete die Türe. Scheiterte allerdings am Schloss. Dann klopfte er an.
"Jaa?" erklang es gedämpft und es polterte kurz.
"Ich bin es mein Honigkeks, Menni!"
"Ach du Schatz, tut mir Leid ich bin gerade... müde und habe Kopfschmerzen."
"Oh, ich war mir sicher, dass du gelacht hast. Scheinen sehr lustige Kopfschmerzen zu sein!"
"Äh... nur ein paar amüsante Gedanken. Schatz, ich brauche nun etwas Ruhe, in Ordnung?"
"Ja Honigkeks..."
Menélaos kochte innerlich. Hielt sie ihn für so naiv? Er schaute aus dem Flur durch das Fenster nach draußen und beobachtete, wie ein bleicher junger Mann in Unterwäsche, einen Beutel aus Kleidung in den Armen, aus dem Zimmer seiner Freundin kletterte. Eine Träne rollte an Menélaos Wange herab. Das Lebkuchenherz und die Rippen des bleichen Kerls waren nicht die einzigen Dinge, die an diesem Tag zerbrachen...


"Menélaos! Stehen bleiben habe ich gesagt!"
Menélaos schüttelte seine Gedanken ab und hasste sich augenblicklich für seine Unaufmerksamkeit.
"Tut mir Leid Oberstabsspieß! Es fällt mir nicht leicht, aber ich werde daran arbeiten."
"Das musst du auch wenn du als Rekrut überleben willst. Wenn du in einem brenzligen Gefecht daran denkst, wie schön die Zeit bei Mama war, dann stehen die Karten schlecht, auch für deine Kameraden. Verantwortung ist das Zauberwort Rekrut, Verantwortung!"
"Ich habe verstanden Oberstabsspieß!"
Sie standen vor der kleinen, etwas schäbigen Ladenhütte des alten Rillow und schauten sich um. Es waren, trotz der späten Stunde oder gerade wegen ihr, noch viele Leute unterwegs. Der Laden war geschlossen.
"Seltsam, habe es eigentlich noch nicht erlebt, dass Rillow mal geschlossen hat." sagte der Gnom und kratzte sich am Kopf. Menélaos sah einige vermummte Gestalten in die Gasse neben Rillows Hütte verschwinden. Harry bemerkte seinen Blick und schaute sich die Leute an, die mit nervösem Blick zu den beiden Wächtern starrten und dann schnell irgendwelchen wichtigen Tätigkeiten nach kamen, wie am Bart kratzen und über den Platz schlendern oder imaginäre Tauben füttern.
"Gib mir dein Abzeichen und zieh dir deinen weiten Mantel über. Jetzt wird es etwas knifflig. Warte noch, bis wir außer Sichtweite sind."
Sie verschwanden im Schatten eines kaputten Wagens am Straßenrand und Menélaos tat wie ihm befohlen.
"Darf ich fragen, was das ganze soll?"
"Rekrut, du arbeitest jetzt zivil. Normalerweise wäre da jemand aus einer anderen Abteilung mit Ausbildung und Erfahrung angebracht, der dieser Sache verdeckt nachgeht. Allerdings bin ich ja bei dir, ich verstecke mich unter dem Mantel, pass also auf wo du hin trittst. Du bist für die nächste halbe Stunde zivil und interessierst dich brennend für das, was da hinten in der Gasse vor geht. Ich habe da so eine Ahnung. Denk daran, falls es Schwierigkeiten geben sollte, dann verwende Püschologie."
Harry hatte ihm, während sie auf Streifen waren, ein paar Sachen über die einfache Anwendung von Püschologie erklärt. Er zog sich also den Mantel um, den er ansonsten um die Hüfte geschlungen trug, und reichte dem Gnom seine Dienstmarke.
"Und behalte einen kühlen Kopf, Rekrut!"
Es roch wieder verdächtig nach Himbeere...

