Schichten! Oder: Eine Djelibebische Zwiebel

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von Gefreiter Ptupekh (DOG)
Online seit 01. 08. 2008
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Es steht eine Unterrichtsstunde im Verkleiden und Erkennen von Gildenkleidung an. Für jemanden, der sowieso schon vermummt ist, sollte das doch kein Problem sein ... oder?

Dafür vergebene Note: 9

Ein weiterer Tag brach an.
Ptupekh erwachte von seiner nächtlichen Ruhe und erschrak, da die Sonne schon hoch am Himmel stand. Hastig richtete er seine Mullbinden vor einer großen Spiegelscherbe zurecht, die an einer Kommode lehnte. Die Kommode hätte mit ihrer Blasen werfenden Lackierung und ihren zahlreichen Kratzern wahrscheinlich viele Geschichten aus der Vergangenheit erzählen können. Wenn Kommoden sprechen könnten. So war sie nur eine Kommode, die als Spiegelständer fungierte.
Als die Mumie schnell und unordentlich ihre Kleidung überzog, verfluchte sie sich selbst, denn es war einer jener Sommertage in Ankh-Morpork, an denen man die Luft mit einem rostigen Buttermesser hätte schneiden können. Die Kleidung hingegen, die Ptupekh zum Verbergen seines Mumiendaseins nutzte, wirkte eher so, als wolle er auf eine lange Expedition in den Nichtsfjorden gehen.

Doch das kümmerte ihn nur am Rande, da er heute eine weitere Einheit seiner Ausbildung zum Husky hatte, zu der er bereits zu spät war.
Als Ptupekh aus dem Haus flitzte, hatte er schon ein Bild von dieser Lieselotte im Kopf, mit der er heute eine Übungsstunde hatte. Er erwartete, von einer strengen, lehrerhaft gekleideten Wächterin enttäuscht empfangen zu werden, und dieser Gedanke spornte ihn dazu an, noch schneller zu laufen.

Auf dem Weg dorthin zwangen ihn ein umgestürzter Planwagen sowie mehrere zeternde Alte und ein, aus welchen Gründen auch immer, über die Straße verteilter Obststand dazu, mehrere Umwege zu laufen, und das, obwohl er sich in der großen Stadt noch nicht allzu gut auskannte.
Es waren Momente wie diese, die Ptupekh innerlich darüber lächeln ließen, dass seine Lunge nicht mehr schmerzend protestieren konnte, denn diese hatte er vor einiger Zeit zurückgelassen [1].
So betrat er also ruhig wie immer die Boucherie, und suchte zunächt einmal den Raum, in dem die Übungsstunde stattfinden sollte.

Er dankte allen djelibebischen Göttern, die ihm in diesem Moment einfielen, dass es der Raum genau gegenüber des Eingangs war, und langes Suchen ausblieb, und so klopfte die Mumie unsicher und ein kleines bisschen ängstlich an die Tür.

Eine ganze Weile tat sich nichts.

Nervös sah Ptupekh sich um, ob er vielleicht beobachtet wurde. Nur eine schwarzhaarige Dame stand herum und winkte Ptupekh zu.
'Die Arme', dachte er sich, 'Sie hat scheinbar etwas im Auge, so wie die mit den Wimpern klimpert.'
Wieder klopfte Ptupekh an der Tür, doch irgendwie schien diese Schwarzhaarige sich direkt in sein Unterbewusstsein gedrängt zu haben. Er fühlte sich beobachteter denn je.
Nach wenigen Augenblicken, die Ptupekh wie eine Ewigkeit vorkam, öffnete sich die Tür, und die Mumie salutierte reflexartig.


"Mä'äm, Rekrut Ptupekh meldet sich zu- oh! Ich bitte um Verzeihung, ich muss mich in der Tür geirrt haben. Ich, ähm, entschuldigen Sie die Störung, werte Dame."
Der Mumie bot sich ein Anblick, der in diesem Moment seine ganze Aufmerksamkeit forderte:
Eine blonde Frau, mit bleicher Haut und Lippen, die so rot waren, dass es fast in den Augen schmerzte [2] lehnte locker am Türrahmen und trug etwas, was Ptupekh nur von Erzählungen kannte, und offenbar der Bezeichnung "Kleidung" nicht wirklich gerecht wurde.
"Oh, Ohnein, du störst gar nicht, im Gegenteil, ich habe dich erwartet!" Sie schaute kurz in ein schwarzes Notizbuch, das sie aus dem Nichts hervorzuzaubern schien.
"Ptupekh, ja? Ja, genau für dich habe ich mir heute Zeit genommen. Komm doch rein."
Die Mumie stolperte einen Schritt zurück.
"Oh, wirklich, Gnäfrau, ich bin nicht hier für Privatbesuche, ich bin ..."
Lieselotte kam Ptupekh gefährlich nahe und legte ihm ihren Zeigefinger an die Stelle, an der Sie seinen Mund vermutete. [3]
"Du bist hier, um eine Unterrichtsstunde im ... Verkleiden und Ähnlichen Dingen zu nehmen, richtig? Ich bin Lieselotte, deine ... Mentorin für diese Stunde."
Ptupekh war vollkommen von den Socken.
Er fasste sich an die Stirn und betrat wortlos das Zimmer. Es war sehr schön eingerichtet, allerdings etwas zu gemütlich für Ptupekhs Geschmack. Er ließ sich auf einen gut gepolsterten Sessel fallen und versank für einige Momente in purer Scham.