Menélaos huschte mit Harry unter dem Mantel in die Gasse und sah schon bald das Ziel der nächtlichen, verdächtigen Besucher. Er sah wie ein Mann in einer Seitentüre verschwand. Also schlenderte Menélaos durch die Gasse und schaute sich die Türe an. Massives Holz mit einem verschlossenes Riegelfenster dahinter. Er fasste sich ein Herz und klopfte vorsichtig an. Der Riegel wurde zurück geschoben und im Fenster erschien der Schemen eines steinernen Gesichtes.
"Was du wollen?"
"Nun ähm... ich will zu Rillow!"
"Wieso du wollen zu Rillow?"
Menélaos versuchte mehr zu erkennen, aber er kannte nicht sehr viele Trolle und es war nicht immer einfach sie zu unterscheiden, schon gar nicht in der Nacht und nur anhand ihrer Stimme und ihres Gesichtes.
"Wieso du wollen zu Rillooow??" Der Troll wurde ungeduldig. Menélaos schoss ins Blaue.
"Wegen der Wette!"
"Wie lauten die Losung?"
Himbeerduft erfüllte die Gasse und Menélaos dachte nach. Er hatte keine Ahnung von irgendeiner Losung.
"Naja, also die Losung... Nun, kennst du sie denn?" fragte er herausfordernd.
"Natürlich ich kennen die Losung! Sie lauten Holzfass!" Der Troll machte eine verwirrte Pause, als ihn das seltsame Gefühl ereilte, etwas falsch gemacht zu haben.
"Nun, das ist richtig. Die Losung lautet Holzfass!"
"Ja, sie lauten Holzfass!"
"Ja... darf ich jetzt rein?"
Der Troll bewegte sich nicht, ein leises Ächzen zeugte vom Denkvorgang des Steinhaufens hinter der Türe. Nach einiger Zeit wurde sie dann schließlich geöffnet und der Troll ließ ihn wortlos herein. Fackeln beleuchteten eine einfache Treppe, die einen engen Gang hinunter in einen Keller oder etwas ähnliches führte. Menélaos stieg sie vorsichtig hinab, darauf bedacht, sich nicht den Kopf an der niedrigen Decke zu stoßen und den Mantel über Harry geschlossen zu halten. Der Gang endete in einem großen, beleuchteten und runden Raum, der einen sehr seltsamen Anblick barg.
In der Mitte befanden sich verhüllte Käfige, die kreisrund aufgestellt waren und aus denen seltsame, hustende und krächzende Geräusche erklangen. Jeder Käfig war mit einer Nummer versehen und um die Käfige standen, mit gebührendem Abstand, circa 80 Leute herum. Es waren ranzige Gestalten und sie waren nicht selten verhüllt oder maskiert. Menélaos stellte sich in eine schattige Ecke, was nicht sehr einfach war, da die meisten Anwesenden die gleichen Lichtverhältnisse bevorzugten. Leises Gemurmel erfüllte den Raum und verstummte erst, als der alte Rillow in die Mitte der Käfige humpelte und sich räusperte. Er war ein hagerer, drahtiger, alter Kerl mit grauem Bart und einer Glatze.
"Meine sehr geehrten Besucher! Ich habe euch exklusiv eingeladen, um mit euch heute die neuste Sensation im Bereich des Wettspiels zu erleben! Sumpfdrachenlotto!"
Das Murmeln erklang erneut, lauter als zuvor und fragende Gesichter baten höflich mit einem "Kschhht!!" oder einem "Maul halten!" zur Ruhe. Rillow fuhr fort.
"Hier stehen 50 Käfige mit..." Es gab einen dumpfen Schlag und einer der Käfige flog einen Meter vor und verteilte einen Sumpfdrachen um sich herum.
"Ich korrigiere mich, es gibt 49 Käfig mit jungen, männlichen Sumpfdrachen. Sie wurden mit Schlummerblumen betäubt, und wie Sie sicher bemerkt haben lässt die Betäubung langsam nach. Sobald die Tücher gelüftet werden..."
Menélaos hörte aufmerksam zu und Rillow beeilte sich sehr mit der Erklärung, da die Geräusche aus den Käfigen bereits lauter wurden. Das Prinzip war einfach, jeder Spieler der wetten wollte, musste 6 Käfige benennen, die als letztes übrig bleiben. 6 aus 49, das war ein verlockendes Angebot, konnte man doch nie wissen, welcher Drache als nächstes explodierte. 49 männliche, junge Drachen, 49 Konkurrenten und Erhalter ihrer Art, 49 unberechenbare, kleine Bomben. Der Anteil der Gewinner wurde dann aus der richtigen Anzahl an Tipps und der Höhe des Einsatzes berechnet.
Menélaos beobachtete wie die Anwesenden eilig Zettel mit ihrem Tipp, ihrem Einsatz und einigen Dollar Wettgebühr bei Rillow abgaben und sich gespannt, mit genügend Abstand, um die Käfige versammelten. Als alle ihre Wetten abgegeben hatten trat Rillow vor und zog ein einem Bündel aus Seilen, die an den Tüchern befestigt waren, sprang zurück hinter die Reste einer kleinen Mauer und lugte hervor um sich das Spektakel anzusehen.
Die Nummer sieben musste als erstes dran glauben, als die Sumpfdrachen begannen, sich wie wild in ihren kleinen Gefängnisse aufzuregen. Bald schon folgten die nächsten Explosionen und mit jeder davon ertöhnte ein Aufstöhnen oder Jubeln der anwesenden Spieler, je nach dem, ob sie auf das jeweilige Exemplar gesetzt haben oder nicht. Menélaos war zugleich fasziniert, aufgeregt und erbost über diese Spiel. Er mochte Sumpfdrachen, sie bargen viele alchemische Geheimnisse und waren irgendwie niedlich. Als am Ende nur noch sechs Käfige jeweils einen lebendigen Sumpfdrachen beherbergten, wurde die Ziffern notiert und die Käfige schnell wieder verdeckt. Einer der Mitarbeiter trug einen Atemschutz aus feuchtem Tuch und ging herum. Er träufelte etwas dampfende Flüssigkeit in die Käfige hinein und zog sich dann zurück. Rillow trat erneut vor.
"Die heutigen Lottozahlen sind 4, 23, 28, 30, 34 und 45. Die Gewinner werden ermittelt." Ein Tumult bildete sich um Rillow, der zusammen mit seinen Mitarbeitern mühsam die Wettzettel sortierte und auswertete. Etwas zwickte Menélaos ins Bein. Er tat so als würde er seinen Hose richten und bückte sich.
"Menélaos, bring uns beide hier raus, darum kümmert sich ein Spezialist aus einer anderen Abteilung. Das ist zu groß für uns beide." flüsterte der Gnom.
In diesem Moment polterte der massige Leib des Tür-Trolls die Stufen hinab in den Raum und knallte auf den Boden. Ächzend rollte er sich herum und die Menge verstummte, als einige dunkel gekleidete Gestalten in Begleitung eines weiteren Trolls, der Mühe hatte durch den Gang zu robben. Die meisten hatten sich Karten und Symbole, Shamrocks, Hufeisen und allerlei andere Talismane angesteckt und einige trugen Knüppel oder hatten Ketten dabei. Das waren keine Assassinen und auch keine Diebe. Das waren Spieler und sie sahen mächtig wütend aus. Ein vernarbter Kerl mit kurzen blonden Haaren trat hervor und schaute sich um. Er trug eine schwarze Jacke und eine dunkle Hose, dazu gute Schuhe, ebenfalls schwarz. Ein goldenes Einhorn prangte neben einer Münze auf seiner Brust. "Rillow bleibt mit dem Einsatz und dem Schotter hier. Die anderen gehen, wenn sie keinen Ärger haben wollen. Bedankt euch bei Rillow dafür, ohne Genehmigung der Gilde sollte man keine so großen Spielereien in die Hand nehmen."
Die meisten, anwesenden Zocker dachte allerdings nicht daran sich ohne ihren Gewinn davon zu machen. Einige verließen hastig das Gewölbe und Harry zwickte Menélaos erneut ins Bein. Er beugte sich leicht herunter.
"Das gerät gleich aus den Fugen, fürchte ich. Wir müssen versuchen herauszukommen und die Wache informieren."
"Aber wir.. .wir sind doch die Wache oder nicht?"
"Wir sind genau genommen zwei Wächter auf einem einfachen Streifgang und haben Meldung zu machen! Es wäre blanker Wahnsinn sich zwischen die beiden Fronten zu stellen oder auch nur Partei zu ergreifen."
Das wollte Menélaos nicht so recht in den Kopf. Harry hatte sicher recht, es war das vernünftigste, sich mit den anderen zu verziehen und in der Wache Verstärkung zu holen oder zumindest eilig Meldung zu machen. Er schaute sich um und kratzte sich am Bart. Die Fronten hatten sich verhärtet, nun standen sich zwei Parteien wortlos gegenüber. Rillow schaute verdrießlich und etwas panisch auf die Spieler und die standen Rillow und seinen "Gästen" gegenüber.
"Vorwärts jetzt, Rekrut! Bring uns hier raus bevor es zu spät ist!"
Der Weg zum Gang nach oben war noch frei, die Spieler wurden allerdings ungeduldiger. Menélaos trottete zur Treppe, ging langsam an den Spielern vorbei die ihn aufmerksam ansahen. Er schaute noch einmal zurück und sah auf beiden Seiten je circa 20 Leute. Auf der Treppe hielt er inne. Vor ihm trotteten die letzten Gäste, die sich entschlossen hatten sich aus der Sache raus zu halten, vermutlich weil sie eh verloren hatten. Von unten erklang die Stimme des blonden Spielers.
"Rillow, Rillow, Rillow, dein Geschäft welkt wie eine Blume im Herbst. Eine törichte Idee von dir, ein so großes Ding unangemeldet zu organisieren und noch dazu so schlecht geheim zu halten."
Blumen?

Menélaos hatte eine Idee. Er beugte sich zu zu Harry runter.
"Sir, ich habe eine Idee. Kannst du gut werfen?"
"Was??" Der Gnom schaute verdutzt aus dem Mantel heraus. Die Spieler kümmerten sich nicht um die beiden auf der Treppe. Vermutlich standen draußen noch ein paar Spieler schmiere, aber der Treppengang war jetzt leer. Menélaos vergewisserte sich trotzdem, dass sie niemand bemerkte.
"Kannst du gut werfen Sir?"
"Nun, es geht denke ich, wieso fragst du? Wir müssen hier raus, Rekrut!"
Rillow schien dem blonden Spieler etwas entgegen zu schreien.
"Wir könnten alle im Keller für bestimmt 30 Minuten lahm legen. Das verschafft uns Zeit."
"Und wie sollen wir das anstellen?" Harry wirkte nervös und hatte sichtlich keine Lust auf Diskussionen. Der blonde Spieler begann, sich mit Rillow zu streiten.
"Sie benutzen Schlummerblumenextrakt, um die Drachen zu betäuben. Eine große Flasche davon steht bei Rillows Helfern auf dem Boden, am anderen Ende des Raumes. Die Ausdünstungen dieser Menge sollten reichen um die Herrschaften für einige Zeit schlafen zu schicken." Menélaos hob einen kleinen Stein auf.
Der Gnom schaute Menélaos mit einer Mischung aus "Hast du sie noch alle?" und "Warum ausgerechnet heute und wieso ich?" an. Die anderen Spieler begannen nun ebenfalls wüste Beschimpfungen von sich zu geben und der Troll knurrte laut.
"Wie sollen wir an die Flasche ran kommen?"
Menélaos grinste und setzte zu einer Erklärung an, doch er wurde unterbrochen.
"Rekrut Menélaos, wir verschwinden jetzt von hier, das ist nicht mehr unser Aufgabenbereich. Es ist unsere Pflicht so schnell wie möglich Meldung zu machen! Also geh jetzt die Treppe hoch. Die Hauptwache liegt direkt hier am Pseudopolisplatz!"
Menélaos wollte etwas erwidern, aber ein ausgesprochen energisches Zwicken ermahnte ihn zum Gehorsam. Im Keller wurde es immer unruhiger.
"Ja...Sir!" Er ließ den Stein wieder fallen.
Menélaos stapfte die Treppen hoch und sah drei Wächter die ihm den Weg versperrten. Menélaos war wütend.
"Wir wollen nur raus, keinen Ärger!" presste er hervor. Seine Stimme klang allerdings stark nach "Bitte provoziert mich, ich brenne darauf herauszufinden, ob man eure Unterlippen bis zum Hinterkopf ziehen kann!"
Der Gefallen wurde ihm allerdings nicht getan, denn die Spieler gingen auf Seite. An der frischen Luft beruhigte sich Menélaos ein wenig und er setzte seinen Ausbilder wieder auf die Schulter.
""Das Wachhaus ist da vorne! Menélaos, es tut mir Leid, aber solange uns ein Ausweg bleibt sind wir verpflichtet so schnell wie nur möglich Meldung zu machen. Wir hätten keine Chance gehabt."
Menélaos trabte wortlos im Laufschritt zur nahen Wache am Pseudopolisplatz.