"Also", fing die junge Dame an, "wollen wir anfangen?"
Bei diesen Worten rutschte ein Teil von Lieselottes Kleidung von ihrer Schulter, als sei es geplante Absicht, nur, um die eh schon eingeschüchterte Mumie weiter zu verunsichern. [4]
Ptupekh nickte schüchtern. "Ja, Mä'äm."
Ein glockenhelles Lachen erfüllte den Raum, als Lieselotte zum Ausdruck brachte, wie sehr der Vermummte, der ihr gegenüber saß sie amüsierte. [5]
"Erstens:Nenn mich bitte Lieselotte. Zweitens: Du müsstest dich dazu etwas ... von deiner Kleidung erleichtern, ist ja eh schon warm genug hier, und drittens: Du brauchst nicht nervös sein. Das sind alle am Anfang."
"Erstens: Ja, Lieselotte, Mä'äm. Zweitens: Ich mag es so, ich friere sehr leicht, weißt du? Und drittens: Entschuldigung, Lieselotte Mä'äm."
Wieder erklang Lieselottes Lachen.
"Ich mag dich, Kleiner. Also. Fangen wir mal an. Hinter diesem Paravent hier liegen ein paar Sachen. Ich möchte, dass du dich jetzt zuerst einmal so verkleidest, als wärst du ein Mitglied der Clownsgilde. Ich weiß, es ist viel verlangt, aber versuch es einfach, ja? Ich kann dir im Notfall ja immer noch helfen."
Ptupekh nickte, und verschwand hinter der Sichtblende. Dort lagen tatsächlich einige Kleidungsstücke, die einem direkt ins Auge stachen. Eindeutig Clownsgewandung. Die Mumie vermisste einen kleinen Hocker, da er seit seinem Tod ein wenig steif geworden war, und sich seitdem nur im Sitzen umgezogen hatte. 'Naja,' dachte die Mumie, 'muss ich es wohl einmal ohne versuchen.'

~*~


Lautes Rumpeln erklang hinter dem Paravent.
"Alles in Ordnung da hinten?", fragte Lieselotte, die sich lässig im Sessel räkelte.
"J-Ja, ich *ächz* komme schon klar, danke, Lieselotte-Mä'äm!" kam eine etwas erstickt klingende Stimme hinter dem Paravent hervor.

~*~


Ptupekh fühlte sich lächerlich. Anders hätte man es nicht beschreiben können.
Er trug eine Glatzenperücke auf dem Kopf und viel zu weite, bunt karierte Kleidung sowie zu groß geratene Schuhe. Bei der Anbringung der Nase musste die Mumie erfindersich werden, da seine Nase nicht mehr so sehr hervorstach, wie sie es zu Lebzeiten noch getan hatte. Er hatte einen dünnen Streifen Mull an der Nase befestigt, und diesen an entsprechender Stelle angebracht. Und die vielen Schichten Schminke, die sein Gesicht "zierten", verdeckten wirklich gut die Mullbinden, die sonst sein gesamtes Gesicht bedeckten.
So stand die Mumie also da, sich offensichtlich unwohl fühlend, Im Röntgenblickstrahl von Lieselotte. [6]
Diese klatschte erfreut in die Hände.
"Sehr gut, das hast du wirklich gut gemacht! Als nächstes ... Kennst du die Beschwörergilde?"
"Selbstverständlich, Lieselotte, Mä'äm!"
"Fein, dann versuch mal, wie ein Beschwörer auszusehen. Improvisiere einfach ein bisschen."
Panisch stolperte Ptupekh erneut hinter den Paravent, und wühlte in dem Haufen aus Kleidung, fand aber keine Robe, die ein Beschwörer tragen würde. Er rief sich Lieselottes Worte ins Gedächtnis, er solle improvisieren, und schnappte sich ein Kleidungsstück, das zumindest grob nach Robe aussah.