Angespannt beobachteten Menélaos und Harry von der anderen Straßenseite aus, wie eine Truppe der Stadtwache in den Keller vom alten Rillow eindrangen. Nach wenigen Minuten konnte man ein gedämpftes Stöhnen und Husten vernehmen. Die Tür in der Seitengasse zu Rillow Hütte öffnete sich erneut und einige Wächter führten nach und nach schlohweiße, hustende und röchelnde Spieler, Zocker und einen erschöpften Rillow an die frische Luft. Einer der Wächter kam zu Menélaos und seinem Ausbilder herüber geschlendert.
"Da unten herrschte das blanke Chaos, die meisten lagen auf dem Boden und husteten. Einige haben auch versucht sich zu schlagen, es gibt allerdings nur wenig Verletzte. Wir werden erstmal überprüfen, wer alles überhaupt zur Spielergilde gehört und wer nicht. Es sind ein paar schräge Vögel dabei die schon zuvor auffällig geworden sind. Der Rest wird Gilden intern geklärt. Naja, was für eine Szenerie. Es war alles voller Mehl! Frag mich bloß nicht woher das kommt!"
Harry kratzte sich kurz am Kopf, lächelte schief und blickte dann langsam in Richtung Menélaos.
"Zeig mir doch mal deinen Beutel mit den Kugeln, Rekrut."
Ein unschuldiges Pfeifen, ein Grinsen und ein frecher Hauch Pfefferminz waren seine Antwort...
[1] Er beließ es bei einem improvisierten Einlauf mit Schlagsahne, als er die beiden Zwerge betrunken in einer Gasse fand. Die Konditorengilde schrieb bis zu einem gewissen Grad Selbstjustiz vor.

[2] Die Idee wurde ein halbes Jahr später fallen gelassen, als das Lokal vermutlich durch eine zu hohe Dichte an Gegensätzen implodierte




Für die Inhalte dieses Textes ist/sind alleine der/die Autor/en verantwortlich. Webmaster und Co-Webmaster behalten sich das Recht vor, inhaltlich fragwürdige Texte ersatzlos von der Homepage zu entfernen.

Feedback:

Von Bjorn Bjornson

26.08.2008 20:24

Sehr schöne Idee. Schön geschrieben. Ich freue mich schon auf weitere Geschichten deinerseits.Südländer gibt es nebenbei nicht, du meinst ohl Randwärtsler ;)

Von Glum Steinstiefel

26.08.2008 20:24

Sehr schön. Ich habe noch von keinem Rekruten gelesen, der dem Drang widerstehen konnte irgendetwas zu unternehmen, aber ansonsten wäre es ja auch langweilig, nicht wahr? Zu deinem Charakter: Alleine die Angewohnheit der Duftmarke macht ihn symphatisch. Wenn du jetzt noch die Handlung ein wenig abwechslungsreicher gestalten kannst, dann steht einem flotten Werdegang nichts mehr im Wege... :)

Von Norti Rabenpelz

26.08.2008 20:24

Ich wage zu befürchten, das ich wie Rupert schon bemerkt hat Konkurenz bekommen werde. Weiter so. Ich bin ja mal gespannt was dir ncoh so alles einfällt auch wenn ich noch nciht weiß wie du dei Mehlkugeln im Keller gezündet hast.

Von Harry

26.08.2008 21:42

Sehr schön, Rekrut. Ich bin stolz auf Dich ;-) Und Du hast mich sehr gut getroffen, finde ich. Hut ab!

Von Menélaos Schmelz

27.08.2008 12:27

Also Die Mehlkugeln müssen nicht gezündet werden. SObald man sie hart genug auf den Boden wirft, zerplatzen sie, wie ein dicker Lutscher oder ein Bonbon. Und Mehl verteilt sich ja sehr gerne, ich schreib mir die Rezepte irgendwann auf. :D



Und vielen Dank für das Feeback, ich freue mich, dass die Geschichte so gut angekommen ist! :)



EDIT: Oh ich habe gerade erst gelesen, man soll nicht unbedingt nach zwei postings schon antworten. Also ich bin jetzt ganz still, falls jemand noch was schreiben will :scheinheilig:

Von Nyvania

27.08.2008 16:37

Scheinbar habe ich doch kein Feedback geschrieben. Bergessliches selbst...ohje^^



Ich muss sagen, dass mir die Geschichte ebenfalls sehr gut gefallen hat. Da kann ich mich meinen Kollegen nur anschließen =)

Die Sache mit den verschiedenen Duftnoten finde ich sehr genial. Vor allem aber auch die Geschichte dazu. =)

Die Stadtwache von Ankh-Morpork ist eine nicht-kommerzielle Fan-Aktivität. Technische Realisierung: Stadtwache.net 1999-2024 Impressum | Nutzungsbedingugnen | Datenschutzerklärung