~*~


Als Lieselotte sich wieder beruhigt hatte, tupfte Sie kokett ihre Tränen aus dem Augenwinkel.
"Also, wirklich, Ptupekh, so viel habe ich schon lange nicht mehr gelacht. Die Idee, ein Nachthemd zu einer Beschwörerrobe umzuwandeln, nicht schlecht, auch, wenn ein wenig Farbe und zusätzliche Stickereien nicht schlecht gewesen wären. Aber hier sind die Begebenheiten ja etwas anders als kurz vor einem Einsatz, nicht wahr?"
"Ja, Lieselotte, Mä'äm!"
"Gut! So, wie es aussieht, hast du die groben Züge Verstanden: Immer spontan und kreativ sein, damit arbeiten, was du schon hast, und ganz wichtig: fühle dich niemals, ich wiederhole: niemals unwohl in deiner Tarnung. Angst und Nervosität spüren deine Gegenüber. Ach, und noch etwas: Die Clownsschminke solltest du dir beim nächsten mal vorher entfernen."
"Ja, Lieselotte, Mä'äm!"
Lieselote kicherte.

Nachdem Lieselotte und die Mumie einige der größeren Gilden durchgegangen waren, fühlte sich Ptupekh hundsmiserabel. Sich vor einer Dame wie Lieselotte so dermaßen zum Narren zu machen ... Das würde er nie wieder wollen. Als Ptupekh dachte, dass es nicht mehr schlimmer kommen könnte, erlöste ihn die junge Dame von seinen Qualen.
"Bitte, Ptupekh, du darfst jetzt gehen. Ich hoffe, es hat dir auch ein bisschen Spaß gemacht. Und komm doch ab und zu mal bei mir vorbei, ich würde mich freuen. Vor allem, wenn mich jemand von so weit weg besuchen kommt."
"Ja, Lieselote, Mä'äm!", sagte die Mumie, salutierte zackig und verließ den Raum. Auf dem Heimweg (Es war schon fast Abend geworden) überlegte die Mumie, was genau Lieselotte mit 'weit weg' gemeint haben könne. Hatte sie etwa seine Tarnung durchschaut? Oder meinte sie schlichtweg seinen Dialekt? Mit einem Schulterzucken betrat er sein Zimmer und legte sich erneut zur Ruhe.
Am nächsten Morgen tauschte er das Kostüm, das er zuletzt getragen hatte [7] gegen seine gewohnte Alltagskleidung ein, und wollte erneut vor Scham im Boden versinken.
[1] Zusammen mit einigen anderen lebenswichtigen Organen, und ganz nebenbei auch seinem Leben

[2] , allerdings auf eine sehr angenehme Weise

[3] Sie traf nur knapp neben sein Nasenloch.

[4] Genau das war der Plan.

[5] Natürlich klang Lieselottes Lachen nicht wie Glocken.

[6]  Natürlich hatte Lieselotte keinen Röntgenblick, sonst wäre ihr direkt Ptupekhs Anomalie aufgefallen. [7a]

[7] Ein Näherinnenkostüm

[7a] Sein linker Ringfinger war etwas kürzer als der Rechte.




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Feedback:

Von Pismire

16.08.2008 18:41

Als Ausbildungssingle fand ich das ganze gut lesbar und flüssig geschrieben, sehr gradlinig an den Erfordernissen entlang - aber nichts, was einen wirklich vom Hocker haut

Von Glum Steinstiefel

16.08.2008 18:41

Als Ausbildungssingle ganz gut. Bin mal gespannt, wie eine Mumie sich aktiv als "Spion" anstellt :D

Von Ruppert ag LochMoloch

16.08.2008 18:41

Als Ausbildungsmission ist die Geschichte gut gelungen. Die verschiedenen Verkleidungen zu improvisieren ist eine Husky-Kunst der über die ich mir bisher noch keine Gedanken gemacht hatte. Die Umsetzung war auch ganz gut, aber da muss ich ein paar Abstriche machen. Als Fan von Fußnoten haben sie mich hier etwas genervt, denn sie haben weder etwas zur Handlung beigetragen noch waren sie besonders amüsant. Einige hätten mehr "Effekt" gehabt, hätten sie direkt im Text gestanden (Näherinkostüm, Nasenloch, Ringfinger) andere waren irgendwie "öde" (Glocken, Röntgenblick), auch wenn ich zugeben muss, dass ich so was auch schon mal bringen könnte ... ;-)Und generell schwebte über mir die Frage: Warum ist die Mumie verlegen in Gegenwart einer Näherin. Ich meine, sie hat ja eigentlich nichts mehr was sie verlegen machen könnte, oder? Also Drüsen und so.

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